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Papilio

Buchstabier mir Hoffnung
von

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Bei Nacht und Nebel

Rein kommst du mit links. Raus noch nicht mal mehr mit rechts.
 

"Achtung! Da kommt einer!"

Vor mir gibt es einen leichten Ruck und ein Ellbogen stößt mir schmerzhaft in die Seite. Josha’s Augen sind groß und rund vor Schreck, als er sich hastig zu mir umdreht.

Irgendwo in der Ferne sehe ich das Licht einer Taschenlampe aufblitzen, Schritte bewegen sich auf uns zu. Mein Herz schlägt so schnell, dass ich Angst habe, es kann sich jeden Moment überschlagen.

"Los, lass uns abhauen!" Josha packt mich am Arm und zerrt mich vorwärts.

Langsam beginnt mir diese Situation hier ganz und gar nicht mehr zu gefallen. Obwohl ...eigentlich kann ich mich nicht erinnern, dass sie mir überhaupt jemals gefallen hat.

"Spinnst du? Marlo und Raupe sind noch da drinnen", raune ich. "Wir sollten Wache halten! Wir können sie nicht zurücklassen!" Irgendwie gelingt es mir, mich von ihm loszureißen. Josha sieht mich einen Sekunde lang zögernd an, dann schüttelt er den Kopf.

"Nicht unser Problem."

Die Schritte sind mittlerweile ziemlich nah. Verdammt nah.
 

"Hallo? Ist da wer?"
 

Josha zuckt zusammen. Panik steht ihm in fetten Großbuchstaben auf das Gesicht geschrieben, erneut spüre ich ein Zerren an meinem Jackenärmel.

Von Marlo und Raupe weit und breit noch keine Spur.

"Und wenn sie die beiden erwischen?", fragte ich.

"Was kümmert’s uns?"

"Und wenn Marlo uns bei den Bullen verpfeift?"

Josha starrt mich an. Ich starre Josha an.

Noch im selben Moment setzen wir uns in Bewegung. Mit beinahe athletischen Leistungen hieven wir uns über die Mauer und sprinten durch den kleinen Hinterhof. Gerade noch rechtzeitig.

Marlo kommt mit Geächze aus dem einst mit Holzbrettern verbarrikadierten Kellerfenster geklettert und klopft sich den Staub von den Klamotten - ohne sichtbaren Erfolg.

Hinter ihm huscht Raupe hervor. Einige Spinnweben haben sich beim Einstieg in den Keller in seinen Haaren verfangen, doch er macht keine Anstalten, sie zu entfernen. Marlo wirft uns einen missbilligenden Blick zu.

"Was gafft ihr so?", blafft er. Josha schluckt.

"Draußen ist jemand", haucht er. "Dion und ich wollten -"

"Schnauze. Ab über die Mauer!" Selbst in solchen Situationen lässt er gnadenlos den Boss raushängen. Ich weiß nicht, ob ich Marlo deswegen nun bewundern oder fürchten soll.

"Geht nicht." Ich schüttele hastig den Kopf. »Da steht jetzt einer.«

Raupe sagt nichts. Sein Gesicht ist mit einem Mal kreideweiß geworden, die schwarzen Augen zucken nervös.

Und noch im selben Moment stürzt jemand von hinten auf Marlo los. Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde, aber auf einmal merke ich, das Josha zu laufen beginnt.

"Dion! RENN!" Marlo drückt mir mitten im Gerangel einen zerknautschten Rucksack in die Hand. Ich fackele nicht lange und presche los. Nicht mehr umdrehen. Nicht mehr stehen bleiben. Nicht mehr denken. Nur noch rennen.

Das hämmernde Geräusch meiner Turnschuhe auf dem Asphalt dröhnt in meinem Kopf, das Blut rauscht mir in den Ohren. Es ist ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann. Angst. Panik. Verzweiflung. Aber es macht auch Spaß. Ja, auf eine komische, verrückte Art und Weise macht es auch Spaß.

Bald habe ich Josha aufgeholt. Gemeinsam ziehen wir uns die Mauer hoch, es ist uns egal, ob dort jemand auf uns lauert, wir haben längst aufgehört uns Gedanken zu machen. Bloß weg. Schnell abhauen. Das ist das Einzige, was uns beschäftigt.

Josha gerät nach dem Sprung von der Mauer ins Stolpern, ich renne weiter. Hände packen mich, Taschenlampen flackern. Es sind nicht viele. Höchsten vier Mann. Ich trete, schlage und zerre, ohne zu registrieren, ob ich mein Ziel überhaupt treffe oder nicht. Letztendlich gelingt es mir sogar, mich loszureißen.

Jetzt habe ich wieder eine Chance. Ich meine, nicht das ich jemals eine große gehabt hätte, aber nun ist es ein Leichtes, meine Verfolger in den vielen dunklen Gassen abzuschütteln. Manchmal liebe ich diese Gegend.
 

Millionen Schritte über den Asphalt. Stolpern. Stürzen. Weiterrennen. Rasender Herzschlag. Keine Luft. Und trotzdem keine Pause.

Irgendwann breche ich in einem düsteren Straßenwinkel zusammen. Meine Lunge schmerzt bei jedem verdammten Atemzug. Rauschen in meinen Ohren. Erst jetzt merke ich, dass ich Marlo’s Rucksack verloren habe. Verflucht.

Alles ist schiefgelaufen. Und dabei habe ich doch schon vor ein paar Tagen gesagt, dass ich diesmal nicht mitmache. Wie eine Vorahnung.

"Ich bin draußen, Leute."

Wie einfach wäre es gewesen, das zu sagen. So einfach ...und tödlich zugleich.

Einbruch.

Marlos Gesicht taucht vor mir auf. Er grinst dieses gefährliche, breite Grinsen. Wie immer, wenn er wieder eine Dummheit ausheckt. Ich hasse es.

Dummheit. Verbrechen.

Wann habe ich nur verlernt, diese beiden Dinge auseinander zu halten?
 

"Heute Nacht", prophezeit der imaginäre Marlo verschwörerisch. "Starten wir ein richtig dickes Ding."
 

Schritte nähern sich. Hastig und aufgeregt. Automatisch halte ich den Atem an, kauere mucksmäuschenstill und zusammengerollt wie ein Embryo in der dunklen Ecke. So lange, bis es wieder ruhig ist.

Die Gefahr scheint vorüber. Langsam, ganz langsam setze ich mich auf und lausche. In der dunklen Gasse ist es totenstill. Nur der raue Nachtwind pfeift um die Häuserblöcke. Gerettet ...

Doch da, plötzlich, trifft mich der Schein einer Taschenlampe.

"Dion?" ein schmaler Schatten wirft sich über mich. Schmal und klein. Die Stimme ist nicht mehr als ein schwaches Piepsen.

"Raupe!" Mit einem Mal springe ich auf und stürme auf den Kleinen zu. Raupe’s Gesicht ist kreidebleich. Die Lippen sind zu einem dünnen Strich zusammengekniffen, das pechschwarze Haar vom vielen Rennen ganz zersaust.

"Ist alles okay mit dir?"

Zaghaftes Nicken. Die zwei giftgrünen Haarsträhnen, die wie Fühler aussehen, wippen dabei auf und ab.

"Ist dir jemand gefolgt?"

Kopfschütteln.

Ein Gefühl von Erleichterung macht sich in mir breit. Vielleicht ....nur vielleicht, ist ja diesmal doch noch alles gut gegangen. Vielleicht.

Es kommt mir vor, als würden Raupe und ich eine halbe Ewigkeit einfach nur so da stehen und atmen. Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen.

Was ist passiert, nachdem Josha gestolpert ist? Ist er entkommen? Wann habe ich den Rucksack verloren? Wo habe ich ihn verloren? Wird Marlo sauer sein?

Was ist überhaupt mit Marlo? Ist er in Sicherheit? Was ist, wenn ihn der Kerl überwältigt hat? Was, wenn Marlo nicht mehr zurückkommt?

Ich weiß, es ist hinterhältig und alles andere als lobhaft, aber dieser Gedanke gefällt mir. Er gefällt mir sogar immer mehr. So sehr, dass sich der Anflug eines Lächelns auf mein Gesicht stiehlt.

In diesem Moment ist auf einmal alles wieder in Ordnung. Kein Marlo mehr. Keine Einbrüche mehr, keine Diebstähle, Schlägereien und Dummheiten. Die Konsequenzen? Nicht weiter relevant.
 

Auf einmal beginnt Raupe zu wimmern. Er dreht sich erschreckt um und plötzlich ist es so, als würde ich gewaltsam von unsichtbaren Klauen wieder zurück in das dunkle Loch gezogen.

Marlo. Mit schlurfenden Schritten schleppt er sich vorwärts. Blut klebt an seinem rechten Mundwinkel, das eine Augenlid ist dick angeschwollen. Wahrscheinlich ist er dem Schein von Raupe's Taschenlampe gefolgt. Ich könnte mir in den Hintern beißen, nicht vorher daran gedacht zu haben. Marlo schweigt. Raupe und ich halten den Atem an - irgendetwas stimmt nicht.

"Wo ist Josha?", frage ich.

Marlo mustert mich wortlos. Seine Augen sind zu zwei schmalen Schlitzen zusammengezogen, sie suchen nach etwas, können es jedoch nicht finden und ruhen schließlich auf meinen bloßen Händen.

"Und wo ...", knurrt er dann. "ist der RUCKSACK?"

Raupe zuckt augenblicklich zusammen. Ich stehe da wie angewurzelt. Unfähig, mich in irgendeiner Weise von der Stelle zu bewegen.
 

Vielleicht ...nur vielleicht ...
 

Marlo verzieht das Gesicht. Er holt aus. Und schlägt zu.
 

... fängt aber auch gerade erst alles an, richtig schief zu laufen. Und zwar so richtig, richtig schief.
 

***



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2006-10-05T20:02:26+00:00 05.10.2006 22:02
Tjaa~
habschs also endlich gelesen *g*
Was soll ich sagen? Erst mal: Ich finde es gut! Gefällt mir!
Dann: Die Stimmung ist so gut wie im Prolog, will das nicht noch mal schreiben, auch das mit dem Film, toll!

Besonders süß dein einziger schreibfehler:
...das pechschwarze Haar vom vielen Rennen ganz zersaust.
xD

Ich find nichts schlimes daran das es irgendwo anfängt, auch ich liebe solche geschichten, sind einfach spannender*-*
Bloß ist es noch schwer den sinn zu erkennen, was dieses kapitel genau gebracht hat im zusammenhang mit der story die ich ja schon kenne...
aber ich glaube das kann man erst später erfahren oder?
Die charaktere sind gut beschrieben, obwohl du das gar nicht gemacht hast kann man sie sich super vorstellen!
Die Hauptfigur und seine gedanken liebe ich! Find ich toll! EInerseits negativ und sarkastisch, dann wieder anders~
Weiß auch nicht, mir gefällts und ich freu mich aufs nächste :D!!

Ps: DU machsts spannend, weil man wissen will wer die verdammte person mit dem mal ist und du im ersten kapi die leser so so zu sagen bissl ärgerst xD sehr gut!
Mach schnell weiter!!


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