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Raftel (1)

When Spirits Are Calling My Name ...
von

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37 - Unter einem klaren Vollmondhimmel

Kaum war die Strohhutbande schon ein paar Meter voraus über den Pfad um die Hügel herum allen Blicken entschwunden, begann sich Merkwürdiges unter den verkohlten Überresten der Baracke zu regen. Zwischen dem Feuerrauch mischte sich ein schneeweißer Nebel und stieg elegant in sich gewunden zum Himmel auf. Knapp über dem Schutt verfestigte sich diese sonderbare Wolke zu einer kurzen Säule, die schnell menschliche Gestalt annahm. Smoker war wieder auf die Füße gekommen und war Luffys faustgeschlagenen Fluchtweg hinaus auf den Vorplatz gefolgt, wo sich nun dem Admiral ein ziemlicher Trümmerhaufen bot. Verletzte und geschlagenen Soldaten versorgten Kameraden, Hina keifte mit einer Frisur von weit abstehenden und verkohlten Haaren Befehle umher und ließ in Gewahrsam genommene Marineangehörige auf ihr Schiff bringen. Der Raucher beobachtete noch eine Weile mit finsterer Mine das Treiben auf dem Hof und stieg dann langsam zu Hina herab. Seine Laune war eisiger als das Eis der Polkappen. Kaum hatte er eine Zigarre angezündet, so war sie schon aufgeraucht. Die Tabakindustrie müsste eine wahre Freude an diesem Konsument haben.

„Na, eine schöne Pleite haben wir uns da eingefangen!“ begrüßte Hina ihren alten Bekannten sarkastisch. Da dieser nämlich gleich von Bord hinunter zu den Verhörkammern gegangen waren, hatten sie beide noch nicht die Gelegenheit gehabt, das ein oder andere Wort zu wechseln, obwohl sie seit Kosa stets nebenher gesegelt waren.

„Halt den Mund!“ kam es nur mürrisch zurück. „Wie siehst du überhaupt aus?“ Damit meinte Smoker ihre aberwitzige Frisur und die vielen kleinen Brandflecken, die er doch recht erstaunt betrachtete.

„Das war diese orangehaarige Ziege! Wenn ich die erwische!“ zeterte die ranghohe Marineoffizieren aufgebracht und pofte ebenfalls an einer Zigarette, die schräg in ihrem Mundwinkel hing. Im Rauchen stand sie Smoker in Nichts nach und vermutlich wäre Sanjis Rauchgewohnheit ein Nichts zu diesen beiden.

„Die werden sicher nicht sofort abhauen! Wir finden die schon!“ gab Smoker zurück und befahl einigen Soldaten, sein Smoke-Bike zu holen. In seinem Kopf formte sich ein neuer Plan. Er sann auf Rache für diesen bodenlosen Frevel.

Kaum kam sein fahrbarer Untersatz angeraucht, grabbelte er nach der dort am Lenker angebrachten DenDenMushi und ließ sich mit den Marinehauptquartier verbinden. Es würde schwer werden, Verstärkung anzufordern, wo er doch gerade zwei Niederlagen einstecken musste und obendrein ein Stützpunkt in Schutt und Asche lag.

„Lass dir mal eine kreative Ausrede einfallen, Hina!“ blubberte er sie an, noch bevor jemand am anderen Ende der Leitung im Hauptquartier abnehmen konnte.

„Schon wieder eine Ausrede? Wofür? Dass die Strohhüte weg sind? Dass die Basis gefallen ist? Oder dass dein persönlicher Liebling nicht hier geblieben ist? Ich habe dir vor Wochen schon gesagt, dass Tashigis Abgang zu begrüßen ist. Sie taugte nie etwas in der Marine und wird es in Zukunft auch nicht tun. Das hast du selbst einmal gesagt. Sei doch froh, dass sie weg ist! Obwohl: Ihr Dummheit fehlt als Belustigung schon manchmal.“ Obgleich Hina stets solch einen Sarkasmus am Leibe trug, war sie heute mehr als gereizt. Sie zauselte sich durch ihre Haare und klopfte ihren Mantel aus, aber die Kampfesspuren blieben. Smoker wollte ihr gerade noch eine Drohung aufgrund ihrer Äußerungen an den Kopf werfen, doch in diesem Moment nahm die Rufzentrale ab und leitete ihn gespielt freundlich weiter. Das Telefonat dauerte eine längere Zeit an und die Laune des Qualmers wurde nicht besser. Aus den Wortfetzen konnte Hina heraus verfolgen, dass die Marineleitung nicht gerade von den Vorfällen begeistert war, doch stimmte sie nach längeren Verhandlungen zu, Verstärkung zu schicken. Es sollte eine Flotte zusammen gezogen werden, wie man sie schon seit langer Zeit in keinem Gewässer mehr gesehen hätte. In gut vierundzwanzig Stunden würde sie die Insel erreichen. Die Schlacht konnte beginnen!
 

Der Rückweg der Piraten zur Sunny war recht still verlaufen. Obwohl die Rettungsaktion besser als geplant verlief, wussten sie doch, dass Smoker nicht ruhen würde, solange sie auf ein und derselben Insel waren. Es war also oberste Vorsicht geboten. Sie beschlossen daher gemeinsam, die Bucht zu wechseln. Ihr Zeltlager in der alten Bucht war schnell geräumt und kurze Zeit später befanden sie sich wieder auf Fahrt. Nami steuerte das Schiff durch einige Riffe hindurch und dann in eine sehr enge Klamm hinein. Das Meerwasser toste hier so laut, dass sie sich nicht verständigen konnten. Es peitsche an den Wänden hoch und dort, wo es an den Felsen verblieb und in der Sonnenwärme trocknete, bildeten sich bizarre Meersalzfiguren. Erstaunlich, wie facettenreich diese Insel war. Am Ende der Klamm tauchte eine Höhle auf, die nach oben hin wie ein Krater geöffnet war. In ihr war das Wasser spiegelglatt und kristallklar. Man konnte den steinigen, tiefen Grund sehen. An den Höhlenwänden entlang schmiegte sich ein feiner, dünner Strand um sie herum und bildeten einen fast runden Kreis. Der Sand war so weiß und fein wie Pulverschnee. Über die nackten Felswänden stürzte vereinzelte Wasserfälle hinab in die Tiefe, doch ein Rauschen war hier drin kaum zu vernehmen. Die Sunny sah inmitten des Höhlensees klein aus wie ein Spielzeugschiff. Franky hatte es zusammen mit Usopp geschafft, ihr Schiff nun über eine bautechnisch geschickte Seiltreppenkonstruktion vom Ausguck hinauf mit dem oberen Kraterrand zu verbinden. Oben angekommen, konnte man nicht einmal aus der Nähe den Krater erahnen und das tiefe Geheimnis im Inneren des Hügels erraten. Sie hatten ein wahrlich gutes Versteck gefunden.

Der Tag verging wie gewöhnlich. Sanji kümmerte sich umgehend um ein mehr als reichhaltiges Buffet, um sich nicht länger das Gejammer des Captains anhören zu müssen. So konnte jeder nach eigenem Gutdüngen sich etwas zu Essen holen und dann seiner Wege gehen. Natürlich nutze Luffy die Chance dieser Selbstbedienung und der Koch hatte fast Mühe, der Fressgeschwindigkeit mittels Nachschub folgen zu können. Immerhin war es eine Ehre für ihn, den Tisch immer so mit Leckerein bestückt zu halten, dass man nie bis auf die Tischplatte sehen konnte.

Die beiden Tüftler hatten genug an der Seiltreppe gearbeitet und sich mit vollbeladenen Tellern in den Bauch der Sunny zurückgezogen. Die Werkstatt brauchte etwas Ordnung. So kramten und räumten sie den ganzen Nachmittag und wurden nicht mehr gesehen.

Die Navigatorin hatte sich mit Robin in der Bibliothek gemütlich gemacht, um ihre Seekarten von dieser Insel zu aktualisieren, während die Archäologin ihre Bücher nach Hinweisen zu den geheimnisvollen Kerzen wälzte.

Das Rentier hatte Tashigi vorsichtig verarztet. Die Schürfungen und blauen Flecken waren nicht so schlimm, wie sie aussahen. Dann hatten sie bis spät in den Nachmittag auf dem Sofa nahe des Steuers vor sich hergedöst und eine Mütze Schlaf genommen. Als sie erwachten, sah man nach oben durch das Kraterloch, dass der Himmel nicht mehr blau, sondern orange wurde. Die Sonne senkte sich zum Abend. Tashigi begann Shigure zu putzen, welches eine Reinigung dringend gebrauchen konnte, doch ihr Reispapier war weg. Sie seufzte bei dem Gedanken, Zoro anpumpen zu müssen. Er hatte seit der Befreiung kein Wort mehr mit ihr gewechselt und sich von ihr ferngehalten. Sie war vollkommen verunsichert, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Ein glücklicher Zufall kam ihr zu Hilfe. Da Chopper darauf bestand, dass auf Zoros Wunde auch ein Topf Salbe müsste, jedoch seine Widerspenstigkeit befürchtete, hoffte er auf Tashigis Hilfe. Sie bezweifelte zwar, dem Arzt helfen zu können, aber es war ein guter Vorwand, in Zoros Nähe zu sein. Beide kletterten nun hinauf zum Krähennest. Kaum steckten sie ihren Kopf durch die Luke, kam schon eine barsche Ansage:

„Ich hatte doch gesagt, Chopper, dass ich nichts von dir brauche!“

„Das interessiert mich nicht! Ich bin der Arzt und ich sage, da muss Salbe einmassiert und ein neuer Verband angelegt werden. Wenigstens bei der schlimmen Wunde am Hals!“ schimpfte Chopper zurück und drückte Tashigi eine Mullbinde in die Hand. „Hältst du die mal eben kurz?“ In solchen Situationen blieb er ebenso stur, wie es sonst nur sein Freund sein konnte. Gemeinsam gingen sie hinüber zu Zoro, der auf der Rundbank entlang der Fenster saß und seine Schwerter putze. Er hatte es noch nicht für nötig gehalten, sein zerrissenes Shirt gegen ein frisches einzutauschen oder sich den Dreck aus dem Gesicht zu wischen. Sein Gesichtsausdruck war sehr ernst, denn er versuchte angestrengt die vergangenen Ereignisse in sein Gedächtnis zurückzuholen. Doch es gelang ihm nicht, einige wichtige Lücken zu füllen, so sehr er sich auch anstrengte. Es verärgerte und verunsicherte ihn zugleich. Nie zuvor hatte er jemals einen Filmriss gehabt.

„Du hast Glück! Ich habe die Pinzette zum Fäden ziehen vergessen! Das rettet dich noch ein paar Minuten!“ triumphierte der Arzt siegessicher und verschwand wieder durch die Bodenluke. Die beiden im Ausguck Hinterbliebenen schwiegen sich an, bis der Schwertkämpfer sie fragend aufforderte:

„Erzähl’ es mir! Alles, was passiert ist, als du mich da im Kerker gefunden hast!“ Sie sah in verwundert mit großen Augen an. Doch es schien ihm so sehr wichtig zu sein, dass sie zu erzählen begann. Ihre Erzählung war schnörkellos, aber nicht langweilig. Kein Detail ließ sie aus und als Chopper zwischenzeitlich wiederkehrte, lauschte dieser nur gespannt ihren Ausführungen. Bereitwillig gab sie dem Schwertkämpfer Auskunft, wenn dieser manchmal nachhakte. Als sie geendet hat, wurde es schon langsam dämmerig, dass es nötig gewesen wäre, ein Licht zu entzünden. Zoro starrte ernstblickend aus dem Fenster hinaus. Die Stille in dem kleinen Ausguck lag wie Blei auf allen.

„Warum fragst du sie das, wenn du doch genau neben ihr standest?“ fragte Chopper verwirrt.

„Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie wir da durch die Wolken gingen...“ gab der Schwertkämpfer nun ernst, aber doch recht kleinlaut zu. „Da fehlt mir echt was. Wie so ein Filmriss...“

„Amnesie? Also das glaube ich nicht so ganz“, grübelte das Rentier fachmännisch und fand sich ganz in seiner medizinischen Welt wieder. Weiter kamen ihre Überlegungen nicht, denn Sanji kam vom Deck des Schiffes hinaufkletterte und steckte nun auch seinen Kopf durch die Luke:

„Wir wollen in einer guten Stunde zum Fest losgehen.“

„Dafür kraxelst du hier hoch? Wie liebenswürdig...“ witzelte Zoro böse zu dem Koch rüber, der nun wie der Blitz auf den Schwertkämpfer schoss, um diesen gehörig mit geschickten Kicks die Meinung zu sagen. „Das war ja auch nicht für dich, sondern für meine süße Tashigi-Maus!“ Ein großes Herzauge machte sich in Sanjis Gesicht breit und eine ganze Flut von kleinen rosa Herzchen stiegen säuselnd in den Himmel. „Wenn ich dich begleiten und die meine Ahnd reichen dürfte, meine Teuerste?“ flüsterte er ihr zärtlich zu und machte einen tiefgebeugten Diener.

Bei Zoro hingegen klickte im Kopf ein Schalter auf Konfrontation. Wie hatte der Kochlöffel eben seinen Engel betitelt? Tashigi-Maus? Der sollte bloß die Finger von ihr lassen! Das bedeutete Krieg! Die beiden Streithähne waren wieder in ihrem Element, die sich immer weiter in das Gefecht reinsteigerten. Eine Weile sahen das Rentier und die junge Frau unbeteiligt zu. Es wäre sinnlos, sich nun einzumischen. Sollten die sich doch hier austoben. Vielleicht wäre deren Hitzköpfigkeit wenigstens auf dem Fest vorübergehend ermüdet. Doch das wäre eher zu bezweifeln.

„Komm, Chopper! Wir machen uns für heute Abend schick! So, wie die sich eben hier benehmen, nehmen wir sie bestimmt nicht mit!“ sagte Tashigi nun gespielt arrogant. Dabei zwinkerte sie dem Arzt vergnügt zu. Sie konnte sich ein Lachen kaum verkneifen bei der Vorstellung, was die Macht der Worte gleich bewirken würde.

Kaum hatte sie den Satz fertig gesprochen, standen die beiden Streitenden wie zur Salzsäule mitten in der Bewegung erstarrt sich gegenüber. Beide wurden knallrot, als hätte jemand den Temperaturregler auf Sahara-Klima gestellt. Bei Sanji lag es daran, weil er eben von einer liebreizenden Dame einen unerklärlichen Korb bekommen hatte. Es hagelte zwar regelmäßig Körbe, aber so war er noch nie abgefertigt worden, denn man warf ihm schlechtes Benehmen vor. Das konnte er sich nun gar nicht erklären. Zoro war nur sauer und wusste eigentlich gar nicht so genau, weshalb. In der nächsten Sekunde aber pfefferten sich die beiden neue Handgreiflichkeiten und Worte um die Ohren. Doch da waren Tashigi und Chopper schon längst draußen aus dem Krähennest und verschwanden unten in ihren Zimmern.

Eine gute Stunde später zog die komplette Mannschaft los, eroberte einen Tisch in bester Festlage und verbrachten einige gemeinsame Stunden dort zusammen, bis sich die Tafel langsam auflöste. Das bunte Treibe veranlasste jeden, allein oder in Kleingruppen durch die Gassen zu schlendern. Gelegentlich trafen sie sich in dem Gewusel wieder.
 

Nein, er hatte sich sicherlich nicht verlaufen, die Anderen wären ihm sicherlich nur mal wieder abhanden gekommen, versuchte sich Zoro einzureden, als er bereits zum vierten Mal um den selben Häuserblock gelaufen war. Überall gab es nur diese widerlich süße Pflaumenzeug-Brühe. Das schoss einem zwar sofort in die Birne, aber der Geschmack war seiner Ansicht auf Dauer nicht zu ertragen. Das Sakefass ein paar Tische weiter war doch eine wahrlich bessere Beute. Als er jedoch den hölzernen Bottich klauend erobert hatte, war der Tisch der eigenen Crew außer Sichtweise geraten und so begann wieder einmal die Odyssee des Roronoa Zoro durch kleine Straßengassen, Hügelpfade, dunkle Buchten und wieder zum gleichen Ausgangspunkt zurück, wo er einst gestartet war. Nur an dem eigenen Tisch kam er nie vorbei. Es war wie verhext seit jeher. Nie hatte er sich diese Schwäche eingestehen wollen, aber nun kam er bereits zum siebten Mal wieder an ein und der selben Stelle an und da musste man schon ein wenig vor sich selbst kapitulieren. Wenn das bloß keiner mitbekäme. Der größte Schwertkämpfer der Welt fand seinen eigenen Weg nicht. Ein diabolisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Der Titel erfüllt ihn mit Stolz, auch wenn erst jetzt jede hinterste Zelle seines Körpers diesen Tatbestand endlich realisiert hatte. In der Aufregung der letzten Stunden war an Erlebnisverarbeitung und Auswertung gar nicht zu denken gewesen. Das kam nun ganz menschlich nach und nach. Er gab sich selbst noch einen allerletzten Versuch, den Rest der Mannschaft wiederzufinden. Ansonsten würde der leckere Inhalt dieses schönen Fasses anderorts seiner Bestimmung folgen müssen. Dem Fass wäre es egal und ihm selber allemal. Schon selbst ahnend, den Weg nicht finden zu können, nahm er sich von einem anderen Tisch noch einen leeren Krug mit, denn direkt aus einem Fass saufen gehörte sich wirklich nicht. Das Gedränge war hier allerdings viel zu groß und das Publikum viel zu besoffen, als dass es hier jemals auffallen würde.

Und so trabte er nun zum achten Mal los durch die vielen Menschen in Begleitung eines Holzfasses und eines Zinnkruges. Er überlegte, ob die Restmannschaft vielleicht sogar irgendwo in der Nähe saß, ihn beobachtete und sich scheckig lachte. Seine Miene verfinsterte sich für den Moment. Nein, als er vor vielen Stunden los ging, lag der Koch bei irgendwelchen Weibern in den Armen, und Nami und Franky soffen um die Wette. Die Navigatorin hatte es bis heute nicht geschafft, den Cyborg zu schlagen. Wie auch immer dieser Trick ging. Sicher waren Chopper und Usopp schon längst irgendwo betrunken und vollgestopft unter einen Tisch gesunken und schliefen tief und fest. Vielleicht wäre ihnen Luffy schon vollgefuttert ins Reich der Träume gefolgt. Nur die Archäologin würde wie immer kerzengerade auf ihrem Stuhl sitzen, an einem Longdrink nippen und lächeln, als hätte sie nie Böses gesehen. Es war ein sehr merkwürdiges Lächeln, was zwar lieb und vertraut wirkte, aber nicht ganz den Verdacht ausräumte, schon lange von Robin durchschaut worden zu sein. Eine eigenartige Frau! Auch wenn sie schon oft ihre Loyalität bewiesen hatte und vollständiges Mitglied der Gruppe war, so hob sie sich dennoch von ihnen allen ab. Aber wer tat das nicht? Jeder jagte seinem Traum nach. Schlagartig wurde dem Schwertkämpfer nun bewusst, dass er gar keinen Traum mehr hatte und somit aus der Gruppe der Tagträumer ausscheiden müsste. Was nun? Er hatte nie über die Zukunft nachgedacht. Nunja, er würde bei der Crew bleiben und mit Luffy zum One Piece schippern. Bis dorthin war es ja noch eine ganze Weile hin. Ob mal so ein Greenhorn auftauchen und ihn nun wegen des Titels herausfordern würde, wie er selbst es damals bei Mihawk gemacht hatte? Zoro grübelte. Klar würde das jemand machen! Also Vorsicht!

Er ging immer weiter und stellte nun fest, dass er mal wieder aus dem Dorf heraus gekommen war. Aber diese Stelle war neu und unbekannt. Vor ihm tat sich nun eine lange Treppe auf, die sich steil im Hang eines kleinen Hügels hinaufschlängelte. Rechts und links des Stieges waren aus Stroh geflochtene Bänder um die krummen Sträucherstämme geknotet worden und deuteten darauf hin, dass es sich vermutlich um einen heiligen Ort handeln könnte. Zoro hatte mit göttlichen Heiligtümern nicht viel im Sinn, weshalb er dem Ganzen wenig Beachtung schenket. Da er nichts besseres zu tun hatte und das Fass geleert werden wollte, stieg er über einige schlafende Gestalten am Treppenansatz hinüber und erklomm gelangweilt die Stufen nach oben. Es war nicht weit und so war er kurze Zeit später auf einer großen freien Fläche oben am Gipfel angelangt. Steinlampen beleuchteten wildromantisch den Steinweg zu einem kleinen Holzschrein, an dessen Außengitter unzählige kleine Täfelchen hingen. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sie sich als Ema mit Wünschen und Gebeten von unzähligen Menschen. In dem Altarraum schien bis auf ein paar abgebrannte Räucherstäbchen und geplünderten Opferschalen nichts zu sein. Obwohl die Steinlampen eine Ruhe ausstrahlten und diesem Ort etwas Unberührtes gaben, konnten sie nicht mit dem Vollmond und dem klaren Sternenhimmel konkurrieren. Man hörte nur das Rauschen des Meeres und vereinzelte Musikfetzen gepaart mit Stimmen, die verirrt hier hoch wehten. Man mochte kaum glauben, dass es hier inmitten eines tobenden Festes so einen magischen Hort von Stille und Frieden geben konnte. Nicht einmal ein paar hier hochverirrte Piraten, die ihren Suff ausschliefen, konnte diese Harmonie stören.

Längst hatte Zoro sich an den Rand des Platzes unter die Mondschatten der Büsche neben sein Fass gesetzt und den Krug eingetaucht. Zu allem Unglück war der Sake lauwarm und schmeckte wie der Schweiß von Pferdefliegen, doch der Durst trieb es dann doch unermüdlich rein. Das Fass war fast leer, als eine Person die Treppe hinauftorkelte, die er zwar nicht sofort sah, aber dessen Gefühlswellen nicht unbekannt waren. Er dachte erst, sich getäuscht zu haben. Seine Meinung änderte sich sofort, als die Gestalt nun etwas entfernt von ihm wie eine Erscheinung über den Steinweg auf den Tempel zuging. Mehr schlecht, als recht bekritzelte sie eine Ema und heftete diese recht unbeholfen an das Holzgitter des Schreins zwischen die anderen. Beim Weggehen wäre sie fast gestürzt, als sie tollpatschig auf den unteren Rand ihrer weiß-rosa geblümten Yukata trat und das Gleichgewicht suchte. Tashigi! Was zum Teufel machte die hier oben? Sturzbetrunken, heulend und ganz allein? Da war doch etwas faul. Es lag soviel Enttäuschung in ihr. War etwas passiert? Irgend etwas musste er auf seinen Abwegen heute Abend verpasst haben.

Gerade wollte er aufstehen und sie fragen gehen, aber er bemerkte ein altes Männlein, welches einen Reisigbesen in der Hand hielt und Tashigi nun ansprach. Gewiss war er der Schreinpriester, denn er trug die passende Kleidung. Sein Gesicht war rund und schrumpelig wie ein Apfel, seine Lippen zierten ein gutmütiges Lächeln und die Proportionen zwischen Kopf und Rumpf waren annähernd gleich. Er wirkte recht kompakt und reichte seiner ganzen Körpergröße nach Tashigi gerade man bis zum Oberarm.

„Vorsicht, junge Frau!“ sagte er ruhig und gutmütig. Mit seiner ausgestreckten Hand half er ihr wieder auf die Füße.

„Danke, es geht schon!“ gab Tashigi dankbar zurück und rappelte sich wieder auf. Dem Alten war nicht entgangen, dass die junge Frau vor ihm ein verheultes Gesicht hatte und erkundigte sich lieb nach ihrem Befinden. Es war nicht Zoros Art, andere zu belauschen, doch ihm wurde schnell klar, dass es hier um Wichtiges ging.

„Ich habe beschlossen, meine Crew zu verlassen,“ begann sie traurig.

„Och, das ist aber schade. Taugt die Besatzung nichts?“ Der Alte schien ein guter, selbstloser Zuhörer zu sein. Also schüttete Tashigi ihm ihr kleines Herz aus, während Zoro plötzlich ein Empfinden hatte, als wäre im mit voller Wucht ein Medizinball in die Magengegend getreten worden. Sie will weg?

„Doch! Es ist die beste Besatzung der Welt!“ versuchte sie Luffys Crew zu verteidigen. „Aber ich bin kein Pirat und werde auch nie einer sein. Und ich bin da nicht bei allen willkommen. Die Navigatorin hasst mich. Die Archäologin hat mich mal ganz schlimm angegriffen und mich gewürgt und mir das Knie verdreht. Seit dem tut es immer mal weh...“ Sie seufzt und der Schwertkämpfer spitze die Ohren.

„Der Koch nervt mit seinem ständigem Geschleime. Aber der Rest ist total in Ordnung“, versicherte sie. Zoro konnte sich kaum das Lachen verkneifen, als sie über Sanji redete. Er dachte nach. Gründe zum Gehen waren das nun aber alles nicht. Niemand hatte von ihr verlangt, ein Pirat zu werden. Sie konnte mitreisen und das war in Ordnung. Das schien auch ihr kleiner Zuhörer so zu sehen.

„Och, wenn es nur so ein paar sind, die Ärger machen... Wichtig ist doch, was der Captain sagt!“

„Aber einer von denen hat mich furchtbar betrogen und belogen. Er hat mich nur missbraucht, um seinen Kapitän freizubekommen. Ich bin da total reingefallen. Es liegt ihm gar nichts an mir. Überhaupt gar nichts! Und dabei ... “Sie konnte den Satz nicht zu ende bringen. Dicke Tränen kullerten unter ihrer Brille hervor die Wangen hinab.

Zoro sackte zusammen wie ein angeschossener Vogel, dass er fast kleiner war, als sein hölzerner Sakefreund neben ihm. Vor Wut hatte sich der Zinnkrug in seiner Hand zu einem Metallklumpen verformen lassen. Wie war die denn drauf? Das konnte doch nur dem Alkohol zuzuschreiben sein, denn sie war rappelpappel voll. Sie schien das Pflaumenzeug absolut nicht zu vertragen und schaukelte nun von einer Stimmung in die nächste. Bei ihrem Talent konnte das nur so Böse enden, als würde man einem Kleinkind Schere, Messer und Licht zugleich in die Patschehände drücken. Vorhin in der Gruppe hatte sie doch noch über jeden Blödsinn so herzlich gelacht. Und nun? Wie kam sie nur auf so einen Blödsinn? Bekanntlich sagten kleine Kinder und Betrunkene die Wahrheit. Mal sehen, was da so noch kommen würde.

„Och, das tut mir sehr leid für dich. Warum denkst du so etwas?“ erkundigte sich nun behutsam der Priester, als hätte er geahnt, dass sich ein wohlbekannter Schwertkämpfer in unmittelbarer Nähe neben einem Sakefass eben selbiges gefragt hatte.

„Manchmal tut er ganz nett und dann lässt er mich wieder stehen wie einen Regenschirm bei Sonnenschein. Ich verstehe das alles nicht. Aber er sagt ja auch nichts.“ Sie sah kalt in den Horizont auf. Der Alte hatte nun die Zusammenhänge verstanden und lachte:

„Ah, ich sehe schon. Du suchst keinen Nakama, sondern einen Freund!“

„Nicht mehr! Ich werde ihn fangen und ausliefern. So, wie ich es seit dem Beginn meiner Reise vor hatte“ sagte sie verbittert und blickte dem Priester hinterher, der sich entschuldigte, denn er müsste nun weiterfegen. Die Nacht wäre die einzig günstige Gelegenheit dafür.

Zoro hatte genug gehört. Sollte sie doch denken, was sie wollte. Es wäre ihm vollkommen egal. Sollte sie doch sehen, wie sie weiter klar käme. Und nie wieder bräuchte sie bei ihm ankommen mit diesem süßen Lächeln, welches ihm alles verzieh, diesen großen Kulleraugen, in die er so gern sah wie in einen Spiegel und diesem hübschen Gesicht, aus dem er gern ihre Haarsträhnen strich. Blöde Kuh, Schlampe, Biest, Miststück! Schon wieder dachte er an sie. Sie und ihre Wärme und Liebe. Oder die Fingerspitzen, die ihn des Nächtens gesucht und sich fragend an seine Haut geschmiegt hatten. Es waren nur zwei Nächte gewesen, aber sie wogen mehr als alle Nächte, in denen er allein gewesen war. Aber jetzt war Schluss. Noch einmal würde sie ihn nicht einwickeln. Mit diesem Beschluss wollte er diesen Ort schleunigst verlassen. Wütend sprang er auf und gab dabei seinem hölzernen Kameraden einen dummen Schubs, so dass er polternd umfiel. Mit einer unentdeckten Flucht war es wohl nun vorbei. Dann könnte er ihr auch kräftig die Meinung sagen. Langsam trat er mit verschränkten Armen aus dem Schatten heraus direkt auf sie zu. Mit jedem Schritt formten sich Sätze und Vorwürfe, die er ihr gern an den Kopf geworfen hätte, aber keiner dieser Sätze drückte die Sache zu seiner Zufriedenheit aus. Also verwarf er auf den wenigen Metern ein ums andere Mal seine Thesen ohne Bessere finden zu können. Erstaunt blickte sie ihn an, als könne sie sich nicht vorstellen, dass er es wirklich war. Ausgerechnet hier! Dann starrte sie wütend vor sich auf den Boden, ballte ihre zarten Hände zu Fäusten und suchte ebenfalls nach den richtigen Worten. Um keinen Pries wollte sie ihm nun in die Augen sehen.

Sie standen sich nun schweigend nur einen knappen Meter gegenüber. Wütend und aufgebracht. Verletzt und enttäuscht. Verunsichert und traurig. Unfähig, diese Situation zum Guten oder Schlechten zu wenden.

Ein lauwarme Brise zog vom brausenden Meer auf, zupfte sanft an den Ästen der Pflaumenbüschen die vertrockneten Blätter ab, trieb sie verspielt durch die sternenklare Luft und dann wieder raschelnd über den steinigen Boden. Der Wind zog weiter, ließ die Kleidung der beiden Regungslosen leicht mitwehen und strich über ihre Haare. Immer noch hielt Tashigi den Kopf gesenkt und genoss, wie die Brise ihre Tränen trocknete und sie tröstend umschmeichelten.

„Sieh mich an, wenn du das alles eben ernst meintest!“ sprach er und sie konnte nicht deutend, ob es wütend oder traurig klang.

„Warum?“ gab sie trotzig zurück.

Nur widerwillig hatte sie dem bittenden Druck seiner Hand an ihrem Unterkinn nachgegeben.

Erst fühlte es sich wie ein sanfter Hauch an, jedoch anders als die Meeresbrise an ihrer Wange. Es war fast ein Nichts, was über ihre Lippen strich. Ganz zärtlich und vorsichtig, eher schüchtern und fragend. Dann wurde es mutiger und verlangender, fast schon frech. Überrascht riss sie ihre Augen auf, nur um sie im nächsten Moment hingebungsvoll wieder zu verschließen. Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Ihr Herz klopfte so heftig, dass es aus ihr heraus zu springen drohte und vermutlich wäre sie in einem Gefühlsstrudel versunken, wenn sie nicht schon längst eng umschlungen hier gestanden hätten. Beschützt von einer mystischen Aura des Vollmondlichts, aus welcher der Rest der Welt in weite Ferne rückte. Der erste Kuss verging ihr viel zu schnell und sie stupste ihn auffordernd mit ihrer Nase an, um eine Zugabe zu erbieten, als sie sich ihre Lippen wieder voneinander lösten.

Er drückte sie fester an sich und strich ihr sanft über den Rücken. Ihr Kopf ruhte an seiner Halsbeuge. Ein seltenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Hatte er ihr nicht gerade noch böse sein wollen? Kleines Biest mit großen Kulleraugen! Er hatte keinen passenden Satz gefunden und was anderes war ihm nicht eingefallen. Es war ein reines Bauchgefühl gewesen und im schlimmsten Falle hätte er nur eine gepfeffert bekommen. Aber alles war nun vollkommen gleich. Vielleicht hätte sie nun ein wenig begriffen, dass ihre Sorgen unbegründet und sich ihr Wunsch längst erfüllt hatte: Er war bereits gefangen. Aber es war kein Seil, welches ihn festhielt, sondern ihr Herz. Es war ihm richtig bewusst geworden, als sie sich hier gegenüberstanden. Und wie ihre Küsse schmeckten, wusste er nun auch: Ganz weich und sanft wie die eines Engels ... und ein bisschen nach Pflaumenwein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Yu-
2008-01-26T15:00:21+00:00 26.01.2008 16:00
wann gehts weiter, ich brauch was zu lesen xD*knuddel*
Von:  Yu-
2008-01-20T19:34:38+00:00 20.01.2008 20:34
einfach toll!!!
Von:  einfach_Antonia
2008-01-07T16:04:43+00:00 07.01.2008 17:04
ich weiß gar nicht was ich sagen soll!!!
es war mal wieder einsame spitze,deine beschreibung und alles super!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Von:  Joka
2008-01-06T20:24:15+00:00 06.01.2008 21:24
diese höhle und dieser tempel (das war doch einer ><) das muss toll sein *__*
tolle stimmung... *gedanken ganz weit entfern*
xD
Von:  YamiPanther
2008-01-06T19:54:24+00:00 06.01.2008 20:54
ich ließ mich echt einlullen zum schluss und hatte echt angst, dass tashigi geht... sehr geschickt gemacht.


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