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Raftel (1)

When Spirits Are Calling My Name ...
von

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43 - Das Ende einer Ära

„Wie kannst du so was alles vergessen?“ tadelte Azarni nach ihrer Rückkehr vom Ausflug zur Weltregierung die schwarze Dame, obwohl es dem Mädchen gar nicht zustand, das Handeln einer Prismenträgerin zu hinterfragen oder gar sie zurecht zu weisen. Leider hatte das Mädchen nur von einem Scheitern ihres Auftrages berichten können, sprich: Die fünf Weisen hatten schallend über sie gelacht, sie für verrückt erklärt und die Wachen gerufen. Es war zu bewundern, wie so eine kleine, schmächtige Person überhaupt bis in die heiligen Hallen der fünf Weisen vordringen konnte. Da war wohl mehr als eine Teufelskraft am Werk. Azarni hatte dem allen nur emotionslos gelauscht und geantwortet: „Die Prismenträger werden kommen...“ Und damit war sie gegangen, noch bevor sie hinausgeworfen werden konnte. Und nun das: Yurenda war etwas wichtiges aus alter vergangener Zeit eingefallen, was ihnen schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte von Nutzen sein können.

„Ich weiß es doch alles nicht mehr ...“, jammerte nun Yurenda fast schon verzweifelt. Denn gerade eben erst war ihr klar geworden, wie sie die Strohhutbande tief unten am Meeresgrund erreichen könnte, obgleich es nicht ihr Territorium war.

Kivi hielt die Piraten nun schon die vierte Woche in Folge vor der ganzen Welt in der überdimensionalen Luftblase versteckt. Dieser Schachzug war geschickt, als auch ungeschickt zugleich. Zumindest hatte er damit eine Patt-Situation heraufbeschworen, welche außer den Prismenträgern und deren Anhängern noch niemand auf der Welt erahnen konnte. Es schien in seiner Hand zu liegen, ob One Piece jemals gehoben und der Wahnsinn der Welt gestoppt werden könnte oder nicht. Ein jeder, der ein wenig mehr wusste, glaubte dieses, denn das Wasser war sein Element, wie auch Wissen und Weisheit ein Element des blauen Prismas war.

Doch was nutzte alles Wissen und Weisheit, wenn man die Gesamtkonstellation rein nüchtern betrachtete und sich nur an seine eigenen Fähigkeiten klammerte? Kivi hatte etwas übersehen in seinem Plan, was vielleicht ein folgenschwerer Fehler sein könnte, den sich nun Yurenda zu nutze machen wollte.

Wie ein Stein hatte sie sich von dem Meteoriten zur Welt hinab stürzten lassen, mit Tränen in den Augen ihren Lieblingsplaneten begutachtet mit all seinem Leben, obwohl sie selbst gar nicht von ihm stammte, und war dann knallhart auf einer der Meeresoberfläche aufgeschlagen. Ihr rotes Prisma schützte sie vor Schaden, aber eine Erinnerung war wiedergekehrt. Sie trieb inmitten des West Blues wie ein Holzbrett vor sich her und dachte nach. „Komm zurück, du bekloppter Fetzen Erinnerung! Was wolltest du mir sagen?“ schrie sie in den azurblauen Himmel hinauf. Und dann kam es bruchstückhaft zurück. Gefühle und Träume waren ihr Gebiet. Auch wenn die Piraten in einem Wassergefängnis saßen, so lebten sie immer noch. Und sie fühlten und träumten! Das war ihre Chance!

Irgendwann später trieb sie das Meer an den Strand einer kleinen, aber bewohnten Insel. Die Anwohner staunten nicht schlecht, als die Prismenträgerin vollkommen unbeschadet, aber klitschenass bis auf die Knochen aus der Brandung stieg und zielgerichtet den Hafen ansteuerte. Denn so frisch stapfte noch nie ein Gestrandeter übers Land.

Eine Fähre nahm die schwarze Dame mit nach Marijoa.
 

Das Deck der Sunny wirkte wie ausgestorben. Schlaff hingen die Blätter der Obstbaumkronen herunter und wurden langsam schal. Nach und nach verloren auch die Äste ihre Kraft und gaben der Schwerkraft nach. Die Bäume glichen nun eher Trauerweiden als hoch gewachsenen Orangenbüschen. Der Rasen nahm allmählich eine braune, ungesunde Farbe an. Überhaupt macht der Garten einen ungepflegten Eindruck, auch wenn kein einziger Halm Unkraut hochschoss. Die Blumen hatten als erste die Köpfe hängen lassen und wirkten nun grau und trist. Die Luft wurde stickiger und beißender. Der akute Sauerstoffmangel zeichnete sich stetig ab. Die Pflanzen waren nicht in der Lage, genug Sauerstoff zu produzieren, sie verzögerten nur die Atemnot und dehnten die Luftknappheit wie ein Kaugummi aus. Man hätte meinen können, der Zahn der Zeit würde an dem Schiff und seinem Garten unsichtbar nagen und hätte die Besatzung schon längst dahin gerafft.

Nichts regte sich, und auch die Piraten waren nirgends zu entdeckten. Längst hatten sie sich dorthin verzogen, wo man bequem ruhen konnte. So lag jeder in seinem Bett oder in einer anderen Schlafgelegenheit und schlummerte vor sich her. Es war ein Vorschlag des Cyborgs und darauf hin die Anweisung des Captains, dass Atemluft gespart werden müsste. Im Schlaf wurden kaum Sauerstoff und Vorräte verbraucht. Es fiel allen nicht schwer, dieser Anweisung zu folgen, da sie aufgrund der schlechten Luft eh erschöpft durchhingen. Jede Bewegung wurde zur Qual und bereitete Atemnot, die sich durch starkes Japsen und Keuchen äußerte.

Doch nicht nur die körperlichen Beschwerden wurden zusehends mehr. Die Seele der Crew und deren Motivation nahmen schlagartig ab. Die Hoffnung starb bekanntlich zu letzt und jeder warf täglich mehrer Blicke auf die Wasserwand, ob sie nicht doch die kleinste Veränderung aufwies. Es war nicht nur ein kontrolliertes Begutachten, sondern wurde schon fast zur Sucht. Keine Minute verging ohne ein akribisch langer Blick auf die Wasserkugel. Zwar war auch Luffy nach wie vor überzeugt, aus diesem Unterwassergefängnis zu entkommen, doch wurde selbst er immer stiller und ernster. Es war allen klar, dass es nur noch wenige Tage sein würde, die über Leben und Tod entschieden. Entweder passiert nun endlich etwas oder es war aus.

Eine hitzige Diskussion war noch vor Kurzem in der Küche beim Abendessen ausgefochten worden, wer denn nun schuld an der Misere wäre. Zwar hatte Nami sich geschworen, über Tashigi kein Wort mehr zu verlieren und sich zusammenzureißen, jedoch konnte sie es nicht lassen, der ehemaligen Offizierin diese prekäre Situation anzulasten. Immerhin wäre es ihre Idee gewesen, durch den Calm Belt abzuhauen. Und hier im Diamantmeer oder wie immer es auch hieß, würden sie nun alle den Tod finden. Die Nerven lagen bei allen blank und so fetzten sie sich heftig und laut, bis sie allesamt röchelnd über dem Tisch hingen. Dabei hatte ein Wort das anderer gegeben; eine Lösung hatten sie dabei aber nicht gefunden. Der Rest der Essenstafel war Schweigen. Und ebenso leise löste sich die Versammlung auf und jeder verschwand wieder zu einem beliebigen Schlafplatz. Und so folgten sie einem Rhythmus von Schlafen und Essen, was Zoro im Prinzip nur zu gern entgegenkam.

Er erhob sich als einer der ersten von seinem Platz und verließ den Speisesaal wie von einer uralten Gewohnheit getrieben zu dem Balkon achtern, wo man vom Aquarienraum hinüber zum Motorenraum gelangte. Immer noch lagen hier die Matratze und die Decke herum, wohin sich Tashigi oft verkrümelte und so würde sie auch bald hier auftauchen. Nach der Aussprache und den Bekenntnis zwischen ihnen beiden vor einigen Tagen hatte es sich wie von allein ergeben, dass sie sich hier trafen. Auch wenn es nur kurze Momente waren, so war doch jede Minute kostbar.

Mit ausgestreckten Beinen, dem Rücken an die Wand gelehnt und seine drei Schwerter hübsch säuberlich an die Wand gereiht, starrte er auf die türkis schimmernde Wasserwand und wartete. Die Tür klappte, doch die Schritten verrieten ihm, dass es sich nicht nur um seine Süße, sondern auch um den Cyborg handeln müsste. Franky? Was machte der hier? Egal! Der Schiffsbauer war alt genug, um keine duseligen Fragen oder Anspielungen zu machen. Garantiert würde er auch nicht losrennen und unmittelbar quatschen. Die Zweisamkeit war kein erzwungenes Geheimnis, aber es war auch nicht Zoros Art, mit so was hausieren zu gehen oder gar anzugeben. Es war, wie es war und sein Engel teilte da unausgesprochen seine Meinung.

„Lasst euch nicht stören, aber ich muss dringend mal nach dem Colavorrat im Antriebstank schauen“, sagte der Schiffsingenieur auch sogleich großen Schrittes im Vorbeigehen und verschwand im Maschinenraum. Tashigi ließ sich auf der Matratze nieder und legte ihren Kopf auf Zoros Oberschenkel als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Sie genoss seine streichelnde Hand auf ihrem Rücken und hielt es manchmal für sehr wundersam, wie sanft er sein konnte. Eine halbe Stunde mochte verstrichen sein und der Schiffsbauer tauchte wieder auf. Zielstrebig ging er an den beiden vorbei und witzelte laut lachend:

„Aber keine Schweinereien!“

Franky war einfach nur cool. Und weg war er auch schon wieder.
 

Zoros Schlaf-Ess-Rhythmus wurde jäh gestört, als Tashigi ihm eines Abends den ganzen Stapel einer losen Blattsammlung in die Hände drückte, der über und über mit ihrer Handschrift versehen war. Es war der Abend des elften Novembers und wieder einmal trafen sie sich für eine kurze Weile auf dem Balkon. Verwundert blickte er sie an. Zwar hatte er ihren Schreibwahn beobachtet, aber was er nun damit sollte, war im schleierhaft.

„Du hast mir so oft geholfen. Eigentlich hast du ganz oft mein Leben gerettet“, begann sie zaghaft.

„Naja, ich habe halt überlegt, wie ich mich mal dafür bedanken könnte...“, fuhr sie fort.

„Du brauchst dich gar nicht bedanken“, schnitt er ihr schnell das Wort ab.

„Doch! Ich will dir heute zum Geburtstag was schenken. Ich habe lange überlegt, was es sein könnte, was du auch brauchen könntest. Hier! Ich habe alles aufgeschrieben, was ich über dich weiß und was ich über dich alles gehört habe.“

Zoro blickte sie wie ein Fragezeichen an, denn er fühlte sich gerade ziemlich gläsern und ausspioniert. Es war ihm noch nicht mal bewusst gewesen, dass er heute Geburtstag hatte. Hier unten ruhte das Zeitgefühl. Noch nie zuvor hatte er ein richtiges, persönliches Geschenk zum Geburtstag bekommen. Geburtstage hatten erst an Bedeutung in seinem Leben gewonnen, als er feststellte, wie herrlich man sich an zu solchen Tagen die Birne zusaufen konnte ohne ernsthaft negativ aufzufallen, da ja alle zu dieser Gelegenheit irgendwie soffen.

Doch Tashigi ließ sich nicht beirren und redete weiter:

„Du hattest mich gefragt, wie wir aus dem Kerker entkommen konnte. Weißt du noch? Du hattest dieses Dämonische wieder an dir. Ich glaube, dass du immer eine Erinnerung verlierst, wenn du nicht du selbst bist. Verstehst du, was ich meine?“

Er nickte kurz und war irritiert, wie viele Gedanken sich eine Person wie sie in ihrem Köpfchen machte. Noch nie hatte jemand so viele Gedanken an und über ihn verschwendet.

„Mit meinen Notizen kannst du nichts vergessen. Du hast ja selbst gesagt, dass du nicht wüsstest, was noch alles passieren wird.“

Sie war wirklich pfiffig, musste Zoro sich eingestehen. Langsam blätterte er die Seiten durch und las. Es gab viele Lücken und Fragezeichen. Vermutlich waren es alles Stellen, die sie nicht füllen konnte. An der Wasseroberfläche wäre es sicherlich schon tiefste Nacht. Längst war Tashigi eingeschlafen. Doch er las immer noch bedächtig jedes einzelne Blatt durch und musste manchmal schmunzeln. Sie hatte versucht, einem möglichst neutralen Schreibstil zu wählen, hatte aber nicht verhindern können, dass sich eine persönliche Note und auch ihre eigene Wahrnehmung zwischen den Zeilen widerspiegelte. Da war beispielsweise ihr aller erstes Treffen in Loguetown. Haarklein beschrieb sie die Szenerie und man konnte herauslesen, dass sie sein Schwertwurf mit dem Kitetsu bis heute beeindruckte. Es war eigentlich nur ein einfacher Jahrmarkttrick und hing mit dem Abwurfwinkel zusammen. Aber wenn sie das so schwer beeindruckt hatte, dann war es im Nachhinein etwas Gutes.

„Tjoa, Sanji“, dachte er sich dreckig grinsend. „Weiber erobert man nicht mit Herzchenaugen, sondern indem man ein Schwert in die Luft wirft.“ Der Gedanke war derart albern, dass Zoro ihn kurz lachend verwarf. Die Situation hier unten am Meeresgrund raubten einem echt jeglichen Nerv und Verstand.

Er las weiter. Shimotsuki-mura. Exakt war jedes Haus und jede Gasse beschrieben und auch, wer in welchem Haus wohnte. Langsam ging er alle Namen durch. Bei einigen wusste er noch sehr genau, wer die Menschen waren und wie die Häuser aussahen. Beim Großteil konnte er sich einfach nicht mehr erinnern. Er blätterte weiter und zählte unzählige Fragezeichen an den Blatträndern. Tashigi hatte an diesen Stellen Zusammenhänge wohl nur erahnen können oder es fehlten ihr komplexe Informationen. Allerdings musste er feststellen, dass er das ein oder andere auch nicht wusste. Hatte er es jemals gewusst oder schon vergessen? Die Stellen würden sie gemeinsam füllen, wenn sie wieder aufwachen würde. Doch bis dahin war noch etwas Zeit. Er legte den Papierstapel ordentlich beiseite und gönnte sich ebenfalls einen tiefen Schlaf.
 

Ein bizarres Traumtheater öffnete nun den Vorhang in Zoros Kopf. Kaum war er eingeschlummert, begann in seiner Phantasie ein kräftiger Wind zu blasen. Er war weder warm, noch kalt, weder stark noch schwach. Selbst die Richtung hätte der Schwertkämpfer nicht bestimmen können. Dennoch stand er mit beiden Beinen fest auf einem unsichtbaren Grund und starrte in eine sternenlose Nacht, falls es Tag oder Nacht überhaupt gab. Es war ganz gleich, welchen Weg er einschlagen würde, denn es gab keinen. Und so ging er los ohne so recht voran zu kommen. Der Schwertkämpfer ließ sich nicht beirren und stapfte voran. Erst als der Wind zu einem Sturm wurde und Zoro zum Schutz die Arme hob, bemerkte er die Kleidung, die er am Leibe trug. Über seiner altbekannten schwarzen Hose hatte er ein schwarzes dünnes Shirt und darüber seinen Regenponcho, der ihm aber bis zum Boden reichte. Seine Füße steckten wie gewohnt in seinen schwarzen, abgetretenen Stulpenstiefeln. Einzig und allein seine drei Schwerter vermisste er.

Der Sturm wurde zu einem Orkan, der wie ein Stier mit gesenkten Hörner keck den orientierungslosen Schwertkämpfer ins Visier nahm und von allen Seiten angriff. Bei jedem Treffer taumelte er von einem Bein auf das andere und bemerkte kaum, wie die Sturmböen violettfarbene Gestalten annahmen. Wie lange schleiernde Fäden zogen sie über die schwarze Ebene, die immer eisiger wurde. Sie vernudelten zu Knoten, zogen sich wieder auseinander und wickelten sich um ihr Opfer nur um es im selben Augenblick wieder freizulassen. Zoro strauchelte und fiel auf die Knie. Seine Hände berührten nacktes, schwarzes Eis. Es strömte eine nie gekannte Kälte aus und ließen ihn selbst erfrieren, dass er fast regungslos wurde. Was für ein Alptraum!

In der Ferne hörte er eine weibliche Stimme verzweifelt seinen Namen rufen. Doch es war zu weit weg und zu verzerrt, um sie jemanden zuzuordnen können. Plötzlich hatte er das Gefühl, jemand stünde direkt neben ihm. Er blickte sich zu allen Seiten um. Niemand war auszumachen, aber das Gefühl blieb hartnäckig. Stimmen eines unsichtbaren Kinderchors drangen vom Wind getragen an sein Ohr. Es war ein unschuldiger Singsang voller Naivität und Leichtigkeit.

„Wünsch dir was .... Wünsch dir was!“

„Dann soll das aufhören!“ wollte er gegen den Sturm anschreien, doch kein Laut drang über seine Lippen.

„Das musst du etwas genauer definieren!“ hallte es nun in seinem Kopf. Stimmen im Kopf! Zoro schlug beide Hände gegen seinen Schädel und war dem Durchdrehen nah.

„Ich will, dass wir wieder so wie vorher oben an der Meeresoberfläche sind!“ formte es sich schlagartig in seinen Gedanken.

Plötzlich brach das Eis auf und taute von einer Sekunde auf die andere. Wahre Flutmassen umspülten ihn nun und rissen ihn mit sich fort in die ewig nasse Finsternis. Aus allen Richtungen tauchten nun Eiswände auf, die binnen Sekunden zu Wasserfällen zusammenkrachten. Aus dem Sturm war ein Unterwassersog geworden. Zoro bekam keine Luft mehr. Gleich würde er ersticken.

„Gomu Gomu no ...“ schwappte und blubberte es von irgendwoher, ein Griff am Arm und der Schwertkämpfer wurden gegen sämtlichen Wasserdruck entgegengesetzt gezerrt wie ein gefangenes Beutetier, welches nun von den Jägern in der Luft zerfetzt wurde. Zoro verlor im Strudel alles: Orientierung, Sicht, Gehör und Bewusstsein.
 

Als er wieder zu sich kam, lag er klitschnass mitten im Garten der Sunny und starrte in einen überwältigenden Sternenhimmel über dem Schiff. Das Meer schien ohne Seegang zu sein, denn das Piratenschiff lag absolut ruhig wie auf einem Bügelbrett und rührte sich keinen Millimeter. Von Wind und Feinden keine Spur. Freiheit!

Er holte mehrmals tief Luft, um seine Lungenflügel kräftig durchzulüften, griff mit den Händen in das Gras und fühlte sich lebendiger als eh und je. Es war also nun kein Traum mehr. Er war wach und wieder vollkommen in seiner gewohnten Umgebung in der realen Welt. Aber was war mit seinen Freunden? Wie kam es, dass sie nun wieder hier oben auf dem Meer waren? Es schossen ihm derart viele Gedanken durch den Kopf, dass es ihm schwer fiel, in diesem Moment alles Eindrücke zu sortieren. Der Zusammenhang von Alptraum und Realität schien eine Einheit zu bilden und verschmolz undefinierbar.

Langsam drehte er den Kopf zur Seite und konnte erkennen, dass alle anderen Crewmitglieder ebenfalls auf dem Rasen lagen und den frischen Sauerstoff inhalierten. Die Sunny war über und über nass vom Salzwasser. Es tropfte an allen Ecken und Enden herab und erzeugte einen Klang, als würden die dicken Tropfen eines warmen Sommerregens hernieder prasseln.

Niemand würde später sagen können, wie viel Zeit vergangen war, bis sie sich alle nach und nach langsam regten und sich aufrappelten. Überwältigt von der plötzlichen Freiheit dem nächtlichen Sternenzelt blickte jeder nach oben und konnte selbst noch nicht glauben, dass sie tatsächlich noch lebten. Es war einfach zu unglaublich. Ein leichte Brise kam auf trieb sie alle nun in absoluter Stille, fast unmerklich davon. Einzelne Lichter in der Ferne verrieten die Insel, von der sie vor einigen Tagen geflohen waren.

„Sollten wir nicht mal so langsam verschwinden?“ nahm nun Usopp trotz aller Ergriffenheit das Wort an sich. Er fürchtete noch vereinzelte Wachpatrouillen der Marine, die Meldung machen würden und dann wie ein Hornissenschwarm sie wieder jagen würden.

Sanji erhob sich als einer der ersten, ging hinüber zur Reling und entzündete eine Zigarette. Langsam zog er an ihr und blies dann eine nachdenkliche Wolke Tabak in den Himmel. Überaus wachsam spähte er den Horizont ab. Nein, sie schien vollkommen allein zu sein.

„Hier ist niemand! Die Feiern sicher schon seit Wochen unsere Versenkung!“ Damit drehte er sich wieder um und trat den aufgerauchten Glimmstängel aus nur um sich gleich den nächsten zu genehmigen.

Zoro hatte noch gar nichts gesagt, sondern erst einmal alles auf sich wirken lassen. Er spürte wieder die Gefühle der Mannschaft. Es war ein eigentümliches Gemisch aus Angst, Unsicherheit und Hochachtung. Und er konnte dem Koch Recht geben: Hier draußen war niemand.

„Was ist passiert?“ fragte er nun doch dunkel. Alle drehten ruckartig die Köpfe zu ihm und starrten ihn fassungslos an.

„Was?“ platzte sein Kapitän lauthals heraus. „Das fragst du noch? Seit Wochen versuche ich die Luftblase zum Platzen zu bringen und du spazierst da einfach so drauf los, berührst die und das Ding geht kaputt. Ganz leicht! Das hättest du echt mal früher machen können!“

„Aber echt, ey!“ ergänzten nun Chopper, Franky und Usopp aus einem Munde.

„Unser Schwertkämpfer scheint das gar nicht mitbekommen zu haben!“ stellte nun auch Robin verwundert, aber mit einem Lächeln auf den Lippen fest.

„Du bist schlafgewandelt und warst dann wieder so ... dämonisch, Zoro“, drang eine sanft, fast schon verstörte Stimme an sein Ohr. „Ich hatte nach dir gerufen, aber du hast nicht reagiert und als die Wassermassen auf uns nieder rauschten, hatte Luffy dich gerade noch retten und rausziehen können. Dann sind wir mit der aufsteigenden Luftblase nach oben geschossen wie ein Sektkorken“, führte Tashigi weiter aus. Sie sah verängstigt und erschöpft aus.

Wieder herrschte Stille und betretenes Schweigen und da keiner so recht wusste, wie es nun weitergehen sollte, wurde der schnelle Beschluss gefasst, erst einmal auf der Insel Vorräte zu fassen und sich dann neue Ziele abzustecken.
 

Die Crew lechzte nach Informationen und während sie sich dem Eiland näherten, überlegten sie, was wohl alles auf der Welt passiert sein möge. Tage und Wochen waren verstrichen und spurlos an ihnen vorüber gezogen. Für sie waren es gestohlene Tage.

Sie hatten nicht mitbekommen, dass die Marine die Suche nach ihnen beendet und die Sunny für gekentert erklärt hatte. Bis auf eine Handvoll Marinesoldaten waren alle Truppen abgezogen und die Insel wieder in einen Schlummerzustand verfallen bis zum nächsten Herbst, wo man wieder ein prächtiges Pflaumenfest feiern würde..

Die Revolutionäre unter Dragons Führung hatten die Südhalbkugel der Welt gestürzt und übten eine bittere Kontrolle aus. Brutale Kämpfe waren diesen Eroberungssiegen vorausgegangen und zollten in immer mehr Landstrichen ihren Tribut: vernichtete Ernten, brennende Dörfer und eine leidende Zivilbevölkerung.

Auf der Nordhalbkugel hingegen breitete sich das Eis immer weiter aus. Der North Blue versank in subpolarer Kälte, langen, finsteren Nächten und kurzen, dämmerigen Tagen. Auch hier sah es für Flora und Fauna nicht besser aus, die unter einem dichten Eispanzer verschwand. Die Redline war nach wie vor Gebiet der Heerscharen des gelben Prismas. Sie tobten mit ihren hohlen Panzerreitern über das Land, dicht gefolgt von der schwarzen, donnernden Wolkenfront. Dabei verwüsteten sie alles, brachten Pest und Cholera über die Menschen und trampelten alles nieder. Lange würde der einzige Kontinent dem nicht mehr standhalten. Wetterkapriolen überfluteten weite Teile der Redline und rissen Land mit sich ins Meer. Selbst das milde Sommerklima des East Blue nahm ab und wurde rauer.

Wie auch immer es Yurenda vollbracht hatte, war ungewiss. Augenzeugen berichteten von einer zielstrebigen Person, die direkt in Marijoa in das Regierungsgebäude marschierte und eine kurze Erklärung abgab, dass die fünf Weisen abgesetzt wären. Kurz darauf trat sie auf den Balkon und sprach zu all denen auf dem riesigen Schlossvorplatz eine Rede. Ein jeder hatte sich urplötzlich hier versammelt. Alte und Junge, Männer und Frauen, Bettler und Adlige, Geister und Dämonen, die dem normalsterblichem Volke verborgen blieb.

Sie holte noch einmal tief Luft, denn schon lange hatte sie keine Ansprachen mehr gehalten. Etwas Zynismus gepaart mit einer Prise Motivation, aber einem ganzen Schlag an Hoffnung wollte sie vermitteln.

„Ihr Völker der Welt! Seid gegrüßt und höret meine Worte!

Vergessen habt ihr, was euch alle schützte und prägte. Vor 800 Jahren ging das Königreich verloren und die Weltregierung wurde von 20 Königen in guten, wie auch schlechten Absichten gegründet. Verträge und Versprechungen wurden gemacht, doch was ist geblieben?

Nichts dergleichen!

Die fünf Weisen haben mit ihrem Instrument namens Marine nicht die Gerechtigkeit walten lassen, die wir einst erhofft und gefordert hatten. Schauet euch nur um!

Armut, soziale Ungleichheit, Gewalt und Unterdrückung sind ihr Werk.

Ein böses Werk voller falscher Gerechtigkeit!

Ihr Völker der Welt!

Dieses ist das Ende einer Ära: Das Ende der Weltregierung und ihrer dubiosen Machenschaften.

Ihr Völker der Welt!

Erinnert euch! Die Wahrheit mag bitter sein und euch verunsichern. Ihr habt euch niemals verlassen haben. Und durch alle wilden Tage unserer verrückten Existenz haben wir immer ein Versprechen gehalten. Das Versprechen, euch euer Leben selbst gestalten zu lassen.

Nun stehe ich hier und traurig um diese Welt und auch traurig augenscheinlich mit den eigenen Waffen geschlagen zu sein.

Das hat niemals so sein sollen, doch ist es eben geschehen.

Ich gebe euch den Schwur aus alter, vergangener Zeit zurück!

Den Schwur von Raftel!

Was soll ich sagen? Oder habe ich zuviel gesagt?

Aber sehet mich an und ihr wisst: Jedes Wort ist wahr!“

Damit endete die Rede. Nach einigen Sekunden Totenstille brach ein tobender Applaus los. Das Volk starrte ungläubig und begann sich magisch zu erinnern und wer sich noch nie erinnert hatte, bekam die Erleuchtung.

Dort oben stand ein Prismenträger. Ein Hüter des einen, wahren Lichtes.

Das Licht war wieder da!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yu-
2008-05-23T20:59:38+00:00 23.05.2008 22:59
was wohl raftel ist?
und schön das die SHB wieda an der oberfläche ist.
ein super kapi... und die rede ist echt toll von diesem prismenträger... die müssen wohl heftig was drauf haben...^^
Von:  Koenig
2008-05-21T19:14:27+00:00 21.05.2008 21:14
okay ich meld mich auch mal wieder.
Super spannend so weit
allerdings hat der letzte Teil irgendwie so eine 'Huh?' reaktion bei mir ausgelöst.
Vll weil du geschrieben hast, dass diese (Namen vergessen) einfach so zu den 5 Weisen hinspaziert und sagt ihr habt ausgedient und dann plötzlich überall Leute sind und ihrer Rede zuhören
(zu kompliziert für meinen Kopf, das arme ding kommt ja gar nicht mehr mit ^^)

oh noch ein Kommenatr zu deinem vorigen Kapitel (ja ich schreib den einfach mal mit hier rein)
Ich finde, dass, wenn Zoro mit Tasghi redet, er sich immer ein wenig anhört wie ein pupertierender Jugendlicher.
Ich mein der Inhalt davon ist schon ernst und erwachsen (irgendwie) nur die Art/Formulierung erinnert mich doch immer sehr stark an meine Tage in der Unterstufe

trotzdem immernoch sehr spannend
mfg
ratti
Von:  einfach_Antonia
2008-05-20T16:39:00+00:00 20.05.2008 18:39
^_______________^
Mal wieder ein super Kapitel!
Ich liebe deine Geschichte und bin froh das unsre Piraten wieder an der frischen luft sind!

Machw weiter so!!!!!
Von:  Joka
2008-05-19T20:01:51+00:00 19.05.2008 22:01
o___o
wie cool *__*
erfahren wir dann endlich demnächst was "raftel" eigentlich ist?
echt genial.
die geschichte ist irgendwie total komplex und so kreativ ^-^
ich freu mich schon auf das nächste kapitel!!
wie ein paniertes schnitzel ^-^
aso und: erste XD


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