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Herr der Diebe

Es kann nur Eine(n) geben
von

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Am Morgen wachte Sharon mit Schmerzen auf. Erst jetzt bemerkte sie die blauen Flecken und die Schnittwunden, die sie sich bei der nächtlichen Aktion zugezogen hatte. Die Anführerin der Diebesbande schälte sich aus den Decken und ging auf ihr „Gefolge“, das aus zwei Jungs und einem weiteren Mädchen bestand, zu. Sie hatten über den früheren Altar ein Tuch geworfen und benutzten ihn als Frühstückstisch. Das Mädchen sah auf, als Sharon auf die Gruppe zukam. „Oh…Sharon, du siehst aber gar nicht gut aus.“ Sie rückte ein Stück zur Seite, damit die Diebin sich setzen konnte. „Es geht schon, Maria.“, sagte sie, als das Mädchen kritisch ihre Schnittwunden betrachtete. Die beiden Jungen, die sich Costa und Frederico nannten, sahen Sharon erwartungsvoll an. „Hast du das Buch?“, fragte Costa mit vollem Mund. Sharon nahm sich ein Stück Brot und schüttelte den Kopf ohne dabei jemanden anzusehen. Maria, die das jüngste Mitglied der Diebesbande war, berührte den Arm ihrer Anführerin. „Was ist passiert?“, fragte sie mit vorsichtiger Stimme. „Jemand ist mir in die Quere gekommen…“ Sharon machte eine Pause und sah in die Runde. „Der Herr der Diebe!“, fügte sie mit hasserfüllter Stimme hinzu. Frederico haute mit der Faust auf den Tisch, so dass die Teller hochsprangen. „Du hast es dir abnehmen lassen?“ Wütend und gekränkt stand Sharon ruckartig auf. „Ich wird schon Geld besorgen, keine Panik, aber erst wird ich in die Stadt gehen und mich dort mal umhören.“ Maria stand ebenfalls auf. „Darf ich mit?“ Sharon nickte kurz und ließ sich dann die Schnittwunden von Maria verarzten, bevor sie sich ihr bestes Kleid anzog. Gemeinsam verließen sie unbeobachtet die Kirche.
 

Er erwachte am frühen Mittag. Erschöpft wie er gestern gewesen war, hatte er es nicht einmal mehr bis zu seinem Schlaflager geschafft, sondern hatte es sich auf einem der Kinosessel so bequem wie möglich gemacht. Er stand auf und streckte sich. Sein Blick fiel auf das wertvolle Buch, das es gestern gestohlen hatte. Er musste es heute noch abliefern. Er machte sich schnell fertig, packte die Bibel in eine Umhängetasche und machte sich auf den Weg, der ihn zu einem alten, verwilderten Friedhof führte. Sein Kunde wartete schon und er zog sich, hinter einem Baum versteckt, seine Maske über. Er prüfte die Umgebung und schlenderte zu dem alten Mann im schwarzen Mantel. „Das Geld?“, fragte er ihn und steckte die Hand in die Tasche, um ihm das Buch zu zeigen. Der Mann beäugte es kritisch und reichte ihm dann eine schwarze Ledertasche, in der das Geld war. Scipio öffnete sie, überprüfte, ob alles da war und überreichte ihm dann das Buch. „Es war mir eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und verließ die Grabstätte. Er ging die langen, verwinkelten Gassen entlang und fand sich plötzlich vor der kleinen Kirche wieder, wo er diese Möchtegern-Diebin gestern aus den Augen verloren hatte. Er zog die Maske ab und versteckte sich in einem Hauseingang. Eine lange Zeit passierte nichts, doch dann sah er jemanden das Gebäude verlassen. Es waren Sharon und ein jüngeres Mädchen, das er nicht kannte.
 

Maria nahm die Hand von Sharon und sie gingen gemeinsam durch die engen Gassen. „Sharon? Was machen wir eigentlich jetzt? Müssen wir verhungern?“ Sharon wandte ihre dunklen Augen der Jüngeren zu und lächelte beruhigend. „Quatsch! Wir haben noch genug Geld…“ Die Diebin kniete sich zu der kleineren und nahm sie in den Arm. Die Wahrheit war, dass das Geld kaum reichte. Plötzlich bemerkte Sharon den Jungen. Sie sah auf und musterte ihn aufmerksam. Irgendwoher kannte sie ihn…
 

Sie hatten ihn entdeckt, doch Sharon schien ihn nicht zu erkennen. Es hatte also doch einen Vorteil, eine Maske zu tragen! Er lächelte ihr unschuldig zu und lehnte sich an die Hauswand. Vielleicht sollte sie es mit Kindermädchen versuchen, das konnte sie augenscheinlich besser als stehlen! Er tat, als hätte er jemanden entdeckt und verschwand in den dunklen Gassen. Er durfte nicht riskieren, dass seine Tarnung aufflog und Sharon ihm das Geld wieder abnahm- was sie natürlich nicht schaffen würde! Er hatte aus den leisen Gesprächsfetzen der beiden gehört, dass die Diebesbande um Sharon wohl an Geldmangel litt, und einen kurzen Augenblick lang bekam er Gewissensbisse, doch wenn sie Geld brauchten, sollten sie halt ihre Stehltechnik verbessern, seine Bande brauchte das Geld schließlich auch. Meisterin der Diebe- pah!
 

Sie hatte den ganzen Tag in der Stadt verbracht, zusammen mit Maria. Doch irgendwann wurde das Mädchen müde und Sharon setzte sich mit ihr auf den Rand eines Brunnens. „Ich hab Hunger…“, klagte die kleine und zog an dem Ärmel der Diebin. Diese sah sich um und entdeckte eine Bäckerei. Ein bisschen Geld hatte sie noch bei sich. „Warte hier“, sagte sie zu Maria, stand auf und ging in die Bäckerei. In dem kleinen Laden duftete es herrlich und Sharon musste zugeben, dass ihr Magen auch knurrte. Die Diebin kaufte ein Brot, drehte sich um und lief gegen einen Jungen. Erschrocken taumelte sie zurück und sah ihn mit großen Augen an. „Es tut mir Leid“, entschuldigte sie sich schnell und senkte den Kopf, wie eine wohlerzogene junge Dame.
 

Erstaunt erkannte er, gegen wen er da gelaufen war- oder besser gesagt, wer da gegen ihn gelaufen war: Diese Möchtegern- Diebin! Wie ein wohlerzogenes Mädchen stand sie da und starrte zu Boden. „Sharon, schön dich zu sehen“, sagte er, lächelte ironisch und legte ihr die Hand unters Kinn, damit sie zu ihm aufsah. „So treffen wir uns wieder, ich hoffe, es hat dich niemand zu deinem Versteck verfolgt…“, flüsterte er ihr zu und blickte dann zu Maria, die jetzt neben Sharon stand und ihn mit großen Augen ansah. Er zog ein Teilchen aus einem Regal und hielt es ihr hin. „Du hast bestimmt Hunger. Ein Glück, dass Sharon noch genug Geld hat, um sich um euch zu kümmern…“ Er warf einen Seitenblick auf die Amateurin.
 

Ihr Gesichtsausdruck änderte sich von einem sehr wohlerzogenen Mädchen zu dem eines sehr wütenden. Sie nahm Maria das Teilchen aus der Hand und legte es zurück. „Wir brauchen keine Almosen!“ Sie reckte stolz ihr Kinn, nahm Maria am Handgelenk und zog sie wutentbrannt aus dem Laden. Was bildet sich dieser Idiot eigentlich ein? „Sharon? Wieso? Er war doch nett…“, protestierte Maria. Sharon blieb stehen und sah zu Maria runter. „Er ist nicht so nett, wie er tut! Merk dir das Mariechen, du darfst nicht mehr mit ihm sprechen, verstanden?“ Das Mädchen verzog das Gesicht, nickte aber dann. Sharon lächelte zufrieden und ging mit Maria zurück zur Kirche. Dort wartete schon gespannt Costa auf sie. „Sharon! Sharon!“, rief er aufgeregt und sprang ihr entgegen. „Schau mal!“ Er wedelte mit einem Brief vor ihrer Nase herum. Die Diebesbandenanführerin zog eine Augenbraue hoch und nahm Costa den Brief ab. „Jemand verspricht uns viel Geld!“, plapperte der Junge weiter, während Sharon aufmerksam las. Der Verfasser wollte, dass sie etwas stahl, was, sagte er nicht, doch sie würde weitere Informationen bekommen, wenn sie zum Treffpunkt um Mitternacht käme. Sie senkte den Brief und sah Costa an. „Wer hat den Brief gebracht?“ Der Junge zuckte mit den Schultern. „Er lag vor der Tür…“ Sharon machte ein nachdenkliches Gesicht. Es könnte eine Falle sein, andererseits brauchten sie das Geld. Maria zog sie am Ärmel. „Wirst du für den Briefschreiber stehlen?“ Die Diebin biss sich auf die Unterlippe, was blieb ihr anderes übrig, als zum Treffpunkt zu gehen und sich das Angebot anzuhören?



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