Zum Inhalt der Seite

Endlich frei!

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 1

Erika schlug ihr gut behütetes Tagebuch auf. Ein herzzerreißender Seufzer drang aus ihrem Mund und sie spitzte den hellblauen Bleistift. Einen Moment überlegte sie, dann begann sie ihre Gefühle auf das Papier niederzulassen.

"Liebes Tagebuch,

heute habe ich IHN gesehen. Er fuhr mit seiner roten Vespa über den Marktplatz, schreckte dabei ein paar Hühner auf. Er kam direkt auf mich zu, schaltete den lauten Motor ab und grinste mich an. Seine blonden Haare waren vom Wind verwuschelt und seine braune Haut glänzte in der Sonne. Ich glaube, mein Mund hat offengestanden, wärend er wieder weggebraust ist. Wie heißt er? Was würde ich alles dafür geben, ihn wieder zu sehen . . . "

Sie hielt inne und betrachtete ihr Werk. "Ja, so kann es bleiben", dachte sie und klappte das Buch zu. Auf dem Umschlag fuhr sie mit ihren Fingern die Perlen nach, die sie damals mit ihrer Tante aufgeklebt hatte. "Dein Tagebuch muss doch auch schön aussehen", hatte sie gesagt und auf ihre Nichte hinabgelächelt.

"Erika, kommst du bitte?", rief ihre Mutter. Zügig verstaute sie das Buch wieder in seinem Versteck in ihrem Kopfkissen, dann ging sie gehorsam die Treppe hinunter. "Was gibt es denn?", fragte sie aus purer Höflichkeit.

Schon seit langem interessierte sie sich nicht mehr dafür, was ihre Mutter gekocht hatte. Sie fand sich einfach zu dick. Alle Mädchen in ihrer Klasse waren viel dünner als sie. Oft wurde sie wegen ihrer Figut gehänselt. Als sie mit dem Problem zu ihrer Mutter gegangen war, hatte diese nur mit dem Kochlöffel geschwenkt und gesagt: "Hör doch nicht auf diese dürren Gerüste. Gott liebt dich, ist dass nicht die Hauptsache?" Erika hatte den Kloß in ihrem Hals ignoriert und genickt.

"Stellst du bitte die Teller auf den Tisch, Spätzchen?" Erika fuhr hoch und bekam von ihrer Mutter einen Stapel Teller in die Hand gedrückt. Es waren zehn. "Kommt Besuch?" "Ja, Papa bringt Freunde mit." Innerlich stöhnte Erika auf. Sie mochte die Freunde ihres Vaters nicht sonderlich. Nicht selten musste sie solange aufbleiben, bis ale fertig gegessen hatten, damit sie den Abwasch machen musste, wärend ihre Eltern über Politik diskutierten.

Wie von ihrer Mutter aufgetragen verteilte sie die Porzellangeschirr auf dem Tisch im Garten und neben jedem ein Messer und eine Gabel. Ihr war aufgefallen, dass ihre Mutter nicht auf ihre Frage "Was gibt es denn?" geantwortet hatte und fragte nochmals nach. "Schweinebraten mit Knödeln", antwortete ihre Mutter und leckte sich die Lippen. Ein wenig angeekelt wendete sich Erika von ihrer Mutter ab. Frau Meyer war eine überaus kräftige Person, wie Erika fand. In den Haaren von ihr verfingen sich oft Blätter, nachdem Erikas Mutter mit der Arbeit im Garten fertig war. Selbst wenn sie sie darauf hinwies, bekam sie ein Kopfschütteln als Antwort: "Wenn Gott will, dass ich Blätter im Haar habe, soll es wohl so sein."
 

Bald trafen Herr Meyer, der Pfarrer der örtlichen Kirche, und seine Freunde und Kollegen ein. "Hallo Johanna", sagte er zu seiner Frau und wandte sich dann an seine einzigste Tochter: "Wie geht es dir Erika?" Eine Antwort wartete er erst gar nicht ab, sondern folgte seinen Gästen in den Garten und machte sich über den Braten her.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück