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Mondkönig

von

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Prolog

Prolog
 

Eilige Schritte hallten durch die langen und belebten Gänge der Residenz in München. Ein junger blonder Mann, groß und schlank von Wuchs, rannte fast, um an sein Ziel zu kommen. Sein Name war Alexander von Dürckheim, eigentlich hatte er einen viel längeren Namen, doch er hasste ihn und war froh, dass er nicht oft benutzt wurde. Er war der Adjutant des werdenden Königs und seine eiligen Schritte führten ihn geradewegs zu seinem Herrn. Als er bei der mit Gold verzierten Tür ankam, klopfte er vorsichtig an das weiß gestrichene Holz der Tür und wartete, bis er hereingebeten wurde.

Ein Klopfen schreckte den jungen Kronprinzen auf – kurz sah er sich um in dem großen Raum mit hoher Decke, goldverzierten Wänden und edlen Möbeln aus teurem Holz, Marmor und zum Teil mit rotem Samt überzogenen Stühlen. Noch war er der Kronprinz von Bayern, doch gleich würde er den Thron besteigen und König des Landes werden.

Eben hatte er noch krampfhaft überlegt, was er all den Wartenden in seiner Thronrede erzählen sollte, während einige Diener noch am dichten dunkelbraunen Haar des groß gewachsenen Mannes herumhantiert hatten. Andere mühten sich gerade noch ab, die rote Schärpe richtig an der blauen Uniform Ludwigs anzubringen und auch sonst die restlichen Details perfekt zu gestalten. Schon jetzt gab er ein königliches Bild ab, genau so sollte ein König aussehen, doch schien es noch nicht ganz perfekt. Ein Diener polierte die glänzend schwarzen Stiefel seines Herrn, die ihm bis übers Knie reichten, während ein anderer ihm die letzten Orden ansteckte und den Gürtel mit dem Schwert um die Hüfte des Kronprinzen legte.

Der werdende König ließ alles über sich ergehen, erhob für ein „Herein …“ kurz die Stimme und griff im nächsten Moment zu einem Glas Champagner, welches aus geschliffenem, reichlich verziertem Kristall war und das ein Diener auf einem goldenen Tablett trug. Er nahm einen kräftigen Schluck daraus, ehe sein Blick zur Tür fiel, erwartend, wer eben geklopft hatte und wer nun eintreten würde.

Alexander, der das Herein vernommen hatte, trat sofort danach ein und verbeugte sich vor seinem zukünftigen König.

„Eure Majestät …“, sagte er und schenkte ihm ein sanftes Lächeln, denn sie waren – trotz dass er nun sein Diener und Adjutant war – Freunde seit Kindertagen geblieben. „Was führt dich zu mir …?“, fragte der junge Kronprinz, auch mit einem Lächeln auf den Lippen. Ebenso lächelte der junge Adjutant wieder und begann dann sein Kommen zu erklären: „Eure liebe Mutter schickt mich. Ihr solltet Euch beeilen, lässt sie Euch mitteilen, denn das Volk und der gesamte Hofstaat warten bereits auf Euch…“, erklärte er.

Als der Adjutant des zukünftigen Bayernkönigs etwas von seiner ‚lieben Mutter’ sagte, zog dieser nur eine Augenbraue hoch – ein Blick, der zeigte, was er von seiner Mutter hielt. Und obwohl er nicht unbedingt die größten Stücke auf seine Mutter hielt, hatte sie wohl in diesem Punkt Recht und es wurde wirklich Zeit, sich auf den Weg zu machen. Mit einem Wink holte Ludwig einen Diener her, der ihm das Champagnerglas abnahm, während ein anderer ihm weiße Handschuhe anzog. Andere Diener nahmen den Hermelinfellmantel für die Krönung, den sie ihrem Herrn erst kurz vor dem großen Saal um die Schultern legen würden.

Der werdende König schritt unterdessen an die Seite seines Adjutanten und Freundes und seufzte kurz.

“Nun ist es wirklich soweit … nun werde ich König unseres Bayernlandes …“, stellte Ludwig fest, als wäre dies vorher vollkommen unklar gewesen.

„Lass uns gehen …“, fügte er dann an und schaute zu der Tür, die sie auf den Gang hinausführen würde, hin zum großen Saal, wo alle Gäste ihn erwarten würden, ihn … ihren neuen König.

Alexander hatte zustimmend genickt und folgte dann einige Schritte hinter ihm. Erst gestern war Maximilian II, Ludwigs Vater, gestorben, doch man wollte wieder einen König auf dem Thron und darum wartete man nicht mit der Thronbesteigung bis zum Begräbnis des alten Königs. Der Adjutant fand, dass sein Herr leider noch viel zu jung für diese schwere Bürde war. Achtzehn Jahre alt war sein Freund erst und das war ein sehr junges Alter für einen König. Dennoch erhielt Ludwig von vielen wichtigen Personen Unterstützung. Darunter auch die von Alexander, der ihm treu ergeben war und, wenn es sein musste, ihm sogar in den Tod folgen würde. Sie kamen endlich an ihr Ziel, zum großen Saal. Der große Saal war eines der prunkvollsten Räume der Münchner Residenz. An der Decke hingen riesige Kronleuchter, deren kunstvolle Verzierung durch geschliffene Kristalle veredelt wurde. Die Wände waren voller Verzierungen, die aus purem Gold waren und es gab auch viele Abbildungen, die

ehemalige Könige und Heilige zeigten. Der Hermelinfellmantel, der dem zukünftigen König umgelegt wurde, passte in diese Kulisse und diese Handlung läutete auch die Zeremonie, die Krönung seines Herrn zum König, ein.

Als Ludwig durch die große weiße Tür trat, die man ihm öffnete, verneigten sich die Männer in Uniformen oder Anzügen im Saal tief, während die Frauen in wallenden und ausladenden Kleidern allesamt einen tiefen Knicks ausführten, als Ludwig an ihnen vorbei schritt, den Blick nach vorne gewandt, bis er bei seinem Onkel Luitpold angelangt war. Dieser stand mit zwei Dienern an der Seite dort: der eine trug ein großes samtenes Kissen, auf dem sich die Krone der bayrischen Könige befand, während der andere Diener das Kissen mit Zepter und Reichsapfel trug.

Eben jene beiden Gegenstände, den Reichsapfel und auch das Zepter, welche aus purem Gold und mit Edelsteinen verziert waren, übergab Luitpold feierlich seinem Neffen, der nun wie die Könige früherer Zeiten das Zepter in der einen und den Reichsapfel in der anderen Hand hielt. Im nächsten Moment verneigten sich alle tief vor Ludwig, wie sie es zuvor auch schon getan hatten, wie der junge Mann feststellte, als er einen Blick über die Menge aus Adel, Militär und Klerus warf.

Obwohl er recht souverän aussah, war der neue König furchtbar nervös, seine Hände zitterten ein wenig und er war froh, dass er erst einmal schweigen konnte und durfte.

Alexander hatte gesehen, dass sein Herr nervös war und er konnte es durchaus verstehen, denn er war noch nicht wirklich geübt in diesen feierlichen Anlässen, wo jeder seiner Schritte aufs Genauste beäugt wurde. Als seinem Herrn der Reichsapfel und das Zepter gegeben worden war und er auch die Krone berührt hatte, schritt Alexander aus der Menge und rief: „Seine Majestät, König Ludwig II. von Bayern!“

Nach diesen Worten verneigten sich die Männer und knicksten die Frauen wieder vor ihrem neuen König und draußen erschallten Kanonenschüsse und von weit her hörte man auch den Jubel des Volkes, das draußen auf seinen neuen König wartete. Alexander ging zu seinem Freund, nachdem dieser die goldenen Insignien der Macht wieder auf das Kissen gelegt hatte, und berührte ihn sanft am Arm: „Es ist Zeit, Majestät … Euer Volk wartet … es will Euch sehen …“, sagte er und schenkte ihm ein sanftes Lächeln und mit einer Handbewegung deutete er auf den Balkon der Residenz, wo sein Herr die Thronrede halten sollte.

Die erste Anspannung schien von dem gerade inthronisierten König gefallen zu sein, als er das kostbare Zepter und den Reichsapfel fortgelegt hatte und doch ging es nun weiter und dieser Teil war es im Grunde, der Ludwig noch viel nervöser machte, als der vorangegangene. Nun sollte er vor den versammelten Münchnern sprechen, während er die übrigen Gäste praktisch im Nacken hatte. Eigentlich hasste der junge König es, allzu viele Menschen um sich zu haben, und doch ging es ja schlecht anders in diesem Moment und so nickte der Bayernkönig seinem Adjutanten zu und schritt kurz darauf auf den Balkon der Residenz, der den Blick auf den riesigen Platz freigab, gesäumt von wunderschönen Bäumen, die schon kleine grüne Knospen trugen. Dort wurde er sofort von gewaltigen Jubelschreien empfangen. Gestern noch hatten sie getrauert um den alten König und heute schon jubelten sie voller Euphorie ihrem neuen jungen König zu.

Einen Moment wartete Ludwig ab, denn so kam er ohnehin nicht gegen die Menge an, als der junge Mann jedoch eine Hand hob, verstummte die Menge mit ihren Jubelschreien und schaute gespannt zum Balkon und zu ihrem jungen König, der einmal kurz die Augen schloss und tief Luft holte, ehe er zu sprechen begann.

“Der allmächtige Gott hat meinen Vater, unseren teuren König von dieser Erde abberufen. Ich kann nicht aussprechen, welche Gefühle meine Brust durchdringen. Groß und schwer die mir gewordene Aufgabe …“, begann Ludwig seine Rede und tatsächlich hörte die Menge ihm weiter zu, gespannt und erwartend schauten sie zu dem Balkon, auf dem ihr König stand.

„Gott hat uns nicht gemacht, um Krieg zu führen. Unsere Arme sollen umarmen, nicht erwürgen, unsere Beine tanzen, nicht marschieren und unsere Münder singen, nicht schreien. Ich will Bayern zu einem Tempel des Friedens und der schönen Künste machen. Und es sollen die Musik und die Architektur sein, die das Herz meines Volkes höher schlagen lassen und den Fremden zum Wiederkommen bewegen. Ich will den heiligen Gral suchen. Verschollen in der Geschichte der Völker, will ich ihn wieder finden in der Majestät der Berge, im Gesang der Wälder, im Rauschen des Windes und der Wellen, überall dort, wo Gott Natur ist und Einsamkeit Gespräch. Ich bin jung und habe viel zu lernen. Ich bitte Sie: Unterstützen Sie mich, schenken Sie mir Ihr Vertrauen, meine Jugend wird Sie nicht enttäuschen!“ Mit diesen Worten endete der König die Rede, die er sowohl an sein Volk, als auch an seine Gäste gerichtet hatte und obwohl dies sicher nicht das war, was einige sich als Thronrede gewünscht hätten, war der junge König von Bayern mehr als zufrieden damit. Und diese Rede hatte auch das Volk, die anwesenden Menschen überzeugt, denn kaum hatte Ludwig geendet, da brach die Menge auch schon in tobenden Beifall aus. Die Leute klatschten und riefen ihrem neuen Herrscher ihre Begeisterung zu, verbunden mit der Hoffnung, dass er es war, der sie in eine bessere Zeit führen würde.
 

Genau in dieser Menge stand auch ein junger blonder Mann mit blauen Augen, aber nicht irgendein gewöhnliches Blau zierte seine Augen. Nein, es war die blaue Farbe, die auch in Bayerns Flagge zu finden war. Er trug den feinen Sonntagsanzug, weil heute ja ein besonderer Tag war, die Krönung ihres neuen Königs. Auch er war einer dieser tausend Menschen, die klatschten und jubelten. Doch etwas war besonders an ihm, was die umstehenden Leute natürlich nicht wussten. Der junge Mann, der den Namen Richard Hornig trug, hatte sich für die Stellung des Stallmeisters beim Hof seiner Majestät beworben. Er war gelernter Zureiter und hatte eine mehrjährige Ausbildung hinter sich, die er zum Teil auch durch seinen Vater erhalten hatte, der selbst am königlichen Hofe Stallmeister gewesen war, bis ihn dann der Tod ereilt hatte. Nun erwartete man von Richard dasselbe und er hoffte, dass er diese Stellung auch bekommen würde, doch leider war die Hoffnung nicht sehr groß, denn sicher gab es andere Männer, die um diese Stellung buhlten und die auch alles dafür tun würden, um sie zu bekommen. Langsam zerstreute sich die Menge, denn der König drehte sich gerade um und wollte gehen, doch Richard blieb stehen, wie gebannt blickte er zu dem jungen König hoch. Er war wirklich wunderschön und die Menschen hatten Recht, wenn sie sagten, nun habe der schönste König Europas den Thron bestiegen. Der König hatte dunkelbraunes gewelltes Haar, das von weitem eher nach Schwarz aussah. Er war sehr groß gewachsen und von schlanker Statur. Das Besondere waren aber seine fast tief dunkelblauen Augen, die Richard gesehen hatte, als er ihm bei seiner Vorstellung in der Residenz auf dem Hof kurz begegnet war. Gerade wollte der junge Mann sich umdrehen und gehen, als er sah, wie der Blick des jungen Monarchen auf ihn fiel, nur kurz und doch schien es Richard wie ein Zeichen, eine Art Schicksalsbotschaft in diesem Moment.

Aber noch während er überlegte, war der König wieder ins innere der Residenz verschwunden und Richard blinzelte einen Moment verwirrt. Hatte er das nur geträumt? Er schüttelte einen Moment den Kopf und wandte sich dann um, ging die lange von erblühenden Bäumen gesäumte Straße zurück zu seiner Wohnung, die er in München hatte. Morgen, so hatte man ihm gesagt, morgen würde man ihm mitteilen, ob man sich für ihn entschieden hatte oder ob sie doch einen der unzähligen anderen Bewerber für die Stellung ausgesucht hatten. Richard seufzte leise, als er die Straße eilig entlang ging, denn der Himmel hatte sich verdüstert. Es würde bald zu regnen beginnen und er wollte vorher zu Hause sein. Immer wieder kam die Erinnerung hoch, dass seine Majestät ihn doch gerade angesehen hatte, doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Er redete sich ein, es sich eingebildet zu haben und so machte er sich auch keine Hoffnungen mehr, dass er die Stellung bekam. Es gab einfach zu viele Bewerber für diese begehrte Stellung am Hofe des Königs. Leider hatte der junge Mann in diesem Moment den Lehrsatz seines Vaters vergessen, der stets zu sagen pflegte: „Die Hoffnung mein Sohn … Die Hoffnung stirbt zuletzt …“



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