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Es tevi mīlu

von

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Vienatne

Samstag und Sonntag vergehen damit, dass ich alles tue, was ich mir schon seit einer Ewigkeit vorgenommen habe. Zuerst mache ich Hausputz, dann ordne ich jegliche Dateien, die auf meinem Computer verstreut waren. Ich stürze mich in die neuste Programmieraufgabe und rufe mal wieder meine Mutter an. Wir reden über Weihnachten und ich verspreche ihr, bereits am Vorweihnachtstag da zu sein, um bei den Vorbereitungen zu helfen.

Dann irgendwann... habe ich nichts mehr zu tun.

Es ist der Sonntagnachmittag eines grässlichen Tages und die Gedanken wollen mich beim besten Willen einfach nicht loslassen.

Ich gehe joggen, einen Teil meines üblichen Weges, wobei ich versuche, auf alle Kleinigkeiten zu achten, die mich umgeben. So ganz funktioniert das natürlich nicht, aber zumindest ein bisschen.

Zwei Stunden sitze ich danach vor dem Fernseher und schaue den größten Schwachsinn.

Als auch das nicht hilft, entscheide ich mich dazu, meinen Körper zu überlasten. Vielleicht kann ich dann heute wenigstens schnell einschlafen – das ist mein Plan.
 

Dieser Plan führt mich zum Fitnessstudio, welches an diesem Abend sehr leer ist.

Zunächst keuche ich mir auf dem Fahrrad einen ab, dann auf dem Laufband. Dies verlassend, trifft mich der Blick eines jungen Mannes. Er lächelt, als ich seinen Blick erwidere.

Das Gerücht im Kopf, in Fitnessstudio viele schwule Männer finden zu können, wende ich mich wieder ab, gehe zur Hantelbank hinüber.

Ich frage mich, ob es wohl stimmt. Denn... Gerüchte sind ohnehin immer eine Sache für sich. Ich würde zum Beispiel nie vor mir behaupten, dass ich sehr weiblich bin. Okay, ich koche gerne und ich bin vielleicht ab und zu ein wenig verweichlicht, aber ansonsten glaube ich nicht, dass ich irgendwie besonders stark mit den Händen rede, einen anderen Gang habe oder gar anders spreche. Eine solche Gliederung ist echter Schwachsinn, würde ich zumindest sagen, der ich nicht viele Schwule kenne.

Tatsächlich habe ich nie wirklich mit „Meinesgleichen“ auseinandergesetzt. Ich war zum Beispiel noch nie in einer Schwulenbar, obwohl ich weiß, wo in meiner Nähe welche sind, und ich durchforste das Internet auch nicht nach allen möglichen Schwulenseiten. Eigentlich hatte ich nie das Bedürfnis, andere Schwule kennenlernen zu wollen, da ich mich nie als etwas Besonderes gesehen habe und somit auch keine „besonderen“ Freunde brauche.

Wenn ich ehrlich bin, ist Andris der einzige Schwule, mit dem ich mich mehr auseinandergesetzt habe.

Es gibt ein lautes, dumpfes Geräusch, als ich die Stange mit den Gewichten hinunter krachen lasse. Ruckartig richte ich mich auf.

Andris, Andris, immer Andris... verdammt noch mal, ich habe keinen Bock mehr darauf! Da war es ja sogar leichter, jahrelang über Florian nachzudenken – aber vielleicht macht das gerade auch nur die Wut, die ich in mir trage.

Ich sehe mich um. Dabei treffe ich wieder auf den Blick des Mannes, welcher mich auch schon zuvor angesehen hat. Nun wirkt der Blick noch eindringlicher, das Lächeln noch reizvoller. Nein, das bilde ich mir doch nicht nur ein!

Ich stehe auf und gehe zu meiner Sporttasche, die nur unweit von ihm entfernt steht. Ich nehme mir die Flasche zum Trinken heraus, lasse mir das Wasser die Kehle herunter laufen und schiele zu dem Mann hinüber. Noch immer, mittlerweile fast verführerisch lehnt er an einem der Beistelltische.

Mir wird heiß, auch wenn dies wohl eher durch den ganzen Sport kommt...

Ich trete einen Schritt auf ihn zu, lächle, bis mir bewusst wird, was ich da eigentlich tue. Sofort fahre ich wieder herum, schnappe mir meine Tasche und mache nen Abgang Richtung Duschen und Sauna.

Letzteres betretend, treffe ich auf nur einen weiteren Mann, der ausgestreckt auf einer der Bänke liegt. Ihm gegenüber lehne ich mich gegen die Wand und schließe die Augen. Es reicht für heute, ich sollte bald nach Hause gehen...

Ich versuche, mich zu entspannen.

So da sitzend, in der feuchten Hitze des Raumes, muss ich daran denken, wie ich ein Mal mit Andris zusammen eine Sauna besucht habe. Er sagte, dass er nicht wirklich ein Fan davon wäre, doch damals konnte ich ihn dafür gewinnen. Ich glaube, es ist im März gewesen...

Ich weiß noch, wie er in dem weißen Handtuch neben mir saß, welches er partout nicht abnehmen wollte. Ich lachte über sein Schamgefühl, das so gar nicht zu seinem sonstigen Charakter passte, doch er ließ sich davon nicht beirren.

So saßen wir damals keine fünf Minuten in der Sauna und zum ersten Mal schloss ich dabei nicht die Augen. Ich konnte sie einfach nicht von seinem verschwitzt glänzenden Körper lassen und er seine nicht von meinem... Irgendwann nahm ich die Beule unter dem Handtuch wahr und konnte selbst nicht mehr an mir halten. Ich riss ihn an der Hand von der Bank herunter und schleifte ihn mit mir, hinein in eine der Umkleidekabinen, in der wir uns so geräuschlos wie nur möglich liebten...

Ein leichtes Stöhnen entweicht mir.

Jetzt noch habe ich das Gefühl, seine Hände überall zu spüren... ganz genau sogar...

Ich reiße die Augen auf und starre in zwei blaue. Sie grinsen, viel zu nah an mir dran.

Erschrocken stöhne ich nochmals auf, als er fester zugreift. Das Lächeln in seinem Gesicht wird stärker, während ich versuche, jegliche Laute zu unterdrücken. Ich spüre mich gelähmt, unfähig, auch nur einen Knochen zu bewegen. Meine Augen wandern herum. Der Mann von zuvor ist weg, bis auf uns beide ist niemand hier...

Als ich wieder hinsehe, ist er mit einem Mal noch näher, will mich küssen. Heißer Atem stößt mir gegen den Hals und mein Stöhnen vernehme ich wie aus weiter Ferne.

Schneller wird der Griff, heftiger die Erregung in meinem Unterleib. Ich sehe den Typen an, werfe den Kopf zurück und beschließe, mich in dies Gefühl fallen zu lassen, nicht mehr zu versuchen, meinen schweren Körper zu bewegen. Die Augen schließend, stöhne ich auf... und sehe Andris vor mir.

Augenblicklich stoße ich ihn von mir und springe auf die Füße.

Verdutzt wird mein Blick erwidert, als ich mit einer Mischung aus Schreck und Erregung ringe, keuche.

„Sorry, hab ich-“

Ich reiße mein Handtuch an mich, nicht fähig, ihm zuzuhören. Es mir um die Hüften schlingend, verlasse ich fluchtartig den nebligen Raum, hoffend, dass mir keiner begegnet, der die deutliche Abzeichnung meiner Erregung sehen könnte.

Unter der Dusche drehe ich das Wasser eiskalt und erschaudere bis auf die Knochen, während ich das Gefühl habe, mich nur mit Mühe auf den Beinen halten zu können.

Wieso bloß? Es wäre so leicht gewesen, sich fallen zu lassen, mich zum Höhepunkt tragen zu lassen... es wäre so verdammt einfach... und doch, doch konnte ich es einfach nicht tun. Ich konnte den einzigen Menschen, mit dem ich je dieses heftige Verlangen geteilt habe, nicht betrügen.

Eine Träne läuft mir aus den Augen, welche ich sofort mit dem kalten Wasser davonschwimmen lasse.

Wieso kann ich denn nicht alles, was ich mit ihm erlebt habe, einfach vergessen?
 

Mich einigermaßen beruhigt und angezogen verlasse ich das Fitnessstudio ziemlich fluchtartig. Bloß nicht diesem Typen begegnen, ist meine einzige Intention, und erleichtert sitze ich daraufhin im Auto. Der

Nachhauseweg kommt mir heute unglaublich kurz vor, was vielleicht daran liegt, dass ich eigentlich gar nicht nach Hause will. Dort erwartet mich nur die Stille meiner eigenen vier Wände. Sonst bin ich in solchen Momenten immer zum Meddiz gefahren oder zu Andris nach Hause... immer zu Andris.

Ich trete aufs Gas und beschleunige den Wagen um die nächsten Ecken herum. Ich schlage einen anderen Weg ein und bringe mich schließlich mit quietschenden Reifen zum Stehen. Ich steige schnell aus, noch mit dem Gedanken, dass ich bestimmt stören werde, im Kopf. Aber ich muss es versuchen.

Als Florian mir die Tür öffnet, sieht er in der Tat mehr als nur ein bisschen überrascht drein.

„Störe ich?“, frage ich höflicherweise, sehe an ihm vorbei Ninas Jacke an der Gardarobe hängen.

Etwas zögernd schüttelt er den Kopf. „Nein. Nina ist da, aber komm ruhig rein.“

„Wahrscheinlich sollte ich doch besser gehen“, mich schon wieder verfluchend, dieser Kurzschlussreaktion nachgegangen zu sein.

„Quatsch. Du kommst doch nicht ohne Grund, oder?“

Langsam nicke ich. „Ich muss... Können wir reden?“, sehe ich ihn an und weiß, dass ich in diesem Moment so verzweifelt aussehen muss, wie ich mich fühle.

„Natürlich!“, kommt es sofort.

Mit einem dankbaren Lächeln trete ich nach ihm in die Wohnung und schließe die Tür, lasse ihn voran gehen und bleibe stehen, als ich sie reden höre. Dann kommen Schritte in den Flur.

Als ich den Blick hebe, steht Nina vor mir. Sie lächelt und umarmt mich.

„Tut mir leid“, sage ich.

„Ach quatsch. Ich hab ihn immer. Manchmal muss er auch noch dir gehören.“ Sie grinst und greift nach ihrer Jacke.

Während die beiden sich verabschieden, verschwinde ich zum Bett hin. Ich sinke in die Kissen und bin froh zu liegen. Innerlich fühle ich mich unglaublich ausgelaugt...

„Worum geht es?“, fragt Florian, als er sich neben mich aufs Bett setzt.

Ich schließe die Augen, seine Finger in meinem Haar spürend, was mich wenigstens etwas zu beruhigen scheint. Es bringt mein Herz ein klein wenig zur Ruhe.

Ich seufze und frage mich, wo ich bloß anfangen soll.

„Der Name Andris sagt dir was, oder?“

„Das ist dieser Photoniker, oder?“

Ich nicke widerwillig.

„Was ist mit ihm?“

„Ich liebe ihn.“

Die Hand in meinen Haaren hält inne.

Blinzend öffne ich die Augen und sehe zu Florian, der meinen Blick verwirrt erwidert.

„Aber… Ich dachte du... naja...“

„In den letzten Monaten hat sich ziemlich viel in mir verändert, ohne dass ich es selbst gemerkt habe...“, gebe ich zögernd zu, bevor ich mich dazu entschließe, dass es keinen Sinn hat. Ich muss ihm alles von vorne erklären.
 

Als ich fertig bin, habe ich ein paar Tränen unterdrücken müssen und das Bedürfnis, an der ein oder anderen Stelle vor Ironie laut aufzulachen. Eigentlich ist das ganze ziemlich dämlich, wenn man es so betrachtet. Alleine schon die Situation, dass ich ausgerechnet Florian, in den ich so lange verliebt gewesen bin, nun von meinem neuen Liebeskummer erzähle, ist doch irgendwie Ironie des Schicksals. Vor noch ein paar Monaten wäre das vollkommen undenkbar gewesen!

„Und du bist sicher, dass er mit diesem Typen zusammen ist?“, fragt Florian, als ich bei der Situation auf dem Parkplatz angelangt bin.

„Nein, aber das tut auch nichts zur Sache. Er hat jemand anderen gefunden... das ist alles, was ich wissen muss.“

„Aber das...“

„Sieht es für dich nach irgendwas anderem aus?“

„Naja... nicht auf Anhieb... aber vielleicht... glaubst du denn gar nicht, dass du ihm was bedeutet haben könnest?“

„Ich war wahrscheinlich schon irgendwie ein Freund, aber ich denke nicht, dass er auch so für mich... gefühlt hat.“ Ich seufze und lehne mich gegen die Wand. „Er hat mir so viel wegen dir geholfen, mir immer wieder gut zugeredet...“ Meine Finger spielen mit der Decke unter meinen Füßen und ich habe das Bedürfnis, sie darin zu verkrampfen.

„Ich weiß nicht…“, höre ich Florians zweifelnde, nachdenkliche Stimme. „Wenn man jemanden liebt, will man dann nicht, dass er... naja... glücklich wird? Und da du nun mal gesagt hast, dass du mit mir-“

„Das ist Wunschdenken!“, unterbreche ich ihn und lasse von der Decke ab. „Und außerdem hatte er so schnell jemand anderen, dass es nicht schlimm für ihn sein kann...“

Vielleicht merkend, dass ich nicht wirklich von diesen Gedanken abzubringen bin, hört Florian auf, mir Ratschläge zu geben. Stattdessen lässt er es zu, dass ich bis weit nach Mitternacht immer die gleich Dinge wiederhole und am Ende heulend wie ein Mädchen in seinen Armen liege. Es sollte mir peinlich sein, aber in diesem Moment bin ich einfach nur froh, nicht alleine zu sein, bin ich froh, endlich mit jemandem darüber zu sprechen. Und wieder könnte ich lachen, wenn es nicht so traurig wäre, denn sieht es nicht so aus, als haben Andris und Florian schlicht und einfach die Rollen getauscht, die sie in meinem Leben spielten?

Das ist so was von bescheuert!
 

~ * ~
 

Man kann schon sagen, dass mich Florians Worte trotz allem ein wenig nachdenklich stimmen. Ganz so doof kommt mir der Gedanke, den ich sofort als Wunschdenken abgetan habe, dann doch nicht mehr vor. Im Gegenteil, umso länger ich darüber nachdenke, umso mehr gefällt er mir eigentlich sogar... Zwei Tage lang hält dies Gefühl der leichten Hoffnung allerdings nur, bis sie wieder vollends im Keim erstickt wird… dann nämlich, als ich am Mittwoch Andris in der Mensa sehe. Es ist nicht nur die Tatsache, dass er mich nicht eines Blickes würdigt, sondern auch die, dass er sich mit genau dem Typen unterhält, mit dem ich ihm im Auto gesehen habe… und spätestens, als Andris ihm die Hand fast zärtlich auf die Schulter legt, bleibt mir das Essen im Halse stecken und jeglicher Hoffnungsschimmer verschwindet auf Nimmerwiedersehen.
 

In den darauffolgenden Tagen bis Weihnachten kommt es noch zwei Mal vor, dass ich die beiden gemeinsam sehe, einmal noch in der Mensa und das andere Mal in ein angeregtes Gespräch vertieft in der Bibliothek… Als ich das Buch, welches ich eigentlich ausleihen wollte, mit einem lauten Knall zurück auf den Tisch pfeffere, sehe ich noch aus den Augenwinkeln, wie sich Andris’ Blick hebt… doch die Trauer und die Wut in mir lassen es nicht zu, dass ich mich zu diesem Blick umdrehe. Mit schnellen Schritten und verkrampften Händen gehe ich davon und tue schwer daran, nicht jeden Moment schon wieder in nutzlose Tränen auszubrechen.

Es ist zu spät… es ist vorbei… Und wie vorbei es ist.
 

Meine gesamte Familie merkt mir an den Weihnachtstagen an, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Meiner Mutter ist im Gesicht anzusehen, welche Sorgen sie sich macht, doch ich bringe keine Kraft dazu auf, mich zusammenzureißen. Gefragt, was ich habe, werde ich weder von meiner Mutter, noch von meinem Vater… nur mein Bruder spricht mich schließlich darauf an. Mit ihm im geheizten Wintergarten sitzend, erzähle ich ihm kurz und knapp, dass ich unglücklich verliebt bin, und bitte ihn dann, mir einfach was von seinem Leben zu erzählen. Ich will lieber zuhören als reden.

Ihm also lauschend, drehe ich mir aus seinen Utensilien eine Zigarette. Papier spannen, Tabak rein, drehen, lecken, kleben, fertig. Erst dann fällt mir ein, dass ich mir das Rauchen schon vor vier Jahren abgewöhnt habe. Blöde Angewohnheit, man wird sie nie wieder los. Danach kaue ich lustlos auf ein paar Keksen meiner Mutter herum.
 

Sylvester verbringe ich mit Nina, Florian, Corinna, Hendrik und ein paar anderen Freunden. Hier folgt dann auch mein schlimmster Absturz… und zwar als mir bewusst wird, was vor einem Jahr geschehen ist: Das erste Mal Sex, das erste Mal Andris ganz nah... Florian braucht lange, um mich zu beruhigen, damit ich mit Heulen und dem sinnlosen Betrinken aufhöre. Anschließend hänge ich ewig über einer Toilettenschüssel und verfluche die Gefühle, dass sie nicht ebenso wie der Alkohol gepaart mit Gallenflüssigkeit verschwinden können.
 

Wenn all das noch unerträglicher werden kann, dann ist der Grund dazu wohl die Prüfungszeit, die nicht auf sich warten lässt. Sechs Prüfungen sind es, die es dieses Jahr zu bewältigen gilt, und ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich es schaffen soll, mich auf die ganzen verschiedenen Dinge zu konzentrieren… Von den Vorlesungen habe ich kaum etwas mitbekommen, wie soll ich also nun all das in meinen Kopf hineinbekommen?

Hier ist es Nina, welche eine unglaubliche Geduld an den Tag legt. Während Florian nach den Vorlesungen meistens arbeiten geht, verbringt sie mit mir ihre freie Zeit und paukt… sie erklärt mir, was wir in den letzten Wochen gemacht haben, wie es funktioniert, selbst wenn sie das ein oder andere selbst nicht so ganz versteht. Tatsächlich nimmt mein Kopf sogar einiges von dem auf, was sie mir erzählt… was vielleicht daran liegt, dass ich froh bin, endlich mal an etwas anderes denken zu können.

Wohl nur durch diesen freundschaftlichen Einsatz schaffe ich es letztendlich tatsächlich, fünf meiner sechs Prüfungen zu bestehen – auch wenn es teilweise sehr knapp ist und ich mir sicher bin, dass ich sie in einer anderen Situation definitiv besser hinbekommen hätte. Doch das ist vollkommen egal.
 

Nach den Prüfungen bricht der nächste Horrortrip an: die Semesterferien! Alles mache ich, um auch nur einen Tag zu erleben, an dem ich nicht an Andris denken muss. Voll und ganz klappt dies natürlich nie… doch gegen Ende Februar schaffe ich es, meinen Kopf endlich wieder auf andere Dinge zu konzentrieren – wenigstens so lange ich nicht daran denke, dass ich bald wieder zur FH muss… Naja, und spätestens abends im Bett ist es mit Ablenkung eh wieder vorbei. Zu oft habe ich es mit ihm geteilt, um nicht an ihn erinnert zu werden.
 

~ * ~
 

Und dann? Ehe ich mich versehe ist es tatsächlich schon wieder März. Die ersten Tage des Semesters sind vergangen und auch heute habe ich bereits meine erste Vorlesung hinter mich gebracht. Andris habe ich in den letzten Tagen noch nirgends gesehen – und ich bin unglaublich froh darüber.

Nun auf Beginn des Praktikums wartend, surfe ich im Netz herum. Hierbei verschlägt es mich auf die Seite der FH, wo ich zunächst einmal die Termindaten des Semesters abschreibe, anschließend den Mensaplan der Woche studiere und dann an den Nachrichten hängenbleibe… Fast bin ich auch hier schon wieder weg, als mir plötzlich ein Wort entgegen springt. Wie versteinert halte ich in jeglicher Bewegung inne.

Es ist nicht mal dieses Wort, das mich so erschüttert, sondern alles, was damit zusammenhängt, alles was mit einem Mal von irgendwo ganz tief in meinem Gehirn wieder hervor kriecht… Alles und ein einziger Satz, den er damals zu mir gesagt hat.

Ich springe auf, stürme aus dem Raum, nicht auf die Rufe meiner Freunde achtend.

Schnell sitze ich im Auto und sause den Parkplatz hinunter.

Wie konnte ich es vergessen?

Wie konnte ich diese Worte vergessen?

Sie haben mich doch schon damals auf eine gewisse, mir vor mir selbst peinliche Weise glücklich gemacht.

Wann war das bloß?

Anfang des Sommers?

Nein, ich glaube es war Ende August...

Er hat so viel darüber geredet, hat meine Ratschläge hören wollen, war sich nicht sicher, wie er sich am besten für die Praxissemesterstelle bewerben sollte. Er hatte Angst davor, eine Stelle zu bekommen, die ihm nicht zusagen würde... oder wo ihm die Umgebung nicht gefiel.

Eines Abends kurz vor dem Schlafen war es dann, dass er davon redete, dass er schon immer raus aus unserer Stadt gewollt hatte. Er erzählte mir, dass er immer vorgehabt hatte, in den Süden Deutschlands zu ziehen, wenigstens für dieses halbe Jahr.

Dann verstummte er, denn er hatte mein trauriges Gesicht gesehen...

Ich springe aus dem Auto heraus, bin froh, die Tür zum Gebäude offen vorzufinden. Ich stürze die Treppe hinauf bis in den dritten Stock. Ich strecke die Finger nach der Klingel aus, doch halte ich im selben Moment inne.

Mein Herz setzt aus, als meine schlimmste Befürchtung wahr wird: Dort wo einst sein Name stand, steht nun ein fremder. Sein Name ist verschwunden...

Andris ist verschwunden.

Die Beine geben mir nach, als Erinnerungen in meinem Kopf über mir zusammenbrechen.

Damals, er hat mich lächelnd in den Arm genommen, hat mich geküsst und mir durch die Haare gestrichen... er hat zärtlich lettische Worte geflüstert, die ich nicht verstanden habe, und hat dann etwas zu mir gesagt, das ich in den folgenden Monaten vergaß, das ich bis heute vergessen habe – Vielleicht weil es mir schon damals so peinlich gewesen ist, dass ich kein Wort dazu gesagt habe.

Nun aber erinnere ich mich, als wäre es soeben erst geschehen... und nun wüsste ich auch, was ich darauf antworten würde.

Die Worte drehen sich in meinem Kopf herum.

Wie konnte ich sie nur vergessen? Wie konnte ich das einzige Mal, dass er wirklich über Gefühle mir gegenüber sprach, einfach so vergessen?

Tränen sickern mir die Wangen hinab, während ich es ihn noch immer ganz genau sagen höre:

„Ich bleibe hier. Es ist mein Ernst, Mīļotā. Wenn du willst, dass ich bleibe, dann bleibe ich. Ich kann mir keine schönere Stadt vorstellen als diese, wenn du nicht in ihr bist.“
 

ENDE Kapitel 10



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  Momachita
2008-07-15T17:58:20+00:00 15.07.2008 19:58
Oh Mein Gott!
geht's noch dramatischer?? Warum muss dieser Ar*** von Andris denn jetzt auch noch wegziehen???
Ich sitze hier, lese die Geschichte, warte auf ein Happy End... und dann das?!
Wehe das nächste Kapitel wird nicht schnell hochgestellt und wehe es wendet sich nicht doch noch alles zum Guten, dann...
Dann knöpf ich mir Andris persönlich vor, dass kannst du mir glauben!
... Warum muss das auch so toll geschrieben sein, dass ich hier fast aus Solidaritätsgründen mitheule?!
Warum?!
...
Gruß und Kuss
MomoCookie
Von: abgemeldet
2008-07-12T19:53:21+00:00 12.07.2008 21:53
Das ist ja noch trauriger als das davor. T_T Und ich habe gedacht, es würde erstmal keine Steigerung geben. Wo soll das mit den Beiden denn hinführen? Vielleicht merkt Andris ja auch, das er noch an Lukas hängt und kommt wieder zurück? Hm~ Da bleibt nur Hoffen. Es sieht nur irgendwie nicht sehr nach Happy-End aus. ^^ Oder doch? Wer weiß, wer weiß... Diesmal war es wieder ein sehr gefühlvolles Kapitel. Das fand ich schön, da ich sowas immer sehr mitreißend finde. Man lebt alles sehr mit und da kommen dann schon einem die Tränen, wenn einer der Charakter so leidet. >.<
Bis zum nächsten mal! Liebe Grüße
Nadine
Von: abgemeldet
2008-07-11T20:12:57+00:00 11.07.2008 22:12
HUhu^^
Ich habe in meiner Wohnung zwar noch immer kein Internte (-.-) bin aber zu besuch zu Hause und hab nun endlich die Gelegenheit, hier weiter zu lesen^^

zu 9:
Ich fand besonders die Erinnerung an Andrs Kindheit und seinen Traum, zum Zirkus zu gehen, schön... wünschen sich das nicht alle Kinder mal? Also ich wollte auch immer zum Zirkus, aber nie in die Manege, sondern eher in den Hintergrund... so das ganze organisieren und so... das hätte bestimmt Spaß gemacht immer umher zu reisen und so...
Aber auch die Sache mit dem Einkaufen fand ich witzig^^ Und ich wage jetzt mal meine vermutung zu äußern, dass Andris schon viel länger in Lukas verliebt ist und ihn deshalb die Worte auch so hart getroffen haben... kann das sein?? Oh toll -.- Hätte ich ein paar Zeilen weiter gelesen, hätte ich mir meine Vermutng auch sparen können, aber jatzt lass ich das so :)
<doch ich verstehe nicht, weshalb er mir dann immer wieder in der Sache mit Florian geholfen hat,> vielleicht hat er das einfach nur gemacht, eben weil er ihn liebte und immer dacht, dass er keine Chance hat, ihn aber trotzdem glücklich sehen wollte oder aber, um ihm einfach die Augen zu öffnen... mehr fällt mir nicht ein^^
<und doch habe ich es nicht getan.> Tja, er verhält sich jetzt mit Andris, wie früher mit Florian.... immer mit rumschleppen, aber nichts tun, um die SAche aus der Welt zu schaffen... aber ich darf deswegen nicht mit ihm schimpfen, denn ich mach es genau so^^
<vielleicht ist er einfach der nächste in der Reihe… > kay, da sist echt grausam... jetzt wird er entweder so wütend werden, dass er zu Andris stürmt, die beiden dann höchst wahrscheinlich auch noch in flagranti erwischt oder er ist ab sofort so deprimiert, dass er nie wieder den Mut finde wird, mit Andrsi zu sprechen... und egal was er nun tun wird, du bist es Schuld ;D
Wut also... tja, eines von beiden musste es sein... ist es immer^^

zu 10:
Tja, das mit den gerüchten ist wirklich so eine Sache... ein winziges Körnchen Wahrheit beinhalten eigentlich die meisten, aber es ist schwer, genau dieses Körnchen zu finden... wenn nicht sogar unmöglich...
<„Wenn man jemanden liebt, will man dann nicht, dass er... naja... glücklich wird? Und da du nun mal gesagt hast, dass du mit mir-“
„Das ist Wunschdenken!“> Ja, vielleicht ist es das, aber nichts desto trotz wäre es schön, wenn es wirklich so wäre, nicht?^^
Oh man, er tut mir so Leid... und ich wüsste auch nicht, wie ich mcih an seiner Stelle verhalten sollte...
Oh man! Tja, und jetzt? Ich hoffe, er ist nicht unauffindbar, da wo er jetzt ist^^
Schade ist nur, dass ich so lange auf das nächsta Kapitel werde warten müssen... ich weiß noch nicht, on ich nächstes Wochenende wieder nach Hause komme... aber egal, du bekommst deine Kommis 100%ig^^ So eine geniale Story verdient Kommis :)
LG cada :)
Von: abgemeldet
2008-07-11T09:42:40+00:00 11.07.2008 11:42
okay, dass ist definitiv mein lieblingskapitel bis jetzt...

du hast es echt super geschreiben und ich muss zugeben, ich war den Tränen nahe! so traurig... *schnief*
Ich hoffe sooooooo sosososososo das Lukas Andris noch bekommt, sonst muss ich wirklich heulen...
Von: abgemeldet
2008-07-10T15:39:47+00:00 10.07.2008 17:39
Also ehrlich gesagt fällt mir jetzt nichts anderes ein als das ich echt traurig bin :'((((((((((( Was nun?
Du schreibst richtig gut :) Das nimmt mich total mit. Auch bei späte Worte :'(
Von:  RayDark
2008-07-10T15:25:59+00:00 10.07.2008 17:25
OMG!
Lukas darf nicht aufgeben!
Such Andriy... und wenn er am Ende der Welt wohnt!!!!
Tipp Eins: Frag bei seinen ehemaligen Mitbewohnern nach! xD
Von:  Mel_Vineyard
2008-07-10T13:05:46+00:00 10.07.2008 15:05
oh mann das ist immer so traurig!!!! *flenn*
lukas soll endlich glücklich werden, MIT andris!der kann doch nicht einfach wegziehen! =((((((

bei der szene in der sauna (der typ soll ihm bloß fernbleiben!!) saß meine mutter da und hat sehr seltsam auch den bildschirm geschaut, gesagt hat sie nichts... X__X"

ich hoffe du schreibst bald weiter!!
Mel
Von:  UmbrellaXD
2008-07-10T12:01:07+00:00 10.07.2008 14:01
Q___________Q

Das geht doch nicht! ;_________;
Andris kann doch jetzt nicht wegziehen DDDDDDD:
*am boden zerstört*
Manno~ >O<

(andrerseits auch gut, so zögert sich das ende der story hinaus *~* XD)

Njaa~, kann nicht mehr warten TT ^ TT
Auf jeden fall ganz toll *nod*
Von:  Yumicho
2008-07-10T11:58:58+00:00 10.07.2008 13:58
Schon wieder so ein trauriges Kapitel! >-<
Was machst du bloß mit uns?!
Es soll endlich wieder... glücklicher vorangehen & nicht so... schnüffig.
Q________Q

Böser Andris. .____.
-wein-

Wehe... [schon wieder, ich beende den Satz gar nicht erst xD]
Hoffentlich geht's bald weiter! :)

Grüßchen ♥
Von:  Yumicho
2008-07-10T11:42:30+00:00 10.07.2008 13:42
Erste!
-herumscharwenzelt-


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