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100promts-Challenge

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#91: Es (Lost)

Promt: #91: Es

POV: Brian

Timeline: Post-Series
 

Title: Lost
 

Du weißt nicht mehr, wann es anfangen hat. Wann genau Justin das erste Mal den Schlüssel verlegt und nicht wiedergefunden hat. Wann genau er die Packung Mehl, die er vom Einkauf mitgebracht hatte, -wofür auch immer er Mehl brauchte- statt in den Schrank über der Spüle, in den Kühlschrank gestellt hatte. Auch wann er das erste Mal die Herdplatte anließ und unter die Dusche ging, ist dir entfallen.
 

Du erinnerst dich nur noch an die Rechnungen vom Schlosser, der zum dritten Mal in einem Monat, das Schloss ausbauen musste. Und daran das Justin niemals Kekse oder Kuchen gebacken hatte und das Loft beinahe niedergebrannt wäre, wärest du nicht etwas früher als geplant von der Arbeit nachhause gekommen und hättest das Geschirrtuch -das zu diesem Zeitpunkt bereits Feuer gefangen hatte- in die Spüle geworfen und Wasser darüber laufen lassen.
 

Das sind Dinge an die du dich erinnerst. Und diese Erinnerungen werden täglich mehr.
 

Was du Anfangs, mit einem einfachem: "Er ist nur ein bisschen zerstreut" vor Debbie gerechtfertigt hast, macht dir mitlerweile Sorgen. Denn egal wie "künstlerisch veranlagt" eine Person auch ist, egal wie zerstreut die Gedanken dieser Person auch sind... das sind keine Missgeschicke mehr.
 

Und du ertappst dich selbst dabei, wie du Justin immerzu beobachtest, jede seiner Tätigkeiten genau abschätzt und abwägst, was genau daran anders ist als sonst. Und auch wenn jeder Außenstehende dir versichern würde, das er so ist wie immer, weißt du doch ganz genau, das etwas ganz und garnicht stimmt.
 

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Als ihr zwei Wochen später, auf den Parkplatz des Allegheny General Hospital ankommt, richtet sich Justin's Blick verwirrt auf die hohen weißen Mauern. Und du weißt genau, das er denkt: 'Das ist aber nicht das Liberty Diner,' als eben dieser verwirrte Ausdruck sich dir zuwendet.
 

"Brian... Warum halten wir vorm Krankenhaus? Ich dachte wir wollten einkaufen...?" Er runzelt leicht die Stirn und du verkneifst dir ein lautes aufstöhnen, als dein Gehirn seine Worte registriert.
 

"Hast du schon vergessen? Der Termin von dem ich dir erzählt habe?" Du beugst dich leicht zu ihm rüber und siehst ihn an. Suchst in seinen Augen nach dem Moment, indem er sich erinnert, indem das fehlende Puzzleteil sich endlich in das große Bild einreiht... aber nichts.
 

Er blickt dich nur weiter an, nimmt seine Hand von seinem Schoss, führt sie an die Lippen und knabbert leicht an an seinem Daumen. "Hast du?"

Und ein leichtes Lächeln legt sich auf deine Lippen. "Muss ich wohl vergessen haben."
 

Du löst deinen Gurt und wartest geschlagene fünf Minuten, das der Mann neben dir, dasselbe tut... aber wieder nichts. Also richtest du deinen Blick wieder auf die Person, die noch immer unbewegt und angeschnallt neben dir sitzt, greifst mit einer Hand zu seinem Gurt und löst auch diesen.
 

Und, als seie nichts gewesen, öffnet er langsam die Autotür und steigt aus.
 

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"Welches Jahr haben wir?" Es sind einfache Fragen, wie eben jene, die der Doktor deinem Partner stellt. Alltägliche Fragen, wie: 'Wann wurden sie geboren?', 'Wie ist ihr Name?' oder 'In welchem Bundesstaat leben Sie?'. Und nach jeder dieser Fragen, die Justin's Person an sich betreffen, sieht der Ältere Herr in weiß dich aufmerksam an und wartet darauf, das du es bestätigst.
 

Und wenn du an die vergangenen 30 Minuten zurück denkst, gab es nur 3 Fragen, die der Blonde falsch oder garnicht beantwortet hatte. Die Postleitzahl von Pittsburgh, der Mädchenname seiner Mutter und das heutige Datum.
 

Warum gerade die Tatsache, das er das Datum nicht kennt, dich so nervös macht, weißt du nicht.
 

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In den Favoriten deines Internet-Browsers, von denen du weißt, das sie so gut versteckt sind, das der Blonde sie nicht findet, befinden sich Links wie: 'Vergesslichkeit? Segen oder Fluch' und 'Früherkennung von Alzheimer.' Ebenso wie Verknüpfungen zu Kliniken, die sich dieses medizinische Themengebiet zur Hauptaufgabe gemacht haben.
 

Warum du dir die Mühe gemacht hast, diese Seiten herauszusuchen kannst du nicht beantworten. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, nicht wahr?
 

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Als Justin zum dritten Mal in Folge, der Anweisung auf dem weißem Blatt Papier nicht nachkommt, entschuldigst du dich mit einem leisen: "Krankenhausluft ist so furchtbar stickig, ich gehe frische Luft schnappen" und holst dein Handy heraus, um Michael anzurufen.
 

Als er abnimmt, redest du nicht lange herum, du fragst ihn einfach: "Wenn auf einem Blatt Papier steht, 'Schließen sie ihre Augen,' dann tust du das doch, oder?"
 

Für einen kleinen Moment scheint er zu überlegen. Du bist dir sicher, er glaubt du willst ihn verarschen, aber nach kurzer Zeit kommt die Antwort, die du eigendlich nicht haben wolltest.

"Natürlich, warum auch nicht?"
 

Dein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen und du trittst gegen den hüfthohen Aschenbecher, der vor dem Eingang des Krankenhauses steht.
 

'Warum auch nicht?'

Der Satz geht dir wieder und wieder durch den Kopf. Als du eine Zigarette aus der Packung nimmst und sie anzündest, ist er da. Als du sie keine zwei Minuten später auf dem harten Asphalt austrittst, statt sie in den Aschenbecher zu werfen, ist er da.

Und schließlich, als du den sterilen Krankenhausflur betrittst und nach kurzem Zögern an der Tür klopfst, die du vor nichteinmal fünf Minuten verlassen hast... ist er auch da.
 

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Die kleinen Missgeschicke häufen sich täglich.
 

Gekochtes Essen, das auf wundersame Weise auf dem Herd steht, von dem du weißt, das du es nicht gemacht hast und Justin glaubt es nicht gekocht zu haben.

Der Name Debbie, der in alleiniger Anwesenheit Jennifer Taylor's, fällt und im eigendlichem nicht mit ihrem Namen verwechselt werden kann.

Ein Anruf um halb zwei Uhr Nachts, mit der Bitte auf dem hiesigem Polizeirevier zu erscheinen, um einen Justin Taylor abzuholen, der auf unerklärliche Weise seine Adresse vergessen hat -Gut, das du in allen wichtigen Unterlagen, die von Belang sind, deinen Namen und deine Telefonnummer hast eintragen lassen-.
 

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Kaum vier Monate später hat sich deine Checkliste, die du extra bei der US-amerikanischen Alzheimer-Gesellschaft angefordert hast, schon so weit gefüllt, das ein Häkchen neben acht von zehn Punkten steht.
 

Vergesslichkeit

Schwierigkeiten bei Alltagstätigkeiten

Sprachverarmung

Verlust der Orientierungsfähigkeit

Verherende Fehleinschätzungen

Verlust des abstrakten Denkens

Verlegen von Gegenständen

Stimmungsschwankungen
 

Und die Tatsache, das nur noch ein Häkchen neben 'Veränderung der Persönlichkeit' und 'Antriebslosigkeit' fehlt, um all deine Ängste zu bestätigen, macht dich schlichtweg wahnsinnig.
 

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Als der Arzt das erste Mal 'Verdacht auf Alzheimer' ausspricht, hängst du an seinen Lippen, wie ein Ertrinkender an einer lebensrettenden Boje, auf offenem Meer. Und du fühlst dich, als würdest du fallen. Tief und schnell, doch der harte Aufprall am Boden, bleibt aus.
 

Und du kannst dir nicht einmal im entferntestem ausmalen, was der Mann an deiner Seite, der hart und unnachgibig deine Hand drückt, bei diesem Wort empfindet.
 

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Kaum drei Wochen, nachdem du 'Es' -du kannst das Wort nicht aussprechen, nicht einmal denken, seitdem es tragische Gewissheit geworden ist- das erste Mal gehört hast, befindet ihr euch wiedereinmal in deiner Corvette. Auf dem direktem Weg nach Philladelphia. Zum 'Penn Memory Center', dessen Adresse sich bereits seit 5 Monaten in deinem Adressbuch befindet.
 

Dr. Smith, der nette ältere Herr in weiß, hatte euch darauf hingewiesen einen Spezialisten zu konsultieren, da Alzheimer eine Ausschlusskrankheit ist und eben nur durch diesen Ausschluss, als Krankheit erkannt werden kann.
 

Und noch ehe du die freundliche Auffahrt hinaufgefahren und die liebevoll, gepflegte Umgebung erblickt hattest, hasstest du diesen Ort.
 

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Als der Arzt, Korifäe auf seinem Spezialgebiet -wie du dir hattest sagen lassen- dieselben Fragen stellte, die auch schon Dr. Smith gestellt hatte, kamst du dir gelinde ausgedrückt, recht verarscht vor. Denn alle Antworten waren bereits mit Punkten -die die schwere der Krankheit beschrieben- versehen.
 

Und erst als Justin die Frage, "In welchem Bundesstaat leben sie?" mit einem einfachem, sicherem Pittsburgh beantwortete und Worte, die er kaum vier Minuten zuvor gehört hatte, nicht wiederholen konnte, bemerktest du, das man dich doch nicht verarschen will.
 

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Die Tests dauerten lange, zu lange für deinen Geschmack und der Druck der Hand, die sich kaum eine Sekunde aus deiner lösen wollte, wurde von Stunde zu Stunde fester.

Doch trotz allem, wartetest du vergeblich auf den Moment, in dem die ersten erlösenden Tränen fallen sollten.
 

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Nachdem Justin von Kopf bis Fuss untersucht worden war, schickte man euch, mit der Bitte um etwas Geduld "die Ergenisse, werden ganz sicher noch diese Woche augewertet" und dem ungutem Gefühl nach Hause, das wirklich nichts mehr sicher war.
 

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Ihr hattet niemandem bescheid gegeben, das ihr euch für unbestimmte Zeit, nicht in Pittsburgh befinden würdet -Cynthia und Ted hattest du mit einem strengem Blick und der Drohung einer Gehaltskürzung in ihre Schranken gewiesen-, also wunderte es dich nicht wirklich, das der Anrufbeantworter geradezu heißgelaufen sein musste, in der Zeit, als ihr euch in Philladelphia aufgehalten hattet. Was natürlich die blinkende '56' auf dem Display der kleinen Maschine nur bestätigte.
 

Und spätestens dann, wurde dir klar, was der nächste, richtige Schritt für euch war.
 

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Die Familie mit der Tatsache zu konfrontieren, das Justin in ein paar Jahren, wahrscheinlich nicht mehr wusste, wer von ihnen wer war, war garnicht so schwer gewesen, wie du anfangs gedacht hattest. Was wohl auch daran lag, das ihr euch auf dem Weg zum freitagabendlichem-Lasagne-essen, darauf geeinigt hattet es bei "Verdacht auf 'Es'" zu belassen.
 

Denn der Verdacht allein, war doch immernoch besser, als wenn die Krankheit ohne Verdacht dagestanden hätte, oder?
 

Jennifer hatte bitterlich geweint, Debbie hatte bitterlich geweint, Emmett hatte bitterlich geweint... alle hatten sie Tränen vergossen. Tränen, die sich seit gut eineinhalb Jahren in dir und Justin angesammelt hatten, aber niemals einen Weg ans Tageslicht fanden.
 

Und auch dann, als alles um euch herumzusammenbrach, Taschentücher in gewaltigen Mengen herumgereicht wurden, brauchtet ihr beiden keine.
 

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Du hattest schon früh aufgehört zu Gott zu beten, ihn um Hilfe zu bitten. Von daher verwunderte es dich nicht wirklich, dass das Ergebnis mit 95% Sicherheit feststand.

Das es nur eine 5%ige Chance gab, das Justin nicht alles vergessen und frühzeitig sterben würde.
 

Und das war es gewesen. Der letzte Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hatte. Am Tag als das Ergebnis schwarz auf weiß, auf dem Esstisch lag, machte der aufgestaute Frust, der Ärger und der Schmerz sich Luft. Ihr hattet euch einfach nur angeschrien. Du hattest ihm vorgeworfen, das er nicht früher zum Arzt gegangen war und er hatte wild mit den Armen herumgewirbelt, nach Worten gesucht und nach etwas Überlegung geschrien, das er es getan hätte, wenn es ihm aufgefallen wäre.
 

In dieser Nacht habt ihr kein Wort miteinander geredet.
 

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Zwei Wochen später klebst du gelbe Pfeile auf den teuren Mahagoni-Holzboden und makierst alle wichtigen Weg, wie der Arzt es dir geraten hat. Und Justin sitzt einfach nur auf dem Sofa und starrt dich an, als seie dir über Nacht ein zweiter Kopf gewachsen.
 

"Was machst... du da?," meinte er in einem Tonfall, den er sich in den letzten Wochen angewöhnt hatte. Antriebslos.
 

Und gedanklich machst auf deiner Checkliste hinter dem Wort 'Antriebslosigkeit' einen kleinen Haken.
 

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Wenn du heute darüber nachdenkst, möchtest du dich für jedes schlechte Wort, das du je zu ihm gesagt hast, entschuldigen. Aber dann müsstest du dich tagein, tagsaus, jedesmal aufs neue entschuldigen.
 

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Er weiß am Anfang nie wie du heißt oder wer du bist, aber das versetzt dir nicht mehr den Stich in dein Herz, wie es noch vor 5 Jahren der Fall gewesen war. Mitlerweile kommst du damit klar, wenn du ihm jeden Tag erzählen musst, was für eine Rolle du in seinem Leben gespielt hast, als 'Es' noch nicht da war. Auch mit dem Gedanken, das er sein gesamtes Wissen verliert, wenn er die Augen schließt, hast du dich über die Jahre angefreundet.
 

Das einzige, was von deinem Justin noch übrig ist, ist die Liebe zur Kunst.

Und das allein ist schon mehr, als du dir je zu träumen gewagt hast.
 

Und der letzte Punkt, der Punkt, der dir auf der Liste am wichtigsten war, bleibt ohne Haken.
 

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Justin lebt nur noch einen Tag. Dann schläft er ein und wacht in einer neuen Welt auf. Und du hast dir fest vorgenommen, das dieser eine Tag, jedesmal aufs neue, der schönste seines Lebens wird. Bis er eines Tages ganz einschläft.



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