Überraschend, Interessant? …Verrückt!
Überraschend, Interessant? …Verrückt!
Mark blinzelte wild mit den Augen und hoffte inständig, dass er sich das nur eingebildet hatte. Seine Großmutter konnte das nicht wirklich gesagt haben, oder?
Aber ihre Worte waren noch viel zu deutlich in seinem Ohr, trieben ihn dazu immer wilder an dem Arm zu zerren, der ihn festhielt. Er kratzte und riss ständig stärker an den Fingern, an den Fingern, die noch immer viel zu stark auf seinem Mund lagen und sich keinen Millimeter rührten. Dabei erinnerte ihn die Wärme in seinem Rücken an etwas, lullte ihn fast ein. Der Körper hinter sich beruhigte ihn mit dieser Festigkeit, mit der Hitze, die er ausstrahlte und bot dabei doch so unverrückbar wie er war die beste Möglichkeit für Flucht an. Beinahe magisch wurde er davon angezogen, überlegte nicht mehr, sondern nutzte seine Chance.
Fest entschlossen hielt er die fremde Hand fest, legte sein ganzes Gewicht in diese Bewegung, sicher, dass er gehalten wurde, nur um mit einem Mal seinen Kopf nach hinten schnellen zu lassen, und schon im nächsten Moment die kühle Freiheit auf seinen Lippen zu spüren. Er riss seinen Mund auf, wollte jubeln und sich von der Wärme wegbewegen, die er jetzt so deutlich auf seinem Rücken spürte.
Doch dann schreckte ihn das laute Lachen in seinem Ohr hoch. Panisch wollte er weg, rutschte gleichzeitig mit seinen Fingern ab, stolperte, nur um dann, nur Bruchteile von Sekunden später wieder gedrückt zu werden. Wieder blinzelte er wild, verwirrt, um seine verlorene Orientierung wieder zu finden.
Gefangen in einer Umarmung, die ihn so fest hielt, so eindeutig war, dass er nicht entkommen konnte und ihm nicht einmal die Möglichkeit ließ, sich zu rühren. Dabei kroch dieses verrückte Pochen langsam in ihm hoch, hallte laut und deutlich an seinen Schläfen wider und versetzten seinen ganzen Körper in Anspannung, trieb ihn immer stärker vorwärts, trieb ihn dazu etwas zu tun. Wie als Antwort raste sein Fuß hoch, bis er sein Knie berühren hätte können, hielt nur Momente an, bevor er ihn wieder mit voller Wucht auf den Boden rasen ließ, auf Jins Zehen zu – und traf nichts.
Entsetzt starrte er nach unten, wo sein Fuß noch vibrierte, schmerzte. Das konnte nicht wahr sein. Gefangen von einem verrückten Perversen, während ihm selbst seine Großmutter in den Rücken fiel. Wie konnte sie nur denken, dass er schwul wäre? Er schüttelte den Kopf hin und her. Das konnte einfach nicht wahr sein, er musste etwas unternehmen…
Immer drängender wurde das Kitzeln auf seiner Zunge, das Ziehen an seiner Schläfe, das ihn zittern ließ, bis er es nicht mehr aushielt und förmlich platzte.
„Lass mich los, lass mich endlich los!“, schrie er, stampfte wieder und wieder mit voller Wucht auf den Boden, rammte seinen Fuß förmlich hinunter, bis der Schmerz bei jeder Bewegung aufleuchtete und seine Wut übermannte, sie langsam verblassen ließ. „Ich bin nicht Schwul, ich liebe Frauen! Ich bin nicht schwul und ich will nichts mit Männern haben, ich finde es eklig.“ Inzwischen stand er beinahe ruhig, erschöpft da, während die Wärme ihn fast umwehte und müde machte.
„Wieso glaubt mir niemand, dass ich ein ganzer Mann und keine halbe Frau bin? Wieso?“, wollte er wissen, wollte sich dabei mit der Hand gegen die Stirn schlagen, doch die war noch immer gefangen in der Umarmung, die ihn schlagartig wieder zu Bewusstsein brachte. „Und lass mich endlich los, ich will, dass du mich los lässt! JETZT, JETZT verdammt!“
„Gewährt“, hörte er leise, erschrak, als genau in dem Moment die Wärme in seinem Rücken, die Stütze verschwand und er die kalte Luft um sich herum heulen hörte. Panisch riss er die Augen auf, versuchte mit seinen Händen noch nach Jin zu greifen, der schon neben ihm stand, ihn schelmisch anlächelte - doch fand keinen Halt. Mit einem lauten „AU“ auf den Lippen prallte er mit seinem Gesäß auf den Boden, während er den Verrückten noch immer anstarrte.
„Hey, was sollte das? Und wieso Wunsch gewährt?“ Langsam richtete er sich wieder auf, und schnaufte, rieb sich sein schmerzendes Hinterteil, bevor er demonstrativ die Arme vor seiner Brust verschränkte und dabei versuchte, beleidigt zu schauen.
„Ach, mein Gefäß“, kam wieder diese furchtbare Bezeichnung, die ihn mit den Zähnen knirschen ließ, „ein Wunsch ist ein Wunsch, egal wie er dargebracht wird. Wir wollen doch nicht so kleinlich sein und jedes Wort umdrehen, wenn es doch nur um die Bedeutung dahinter geht, oder? Menschen sagen oft das, was sie nicht meinen und meinen oft das, was sie nicht sagen. Also du siehst…“
„…dass du nichts als Allgemeinplätze verteilst“, fuhr er ihm ins Wort, stampfte die paar Schritte bis zum Dschinn und ergriff sein Hemd, das dabei anfing unter seinen Fingern zu zerfallen. Er riss die Augen auf, fühlte, wie seine Nase immer mehr juckte, als eine schwarz-weiße Farbwolke plötzlich in seine Richtung trieb, immer mehr drückte, bis er nicht mehr konnte. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch wurde sein Kopf nach hinten gerissen und im nächsten Moment verschwamm die Welt in einem Nieser.
„Nun, dafür kommt aus meinem Mund die Wahrheit. Nicht so wie bei Dir, der du nicht zugeben willst, was du schon weißt, fühlst…“, gelangte das Flüstern leise an sein Ohr, wollte ihn reizen, während etwas durch sein Haar strich, ihn anfing zu beruhigen. „Gib dich mir hin…“
„Was ich nicht…“, wiederholte er die Worte noch einmal, redete, bis die Bedeutung in sein Bewusstsein drang, alles in Rot unterging und er losbrüllte. „Mich dir HINGEBEN?“
Seine Arme schnellten zurück, als ob vor ihm eine glühende Hitze herrschte; er riss die Augen auf. Sein Herz pochte wild, bis es beinahe bis zu seinem Hals schlug, während er sich gehetzt umschaute.
Verzweifelt suchte er nach einer Lösung, nach einem Ausweg, wollte nur noch von hier weg, egal wohin, und sah etwas. Mit einem Satz sprang er davon und stürmte los. Begleitete von einem schallenden Lachen, das hinter ihm immer lauter wurde, rannte er so schnell er konnte vorbei an den Kästen, hielt sich an der Wand fest, als er förmlich um die Kurve stolperte und das Adrenalin mit jedem Schritt, jedem Sprung nur so durch seinen ganzen Körper fegte. Jeder Schritt verstärkte das Klopfen in seinem Hals nur noch mehr, den Trieb, die Schnelligkeit, das Ziel vor Augen. Da vor ihm war es, war die Rettung, die Tür zur Außenwelt, die noch normal sein musste. Immer schneller und schneller wurde sein Atem, sein Puls, bis er endlich die Tür erreichte und sie aufriss.
Zumindest wollte er es. Verzweifelt zerrte er daran, drückte sie immer wieder hinunter und fluchte laut, als sie sich keinen Millimeter rührte und sich ihm wie ein Bollwerk entgegenstellte, während das Gefühl beobachtet zu werden beharrlich stärker wurde. Das Lachen wurde immer lauter, kam ständig näher.
„Scheiße!“ Mehr bekam er nicht heraus. Panik war das einzige, was ihn noch beherrschte. Gefangen in diesem Gang hier, schaute sich um und sah hinter sich den Dschinn. Wild zerrte er noch einmal vergeblich an der Tür, schlug mit seinem Fuß wütend dagegen, bevor er sich wieder umwandte und in die Richtung stürmte, aus der er gekommen war. Die Tür rechts, noch vor der Küche war genauso verschlossen, genauso unverrückbar geschlossen wie die zur Außenwelt und er fluchte nur noch lauter, stürmte weiter, das Lachen viel zu nah und immer da.
Seine Beine bewegten sich so schnell, wie sie konnten, wie er konnte, trieben ihn in das Wohnzimmer, das gleich nach der kitschigen Wandvertäfelung offen da lag, bis er voller Hoffnung einen der beiden Ausgänge aufreißen wollte – und erstarrte. „SCHEISSE!“, brüllte er wieder, als sich nichts bewegte. Panisch fuhr er um; sein Nacken kratzte förmlich unter dem Gefühl beobachtet zu werden.
Und da stand er, sein Alptraum mit der lächerlichen Kleidung und lächelte zufrieden, fing an zu sprechen: „Du kannst mir nicht entkommen, mein Gefäß. Ein Wunsch gegen einen Wunsch…“, nur um sich dabei wie eine Katze auf ihn zuzubewegen.
Unfähig klar zu denken, gehetzt und nur noch mit einem einzigen Gedanken beseelt, beseelt davon fliehen zu müssen, sagte er nichts, stürmte einfach in Richtung Treppen. Schwer atmend hetzte er sie hoch, immer verfolgt von den Worten, die in seinem Kopf widerklangen und nicht verschwinden wollten, dem Gefühl verfolgt zu werden.
Er raste von Tür zu Tür, griff jedes Mal mit der Hoffnung endlich einen Ausweg zu finden auf die Klinken und verzweifelte jedes mal wieder, wurde immer panischer. Nach jedem gescheiterten Versuch tauchte der Irre hinter ihm auf, lachte und trieb ihn weiter, ließ ihm keine Zeit für Gedanken. Seine Hände zitterten inzwischen nur noch wild, Schweiß stand ihm im Gesicht, klebte Haare über seine Augen, als er am Zimmer seiner Mutter stand, kurz den Kopf drehte und den Dschinn inmitten seines Fluchtwegs entdeckte. Ausweglos.
„Bitte, Bitte, geh auf!“, flehte er den Griff an, schloss die Augen und drückte hinunter – und fiel vor Erleichterung fast um. Sie öffnete sich. Mit einem lauten Seufzer stürmte er in den Raum, schlug die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zu und lehnte sich dagegen, erschöpft.
Endlich war er entkommen, endlich in Sicherheit. Erleichtert atmete er auf, fühlte, wie es noch wild in seinen Ohren pochte, langsam immer dumpfer wurde und er seinen Kopf gegen das Holz abstützte.
Seine Gedanken kreisten wieder um die verfluchten Worte, um die Behauptungen, dass er homosexuell wäre, bis alles bei dem nächsten Geräusch auf einen Schlag stoppte.
„Ich glaube das sollten wir öfter machen“, schreckte ihn die furchtbar angenehme Stimme aus seiner Entspannung hoch. Er riss die Augen auf, doch der Rest seines Körpers bewegte sich wie in Zeitlupe, viel zu müde, um noch anständig zu reagieren. Ein letzter Griff zur Tür gelangt ihm noch, zur Tür, die sich kein Stück rührte, nur um sich dabei im nächsten Moment wieder gefangen in den Armen des Dschinns vorzufinden.
Alles war so schnell gegangen, alles drehte sich noch immer um ihn herum und er murmelte, stammelte: „Nein, Nein…“, kratzte dabei weiter an dem Griff unter seinen Fingern, bevor seine Hände gelöst wurden und er einen grausam sanften Kuss auf seinem Hals spürte.
„Doch. Du rufst geradezu nach mir, verführst mich mit der Jagd und mit deinem erotischen Ausdruck dabei - den geröteten Wangen, dem schnellem Atem. Vielleicht sollte ich dieses eine Mal gegen meine Prinzipien verstoßen und dir das geben, was du doch in Wirklichkeit willst. Das, was du so vehement leugnest…“, hauchte ihm Jin ins Ohr, vertrieb damit die Müdigkeit wie mit einem schmerzhaften Schlag. Genau in dem Moment bemerkte er, wie er sich dem Bett näherte, immer näher hin geschoben wurde an das Grauen aus rosa Herzkissen.
„Nein, lass das!“, schrie er zwischen den vergeblichen Versuchen sich mit seinen Händen einen Weg in die Freiheit zu bahnen, die um ihn geschlungenen Arme zu lösen. Wieder und wieder rammte er seinen Fuß nach hinten, nach vorne, um sich dagegen zu wehren – ohne Erfolg. „Zum Henker noch mal, LASS MICH LOS!“, brüllte er, aber der Wunsch wurde nicht erfüllt. „Verdammt, lass mich endlich los! Ich wünsche es mir!“ Wieder nichts.
Und dann fühlte er schon den Schubs, der ihn auf das weiche Bett beförderte, landete auf dem Mädchentraum, drehte sich wütend um. „DU…!“, brachte er zwischen zusammengepressten Zähnen stoßweiße heraus, stierte regelrecht in Richtung des Perversen.
„Hm?“, war die Antwort viel zu nah, der Dschinn mit einer eleganten Bewegung direkt über ihm, Finger auf seinem Arm, „Wünsche sind einzigartig. Sie werden nicht zweimal erfüllt…“ Inzwischen wehten Mark einzelne dieser goldenen Haare ins Gesicht, konnte er den Atem des Irren spüren, der seine Wut wieder vertrieb und sein Herz zu einem allumfassenden Pochen machte.
„Was?“, sank es langsam immer tiefer, die Stimmung angespannt, sein Hals ein einziger Knoten. „Was? Ich…was…du kannst doch nicht dauernd die Regeln ändern, zum Henker noch mal. Das…“ Er schluckte, versuchte es, als ihm die Gedanken für die Worte ausgingen. Wärme vertrieb sie, wurde angestachelt von dem Blick, der auf ihm ruhte und ihn verrückt machte.
Ohne eine Wahl schauderte er, als ein Hauch über sein Ohr fuhr, von Worten verfolgt wurde: „Ich erfinde nichts dazu, mein Gefäß, mein Mark. Wenn du aufhören würdest dich gegen alles zu wehren, würde vielleicht dein Denken wieder klarer werden, dein Verstand arbeiten und du sehen, was hier passiert…“
Jetzt brodelte wieder etwas in ihm hoch, brachte ihn zum knurren. Sein Kiefer zitterte, als er das nächste fast ausspuckte: „Mein Verstand? Du bist hier derjenige, dem Verstand fehlt, verdammt! Wünsche erfüllst du nur, wenn es dir passt und wie DU sie interpretierst. Ich bin nicht schwul, zum Henker noch mal und ich will nicht schwul werden!“ Seine Stimme wurde mit jedem Moment immer höher, immer lauter. „Ich zeige dir, wie gut ich denken kann: Ich wünschte, du würdest verschwinden! Ich wünschte ich hätte dich nie getroffen, hätte den Kühlschrank nie geöffnet! Wünschte, ich hätte dich nie befreit! Ich wünschte du würdest…einfach weg sein! Verschwinde, Verschwinde, Verschwinde!“, schrie er mit geballten Fäusten, die Augen starr auf das unbewegliche Hindernis gerichtet. Immer drängender betete er, dass dieser Alptraum ein Ende fand und wieder Normalität wurde, das Jucken auf seiner Brust endlich aufhörte.
Doch mit jeder Sekunde, jeder Minute, die still verging und in der nur ein kurzes Flackern die Welt veränderte, zerbrach die Hoffnung immer mehr, so schnell wie er es nicht sehen wollte, nicht wissen wollte. Tränen in den Augen, verzweifelt, zerrte er die Hand von seinem Arm, sprang auf, lief zur einzigen Tür, die noch da war und riss sie auf. Nur die gelben Kacheln, der riesige Spiegel der mit violetten Herzen umgeben war und der ihn magisch anzog, machten das Bad zu einem Hort des Grauens, der perfekt zu dem passte, was gerade vorging. Er zitterte, schaute sich um und fühlte, wie eine Träne anfing sich ihren Weg nach unten zu kämpfen. Wild blinzelnd drängte er sie wieder zurück, bewies etwas damit, ohne dass er sich besser fühlte. Wieso konnte er nicht entkommen?
„Du kannst nicht vor mir fliehen, mein Gefäß“, kam der Urteilsspruch, der ihn beinahe umwarf, die Hand, die ihn wie pure Hitze berührte. „Sieh es dir an, sieh dir das Zeichen an!“, und damit drehte ihn der Dschinn um, zog das Hemd hinunter, riss es halb auseinander und offenbarte etwas, was er nicht wahr haben, nicht sehen wollte.
Ungläubig blinzelte er, schüttelte den Kopf, blinzelte wieder, doch das Bild vor ihm änderte sich nicht, selbst als er es mit seinen Fingern berührte. Verheilte Narben bewegten sich unter seiner Hand, bildeten die Linien für dieses furchtbare Bild. „Nein…verschwinde! Ich will das es verschwindet!“, brachte er immer panischer hervor, kratzte dabei an dem Tattoo, das sich kein Stück bewegte, selbst über die roten Striche triumphierte und ihn zittern ließ. Immer klarer wurde das Bild von den vier ineinander verschlungenen Kreisen, so perfekt symmetrisch angeordnet, dass sie in ihrer Mitte ein Auge bildeten das ihn anstarrte. Jedes Mal, wenn sich die blaue Pupille auf dem merkwürdig goldenen Grund bewegte, verschwamm alles, weiteten sich die Kreise gleichzeitig im Takt. Nur die verschlungenen Fortsätze blieben immer gekreuzten Stäben gleich, so dass alles wie ein krankes, lebendes Wappen wirkte.
„Nein, das…“, stammelte er wortlos vor sich hin, wie gebannt von dem was da auf seiner Brust fast zu leben schien und wich einen Schritt zurück, landete in den Armen des Dschinns, des Verursachers all dessen. Mit voller Wucht brach die Wut über ihn herein, ließ ihn den Schrecken vergessen. Er schnaufte, drehte sich ruckartig um und ergriff die Bänder, die sich auf der Brust kreuzten, versuchte Jin zu sich hinunterzuziehen. Doch wie immer zerfielen diese verfluchten Fäden unter seinen Händen, erstanden gleich wieder neu und ließen ihn nur noch schnaubend zurück.
„Verdammte Scheiße! Mach es weg, lass es verschwinden! Ich will, ich wünsche mir, dass dieses verfluchte Ding verschwindet! SOFORT!“ Die Hände in einer verzweifelten Geste verkrampft, fuhr er mit seinen angespannten Fingern über das Tattoo, zeigte darauf, wie um es noch deutlicher zu machen.
Doch das Lächeln, das auf Jins Gesicht erschien, brachte ihn dazu schneller zu atmen, in Erwartung der bösen Überraschung, die kommen musste.
„Ein Wunsch der einmal gewährt wurde, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wäre doch auch schrecklich, wenn etwas so einzigartiges zerstört werden würde, nicht wahr? Und außerdem habe ich endlich gefunden, was ich nie gesucht habe und doch immer wollte. Ich werde es nie wieder hergeben …“, hörte er diesen perversen Irren beinahe belehrend vortragen.
„WAS?“, schrie er zwischen den kleinen weißen Punkten vor seinen Augen hindurch, zitterte angespannt, verkrampft. Seine ganze Wut kochte mit einem Mal über und damit zerbrach jede Beherrschung schlagartig. Seine Finger krallten sich in den langen Haaren fest, zerrten mit voller Wucht daran, bis das Lächeln ihm schon so nah war, dass er die Faust ballen musste, um nicht zuzuschlagen. „Wie viele Regeln noch? Du BIST ein elender Lügner, zum Henker noch mal! Immer wenn es dir passt, entwirfst du neue Regeln, erfindest etwas und lässt mir keine Möglichkeit zu entkommen!“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor, schnaufte dabei immer lauter und zog ihn dann noch näher an sich heran, fühlte den Atem schon. „Jedes Mal wenn ich etwas wünsche verdrehst du es und wenn ich mir nichts wünsche, dann ‚interpretierst’ du etwas hinein. Jedes Mal, jedes verdammte beschissene Mal! Und dann sagst du, Oma könnte dich nicht sehen und plötzlich sieht sie dich als eine Art Supermodel und am Ende bin ich der Dumme, der dich nicht los wird und schwul sein soll. Und Oma ist…Herrgott verdammte Scheiße. Wieso passiert das mir? WIESO?“
Sekunden starrte er den Dschinn noch wütend an, suchte nach einer Regung, nach irgendetwas, das nicht und nicht kam und anfing alles bröckeln zu lassen. Alle Kraft, aller Zorn fing an zu verrauchen, ließ ihn schwach und müde zurück, nur noch ein Funken an Gedanken da, die ihn treiben wollten. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, hielt die Tränen zurück, die er so hasste.
„Markus“, schreckte ihn die beruhigende Stimme hoch, zeigte ihm ein noch deutlicheres Lächeln, Finger, die seine Wange berührten und zu seinen Lippen wanderten, „du hast die Aura, doch heute hast du den Duft verströmt, so süß und unwiderstehlich. Dein Körper hat mir nicht nur verraten, wo deine Interessen liegen, er hat sie mir förmlich entgegen geschrien und mich angelockt. Du kannst dich so sehr dagegen wehren wie du willst – du wirst es nicht mehr ändern, dass du mehr als nur Frauen lieben kannst.“
Er wollte etwas sagen, entgegnen, doch die Finger lagen noch immer über seinen Mund, hielten ihn fest verschlossen, genau wie die Müdigkeit, die alles betäubte.
„Und ich lüge nicht, mein Gefäß, mein Liebling“, fuhr der Dschinn fort, blies damit alles wieder fort und zwang ihn zu einer Reaktion.
Er platzte förmlich: „Lie…LIEBLING? Ich bin doch…ich…und...ich bin nicht schwul! Hör auf mich so zu betiteln!“
„Oh, mein Markus, du bist was du bist, aber zurück zu meinem Punkt: Ich lüge nie, du fragst nur einfach nicht. Nimm dir doch die Zeit mich besser kennen zu lernen – gerne auch sehr körperlich – und finde einen Weg mit mir auszukommen, denn los wirst du mich nicht mehr, ohne mich zu töten. Und ich will doch hoffen, dass deine Aura dort ebenfalls die Wahrheit über dein friedliches Wesen verriet, nicht wahr?“, hörte er das letzte gerade, als er mit einer schnellen Bewegung den Halt auf dem Boden verlor und über der Schulter des Perversen landete.
Ein paar Mal blinzelte er ungläubig, bevor seine Hände, die noch immer die Haare hielten, kräftig daran zogen, bis sie unter seinen Fingern wieder zu einer Staubwolke zerfielen und sich gleich wieder zusammensetzen. Es war deprimierend ohne Ende, keine Möglichkeit den Dschinn anzufassen, wenn er wollte und jedes Mal wieder den dummen Bemerkungen ausgesetzt zu sein, die ihm einen Mangel an Ideen vorwarf.
Genau in dem Moment hob sich der Vorhang vor seinem Geist und er konnte nicht mehr anders, als über das ganze Gesicht zu strahlen. „Ich wünschte mir, ich könnte dich immer anfassen – wenn ich wollte – ohne, dass du zu Staub zerfällst oder dich in Luft auflöst!“, flüsterte er triumphierend ins Ohr seines Dschinns und grinste noch immer, selbst als er auf dem Bett landete und ihn über sich sah.
„Gewährt“, kam die Antwort nur Sekunden später, als Jin auf das Bett stieg und seinen Kopf so perfekt in Position brachte. Er konnte einfach nicht anders. Schnell ballte er seine Faust, drückte seinen Ellbogen in die Matratze, nur um dann mit dem ganzen Körper hochzuschnellen. Sein Arm raste gleichzeitig vorwärts, der Impuls wahnsinnig; seine Faust flog beinahe durch den Raum, prallte mit einem lauten Knacken gegen die Oberfläche und vibrierte durch seinen ganzen Körper, krachte schmerzhaft gegen einen Kiefer.
„Jaha…es funktioniert…AU!“, schrie er begeistert, ließ sich mit einem verträumten Blick ins Bett fallen, schüttelte dabei seine schmerzende Hand und genoss das Gefühl der Aufregung, das durch ihn strömte. „Wobei…irgendwie…“
„Irgendwie hat sich das nicht ausgezahlt? Habe ich nicht Recht, Markus?“, fragte, nein beschloss Jin mehr. Finger auf seiner Brust drückten Mark hinunter, während der Dschinn auf seinen Beinen saß und ihn so festhielt. Dabei sah er viel zu selbstsicher aus, viel zu glücklich.
Mit einem Kopfschütteln berichtigte er mehr als zufrieden: „Nein eigentlich irgendwie schade, dass ich das nicht noch mal machen werde. Ich bin wohl zu nett und außerdem tut meine Hand verdammt weh. Wer kam jemals auf die verblödete Idee, dass das intelligent wäre? Aber DU bist aber immer noch ein Verrückter, der…“
„Hm, damit wäre wenigstens der erste Schritt in Richtung Erkenntnis deiner wahren Natur getan“, reizte ihn sein Dschinn wieder und näherte sich viel zu schnell mit seinen Lippen den seinen, die goldenen Augen direkt auf ihn gerichtet. Mit jedem Millimeter pochte sein Herz schneller, brachte seine Wangen sicher dazu rot zu glühen und etwas weiter unten dazu, ganz leise seine Existenz in Erinnerung zu rufen. Leise, unheimlich fing es an in seinen Ohren zu rauschen, einem Wasserfall gleich, der immer lauter wurde und alles überdeckte, das Ziehen seiner Haut, die Hitze in jeder Pore zu untermalen. Sein Mund öffnete sich ein paar Mal, ohne einen Ton herauszubringen, ohne einen Laut der Gegenwehr zu schaffen, bis er die Hände in den Haaren festkrallte, die Lider schloss – halb in Resignation, halb in Erwartung.
Ein sanfter Hauch noch war zu spüren, bevor ihn Kälte traf. So abrupt wurde alles weggerissen, dass er seine Augen aufriss und fast beleidigt war, als Jin ihn nicht mehr anschaute.
„Oh…“, lenkte eine viel zu bekannte Stimme seine Aufmerksamkeit auf die Tür, in der jetzt – seine Großmutter stand.
„Oh…scheiße“, ergänzte er völlig verdutzt, blinzelte wilder und wilder. „Es…äh…es…ist…ähm…“
„Oh wie SÜÜÜÜÜSS!“ Mark zuckte bei dem hohen Laut, dem halben Gekicher zusammen und suchte verzweifelt nach dem Einzigen, der hier gerade wie ein Hort von Normalität wirkte.
„Hast du…?“, stellte er die Frage, bemerkte nur noch halb den leicht verrutschten und halb geöffneten Anzug, den Jin wieder anhatte und versuchte dabei seine Großmutter zu ignorieren, die gerade beide Hände vor ihren Mund schlug und dabei weiter wild kicherte.
Die Antwort kam so stoisch, so unbegeistert, wie er fast erwartet hatte: „Nein.“
„Oh, tut mir wirklich leid“, fing sie jetzt ein wenig normaler wieder an, während sie sich mit ihren Händen Luft zufächelte, „ich wollte euch wirklich, ganz ehrlich nicht stören und lasst euch von mir nicht unterbrechen. Nur merkwürdig, dass du dir gerade dieses kitschige Zimmer ausgesucht hast…“
„Unterbrechen? Es ist nichts…ich bin nicht schwul Oma und er ist auch nicht mein Freund, zum Henker noch mal!“, brachte er zwischen Seufzern und mit nach oben rollenden Augen heraus, ohne Hoffnung, dass ihm jemand glauben würde.
„Oh, sicher ist nichts passiert – leider. Es tut mir auch wirklich leid, dass ich nicht mehr gesehen habe – nicht, dass ich das hätte wollen. Aber mein lieber Markus, du musst jetzt nicht beleidigt spielen, nur weil ich dich bei dem hier unterbrochen habe. Bei diesem Prachtkerl wäre ich da wohl auch sehr böse. Und du leidest wahrscheinlich an Entzug bei dem wie lange du deine wahre Ader unterdrücken musstest und ich bin nicht deine Mutter, also keine Sorge…“ Sie strahlte dabei über das ganze Gesicht und drehte sich schon zum Gehen um, bevor sie wieder stoppte.
Ihr Grinsen wurde noch breiter – wenn das noch möglich war. „Und viel Spaß euch beiden. Ich glaube ich muss jetzt ein paar Recherchen machen und…hach, ist das süß. Du bist so ein Glückspilz mit deinem exotischen Freund, der dich auf Händen trägt, dich in den Himmel hebt. Ich wusste schon immer, dass du lieber nimmst, als gibst. Hach…“, seufzte sie glücklich.
Mark blinzelte bei den Worten mehrmals, blinzelte noch immer, als sie aus dem Zimmer verschwunden war, unfähig zu verstehen, was sie gesagt hatte. Vielleicht ihr Alter, das sie verrückt machte?
„Was…?“, wandte er sich nach gefühlten Minuten an Jin, biss sich dann auf die Zunge. Er hatte die ganze Zeit über den Dschinn als normal angesehen. Hatte er jetzt schon den Verstand verloren?
„Oh, du bist noch normal, so normal wie du eben bist – keine Sorge. Und du willst eine Übersetzung? Ich denke deine roten Wangen gefallen mir.“ Jetzt lächelte er ihn an, strahlte beinahe, strich über sein Tattoo und stand dann langsam auf.
Mark war verwirrt. „Was…?“
„Ich mache nur Platz. Und die Übersetzung wäre folgendermaßen: Sie findet mich grandios, exotisch und wusste schon immer, dass du nicht nur homosexuell bist, sondern noch dazu eine Vorliebe dafür hast, nicht einzudringen, sondern eindringen zu lassen…“, erklärte ihm der Dschinn rätselhaft und brachte ihn dazu, die Augenbrauen fragend zusammenzuziehen.
„Wenn ich noch expliziter werde, werden wir hier nicht-jugendfrei. Aber weil du es bist: Mein kleiner Dschinn in deinem ganz kleinen After…“ Und damit brach Jin in ein tiefes, ehrliches Lachen aus.
„WAS?“, fiel der Groschen mit einem lauten Knall. Und fiel hart. Mark stammelte, setzte sich mit einem Ruck auf. „Ich bin nicht schwul und ich bin kein Mädchen!“, schrie er wütend, sprang wie gestochen auf und fuchtelte mit seinen Händen in der Luft herum.
„Ich bin nicht…OMA!“, rief er und stürmte blind und ohne nachzudenken hinaus, rannte von einem Zimmer zum nächsten, hinunter, um sie zu finden, um aufzuklären, was das sollte. Er konnte das nicht so stehen lassen. Auf keinen Fall, niemals.
Gerade riss er die letzte Tür, den Ausgang, auf, dachte an etwas anderes, und zuckte panisch zusammen.
„Was schreist du denn so, Markus, mein Liebling?“, schreckte sie ihn grinsend hoch, ein Rhabarberblatt in der Hand und ließ ihn mit offenem Mund da stehen. „Reg dich doch nicht so auf, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe. Ich weiß ja, dass deine Eltern stockkonservativ sind und du das niemals zugeben dürftest. Irgendwelche verqueren Vorstellungen von Männlich und Weiblich und dieses vermaledeite Vorurteil, dass Frauen schwach wären und beherrscht. Und keine anständigen Sexpraktiken, kein Interesse an Neuem und keinen Schimmer von Physiologie. Was habe ich nur bei meiner Tochter falsch gemacht? Pfff…“
„Was? Aber das ist...ich bin nicht…“, stotterte er ohne zu wissen, was er sagen wollte, bis er wieder Arme um sich fühlte.
„Wie wäre es, wenn du dich mit mir schlafen legst?“, hörte er ein Flüstern leise, gehaucht.
Er riss die Augen auf, drehte den Kopf schmerzhaft schnell nach hinten und schrie dann förmlich: „Ich schlafe nicht mit dir!“
„Sei nicht so eingeschnappt Markus. Ich komme auch sicher nicht mehr in dein Lieblingszimmer und störe euch – zumindest nicht in nächster Zeit. Du kannst doch Jin nicht dafür leiden lassen…ich möchte ja noch Enke…naja, nicht wirklich. Ich finde euch beide so herzig.“ Worauf seine Großmutter laut loslachte, ihm das Rhabarberblatt in die Hand drückte und dann dann Kopfschütteln in den Garten rannte. „Und verwöhn deinen orientalischen Prinzen anständig Markus! Ich lasse dich die nächsten Tage nicht aus den Augen…!“
„WAS?“, stammelte er sinnlos und schüttelte nur noch den Kopf.
„Ich mag sie…“, waren die letzten Worte, die er von Jin an diesem Tag hörte, als er wieder in Richtung Haus gezerrt wurde.
„Neeiheein…!“