Vergessen
Der Lake Meat lag einsam und verlassen unter einem Meer von tausenden funkelnden Sternen. Stille hatte sich über dem See ausgebreitet und der Mond schien hell am Firmament.
Drei Wochen waren seit seiner Entführung vergangen. Drei Wochen in denen er versucht hatte es zu vergessen und wieder ein normales Leben zu führen. Heute war sein letzter freier Tag und er wollte noch einmal hinaus zum Lake Meat fahren, wie er es davor schon so oft getan hatte.
Fröstelnd zog er seine Jacke enger um seinen Körper und lies die Haustür hinter sich ins Schloss fallen. Beim Ausatmen sah er, wie sich weiße Wölkchen bildeten. Es war wirklich kalt geworden in letzter Zeit. Der Winter würde nicht länger auf sich warten lassen und damit auch der Beginn eines neuen Jahres. Er drehte sich noch einmal um, ehe er in das Auto stieg und in Richtung See startete.
Kalte, klare Nachtluft umfing ihn wenig später, als er aus seinem Auto stieg und hinauf in den Himmel sah. Leuchtende Sterne blickten von dort auf ihn herab und der Mond schien hell. Tief ein- und ausatmend versuchte er sein pochendes Herz zu beruhigen, denn seit jenem Tag machten ihn enge Räume nervös. So musste er sich jedes Mal einen kurzen Moment zum Verweilen gönnen, ehe er sich wieder unter Kontrolle hatte. Inständig hoffte er dieses Problem bald wieder in den Griff zu bekommen und aus diesem Grund fuhr er so oft es ging zum Lake Meat. Nur dort konnte er abschalten und innerlich zur Ruhe kommen.
Schritt für Schritt näherte er sich dem See und mit jedem Weiteren fühlte er sich sicherer und freier. Hier konnte er versuchen, das Erlebte zu vergessen, und wieder ein normales Leben führen. Er liebte die Einsamkeit des Sees, wenn er in der Dunkelheit oft einfach nur da stand und den Lauten des Wassers lauschte.
Eine endlose Sekunde später trafen seine Füße auf Sand. Jedes Mal, wenn er den Boden berührte, hinterließ er einen unförmigen Abdruck, der seinen Weg für kurze Zeit im losen Sand einprägte, bis er den See erreichte. Doch nur der Mond war Zeuge, wie er in dieser Nacht einsam und verlassen am Ufer stand.
Den Geruch der leichten Brise in sich aufsaugend, schloss er die Augen. So stand er einfach nur da und genoss die frische Luft, die ihm dieser Ort bot, im Gegensatz zu der stickigen Luft in Las Vegas. Das leichte Rauschen der Wellen, des Windes und die Schritte der an ihm vorbeihuschenden Eidechsen drang an sein Ohr und vermittelte ihm ein Gefühl, dass er während dieser Stunden schmerzlich vermisst hatte. Er achtete nicht auf die Zeit, die verging und auch nicht auf die Kälte, die sich langsam aber sicher ihren Weg durch seine Jacke bis auf seine Haut bahnte. Mit einem Schaudern wurde ihm bewusst, dass er wahrscheinlich schon viel zu lange hier stand. Als er wieder auf den See sah, blieb sein Blick an dem Mond hängen, der sich auf der Wasseroberfläche spiegelte und auf den leichten Wellen, die sich am Ufer überschlugen.
Langsam wandte er sich ab und durchschritt abermals den weichen Sand. Nur wenig später erreichte er den Parkplatz von dem er gekommen war und hielt kurz davor inne. Noch einmal wanderte sein Blick zurück und er sog jedes Detail dieser hell erleuchteten Nacht in sich auf, bevor er sich wieder auf den Weg in die Wüstenstadt machte. Eine Stadt, die nie zur Ruhe kam und deren Menschen ständig in Bewegung waren.
Ende