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Mein Tischnachbar ist ein Idiot!

von

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Fünf Sekunden vor Unterrichtsbeginn schlurfte Tanja in die Klasse – Johannes hatte sie noch nie so unmotiviert erlebt –, winkte ihm ganz kurz zu und begann dann, soweit Johannes es aus der Entfernung sehen konnte, ihren Tisch vollzukrakeln. Schöne Beschäftigung, nur durfte sie sich dabei nicht von Herrn Köhler erwischen lassen, der fand das gar nicht so schön, immerhin musste irgendein Idiot in den Ferien die ganzen Zeichnungen der Schüler von den Tischen entfernen. Das kostete Geld und das wollte die Schule natürlich nicht ausgeben. Zumindest hatten sie das noch nie getan, soweit sich Johannes erinnern konnte.

Vielleicht ärgerte ihn auch gerade sein Kurzzeitgedächtnis, wer wusste das schon?

Während des Unterrichts landete plötzlich ein zusammengefaltetes Zettelchen vor Johannes‘ Nase, auf dem dick und fett 'Für Johannes, nicht für Tobi!' stand. Der musste von Tanja sein, erstens erkannte man ihre Schrift ziemlich leicht und zweitens hätte sich sonst keiner die Mühe gemacht, Tobi noch einmal extra zu erwähnen, auch in einem negativen Zusammenhang.

Sicher bekam er endlich eine logische Erklärung für ihr eher ungewöhnliches Verhalten in den letzten Tagen. Ging doch!

Doch daraus wurde nichts, statt dem Geständnis der Woche stand nur ein kurzes Ich muss dir in der Pause was erzählen, Tanja' drin. Zu früh gefreut.

„Oha, Stunde der Wahrheit“, flüsterte Tobi ihm halblaut zu – natürlich hatte er mitgelesen, schließlich interessierte ihn alles, was ihn nichts anging – und entging unbeschadet einem halbherzigen Ellenbogenstoß von Johannes, der einfach seine Ruhe von dem Typen neben ihm haben wollte. Reichte Belästigung nicht; musste er ihm jetzt auch noch hinterher spionieren? Wie wäre es mit Briefgeheimnis? Obwohl das Papierfetzchen kaum als Brief durchging, aber man brauchte nicht immer so genau sein, das störte nur. Und in diesem Fall erst recht.

„Du siehst zu viel Fernsehen“, antwortete Johannes, zerriss die Nachricht feinsäuberlich, um alle Spuren zu verwischen und ließ die kleinen Überreste in seinem Mäppchen verschwinden. „Such dir ein anderes Hobby.“

„Was kann ich dafür, wenn ihr solche klischeehaften Sätze benutzt? Normalerweise wird sie dir dann ihre Liebe gestehen, du stehst zufällig auch auf sie und drei Stunden später heiratet ihr.“

„Könnt ihr eure Hochzeitspläne bitte nach der Englischstunde besprechen?“ Herr Köhler besaß das unschlagbare Talent, immer dann aufzutauchen, wenn er es auf keinen Fall sollte. „Außer, ihr wollt sie uns allen unbedingt mitteilen. Auf Englisch natürlich.“

„Äh, nein danke.“ Na toll, jetzt grinste sich ungefähr die ganze Klasse einen Ast und der Lehrer hatte bestimmt nichts Besseres zu tun als später in der Pause im Lehrerzimmer zu verkünden, wer sich mitten in seinem Unterricht verlobt hatte.

Nach zwanzig Minuten fiel Johannes allerdings noch etwas ein; er kitzelte fast die gleiche Botschaft – nur weniger melodramatisch – auf ein Kaugummipapierchen, achtete darauf, dass Stalkertobi dieses Mal seine Augen bei sich behielt und schickte den Minibrief an die Empfängerin auf der anderen Seite des Saals.
 

„Also, was ist los?“ Sofort nach der zweiten Stunde hatte Johannes Tanja abgefangen, sie zu ihrem Lieblingsort – eine der Bänke auf dem Schulhof – geführt und wartete nun gespannt, was er in wenigen Sekunden erfahren würde. Irgendeine abgedrehte Geschichte mit Außerirdischen und der Rettung der Welt? Die Invasion der Mathearbeiten ohne Taschenrechner? Oder hatte einfach Tanjas orangefarbener Nagellack den Geist aufgegeben und sie mussten eine Trauerfeier veranstalten?

„Naja...“ Fing ja schon informativ an. „Du weißt ja, am Freitagabend...“

„Ja, da waren wir auf dieser miesen Party und ich hab Tobi beim Knutschen zugesehen.“ Und zusätzlich einen Anfall erlitten, perverse Sachen geträumt und nervige kleine Jungs abgewehrt. Aber das wusste Tanja alles nicht, weil sie sich verdrückt hatte!

„Ja, dein Bruder und ich...“

Kam sie mal zu einem Ende? Sonst stotterte sie auch nicht sinnlose Satzfetzen vor sich hin, also warum heute?

„Was hat mein Bruder gemacht? Dich mit Fernsehprogramm vollgetextet? Dir auf die Nerven mit anderen Sachen gegangen? Sag es doch, ich kann nicht hellsehen!“ Zumindest noch nicht, vielleicht lernte er es in einem dieser überteuerten Kursen auf der Volkshochschule.

„Nein, wir sind seit Freitag zusammen.“

„Wie, ihr seid was zusammen.“ Kam da noch was? Anscheinend nicht, denn so erwartungsvoll, wie sie ihn ansah, müsste das gerade das Ende gewesen sein. Moment, das bedeutete ja...

„Okay, ganz langsam: du und Kevin, ihr seid seit Freitag Abend zusammen. Hallo, warum sagt mir das denn keiner? Stattdessen haut ihr ab, sehr nett!“

„Wir wollten es dir ja sagen. Irgendwann mal.“ Tanja seufzte tief. „Ich wusste ja nicht, wie du reagieren würdest. Wenn meine Schwester mit dir zusammen wäre...“

„Du hast keine Schwester!“

„Das war ein Beispiel, Mann!“ Ihr ging es schon deutlich besser. „iIch hätte jedenfalls ein Problem damit und deshalb hatte ich eigentlich vor, es dir nicht gleich am Samstagmorgen zu erzählen. Das verstehst du doch, oder?“

„Ja, muss ich wohl.“ Obwohl er sich schon ein bisschen hintergangen fühlte, aber wenn Tanja sich solche Sorgen um seinen seelischen Zustand wegen so einer Geschichte machte, konnte er gar nicht böse auf sie sein. Außerdem gehörte er nicht unbedingt zu der nachtragenden Sorte Mensch, die noch Jahre später wegen einer verschütteten Tasse Tee Terror machte.

„So, und was sollte ich noch wissen?“ Nun war sie zur Abwechslung neugierig.

„Naja...“ begann Johannes absichtlich wie sie und machte eine übertrieben lange Pause, bis Tanja ihn einmal auf den Fuß trat. „Ich glaub, Tobi steht auf mich.“

„Ja ja, das haben schon viele gedacht.“

„Hat er die auch alle geküsst?“

Nun hatte es Tanja die Sprache verschlagen; sie saß beinahe schockiert auf der Bank, nicht in der Lage, sich darüber aufzuregen oder kaputtzulachen. Vielleicht hätte Johannes es ihr etwas schonender beibringen sollen.

„Ich glaub aber, dass er noch etwas zu war, deshalb hat er es gemacht.“ Und seine Mutter arbeitete bei der Mafia. Klar; der Junge konnte trotz oftmals auftretender Probleme eigentlich so handeln, dass dabei nicht unbeteiligte zu schaden kamen – außer in seinen aggressiven Phasen – und das bedeutete, irgendetwas musste Johannes damit zu tun haben. Hilfe.

„Und... was ist mit dir?“ Mühsam schaffte Tanja es, einen vollständigen Satz zu formulieren ohne nach jedem dritten Wort mittendrin aufzuhören. „Du magst ihn doch nicht mal.“

„Ach, keine Ahnung.“ Sollte er zugeben, dass er seit Samstag sozusagen vor Verwirrtheit kaum stillgesessen hatte? Besser nicht, sonst vermutete sie wieder das schlimmste. Außerdem war es sich kein bisschen sicher in der ganzen Angelegenheit. Mochte er Tobi? Oder nicht? Oder viel mehr als er es normal sollte?

Eigentlich fand er ihn nervig, manchmal leicht – oder auch etwas mehr – asozial und im Thema Liebesleben deutlich frustriert, aber hatte sich das nicht in den letzten Wochen und Monaten etwas zum Positiven gewandelt? Oder bildete er sich alles ein?

„Das heißt, es besteht die Gefahr, dass du auch auf Tobi stehst“, fasste Tanja kurz zusammen und schüttelte gleich darauf den Kopf. „Das klingt alles so... bescheuert, merkst du das überhaupt?“

„Ja natürlich, aber ich kann es nicht ändern oder hast du dir ausgesucht, in Kevin verliebt zu sein?“ Wenn sie mit ja antwortete, würde er sich extrem verarscht vorkommen.

„Nein, eigentlich nicht.“ Uneigentlich sicher auch nicht, aber das musste man nicht noch einmal erwähnen.

„Na also, ich auch nicht, und Tobi auch nicht, immerhin fand er mich bis vor Kurzem auch dumm, blöd und was weiß ich nicht alles.“

„Schön, dass mal wieder jemand über mich redet!“ Die Person, die am besten nicht hätte auftauchen sollen, stand gehässig winkend hinter ihnen und schien sich sehr gut zu unterhalten. „Eure Stunde der Wahrheit ist echt interessant, damit könntet ihr ins Fernsehen gehen.“

„Das ist keine Stunde der Wahrheit, sondern ein privates Gespräch unter Freunden“, berichtigte Johannes ihn automatisch, „also geht es dich gar nichts an.“

„Doch, ihr redet über mich, also geht es mich ganz besonders etwas an.“ Ohne zu fragen quetschte sich Tobi zwischen Johannes und Tanja auf die Bank und schaute ersteren prüfend an. „Wieso gehst du davon aus, dass ich, Tobi der Coole auf dich, Johannes den Pseudostreber, stehe? Hast du Beweise? Bilder? Tonaufzeichnungen? Tagebucheinträge?“

„Nein, aber ich hab Augen im Kopf, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Ich sehe dich jeden Tag und merke ja wohl, wenn sie jemand komisch benimmt.“ Hoffentlich stimmte das alles, was er gerade erzählt hatte, sonst hätte er sich auf der ganzen Linie blamiert. Nicht unbedingt vor Tanja, die war es gewöhnt, dass er manchmal seltsame Dinge machte, aber vor Tobi. Und vor dem wollte er das auf keinen Fall zugeben.

„Ach, und du bist natürlich die Normalität in Person?“ Tobi hustete künstlich vor sich hin, bis er wieder eine seiner typisch schrecklichen Tobiideen hatte, das sah man ihm immer an.

„Ich leih ihn mir nur kurz aus, bis gleich“, versicherte er Tanja, schnappte sich sein potentielles Opfer und schleifte ihn in die bekannte, wenig beobachtete Ecke des Schulhofes.

„Wenn du mich wieder schlagen willst...“

„Will ich gar nicht, denk nicht immer so negativ von mir. In einem von fünftausend Fällen will ich nämlich mal was anderes von dir.“ Schon wieder fing er an zu grinsen, fast wie ein Haifisch. Unheimlich.

„Muss das hier sein?“ Johannes wollte nicht einmal wissen, um was für einen Fall es sich handelte, aber er vermutete nichts Gutes; keine Schläge bedeuteten bei Tobi immer etwas anderes Unangenehmes.

„Ja, ich glaube nicht, dass ich es mitten auf dem Pausenhof tun sollte.“ Obwohl man Tobi ansah, dass er dagegen nichts einzuwenden hatte. Vielleicht sollte er schnell flüchten, bevor es zu spät war.

Doch anscheinend konnte Tobi seit neustem Gedanken lesen, denn er hielt Johannes so fest wie er konnte – und das tat ziemlich weh – an den Schultern fest, um jeden noch so schlechten Fluchtversuch von Anfang an zu unterbinden. Dumm nur, dass es auch noch funktionierte.

Somit hing Johannes sehr ungemütlich zwischen Tobi und einer Hauswand in seinem Rücken und wünschte sich, Tanja würde vorbei kommen und ihn retten. Selbst wenn er dadurch noch mehr Punkte auf der Luschenskala bekam.

„Du hast dich doch selbst beschwert, weil du keine Ahnung hast, ich will dir sozusagen helfen“, erklärte Tobi feierlich, was allerdings durch seine alles andere als ernste Miene sofort zerstört wurde. Der Junge besaß keinen Sinn für geschmackvolles Auftreten.

„Muss das sein?“ Er wollte sich nicht von Tobi helfen lassen, schon gar nicht auf dem Schulhof. Und vor der verwendeten Methode gruselte es ihn auch ein wenig, allerdings aus dem Grund, dass er sich nicht frei bewegen konnte und sich nicht gegen gemeingefährliche Übergriffe wehren konnte.

„Theoretisch schon, praktisch auch.“ Der Griff um Johannes‘ Schultern lockerte sich ein Stück. „Komm, gibs zu, du willst es doch auch.“

„Nein!“ War er sich da ganz sicher? Nicht hundertprozentig. „ Na gut, also fast nein!“

„Falsche Antwort“, grinste Tobi beinahe fröhlich und hielt sich nicht mehr zurück; er küsste Johannes so unsanft auf den Mund, dass dieser zuerst annahm, Tobi wollte ihn ersticken statt etwas Anderem, bis er sich langsam an die eher ungewöhnliche Technik seines Klassenkameraden gewöhnt hatte und sich zu entspannen begann. Möglicherweise überdachte er seine Meinung gegenüber Tobi ein wenig, aber auch nur ein wenig, man musste es nicht gleich übertreiben.

„Und, bist du gestorben?“, wollte Tobi wissen, nachdem er sich von Johannes gelöst und ihn interessiert angesehen hatte.

„Am Anfang wars grässlich.“ Der schlechteste Mordversuch in der Geschichte seiner Heimatsstadt. „Aber irgendwann ging es.“

„Gibs zu, du fandest es mehr als ‚ging gerade so‘.“

„Ich sag jetzt gar nichts mehr“, entschied Johannes entschlossen, „bis später.“

Wirklich geholfen hatte ihm das Theater nicht, nur wusste er jetzt absolut sicher, dass da einiges nicht so sein sollte, wie er und Tanja es gerne hätten.

„Ja, freu dich schon mal auf den Unterricht!“, rief ihm Tobi hinterher – seit wann hatte dieser so unverschämt gute Laune? –, doch Johannes überhörte es schnell.
 

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Wow, 20. Kapitel geschafft, mal sehen, wie viele es noch werden. :)

Es freut mich, dass so viele Leute jede Woche verfolgen, was Tobi und Johannes wieder anstellen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2009-06-07T17:56:39+00:00 07.06.2009 19:56
So jetzt schreib ich auch mal ein Kommentar zu meiner momentanen lieblingsgeschichte ^.~ Endlich passiert was. Jetzt kommen sie zusammen.
Das freut mich *Tobi & Johannes in einer Dauerschleife les*
Von: abgemeldet
2009-04-30T17:33:21+00:00 30.04.2009 19:33
HA!!! Ich wusste es! Ich wusste es! Tanja und Kevin sind zusammen!!^^
Aber mich interessiert viel eher was in Tobis Köpfchen vor geht...
Wenn die beiden einer gesehen hat bedauer ich Jo mal ein wenig^^
Das würde bestimmt üble Grüchte geben^^
Ich fand das Kapi echt toll, vorallem den Schluss!^^
Bin auch schon gespannt was als nächstes kommt.
Ich hab das Gefühl das Tobi was vorhat... vielleicht irre ich mich auch, wer weiß. Ok, du weißt es xD
*gespannt wart dass es weiter geht*

LG Phoenix
Von:  Laniechan
2009-04-29T19:51:32+00:00 29.04.2009 21:51
ein gutgelaunter tobi? jetzt hab ich angst um jo...hehe nee kein stück! der tobi darf ruhig ein wenig mehr mit ihm anstellen ;). dazu brauchen wir nur ein lauschiges plätzchen und traute zweisamkeit *funkelnde augen hat* das kapi darf dann ruhig auch ein wenig länger sein....ca. 2000 wörter sind für mich nur ein appetitanreger. bin halt ne leseratte, da ist das in spätestens 10 min weggelesen...aber trotzdem schönes kapi *daumen hoch*

freu mich auf nächsten mittwoch ^^

lg laniechan
Von:  Bartimaeus
2009-04-29T19:24:46+00:00 29.04.2009 21:24
haha! Erste! *freudentanz aufführ* *dance* >333<ö
das kappi war super süß x3 auf jedenfall der schluss *hehe*
ach ja.. ich mag die beiden XD das ist nich so ein typisches -ich liebe dich,-ich dich auch- sondern viel geiler XDD mir gefällt tobis neckende art <XDD der kriegt jojo noch, das dauert sicher nicht mehr lange XD na und jojo scheint ja nichts dagegen zu haben X3
lg, barti~


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