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Tintenherz

Fenoglios Geschichte
von

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Kapitel I

Tintenherz

Kapitel I
 

Es war wieder einer dieser Herbstabende. Die Sonne stand tief und tauchte Ombra in einen roten Schimmer. Ombra. Eine große Stadt, die vom Speckfürsten regiert wurde.

Hierher verschlug es viele Gaukler und Wanderer, die in vielen Teilen der Tintenwelt nicht gern gesehen wurden.

Hinter den schützenden Mauern Ombras machte auch an diesem Abend das Bunte Volk rast.

Hier und dort wurden noch einige Kunststücke aufgeführt, doch schon langsam begannen die Bewohner zurück in ihre Häuser zu gehen, um früh zu schlafen, damit sie am nächsten Morgen wieder an die Arbeit gehen konnten. So begaben sich auch die Gaukler in Scheunen und unter Unterstände, eben überall dorthin, wo es windgeschützt und einiger maßen erträglich war.

Hier und da lief noch eine Magd über die Straße. Eine Kutsche des Fürsten kam vorbei und brachte Cosimo, den Sohn des Speckfürsten, nach Hause. Er war ohne dass sein Vater etwas bemerkte in die Wälder gezogen und hatte im Schloss des Natternkopfes seine zukünftige Frau besucht. Der Speckfürst sah es nicht gerne wenn sein Sohn zu ihr ging, da sie schließlich die Tochter seines Feindes, war. Dennoch konnte der alte Herrscher nicht anders, wenn er wollte, dass Ombra überlebe und ein Teil der Tintenwelt bleibe, so musste sein Sohn eine Adelige heiraten, ob sie nun die Tochter eines Schwarzen Fürsten war oder nicht.

Die Kutsche ratterte vorbei und jagte einige Ratten über die Straße, die sich in stinkenden Löchern verkrochen.

Die Sonne war nun fast untergegangen und in den kleinen Häuschen brannte Licht. Die Stadt war erhellt von Kerzenschein, in ihrer Mitte das Schloss ihres Fürsten.

Langsam und behände kam ein weiterer Besucher in die Stadt. Auch er wollte sich ein kleines Plätzchen zum übernachten suchen. Hinter ihm her trippelte sein kleiner Gefährte. Ein Mader mit winzigen Hörnern auf dem schwarz weißen Kopf. Er sprang auf die Schulter seines Herrn und schnatterte vor sich hin. Die winzigen Knopfaugen hielten nach einer Gans oder einem Huhn, das es sich zu reißen lohnte, Ausschau.

Der Fremde streichelte dem Nager sanft über den Kopf und wurde freundlich in den Finger gezwickt. Die schwarz rote Kleidung des Besuchers leuchtete im Kerzenschein der Häuser.

Er sah sich um.

Als er einen geeigneten Fleck gefunden hatte packte er seine Utensilien aus. Er hatte noch keineswegs vor sich schlafen zu legen, erst jetzt begann seine Arbeitszeit.

Mit einem leisen Flüstern erschien eine Flamme über den Händen des Mannes. Sie tanzte im Wind und strahlte leichte Wärme aus. Nach weiteren unverständlichen Worten sprossen Blumen aus Feuer aus dem Boden. Der Auftritt blieb nicht unbemerkt. Schon bald kamen viele neugierige Menschen wieder aus ihren Häusern und schautem dem Flammentänzer zu. Geschick und ohne sich auch nur ein einziges Mal zu verbrennen schossen Flammenbündel von den Fingerspitzen des Mannes. Das Feuer schien ihn nicht zu verletzten, nein es strich sanft über die Kleidung und die Hände seines Gebieters. In einer nur für den Fremden zu verstehenden Sprache wisperte es immer wieder seinen Namen.

Staubfinger. Staubfinger, flüsterten die Flammen. Die Flammen liebten ihn.

Staubfinger hatte schon früh in seinem Leben gelernt seine Gefühle nicht offen zu zeigen, doch wenn er mit dem Feuer spielte, so übertrugen die Flammen seine Trauer, seine Freude, seine Verwirrung und alles was er nicht zu offenbaren wusste. Sein Gesicht blieb dabei kalt und unberührt. Das Feuer war stolz auf diese Aufgabe, es war stolz als einziges die Gefühle seines Herrn deuten zu wissen.

Zum Ende seiner Vorstellung züngelten Staubfinger noch einmal kleine Flammen aus den Fingern, die dann langsam erloschen. Das Publikum begann zu klatschen, als sich der Feuerspucker vor ihnen verbeugte. Sein Gesicht war schweiß nass. Auch wenn die Flammen ihn nicht verbrannten, die Hitze, die sie von Natur aus ausstrahlten setzte ihm zu.

Die Menge lichtete sich. Es wurde kalt. Der kleine Mader rannte los und sammelte das bisschen Geld zusammen, was sein Herr von den Leuten bekommen hatte. Staubfinger kniete sich hin und nahm dem Mader die Münzen ab. Langsam und mit großer Mühe begann er zu zählen. Das Lesen und Schreiben hatte ihn nie interessiert und er hatte es bis heute auch noch nie gebraucht, aber das Zählen war wichtig und umso mehr ärgerte er sich nun es nie richtig gelernt zu haben.

„Ach Gwin. Es ist mal wieder nicht genug zum Essen.“, sagte er zu seinem Mader und schaute betrübt in die Dunkelheit. Nun war auch das Licht in den Häusern erloschen, nur im Schloss brannten noch einige Kerzen. Das feuerrote Leuchten, das die Flammen Staubfingers Haaren gegeben hatten, war verschwunden. Nun hingen sie in ihrem matten rotblond als Strähnen in Staubfingers Gesicht. Er strich sie beiseite und stand auf. Der Mader sprang schnatternd umher.

Staubfinger starrte zu Boden. Er hatte einen geeigneten Platz zwischen anderen Gauklern gefunden. Mit seinem wenigen Geld hatte Staubfinger doch noch etwas zu Essen bekommen, auch wenn es nicht viel war. Gwin war noch immer nicht zurück.

Er wird wohl noch auf der Jagt sein, überlegte Staubfinger. Er lehnte seinen Kopf an die Wand hinter ihm und schaute in die Sterne. Feuer prasselte zwischen den Schlafenden Gauklern. Nur zwei waren noch wach und unterhielten sich.

„Ja, der Speckfürst ist nicht glücklich, dass sein Sohn eine Natterntochter heiratet, aber was soll er machen? Besser für uns würd’ ich mal sagen.“, sagte der eine. Er war Seilakrobat und hieß Wolkentänzer. Staubfinger kannte ihn. Er war immer freundlich gewesen und gemeinsam waren sie auch ab und zu durch die Wälder gestreift. Den anderen Mann kannte Staubfinger nicht. Er war wohl ach Seiltänzer und hieß Airens.

„Stimmt schon. Aber was meinst du. Wenn der Natternkopf hier ein und ausgehen kann, dann werden wir doch wohl sicherlich vertrieben. Du weißt der Natternkopf macht sich einen Spaß daraus uns zu erschießen wir Wildgänse. Wir haben als Wanderer keine Rechte.“

Wolkentänzer nickte. „Aber Violante liebt das Bunte Volk. Nun wobei. Was soll die Hässliche ihrem Onkel entgegensetzen. Es stimmt schon, egal wie es kommt, wir werden hier nicht mehr sicher sein. Unsere Tage sind gezählt. Vielleicht wäre es doch klüger sich eine anständige Arbeit zu suchen und sesshaft zu werden.“

„Aber du liebst doch das Reisen. Nur wegen einem dummen Fürsten willst du dein ganzes Leben auf den Kopf stellen? Der schwarze Prinz wird uns sicherlich zu helfen wissen.“, entgegnete Airens seinem Freund.

Der schwarze Prinz. Ein Mann mit dunkler Haut. Viele meinten er sei aus der Hölle gekommen, doch Staubfinger glaubte diesen Gerüchten nicht. Für ihn war er ein ganz gewöhnlicher Räuber, der dem Bunten Volk half und sie beschützte wo er nur konnte. Immer in Begleitung seines Bären war er unterwegs.

Staubfinger gähnte. Die Müdigkeit übermannte ihn und er schloss die Augen. Noch kurz bevor er einschlief spürte er etwas Weiches an seiner Hand.

Wolkentänzer schaute zu Staubfinger.

„Er ist wirklich der beste.“ Airens nickte verträumt.

„Ja, das ist er. Sag mal. Hast du schon von der neuen Truppe der Natter gehört? Es heißt sie streifen umher und richten noch größeren Schaden an, als ihre Vorgänger.“ Er seufzte.

„Ach verdammt soll der alte Narr sein! Die Natter bringt nur noch Schande über unsre Welt!“

„Nicht so laut, Wolkentänzer.“, versuchte Airens seinen Freund zu beruhigen, vergeblich.

„Nein, mein alter Freund. Jedermann soll es hören! Sogar der Speckfürst, der faul auf seinem Thron hockt und die leckersten Speisen in sich hineinstopft. Der, der genügend Geld und Macht hat seinen Untertanen zu helfen.“

„Sei still mein Freund. Es reicht!“ Airens packte den Seiltänzer am Arm und hielt ihm den Mund zu. Wolkentänzer wand sich aus dem Griff und keuchte. „Du hast ja Recht. Aber so bekommst du am Ende nur noch Ärger. Wir sollten es nehmen wie es kommt und jetzt ein wenig schlafen. Die Dunkelheit lässt uns schon finstere Gedanken denken. Leg dich hin und vergiss was du gesagt hast.“ Wolkentänzer schaute seinem Freund in die Augen und sah seine Angst. Wie sollte dieses Reich jemals glücklich werden, wenn es einen rachsüchtigen Feind, eine lauernde Katze gibt, die nur darauf wartet, dass die dicke Maus ihr Haus verlässt, um dann mit scharfen Krallen auf sie loszustürzen? Wolkentänzer lehnte sich zurück und starrte in die Sterne. Auch Airens legte sich zum schlafen.

Noch lange lagen die beiden Seiltänzer wach und starrten in den Himmel, bis sich der Schlaf ihrer erbarmte und sie weit weg trug. Weit weg in die Traumwelt. Weg von der Grausamkeit der Realität. Weit weg, dorthin wo die größten Sehnsüchte wahr werden.
 

Auf der Natternburg herrschte noch immer keine Ruhe. Der Natternkopf saß in seinem Thron an einem warmen Kaminfeuer und starrte in die Flammen. Bilder zeigten sich ihm. Bilder, verschwommen, doch er ahnte was sie zu bedeuten hatten. Er war ein alter Mann, dessen Haut nur noch an den Knochen hing, sodass es aussah als hätte er kein Fleisch an seinen Rippen. Er war das genaue Gegenteil seines Feindes. Der Speckfürst war dick und rund. Er hingegen war dünn und schmächtig. Violante öffnete die Tür und trat ein.

Der Natternkopf schaute zu ihr. Sein Blick war abstoßend. Violante war es gewöhnt, sie wusste, dass ihr Onkel nur zu gerne einen Sohn hätte, der den Thron bekommen konnte, nicht seine Enkelin. Er verabscheute sie. Der Stolz in Violantes Augen machte ihn schwach und das störte ihn, er schaute weg.

„Was willst du?“, fragte der alte Mann mit gebrochener Stimme, die wenn er wollte stark und kräftig sein konnte, doch ihm war nicht dazu die junge Frau zu ängstigen, dies gelang ihm schon seit Jahren nicht mehr.

„Ich werde morgen zu Cosimo gehen. Wir werden die Hochzeit besprechen. Das ist alles.“

Der Natternkopf starrte in die Flammen.

„Das ist alles. Kind, du weißt gar nicht wie gut du es hast. Du wirst den Thron besteigen und herrschen. Es wird dir jedoch schwer fallen. Weißt du wie viel Sinn für Gerechtigkeit das kostet?“

Violantes Gesichtsausdruck verfinsterte sich.

„Mehr als du besitzt Onkel.“, in ihrer Stimme klang Genugtuung, als sie diese Worte fallen lies. Dann drehte sie sich um und zeigte der Natter ihre kalte Schulter. Sie ging aus dem Saal in ihr Gemach.

Die Bilder im Feuer verdichteten sich ein wenig und weiße Gestallten starrten den Natternkopf an. Schweiß lief über dessen Gesicht. Bald würden sie kommen und ihn holen. Die weißen Frauen. Des Todes Engel.

Er hatte Angst.



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