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Riddle's Assassins

Im Auftrag des Dunklen Lords
von

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Fear

Zu dieser frühen Stunde war selten jemand im Bad der Mädchen, das sich im siebten Stock des Schlosses befand, doch nach diesem Traum hatte sie eine Abkühlung gebraucht. Ginny stand unter der Dusche und ihr erhitzter Körper genoss die kühlen Wasserstrahlen, die aus dem Kopf der Brause auf sie hinabprasselten. In der Eile hatte sie ihre Schlafroben einfach auf den Boden fallen lassen. Mit ein wenig Glück blieb das Bad ungeteilt. So früh am Morgen, an dem noch nicht einmal die Sonne den Tag erleuchtete, begab sich kaum eine Schülerin hierher.
 

Ginny hatte die Arme um sich geschlungen und lehnte ihre Stirn gegen die Wand. Die Fliesen waren kalt auf ihrer Haut. In der letzten Nacht hatte sie von Tom geträumt. Bei dem Gedanken daran spürte sie die Röte in ihre Wangen schießen. Es war ein schöner Traum gewesen, so wie diese, die sie früher oft gehabt hatte. Sie atmete einmal tief ein und wieder aus, um ihre Atmung zu beruhigen, die wie ihr Herzschlag beschleunigt ging. Dieser Traum war nur das Ergebnis ihrer Sehnsucht und ihrer Gefühle gewesen, die von einem Menschen zeugten, den es nicht gab. Er war in ihren Träumen so anders gewesen, ganz anders als der Mann, der wirklich existierte.
 

Das Wasser schien allmählich kälter zu werden. Es hatte sie abgekühlt und fühlte sich nicht mehr angenehm an. Ihr Körper wollte sich der Kälte widersetzen und sich fortbewegen, aber Ginny rührte sich nicht vom Fleck. In sich spürte sie immer noch die Verwirrung, die sich nicht von dem Wasser davon spülen ließ. Ihr Gefühlsleben war in der letzten Zeit so chaotisch, dass es ihr sehr zu schaffen machte. Vor allem ihre Empfindungen für Tom waren wechselhaft. Sie war hin und her gerissen zwischen der einen Seite - Angst, Zorn und Widerwillen - und der anderen Seite - Hingabe und pure Leidenschaft.
 

Sie wusste, dass sie in ein Trugbild verliebt war und dennoch war sie Tom verfallen. Er weckte Gefühle in ihr, die ihre Sinne vernebelten und alles andere unwirklich erscheinen ließen.
 

Vielleicht hatte er sie verhext? Sie fühlte sich, als stände sie unter einem sehr starken Liebeszauber. Wie sonst sollte sie sich die Gefühle für einen derart bösartigen Zauberer erklären, jemandem, mit dem sie keine Zukunft hatte, jemandem, der sogar den Tod für sie bedeuten konnte?
 

Resignierend schloss sie die Augen. Sie wollte ihn. Körperlich. Ihr Verstand warnte sie, doch die Stimme war nur schwach und kaum zu vernehmen. Es war leicht darüber hinweg zu hören. Sie wollte sich ihm hingeben, aber statt ihn zufrieden zu stellen hatte sie alles vermasselt. Im Krankenflügel hätte sie ihren Auftrag erfüllen können, dennoch war sie dazu letztendlich nicht in der Lage gewesen. Nicht nach dem, was ihr Bruder zu ihr gesagt hatte. Er schien das Gewicht zu sein, welches die Waage im Gleichgewicht hielt. Er sorgte dafür, dass die dunkle Macht ihren Willen noch nicht zur Gänze übernommen hatte, kurz bevor es zu spät gewesen wäre.
 

Was würde Tom nur dazu sagen? Sie war eine Versagerin und enttäuschte ihn. Das würde ihm nicht gefallen. Er würde sie für schwach halten. Ihr Körper fing an zu zittern. Sie fürchtete sich vor Toms Reaktion. Schließlich hatte Ginny schon damals lernen müssen, dass Angst ein Bestandteil ihrer Beziehung war.
 

Ein Schaudern überfiel sie, das nicht von dem kalten Wasser her rührte.
 

Noch wusste sie nicht, für welchen Weg sie sich letztendlich entscheiden würde und ob sie den einfachen oder den richtigen Weg wählen würde. So viele Faktoren flossen alltäglich auf ihre Entscheidung ein, von der sie geglaubt hatte, dass sie längst gefallen wäre.
 

Durch die Fenster, die hoch oben in den steinernen Wänden eingelassen waren, schienen bereits die ersten Sonnenstrahlen. Bald würde das Schloss erwachen und noch vor dem Ende dieses Tages würde sie Tom Riddle wiedersehen.
 

Für ihn gab es nur seinen Weg. Alternativen kamen nicht in Frage ...
 

~
 

Später an diesem Tag traf sie auf Draco. Die Begegnung ereignete sich zwischen zwei Schulstunden. Ginny war gerade im sechsten Stock auf dem Weg zu Geschichte der Zauberei, als sich einige Meter vor ihr eine Tür öffnete und der Slytherin aus dem Raum trat. Er hatte sie nicht gesehen und wollte eiligst in Richtung der Treppen weitergehen. Ginny beschleunigte ihre Schritte und holte ihn schnell ein. Der Gang war bis auf diese beiden Schüler leer, dennoch war Vorsicht geboten. Sie freute sich darüber ihn anzutreffen und stupste ihn sacht mit ihrem Ellbogen an, doch als er sich zu ihr umdrehte und sie sein Gesicht sah, erschrak sie. Seine Augen waren gerötet und es machte den Eindruck als hätte er geweint.
 

„Hey“, grüßte sie und bemühte sich den Schreck zu überspielen. „Wie geht’s?“, rutschte es ihr automatisch heraus und sogleich hätte sie sich für diese taktlose Frage am liebsten geohrfeigt. Es war unübersehbar, dass es ihm nicht gut ging. Draco wich ihrem forschenden Blick aus. Er fuhr sich durch sein blondes Haar, zerzauste es unmerklich. Diese Geste ließ ihn ziemlich nervös wirken.
 

„Ich habe jetzt keine Zeit“, entgegnete er knapp. Er versuchte sie loszuwerden, aber Ginny blieb ihm auf den Fersen. Am Klassenzimmer von Professor Binns, welches ihr eigentliches Ziel war, war sie schon längst vorbeigelaufen, doch sie blieb an Dracos Seite.
 

„Können wir reden?“
 

Er antwortete nicht sofort. Er schien unentschlossen und Ginny befürchtete, er würde sie abwimmeln, doch dann sagte er - immer noch ohne ihren Blick zu erwidern: „Meinetwegen. Nach dem Abendessen im ehemaligen Klassenzimmer im vierten Stock. Und jetzt verschwinde endlich!“
 

Den letzten Satz hatte er so ausdrücklich betont, dass Ginny augenblicklich stehen blieb. In diesem Moment kamen ein paar Mitschüler aus ihrem Haus vorbei, die jedoch nichts von der kurzen Unterhaltung bemerkt hatten. Unter ihnen war auch Colin und so schloss Ginny sich der Gruppe an um zum Unterricht zu gehen. Bevor sie das Klassenzimmer betrat warf sie noch einmal einen Blick über die Schulter zurück in den Gang und sah den Umhang des Slytherins gerade noch um die nächste Ecke verschwinden.
 

Die traurigen Augen ließen sie den ganzen Schultag über nicht in Ruhe und Ginny konnte nicht anders als sich Sorgen zu machen. Dem Unterricht folgte sie nur halbherzig und die Zeit bis zum Abendessen schien sich endlos hinzuziehen. Die Stunden zogen sich wie Blaskaugummi und als sie endlich am Abend beim Essen in der großen Halle saß, verspürte sie keinen Appetit. Das Essen sah köstlich aus, wie jeden Tag, doch die Aufregung überlagerte alle anderen Empfindungen. Dabei war es absurd, dass sie einem Treffen mit Malfoy entgegenfieberte!
 

Ihr Blick wanderte zum Slytherintisch und prüfte jedes einzelne Gesicht. Dracos war nicht unter ihnen. Wieso war er nicht beim Essen? War er schon hier gewesen oder kam er vielleicht noch? Oder ließ er das Abendessen ausfallen? Bei seinem Aussehen würde ihm eine ordentliche Mahlzeit nicht schaden. War er womöglich öfter nicht beim Abendessen?
 

Ginny wusste darauf keine Antwort, schließlich mied sie selbst so oft es ihr möglich war die große Halle und anderenfalls war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie andere um sich wahrgenommen hätte. Es war schon beinahe ein Wunder, dass ihr Dracos Wandel aufgefallen war. Im Laufe dieses Schuljahres hatte er sich stark verändert. Er sah unendlich müde und erschöpft aus. Seine Haut war sehr blass und seine Wangen waren eingefallen. Auch wenn die Schulroben den Körper beinahe vollends verdeckten, schien er dünner geworden zu sein. Und das waren nur die körperlichen Anzeichen. Sein Charakter hatte sich zusätzlich verändert und Ginny hatte einen ganz anderen Draco Malfoy kennen gelernt.
 

Bevor sie die große Halle wieder verließ, um sich zum vereinbarten Treffpunkt zu begeben, nahm sie sich einen Apfel vom Tisch, wickelte ihn in eine Servierte ein und steckte ihn in die Tasche ihres Schulumhangs. Letztendlich war Draco nicht mehr beim Abendessen erschienen.
 

Auf dem Weg in den vierten Stock grübelte Ginny, ob Draco vielleicht nicht beim Abendessen auftauchte, weil er verhindert war – möglicherweise durch Nachsitzen – und somit auch nicht zum abgesprochenen Treffen erscheinen würde.
 

Als sie dann aber das ehemalige Klassenzimmer betrat, saß er bereits dort und wartete auf sie.
 

Es war ein seltsames Bild, wie er auf dem Boden saß, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und die Beine an den Körper gezogen, inmitten dieses verwahrlosten Raumes, als säße er dort schon seit Stunden. Dieses Klassenzimmer musste schon seit langer Zeit leer stehen. Nur wenige Möbel standen in dem kleinen Raum und sie waren von einer dicken Staubschicht überzogen, die beim Öffnen der Tür aufgewirbelt wurde. Der Malfoy von früher hätte wohl kaum eine seiner teuren Roben riskiert und dem schmutzigen Boden vermutlich eher einen der kaputten Stühle vorgezogen, den man mit einem einfachen Zauberspruch reparieren konnte.
 

Sie ließ sich neben ihm nieder, wahrte aber einen kleinen Abstand zwischen ihnen.
 

Draco sagte nichts, sondern starrte nur schwermütig vor sich hin. Die grauen Augen waren nicht mehr gerötet, wie vor ein paar Stunden, aber in ihnen war immer noch Traurigkeit zu erkennen. In Ginny wuchs das Gefühl ihn trösten zu wollen.
 

„Ich hab dir was mitgebracht“, sagte sie während sie in ihrer Tasche kramte. Draco sah nun endlich zu ihr, schenkte ihr somit ein wenig Aufmerksamkeit, doch sein Gesicht zeigte keinerlei Neugier. Schließlich hielt sie ihm den eingepackten Nachtisch vom Abendessen entgegen, den er misstrauisch beäugte. „Ein Apfel“, erklärte sie. „Du warst nicht beim Abendessen. Ich dachte, du hättest vielleicht Hunger.“
 

Der Blick wanderte vom Apfel zu ihr. „Das ist ... wirklich rührend.“ Er nahm den Apfel, aber verstaute ihn zu Ginnys Missfallen unangerührt in seiner Umhangtasche.
 

Eine kurze Weile herrschte Schweigen und Ginny ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Sie war das erste Mal hier und hatte es vorher nicht einmal gekannt, bis Draco es ihr offenbart hatte.
 

„Wieso wolltest du mich treffen, Weasley?“, fragte er und durchbrach somit die Stille.
 

Dass er sie beim Nachnamen nannte überging sie einfach. Sie hatte so viele Fragen für die sie eine Antwort ersehnte. Sie wollte so viel wissen, doch zuerst wollte sie etwas loswerden, denn sie hatte bisher noch nicht die Gelegenheit dazu bekommen.
 

„Ich wollte mich bei dir bedanken“, begann sie und nun war sie es die den Blick des anderen mied. Sie sah aus den Augenwinkeln wie er sie ansah. „An dem Tag, als ich von Rons Vergiftung erfahren habe, war ich total aufgelöst und fertig mit den Nerven. Ich wäre beinahe durchgedreht. Wer weiß was ich getan hätte, wenn ich dir nicht über den Weg gelaufen wäre und wenn du mich nicht beruhigt hättest. Wahrscheinlich hätte ich etwas Dummes gemacht. Ich war nicht mehr bei Sinnen.“ Sie schwieg und bei der Erinnerung an diesen furchtbaren Tag bekam sie eine Gänsehaut.
 

„Mhm, du warst schon ziemlich furchterregend.“ Ein leichter Hauch von Ironie schwang in seiner Stimme mit. Ernst fügte er hinzu: „Jeder hätte vermutlich so wie du reagiert. Bei unserer Familie sind wir am verwundbarsten.“
 

Ginny sah ihn von der Seite an und erneut fiel ihr auf, wie erschöpft und niedergeschlagen er aussah.
 

„Was hast du eigentlich an dem Tag so spät im Schloss gemacht?“, fragte sie ihn. „Die anderen Schüler waren längst in ihren Gemeinschaftsräumen. Zu dem Zeitpunkt war bestimmt schon Nachtruhe.“ Es war schon ein merkwürdiger Zufall.
 

Draco lehnte den Kopf zurück gegen die Wand und starrte an die Decke des Klassenzimmers. „Ich war auf dem Weg in die Kerker. Ich kam gerade vom Raum der Wünsche, als du mir über den Weg gelaufen bist.“
 

„Raum der Wünsche?“
 

Draco nickte. „Mittlerweile verbringe ich dort schon ganze Nächte.“
 

Er war also schon wieder im Raum der Wünsche gewesen. Dies wäre der Moment um nachzufragen, was er dort getan hatte, schließlich hatte Ginny es immer wissen wollen, doch im Augenblick war ihr das absolut egal.
 

„Draco?“
 

Seine grauen Augen richteten sich nun auf sie. „Gibt es vielleicht etwas worüber du reden möchtest? Ich sehe, dass dich etwas bedrückt.“
 

Zuerst war sein Blick erstaunt. Er blinzelte. Einmal, zweimal, dann lächelte er schwach und schüttelte leicht den Kopf. „Das ist nicht weiter wichtig.“
 

„Es scheint aber etwas Schwerwiegendes zu sein. Ich glaube nicht, dass du dich von Kleinigkeiten vom Besen werfen lässt.“
 

Draco antwortete nicht darauf und Ginny deutete sein Schweigen als Bestätigung. Er schien zu zögern und da Ginny der Überzeugung war, dass es gut war über Probleme zu reden und sich alles von der Seele zu reden, versuchte sie Draco zum Sprechen zu bewegen.
 

„Mit mir kannst du doch reden. Ich kann gut zuhören.“ Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Ich werde es auch niemandem verraten.“
 

„Deine Gedanken sind nicht sicher“, sagte Draco und tippte sich leicht gegen die rechte Schläfe. „Auch wenn du nichts verraten wolltest, würdest du es unbewusst. Der dunkle Lord hat seine Mittel.“
 

Mit diesem Argument lag er gar nicht so falsch. Tom Riddle war ein ausgezeichneter Legilimentiker und er schaffte es selbst in der erscheinenden Illusion Ginny ihre Gedanken und Gefühle zu entlocken. Wenn Draco ihr etwas anvertrauen würde, dass mit Lord Voldemort zusammenhing, bestände die Gefahr, dass man ihr dieses Wissen entwenden und sie den Slytherin somit unwillentlich verraten würde.
 

„Aber ich würde dir so gerne helfen!“ Ginny stand energisch auf. Sie war wütend und enttäuscht zugleich. Sie kam sich nutzlos vor und gab Tom die Schuld dafür, dass Draco sich ihr nicht anvertrauen wollte. Sie ging im Klassenzimmer auf und ab, da sie nicht mehr länger still bleiben konnte und ohne wirklich darüber nachzudenken rutschte ihr etwas heraus. „Ich mag es nicht dich so traurig zu sehen.“
 

Sie bemerkte gar nicht wie Draco sie überrascht ansah. Ginny schritt weiterhin auf und ab während sie ihren Gedanken Luft machte. Erst als Draco ebenfalls aufstand, blieb sie stehen.
 

„Wieso?“ Seine Stimme war leise und ernst. Zuerst wusste Ginny nicht wovon er sprach. „Wieso willst du mir helfen?“ Draco kam schnell einige Schritte auf sie zu und fasste sie an den Schultern. „Wieso kümmert es dich, wie es mir geht?“
 

Ginny lächelte. Die Antwort lag schließlich auf der Hand. „Weil wir Freunde sind.“
 

Nach allem was die beiden Schüler schon miteinander erlebt hatten konnte man das schon so nennen. Draco war momentan derjenige - oder besser gesagt der Einzige - vor dem Ginny sich nicht verstellen musste. Er wusste vieles über sie und nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sich ein Band geknüpft, welches die beiden miteinander verband. Draco hatte ihr geholfen und sie unterstützte ihn ebenfalls. Und es schmerzte sie ihn unglücklich zu sehen.
 

Draco schwieg sie an. Seine Augen waren vor Verwunderung geweitet. Diese Bemerkung schien ihn unerwartet getroffen zu haben, doch er schien ihr zuzustimmen, denn er widersprach nicht.
 

„Du kannst mir vertrauen“, sagte Ginny.
 

Schließlich vertraute sie ihm auch. In diesen Zeiten mussten sie zusammenhalten. Die Verwunderung wich endlich aus seinen Zügen, nachdenklich legte er den Kopf schief und sein Blick wurde wärmer.
 

„Das tue ich.“
 

Auf Ginny Lippen breitete sich ein Lächeln aus.
 

Seine linke Hand fuhr von der Schulter ihren Arm hinab. Ganz langsam. Sie beobachtete diese Berührung. Schließlich strich er über ihre Hand und seine Finger verflochten sich mit ihren. Als sie ihre Hand, und somit auch seine, anhob, zog sie ihn ein Stück zu sich. Ihr Blick war aber nun auf seinen Arm gerichtet. Sanft strich sie mit der freien Hand über seinen Unterarm.
 

„Das dunkle Mal“, hauchte sie ehrfürchtig und Ginny verspürte das brennende Verlangen diese Tätowierung sehen zu wollen. Begierig sah sie auf seinen Arm und stellte sich das dunkle Mal auf seiner blassen Haut vor. Das Mal, das jeder Todesser trug. Es war das Zeichen das bezeugte, dass man zu Voldemort gehörte. „Kann ich es sehen?“
 

Draco erstarrte und seine Finger befreiten sich aus ihrem Griff. Schnell zog er seinen Arm zurück. „Nein.“ Die Antwort kam durch zusammengepresste Lippen.
 

„Ich will es sehen“, sagte Ginny und überhörte einfach das was er sagte. Sie wollte nach seinem Arm greifen, den Ärmel hoch schieben und sich die Tätowierung ansehen, aber Draco wich einen Schritt zurück, drückte seinen Arm fest gegen seine Seite und schüttelte den Kopf. „Nimm deine Finger weg!“, fuhr er sie an.
 

„Was hast du denn?“, fragte sie verständnislos. Was war denn nur plötzlich in ihn gefahren? Sie wusste, dass er das dunkle Mal trug ... Zumindest nahm sie es stark an, denn sie konnte es nicht behaupten bevor sie nicht den Beweis gesehen hatte. Seine Reaktion war in ihren Augen total übertrieben.
 

„Ich gehe jetzt lieber“, sagte Draco und flüchtete schon beinahe aus dem Klassenzimmer.
 

Völlig perplex stand Ginny allein im leeren Raum, starrte auf die verschlossene Tür und fragte sich, was da gerade eigentlich passiert war.
 

~
 

Was?!
 

Die Buchstaben waren unordentlich geschrieben, ganz untypisch für Tom und es war auf dem Pergament deutlich zu sehen, wie stark mit der Federspitze aufgedrückt wurde. Ginny konnte Toms wütendes Schreien beinahe hören.
 

Was soll das heißen, du konntest es nicht?
 

An diesem Abend hatte Ginny das Tagebuch aus ihrem Koffer hervorgezogen um Tom zu schreiben bevor sie zu Bett ging. Es hatte nicht all zu lange gedauert, bis Tom die Frage nach ihrem Fortschritt gestellt hatte. Zuerst war sie unsicher gewesen, ob sie von der Nacht im Krankenflügel erzählen sollte. Es war eigentlich nicht erwähnenswert, da schließlich nichts geschehen war. Letztendlich hatte sie ihm doch berichtet, dass sie die Chance vertan hatte Harry umzubringen. Sie war einfach ehrlich gewesen und jetzt erfuhr sie die Konsequenzen ihres Scheiterns.
 

Da gibt es nichts zu entscheiden! Dein Auftrag war eindeutig! Wie kannst du es wagen dich meinen Anweisungen zu widersetzen?
 

Was bist du für eine Hexe, die es nicht fertig bringt, einen einfachen Zauber durchzuführen? Monatelang muss ich mir dein Gejammer von deiner verlangten Rache anhören und es waren alles nur leere Worte von dir! Du hattest deine Chance, sogar mehr als eine!
 

Letztendlich bist du zu feige!
 

Jedes einzelne Wort war wie eine Ohrfeige. Tom verletzte und demütigte sie. Ginny bereute es ihm überhaupt davon erzählt zu haben. Es war naiv von ihr gewesen Verständnis von ihm zu erwarten.
 

Ich bin nicht feige, schrieb sie.
 

Es war keine Feigheit gewesen, die sie daran gehindert hatte einen Mord zu begehen. In diesem Moment, als sie die Möglichkeit hatte Harry im Schlaf zu töten, hatten ihre Gefühle sie daran gehindert. Sie hatte es nicht gekonnt, da hinter all dem Hass, den sie für ihn empfand, noch andere Gefühle steckten. Mitgefühl hatte den Jungen gerettet. Sie wollte niemandem das Leben rauben und somit eine Existenz auslöschen. Wer war sie, dass sie über Leben und Tod entscheiden konnte?
 

Vor Tom konnte sie sich nicht rechtfertigen. Er würde es nicht verstehen. Er hatte keine Gefühle. Jedenfalls keine menschlichen.
 

Du hast versagt. Ich kann auf diejenigen, die versagen, verzichten.
 

Lass mich das ganz deutlich sagen, so etwas wird nicht noch einmal geschehen. Du wirst alles dir nur mögliche versuchen um mich zufrieden zu stellen. Haben wir uns verstanden?
 

Ginny gefiel es gar nicht, wie Tom mit ihr umsprang. Als sei sie seine Dienerin, eine Marionette ohne freien Willen, die nach seiner Pfeife zu tanzen hatte.
 

Willst du mir drohen?
 

Drohen? Oh, viel mehr als das. Ich werde dich dazu zwingen. Ich habe es schon einmal geschafft und ich werde dich mir erneut gefügig machen! So wie schon vor 4 Jahren!
 

Das war zu viel für sie.
 

Du machst mir keine Angst!, schrieb Ginny aufgebracht und schlug wütend das Buch zu. Seine Drohungen wollte sie sich nicht gefallen lassen! Niemals würde er wieder die Kontrolle über sie haben. Sie war nicht mehr so schwach wie damals und er hatte nicht mehr die Macht sich ihrer zu bemächtigen.
 

Sie stand auf und wollte das Tagebuch wieder in ihren Koffer zurück legen, somit Tom einfach ignorieren, doch das was sie dann sah versetzte ihr so einen Schreck, das ihr das Tagebuch aus der Hand fiel und mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden fiel.
 

Tom Riddle stand mitten in ihrem Schlafzimmer.
 

Ihre Zimmergenossinnen, aufgeschreckt von dem fallengelassenen Buch, sahen Ginny fragend an. Die braunen Augen wurden groß vor Entsetzen, doch die anderen Mädchen schienen nicht das Gleiche zu sehen wie sie, denn keine von ihnen schien den jungen Mann zu bemerken, der plötzlich in ihrem Schlafsaal stand.
 

„Sie können mich nicht sehen“, sagte Tom gleichgültig und schenkte den anderen Mädchen nicht einen Blick.
 

Ginny war immer noch wie erstarrt, als Demelza Robbins sie ansprach. „Ist alles in Ordnung, Ginny?“ Die anderen Mädchen begannen zu tuscheln und Ginny erwachte wieder aus ihrer Starre, bückte sich nach dem Buch und griff mit zitternden Fingern danach.
 

„A-alles in Ordnung“, stammelte sie, floh zurück in ihr Himmelbett und zog schnell die roten Vorhänge zu.
 

Als sie sich umdrehte, saß Tom bereits auf ihrem Bett. Seine Augen sahen sie wütend an. Er hatte weiterhin noch nichts gesagt und Ginny wünschte sich, er würde den Mund geschlossen halten. Sie sah überdeutlich wie er seine Kiefer fest aufeinander presste. Sie hatte ihn wirklich verärgert.
 

Sie konnte nichts sagen. Die anderen würden sie hören. Sie stand so unter Schock, dass sie noch nicht einmal auf die Idee kam einen Zauber zu sprechen, der die anderen ihre Worte nicht hören ließ. Doch wozu auch? Sie konnten Tom nicht sehen und auch nicht hören und Ginny selbst würde keine einzige Silbe über ihre Lippen bringen.
 

Verängstigt kroch sie ans Bettende und drückte sich gegen die Wand, versuchte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Tom zu bringen. Durch die zugezogenen Vorhänge drang nur schwaches Licht und seine Augen wirkten dadurch noch dunkler als sonst.
 

„Du hast mich wirklich verärgert“, begann er und seine Stimme war kalt wie Eis. „Du wagst es, das Buch einfach zu schließen und willst mir somit den Mund verbieten?“
 

Sofort schüttelte sie den Kopf.
 

„Wage es nicht noch einmal, Ginevra, so mit mir umzugehen. Für wen hältst du dich, du kleines dummes Gör!“
 

Tom kam näher und überbrückte die Distanz, bis er ihr so nahe kam, dass nur wenige Zentimeter ihre Gesichter trennten. Ginny hielt unwillkürlich den Atem an, als er eine Hand nach ihr ausstreckte.
 

Das Blut rauschte in ihren Ohren. Vieles hatte sie erwartet, doch überraschenderweise legte seine Hand sich an ihre Wange. Sie sah, wie die Finger sich bewegten und sie streichelten, doch sie konnte seine Berührungen nicht spüren, solange sie die Augen offen hielt. Dies allein war die Bestätigung, dass er nicht wirklich da war. Beruhigen tat sie diese Gewissheit jedoch nicht.
 

„Muss ich dir erst zeigen, was passiert wenn du mir nicht gehorchst?“, hauchte er ihr gegen die Lippen. Seine Worte hätten zärtlich sein können, wenn die Drohung darin nicht so gewaltig gewesen wäre. Seine Augen waren schwarz und voller Hass und standen somit im Kontrast mit seiner lieblichen Stimme.
 

Ginny wagte einen Seitenblick zu ihrem Zauberstab. „Der hilft dir jetzt auch nicht mehr“, hörte sie seine Stimme gefährlich nah an ihrem Ohr und Ginny schloss vor Angst die Augen. Nun spürte sie seine Hand an ihrer Wange, die sie zärtlich streichelte. Sie sah ihn immer noch vor sich, konnte ihm nicht entkommen. Sie spürte seine Nähe und seinen süßen Atem als er sprach.
 

„Du wirst dich mir fügen, ob du willst oder nicht. Du hast gar keine andere Wahl.“ Seine Finger glitten über ihren Hals, bevor er seine Hand zurückzog. „Ansonsten werde ich dich vernichten.“
 

Und daran bestand keinerlei Zweifel.
 

Nie mehr würde sie ihn verärgern, schwor sie sich. Nie wieder! Ihre Dummheit hatte sie in diese Lage gebracht, dabei wusste sie doch nur zu gut wie er sein konnte. Sie hoffte, dass es bald vorbei sein würde. Tom sollte einfach nur noch verschwinden.
 

Er beugte sich zu ihrem Ohr hinab und flüsterte mit seiner eiskalten Stimme: „Mache ich dir jetzt Angst?“
 

„Ja!“, hauchte sie. Panik ergriff sie und ihr ganzer Körper zitterte.
 

„Gut.“
 

Als sie ihre Augen wieder öffnete war er verschwunden. Sie war nun wieder allein in ihrem Bett und die einzigen Stimmen, die sie hörte, waren von ihrer Zimmergenossinnen, die sich leise miteinander unterhielten. Ginnys vor Panik angespannter Körper löste sich, sie sank in sich zusammen, vergrub das Gesicht in ihren Händen und brach in Tränen aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Charlott
2010-12-06T19:29:28+00:00 06.12.2010 20:29
Genauso toll wie ich es schon beim Betalesen empfunden habe. :D
Aber die Stelle mit Ginny und Draco :( Traurig, traurig.
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-12-06T19:28:21+00:00 06.12.2010 20:28
Du beschreibst Ginny Gefühle erneut sehr gut. Diese Interaktion mit Tom...ich wünsche mir fast eine Kussszene XD jetzt stellt sich die Frage: Der böse, böse Tom oder der arme, verletzte Draco?
Ich bin mal gespannt, wie du das weiterführst^^ sehr gut geschrieben
Lg^-^


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