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Rot halbtot

von

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“Hier.“

Schuldig öffnete den Mund bereitwillig, und Crawford schob ihm das Thermometer zwischen die Lippen.

“Brav”, meinte der Amerikaner und drückte eine Hand auf den orangenen Haarschopf, dessen Besitzer,

bis zum Kinn in eine lila Decke eingewickelt, mit Kissen unter dem Kopf und Eimer vor der Nase auf dem

Sofa lag und in Richtung Fernseher blinzelte.
 

Er schien völlig erschöpft zu sein. Aufgrund seiner Fähigkeit entspannte es Schuldig tatsächlich,

Ablenkung durch den Fernseher zu haben, und nicht allein im Stillen zu liegen. Er hatte die letzte Zeit

etliche Stunden geschlafen. Zwischendurch trank er die todsichere Spezialmischung- Cola mit einem Schuss

Ananassaft. Es war süß und klebrig genug dass Schuldig den Geschmack mochte, und es war ein

Hausmittelchen mit fast phänomenaler Wirkung bei Magengrippe und ähnlichen Unpässlichkeiten.
 

Die Cola war bekannte Strategie, der Ananassaft wirkte anscheinend mit bestimmten Enzymen zusätzlich

beruhigend auf den Magen. Kaum zu glauben, aber es klappte tatsächlich. Seit er das Zeug bekam hatte

Schuldig sich kaum mehr übergeben, knabberte in den Wachphasen sogar etwas Salzstangen dazu, hatte

aber insgesamt keinen Appetit. Der Appetit war Crawford herzlich egal. Der Deutsche konnte in normalem

Zustand schlingen wie ein Wolf, ein, zwei Tage Fastenkur würden ihn nicht umbringen.

Dass er mittlerweile brav einen Becher Flüssigkeit nach dem anderen leerte, war allerdings definitiv erfreulich.
 

Nagi war im Bett, oder zumindest in seinem Zimmer, Farfarello lag unweit der Couch auf dem Teppichboden,

Crawford hatte in einem Sessel Platz genommen und las wenig konzentriert ein Buch, während er ab und

zu einen Blick auf die japanische Gameshow im Fernsehen warf, und einen auf sein krankes Teammitglied.
 

Schuldig schien wirklich sehr krank zu sein, aber er würde es wohl bald und glimpflich überstehen, wie es

momentan aussah. Seine Gesprächsversuche in wachem Zustand wankten zwischen quängelig, gereizt

und unkonzentriert, und die längeren Gesprächspausen waren sichere Indikatoren dafür, dass er schlief.

Er hatte sich kaum bewegt seit er auf dem Sofa lag, und blinzelte müde und mit fiebrigen Augen wenn er

wach war.
 

Das Thermometer piepste.

“Achtunddreißig neun...”, murmelte Schuldig.

Crawford nickte zufrieden.
 

Irgendwann, gegen zwei Uhr Nachts, brachte Crawford Farfarello in den Keller, der sich nach kühler Stille

und seiner Matratze sehnte. Als er zurück ins Wohnzimmer kam, schlief Schuldig immer noch tief und fest,

wie schon seit einigen Stunden.

Gut.

Er überlegte ihn liegen zu lassen, aber wenn er nachts aufstand oder einen Traum hatte und aufwachte

konnte es sein dass er völlig orientierungslos war und sich beim ersten Schrecken nicht zurecht fand wenn

er hier lag...
 

Er entschloss sich, den Deutschen mühsam vom Sofa zu klauben und unter großer Kraftanstrengung

auf dem Arm hinüber in sein Bett zu tragen. Schuldig wachte nicht einmal auf- oder er ließ es sich zumindest

nicht anmerken. Beim zweiten Gang folgte der Eimer, und das Glas mit Cola und Saft, und Crawford ging

schlafen.
 

Er hatte ganze anderthalb Stunden, bis er die Augen wieder öffnete und in stille Dunkelheit blinzelte.

Ein sinkendes Gefühl verriet ihm nichts Gutes. Verdammt.

Irgendetwas war nicht in Ordnung, aber er konnte noch nicht genau ausmachen was-... sein Kopf surrte,

und er stützte sich aufatmend eine Hand aus den Tiefen der Bettdecke an die Schläfe. Dann wurde ihm

bewusst was los war.

Schuldig jammerte telepathisch. Und das nicht zu knapp. Es schien nicht einmal direkt an ihn gerichtet

zu sein. In dem Moment schob sich die Tür zu seinem Schlafzimmer einen Spalt weit auf, und lautlos

wie ein Gespenst im weißen Schlafanzug, schob sich Nagi herein, der sich übernächtigt die Augen rieb.
 

“Kannst du nach Schuldig sehen”, murmelte das kleine Kerlchen leise und kläglich, “Mir ist schon total

schwindelig wegen ihm..!”
 

Crawford arbeitete sich aus dem Bett, seufzte einen Fluch, tastete nach der Brille auf dem Nachttisch,

schlüpfte in seinen Morgenmantel, versuchte Schuldig ebenfalls über die telepathische Verbindung zur

Raison zu bringen- mit dem Erfolg dass ihn bei dem Versuch eine Welle von Schwindelgefühl und Übelkeit

traf. Einen Moment lang stand er still und hielt sich den Kopf, versuchte das schlingernde Zimmer zum

Stillstand zu bewegen, und fasste dann Nagi im Vorbeigehen an den Schultern. “Geh wieder schlafen.”,

meinte er ruhig, mit noch vom Schlaf rauer Stimme, band sich den Gürtel seines Morgenmantels ordentlich

um die Hüften, während er in Schlappen, mit vom Kissen zerzausten Haaren, kleinen Augen und

angefressenem Gesichtsausdruck- aber wenigstens auch mit Brille- unterwegs zu Schuldigs Zimmer war.
 

“Was ist los?”, wollte er wissen als er dort angekommen war.
 

Die Frage war relativ überflüssig- Schuldig fieberte, das war los. Er hatte die Bettdecke und die lila Decke

vom Sofa fast bis zu den Knöcheln heruntergestrampelt, lag mit katastrophal zerwühlten Haaren

bäuchlings im Bett und stöhnte, das Gesicht im Kissen, zitternd vor sich hin.

Seine Telepathie war einigermaßen außer Kontrolle, und Crawford presste sich den Handballen an die

Schläfe um die wummernden Kopfschmerzen auszublenden.
 

“Schuldig”, meinte er, beugte sich etwas herunter und fasste dem chaotischen Rotschopf an die Schultern.

Um Himmels Willen, er war kochend heiß.
 

“Schuldig...”
 

--
 

Im Katzenhaus saß Yohji im Halbdunkeln an Ayas Bett und stuppste mit den Fingerspitzen nach dem

langen, blutroten Pony. Vorn gingen die Strähnen bis unter die Nase... er spielte erst ein wenig mit den

Haaren, die auf dem Kissen lagen, und strich dann sehr vorsichtig, mit behutsamen Fingerspitzen die langen,

vom Schweiß noch dunkleren Haare aus der hohen Stirn und, wenn sie lang genug waren, bis hinters Ohr.
 

Er war völlig versunken in seine Tätigkeit, und hatte eben- nicht zum ersten Mal- bemerkt, dass Aya Fujimiya,

ihr gefährlicher Schwertmeister, für einen Mann ebenso gefährliche Wimpern hatte: lang, und geschwungen,

und... naja, vor allem unglaublich lang. Wow. Jede Frau pinselte sich massenhaft Mascara für mehr Volumen

und doppelte Länge ins Gesicht, und er hier, hatte die perfekten Wimpern, schlicht und einfach von Natur aus.

Und er war ein Kerl. Ein Witz des Universums...
 

Der Schreck traf ihn unerwartet, als besagte Wimpern sich plötzlich hoben, und unfokussierte, violette

Augen ihn müde anblinzelten. Yohji nahm sofort die Finger weg, als hätte er sich verbrannt, und beugte

sich etwas tiefer.

“Aya? Bist du wach..?”, erkundigte er sich leise.
 

Der Angesprochene schien sich ein wenig umzusehen und blinzelte noch einmal schwer, bevor der Blick

sich auf Yohi richtete. “Scheiße, ja, wonach siehts denn aus..?”, knurrte er.
 

Yohji ließ den Kopf in den Nacken fallen, hielt sich dramatisch den Handrücken vor die Stirn und ächzte

vor Erleichterung. “Endlich! Oh mann...”

Aya blinzelte irritiert und erledigt, mit vor Fieber geröteten Augen und Wangen und starrte etwas

reserviert ins Leere, bevor sein Blick Yohji wieder fand.
 

“Du hast mir nicht zufällig am Hintern herumgetatscht?”, flüsterte er die Frage, und schaffte es dabei

selbst in dem Zustand noch zu klingen wie der Polizeihauptkommissar.
 

Yohji warf entsetzt über solche Vermutungen die Hände hoch und riss entgeistert den Mund auf,

“Wa-... NEIN! Natürlich NICHT! Warum sollte ich so etwas tun?”
 

Ayas Blick schweifte wieder etwas ab, er starrte etwas nachdenklich ins Leere.

“Ich hatte einen komischen Traum.”, bemerkte er unbegeistert, und schob dann den Kopf etwas in

Richtung Nachttisch. “Ich konnte den Tee noch nicht trinken...”, meinte er erschöpft und müde, und mit

schleppender, leiser Stimme, “Ich habs versucht.”
 

“Ja... das macht nichts-... ehm, störts dich wenn ich hier sitze..?”, Yohji hielt etwas verunsichert die Hände

am Bettrand und saß auf der Kante, ausnahmsweise bereit jederzeit aufzustehen, wenn wieder ein Knurren

oder eine freundlich umformulierte “verpiss dich”- Botschaft kam.

Aya blinzelte unter den aus der Stirn gestrichenen Haaren zu ihm auf, und warf einen Blick auf Yohjis Hintern

in seinem Bett.
 

“Nein.”, stellte er dann ruhig flüsternd fest.
 

Eine Welle von Erleichterung-... die deutlichste bisher, schwappte über Yohjis beanspruchte Nerven, und

er atmete tief auf und lächelte Aya mit warmem Blick aus grünen Augen an.

“Hey, das ist süß von dir... weißt du, das ist das Süßeste was du heute von dir gegeben hast..!”
 

“Ja... wasauchimmer”, murmelte Aya mit gänzlich unbewegtem Gesichtsausdruck, “Kannst du mal aufstehen,

ich muss aufs Klo.”
 

Yohji war mehr als froh, dass Aya offensichtlich doch noch nicht so kurz davor gewesen war, an einer

überaus ekelhaften Krankheit- durch seine, also Yohjis Schuld und seinen eigenen Dickschädel-

dahinzusiechen und den Löffel abzugeben, merkwürdigerweise kam er nämlich trotz Dehydrierung noch

einigermaßen auf die Beine, schwankte auf weichen Knien wackelig Richtung Badezimmer und wieder

zurück, und seine alt bekannte Grummeligkeit hatte nichts an Qualität eingebüßt. Als er wieder im Bett lag,

sich die Decke mit erledigter Miene bis unter die Nase hochgezogen hatte, und Yohji wieder

selbstverständlich seinen Platz auf der Seite des Bettes einnahm, blinzelte der Kranke etwas verwundert,

aber ohne Abweisung oder Bissigkeit.
 

“Bleibst du jetzt bei mir und hältst Händchen die ganze Nacht, oder was soll das werden?”, fragte er leise.

“Ganz genau”, grinste Yohji, “Also los, Händchen her!”

Ayas Blick veränderte sich nicht, aber ein leichtes Zucken zog kurz an seinen Mundwinkeln.
 

“Im Ernst, bist du nicht müde..?”

Yohji zupfte sich an seinem warmen violetten Haus- Flausch- Pulli, den er inzwischen gegen das leichte

Oberteil eingetauscht hatte, und zuckte die Schultern, “Ah, nein, mittlerweile kann ich glaube ich sagen

ich habe Blut in meinem Koffeinkreislauf- außerdem, hey- ich bin ein harter Junge- denk nicht du kriegst

die Rolle des tragischen Helden hier ganz für dich allein.”

Diesmal lächelte Aya tatsächlich, nur ganz kurz und schwach, und sparsam, aber er lächelte.
 

Yohji, übermütig von den Zeichen seines Erfolges, beugte sich etwas näher über ihn.

“Na, meinst du, du hast den ersten paar Millionen Bazillen schon erfolgreich in den Hintern getreten..?”

Ayas Kopf schob sich in stummem Nicken ernsthaft ein wenig am Kissen hinauf und hinunter, während

er Yohji ruhig und unbeeindruckt in die Augen sah.

“Gut”, grinste Yohji, und stuppste mit neckischem Zeigefinger Ayas schlafwarme Nasenspitze, “Der rote

Rächer hat wieder zugeschlagen..! Wie wärs mit einem neuen Codenamen? Darf ich dich... Kotzkätzchen nennen?”

Aya schmunzelte müde.

“Nein, Idiot.”

“Schade.”
 

Ran war unendlich müde. Sein Kopf tat weh, seine Kehle war so trocken dass seine Zunge am Gaumen klebte.

Er konnte die Augen nicht lange offen halten, ein unangenehmes Brennen war das Resultat wenn er es

doch tat, und so blieb ihm nichts anderes übrig als immer wieder schwer zu blinzeln wenn er etwas sehen wollte.

Er fühlte sich kraftlos. Er -war- kraftlos. Alles was er tun konnte war im Bett zu liegen, und zu versuchen

seinen miserablen Allgemeinzustand zu verdrängen. Alles tat weh, Schmerz und Schwäche zuckte durch

jeden Muskel, sein Kopf brummte, es war... ausgesprochen unerfreulich.
 

Er war sachte überrascht gewesen Yohji an seinem Bett zu finden, aber es störte ihn im Moment weniger

als er erwartet hatte. Der andere roch nach schwerem Männerparfüm und Zigaretten und Blumen aus dem

Laden, und es erinnerte ihn unangenehm daran, dass er noch nicht geduscht hatte und in seinem

erbärmlich verschwitzten Zustand bestimmt keine erfreuliche Gesellschaft war. Und dass er seine Pflicht

vernachlässigte und den anderen Ärger machte dadurch dass er keine Schicht im Laden übernommen hatte.

Yohji ließ sich diesbezüglich allerdings nichts anmerken, er machte kleine Scherze, er sprach leise, er hatte

Cola mitgebracht, und obwohl Aya die süße Limonade sonst nicht besonders mochte, tat es gut kühle

Flüssigkeit im Mund zu spüren. Er setzte sich etwas auf und trank so gut er konnte, vorsichtig und sehr

langsam, und wider Erwarten blieb das Würgen diesmal aus. Tiefe Erleichterung und Dankbarkeit

durchfloss ihn, als er zurück in die Kissen sackte und seine schmerzenden Glieder zumindest weich betten wollte.
 

Als er den kühlen, feuchten Lappen auf der Stirn spürte, blinzelte er noch einmal verwundert, und sah

Yohji unverwandt an.

Der Andere lächelte nur mit warmen, waldseegrünen Augen zurück, und Aya ließ seine eigenen beruhigt

wieder zugleiten. Er wollte nicht darüber nachdenken. Nicht jetzt. Natürlich schämte er sich, dass der Andere

ihn so betüddelte. Es war nicht das kleinste Bisschen nötig. Aber die behutsame Kühle auf seiner heißen

Stirn tat ja schon irgendwie gut.

Einfach nur wieder schlafen...

Trotz, oder gerade weil er sich erbärmlich und wie von einer Dampfwalze überfahren fühlte, konnte er

sich etwas entspannen. Vielleicht, weil er wusste, dass der Andere auch schon dort gesessen hatte bevor

er aufgewacht war. Vielleicht auch, weil er nicht wirklich sicher war, ob er das alles nur träumte und bald wieder

in einer völlig anderen Realität aufwachte, so wie in den letzten paar Stunden...
 

Mit leisem Ausatmen ließ er sich tiefer in die Kissen sinken, spürte die beruhigende Dunkelheit und das

Lasten des kühlen Lappens auf den Augenlidern, fühlte Yohjis Finger vorsichtig seine Haare berühren,

und ihm wurde schmerzhaft bewusst dass ihn eine Ewigkeit niemand mehr gestreichelt hatte.

Es tat gut.

Es erinnerte ihn in seinem kaum bewussten Dämmerzustand an seine Mutter, und seine Kindheit... Er hatte

nicht gewusst dass so eine winzige Berührung so gut tun konnte. Vielleicht sollte er sagen dass er ihn nicht

sofort töten würde wenn er weiter machte... dass ihm das gefiel... aber war er überhaupt noch wach..?

War das hier die Wirklichkeit? Seine Lippen bewegten sich nicht, sein Körper gehorchte ihm nicht mehr...

er sank in freiem Fall in sinnlose, watteweiche Fiebertraumwelten...
 

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“Schuldig..!”
 

“Brad...”, stöhnte der Deutsche heiser, drehte den Kopf, versuchte sich auf die Unterarme zu stützen

scheiterte im ersten Versuch daran dass er unabsichtlich mit dem eigenen linken Arm einige Haare auf

dem Bett fixierte und beim Hochwuchten des Kopfes von ihrer Verbindung mit der Kopfhaut aprupt

gestoppt wurde. “Au..! Verflucht...”

Brad ächzte genervt über die orangerote Zottelmähne deren Ausläufer inzwischen überall klebten,

versuchte sie von den eigentlich recht ansehnlichen, sonnengebräunten, im Moment aber jämmerlich

zitternden, schweißnassen Muskeln zu pflücken und dem Chaos Herr zu werden.
 

“Warum zur Hölle musstest du auch den Zopfgummi rausmachen!”

“Der ziept-... ich hasse es wenn meine Haare in dem Scheißding fest hängen!”

“Wenigstens hingen sie dann jetzt in dem Scheißding und nicht überall!”

“Brad, ich muss kotzen...”

“Nicht aufs Bett..!”
 

Crawford half ihm das Stück zum Bettrand und Schuldig keuchte ein paar Momente schwer über dem

Eimer, um dann einiges an Cola und Salzstangen wieder hoch zu würgen, das sich mit leisem Plätschern

eine Etage tiefer verabschiedete.

Nach kurzem Husten atmete Schuldig tief durch, blinzelte einmal, meinte etwas grinsend und mit

schwacher Stimme: “Wenigstens siehst du heute auch scheiße aus... weißt du dass deine Haare hinten

hoch stehen..?”
 

Crawford griff sich irritiert an den Hinterkopf und verzog dann mit das Gesicht zu etwas müder Miene.
 

“Kommt davon... wenn man immer auf dem Rücken liegt.”, fügte Schuldig schnaufend hinzu, “...Cindy- Au!”,

Brad hatte nicht zimperlich an dem Büschel Haaren gezupft, das er im Moment in der Hand hatte, nahm

den Zopfgummi vom Nachttisch und bändigte die Mähne ein zweites Mal unter wimmerndem Protest

seines deutschen Teammitglieds in einen Pferdeschwanz.
 

“Ich kann nicht glauben dass ich aufgestanden bin um mir das anzuhören”, murrte er kopfschüttelnd

und schob sich mit dem Daumen die langen schwarzen Strähnen aus seinen Augen, bemerkte erleichtert

dass die Kopfschmerzen ein wenig nachließen, obwohl die Telepathie jetzt ein zäher Brei aus

unkontrollierten, willkürlich vermischten Nachrichten und Emotionsfetzen war, die ungebremst durch die

Verbindung auf ihn einrauschten wie Störsignale im Radio.

“Wie kommt es dass du dir solche Mühe gibst ein Arschloch zu sein wenn du krank bist..?”
 

“Oh... Brad...”, meinte Schuldig wackelig, der sich in der Zwischenzeit wieder etwas übergeben hatte,

und versuchte sich den Mund mit Cola auszuspülen, “...sag nicht... Arschloch... das klingt so... passiv...”

“Würdest du aufhören, anzügliche Bemerkungen zu machen, während du dabei bist in den Kücheneimer

zu reihern..?”, bemerkte Crawford müde und geduldig und mit Geschäftsstimme.
 

Schuldig verzog in schwacher Selbstironie, mit dem Kopf über der Bettkante, die Miene zu einem

schmerzlichen Grinsen, “Ach Brad, mir gehts so beschissen...”, flüsterte er, “lass mir doch die Illusion

wenigstens ein bisschen männliche Würde zu retten...”
 

Das Thermometer zeigte einundvierzig Grad. Schuldig hatte Schüttelfrost, seit Crawford geholfen hatte

ihm die Decke wieder bis zur Nasenspitze hochzuziehen und über ihn zu packen, mit der Meinung, dass

es ihm auf die Dauer sicher nicht gut tun würde, wenn er in seinem Zustand weiterhin nur in Shorts herumlag.
 

Brad war über den dunklen Flur ins Badezimmer und in die Küche gewandert um eine Schüssel mit kaltem

Wasser und einen Lappen zu holen, im halbherzigen Versuch nicht laut zu sein, obwohl Nagi vermutlich

ohnehin noch wach war und nicht wieder schlafen konnte.

Die erste Fiebertablette die Schuldig nahm, war dreißig Sekunden später wieder draußen, auf demselben

Weg auf dem sie genommen worden war. Nur rückwärts.

Die zweite ereilte etwa fünf Minuten später dasselbe Schicksal.
 

Schuldig hatte es zwar inzwischen geschafft, die telepathische Verbindung zu seinen Teammitgliedern

zu unterbrechen, aber er war mittlerweile nicht mehr zu Scherzen aufgelegt und seine Miene hatte sich

sichtlich verdüstert. Auf seiner Stirn stand Schweiß, der ab und zu mit dem kühlen Lappen abgewischt

wurde. Brad, der neben dem Deutschen saß, und ihm solidarisch zwischen den Schulterblättern etwas den

Rücken rieb, blinzelte angenervt von hartnäckigen Bazillen und erschöpft von Schlafentzug.

“Wir hätten da noch diese Fieberzäpfchen von Nagi...”, schlug er nach müdem Blick auf Schuldigs

Funkwecker mit väterlicher Stimme vor.
 

“Fick dich Brad”, keuchte Schuldig ganz und gar nicht begeistert, “Eher verrecke ich hier und heute

an Kotzeritis...”
 

“Dann Wadenwickel.”

“Oh... nein... bitte nicht..!”, wimmerte der Deutsche.

“Du hast einundvierzig Fieber. Und Schüttelfrost. Und du würgst jede Fiebertablette

hoch, also Zäpfchen oder Wadenwickel.”

“Gibt´s noch ne dritte Möglichkeit?”, krächzte Schuldig hoffnungsvoll.

“Eine Spritze vom Arzt.”

“Ich nehm die Wadenwickel...”
 

Damit war die Sache geklärt. Schuldig winselte und jammerte und zuckte mit den Beinen weg als Crawford

ihm mit kalten Tüchern zu nahe kam. “Heul hier nicht rum, Beine her.”, kommandierte der Anführer nach

kurzer Zeit recht ungeduldig, und Schuldigs Elend steigerte sich um einen weiteren Punkt. Als Ergebnis

lag er leise vor sich hinwimmernd, mit einundvierzig drei, im Gesicht klebenden orangeroten Haaren und

kochend heißer Stirn in seinem Bett.

Crawford war dazu übergegangen ihm den Kopf zu kühlen, er frischte wortlos, aber sorgfältig und regelmäßig

den Lappen auf und kühlte Schuldigs eigensinnigen Dickschädel parallel zu den Beinen, die weiter südlich

ebenfalls ein wenig Temperaturentzug bekommen hatten. Der Rest des Körpers sollte so optimalerweise

mitziehen.

Schuldig klapperte in regelmäßigem Abstand mit den Zähnen, jammerte dass ihm zu heiß und in der nächsten

Sekunde zu kalt war, und nach einer halben Stunde stand das Thermometer auf vierzig Komma eins.
 

“Willst dus nochmal mit ner Tablette versuchen..?”, fragte Brad übernächtigt, mit Ringen unter den

hinterglasten Augen, unbegeistertem Gesichtsausdruck und am Hinterkopf hochstehenden Haaren.

“Ja...”, krächzte Schuldig mit rotumrandeten Augen blinzelnd und drehte den Kopf im Kissen, “Gib schon her...”
 

Er würgte schon als er nur versuchte das Ding nur zwischen die Lippen zu stecken, allerdings trocken,

und pfefferte die Tablette in Frustration und Verzweiflung mit denkbar schwacher Bewegung zu Boden,

bevor er wieder auf den Rücken zurückfiel und einen langen, gequälten Winsellaut von sich gab.

Er packte sich einen Unterarm über die Augen und sagte nichts mehr.
 

Brad sah ihn Momente lang schweigend an.
 

“Soll ich den Arzt anrufen?”, schloss er logisch.
 

Schuldig biss nur in stummer Abscheu die Zähne zusammen und sagte nichts.
 

“Vielleicht ist dein Magen einfach... keine Ahnung... zu verkrampft.”, meinte der Amerikaner.

Eine sachte Vision meldete sich.
 

Er packte Schuldig den kalten Lappen- da der Augen- Stirn- Bereich belegt war- über die Nase, erhob sich

schwer von dem herangezogenen Schreibtischstuhl, schlurfte in Hausschlappen noch einmal hinüber

ins Badezimmer und kam mit zwei kleinen Fläschchen wieder.
 

Schuldig bekam fünf Tropfen von dem einen auf die Schleimhaut der Unterlippe.

Als Crawford das zweite Fläschchen aufschraubte, rutschte er etwas näher. “Komm mehr zum Bettrand...”,

brummte er.

Er schob auf Magenhöhe die Bettdecke von Schuldigs blankem Bauch, und ließ kleine Tropfen rötlicher,

öliger Flüssigkeit auf die Haut fallen, die hier viel blasser war als am Rücken.
 

“Was ist das..?”, atmete Schuldig sehr leise, “Was machst du..?”
 

“Johanniskrautöl.”, bemerkte Crawford mit dunkler, ruhiger Stimme, schraubte das Fläschchen ordentlich

wieder zu und stellte es zur Seite, bevor er mit der rechten Hand die rötlichen Tropfen in ruhiger Bewegung

verrieb, “Das beruhigt... und entspannt. Bleib liegen.”
 

Schuldig fragte nichts weiter, und Crawfords kräftige Finger strichen in gelassenen, sanften Kreisen das

Öl über seinen Bauch, massierten beruhigend und gleichmäßig den Wirkstoff ein. Der schmerzende, wehe

Bauch wurde sanft und gründlich gekrault, und nach und nach gaben bretthart verkrampfte Muskeln etwas nach.
 

Schon nach kaum einer Minute kam ein tiefes, erleichtertes Ausatmen von dem Deutschen, unter dem

immer noch über das Gesicht gestreckten Arm hervor, unter dem inzwischen auch der Lappen wieder

platziert war.
 

Der drahtige, etwas schmalere, aber nicht weniger männliche Körper des Deutschen entspannte sich langsam,

und mit ihm seine Gemütslage. Sie sprachen nichts miteinander, im Zimmer war es völlig still. Aber das

Kreisen von Crawfords Fingerkuppen und Schuldigs ruhiger werdendes Atmen kamen bald in einen

natürlichen Rhythmus, weich und einschläfernd.
 

Als Schuldig die Sache mit der Tablette zehn Minuten später noch einmal versuchte, hatte er endlich Erfolg.
 

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