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Schlittschuhfahren

von

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Schulausflüge waren eine der schrecklichsten Ereignisse in der Schule, nur Klassenarbeiten und nervige Klassenfahrten mit dauersaufenden Klassenkameraden konnten das überbieten.

Aber ein Ausflug zum Schlittschuhlaufen grenzte schon an Körperverletzung. Erstens musste ich einen freien Nachmittag mit meiner Klasse verbringen, von der ich 80 Prozent total dumm fand, und zweitens war ich in dieser Sportart völlig unbegabt. Was brachte es mir also?

Zu allem Überfluss blieb meine beste Freundin Elena wegen einer Erkältung zuhause, was bedeutete, dass ich diesen Alptraum ganz allein ohne ihre Gesellschaft überstehen sollte. Hilfe! Könnte mich nicht irgendwer bitte davor retten?

„Alina, beeil dich, sonst kommst du nicht rechtzeitig“, rief mein Vater, als ich gerade dabei war, meine Tasche zu packen. Hatte ich jemals behauptet, dort überhaupt mitfahren zu wollen? Nein, also was sollte die Hektik? Ich wollte es schließlich verpassen.

Missmutig stapfte ich die Treppe hinunter, zog meine Schuhe und die Jacke an und fuhr mit dem Fahrrad ganz gemächlich zum Bahnhof. Dort würde uns ein Bus um 8:15 Uhr in die Eishalle nach Was-weiß-ich-Hausen bringen, aus lauter Frust hatte ich mir nicht einmal den Namen dieses dummen Ortes gemerkt. Ich würde es sowieso früh genug mitbekommen.

„Alina, komm das nächste mal pünktlicher“, beklagte sich meine Klassenlehrerin bei mir, nachdem ich gegen 8:20 Uhr mein Fahrrad an einen Pfosten kettet und gemütlich, fast schon provozierend langsam, zu der versammelten Gruppe hinüber schlenderte und meine Lehrerin liebenswürdig anlächelte, als ob es mir nichts ausmachte, bei dieser unzumutbaren Veranstaltung teilzunehmen.

„Tut mir Leid, kommt das nächste Mal nicht mehr vor.“

Das erzählte ich zwar jedes Mal, aber hielt mich natürlich nicht daran. Vielleicht hatte ich einmal Glück und sie fuhren ohne mich ab, konnte ja passieren.

Im Bus stieg der Lärmpegel automatisch auf das Doppelte, weil irgendwelche Idioten auf die umwerfende Idee kamen, lautstark sinnlose Lieder zu grölen. Es klang schrecklich – Höhlenmenschenmusik pur –, wie primitiv wollten die noch werden?

Genervt angelte ich meinen MP3-Player aus meiner Jackentasche, ließ mich von leiser Musik berieseln und versuchte zu schlafen. Eventuell ging so die Zeit bis zur Ankunft schneller vorbei.

Entgegen meiner Hoffnung tat sie das nicht, weil ich bei dem Krach um mich herum nicht einmal in der Lage war zu dösen. Dumm gelaufen. Das nächste Mal würde ich mir extrem gute Ohrenstöpsel mitnehmen – oder ganz viel Klebeband für gewisse Personen, die dann ihr Maul halten mussten.

An der Eishalle angekommen stürmten alle gleichzeitig aus dem Bus – oder versuchten es eher und wunderten sich, weshalb nicht drei Leute auf einmal durch die Ausgänge passten. In der wievielten Klasse waren wir noch mal?

Schlecht gelaunt schlurfte ich hinter den anderen in das Gebäude hinein und fragte mich zum tausendsten Mal heute, welcher Depp auf die Idee mit dem Schlittschuhfahren gekommen war. Immerhin musste ich mich bei demjenigen später bedanken. Mit einer Packung vergifteter Schokolade.

Nachdem uns irgendein unglaublich freundlicher Mensch die mehr oder weniger passenden Schlittschuhe in die Hand gedrückt hatte und wir diese erfolgreich angezogen hatten, trauten sich die ersten meiner Klassenkameraden auf die Eisfläche und es dauerte nicht lange, da lagen zwei schon auf der Nase und fluchten vor sich hin. Selbst dran schuld. Mitleid bekamen sie von mir nicht.

„Willst du nicht auch langsam anfangen?“, fragte mich unerwartet jemand hinter mir und überrascht drehte ich mich um. Es war Katharina, eine meiner Klassenkameraden und ausgerechnet ihr wollte ich heute nicht über den Weg laufen. Nicht weil ich sie nicht mochte, ganz im Gegenteil, sondern weil ich mich nicht vor ihr blamieren wollte, indem ich eine bühnenreife Bruchlandung hinlegte. Dann wäre der Tag echt gelaufen und ich müsste mich bis an mein Lebensende zuhause verstecken.

„Eigentlich nicht“, gab ich zu, „ich kann es nicht mal.“ Und hatte auch nicht unbedingt Lust dazu, das zu ändern.

„Echt?“ Verblüfft schaute sie mich an. „Ich bringe es dir gerne bei, wenn du willst.“

„Nein danke!“, wehrte ich sofort ab, das Eos konnte mir gerne gestohlen bleiben, doch meine Proteste ignorierte sie dezent und zog mich am Arm an die Eisfläche; natürlich glotzten uns nun mindestens ein Viertel meiner Klasse und ein paar unbeteiligte Persönchen ohne Hobbies dumm an, hatten die nichts anderes zu tun? Nämlich auf dem Eis ausrutschen oder so?

Zügig schleifte Katharina mich auf die glatte Oberfläche, hielt mich dabei fest, damit ich nicht schon zu Beginn hinflog, und erklärte mir langsam Punkt für Punkt, was ich zu tun hatte und was ich besser lassen sollte.

Dumm nur, dass ich hiermit kein bisschen einverstanden war und keine Lust hatte, wie die anderen gespielt elegant übers Eis zu flitzen und mit dem nächstbesten zusammenzustoßen. Vor allem müsste ich mindestens zehn Jahre üben, um mich überhaupt richtig fortbewegen zu können.

Irgendwann bekam Katharina einen ihrer Meinung nach wunderbaren Einfall; sie holte ihre Freundin Sophie, jede nahm mich an einem Arm und schlitterte mit mir quer durch die Halle.

Ging es denen noch ganz gut? Wollten die mich umbringen? Wenn ich mir irgendetwas brach, weil die beiden sich überschätzen und mich dann losließen, würde ich sie verklagen, ganz sicher!

„Ich glaub, wir sollten aufhören“, schlug Sophie nach kurzer Zeit vor – wahrscheinlich war ihr mein alles andere als glücklicher Gesichtsausdruck aufgefallen – und netterweise brachten sie mich zurück an den Rand. Sophie verschwand gleich wieder zu ihrer Gruppe anderer Leute aus meiner Klasse, um mit denen weiter ihr Unwesen zu treiben, aber Katharina blieb bei mir und fächelte mir etwas Luft zu. Sah ich so schlimm nach diesem Schock aus? Na toll, also hatte ich mich doch blamiert. War ja klar gewesen. Wunderbar gemacht, Alina, herzlichen Glückwunsch. Hiermit wurde mir wohl der imaginäre Titel Depp des Tages verliehen.

„Bist du jetzt sauer? Tut mir Lied, war wohl eine ziemlich blöde Idee gewesen“, entschuldigte sich Katharina etwas zerknirscht.

Höchstens auf mich war ich sauer, aber nicht auf sie.

„Naja, ich habs ja überlebt.“ Gerade so, viel länger hätte ich das nicht ausgehalten.

Erleichter lächelte Katharina mich an und sofort verschwand das Blamagegefühl und wurde von etwas ersetzt, von dem ich keine Ahnung hatte, wie ich es nennen sollte. Aber es fühlte sich gut an, besser als diese blöde Panik vom Schlittschuhgehampel.

Sie versuchte mich noch eine Zeit lang in das Geheimnis des Eislaufens einzuweihen, aber sah schnell ein, dass ich darauf wirklich keine Lust hatte und zu wenig Talent besaß. Also setzten wir uns auf eine Bank am Rand und redeten über die neusten sinnlosen Sachen, bis unsere Lehrerin endlich entschied, dass wir langsam aber sicher nach Hause gehen würden. Ging doch, Ausflug überstanden.

Auf der Heimfahrt musste ich auch nicht allein sitzen, weil Katharina sich neben mich hockte. So ließ sich auch das Affentheater um uns herum ertragen; wir teilten uns meinen MP3-Player und irgendwann schlief ich ein, das äußerst intelligente Schlittschuhfahren hatte mich richtig müde gemacht. Mein Kopf lag auf Katharinas Schulter, in meinem Ohr dudelte mein Lieblingslied und ich beschloss spontan, dass der Tag doch nicht ganz so unterirdisch war, wie ich vermutet hatte.

Vielleicht würde ich Katharina fragen, ob sie später noch etwas Zeit hatte, um sich mit mir zu treffen, dann wäre alles im grünen Bereich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  _Chikane-chan_
2013-09-30T10:47:16+00:00 30.09.2013 12:47
Ich stimme Saki zu :D
für gewöhnlich ist es immer so.. man sieht sich - verliert sich - liebt sich aus ganzem herzen :D

Hier ist es mal ein süßer Beginn einer, vl langen Freundschaft und darauf wachsenden Beziehung :)

Es ist super beschrieben, wie sich das Gefühl von Abneigung in etwas gutes verwandelt, was dann auch nicht auf einmal Liebe ist..richtig gut :)

Leicht und eine schöne Story für zwischendurch :))
Von:  Saki-hime
2012-02-18T20:18:16+00:00 18.02.2012 21:18
sehr niedlich und zurückhaltend! =D
mal was anders als diese ständigen Storys von dem einen besonderen Moment und der plötzlich alles wegschwemmenden Liebe...
sondern einfach fluffig schön~
und sehr schön geschrieben! <3

lG Saki


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