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Augenblick

Zusammenfassung für ~Spaß am Schreiben~
von

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[Eigene Serie] Mein Spiegelbild

Als ich mich für die Aktion Spiegel angemeldet habe, wusste ich sofort, was ich schreiben wollte. Ich hoffe es gefällt euch.
 


 

Nichts bewahrt uns so gründlich vor Illusionen wie ein Blick in den Spiegel.
 

Die Augen hat sie von ihrer Mutter.

Wie oft habe ich das schon gehört? Ich weiß es gar nicht mehr, aber sicher sehr oft. Die Menschen suchen einfach Gemeinsamkeiten zwischen Eltern und Kindern.

Ich starre in den Spiegel, große blaue Augen starren zurück.

Wir haben beide blaue Augen, meine Mama und ich. Die von meinen Papa sind braun, genau wie von meinen beiden kleinen Geschwistern.

Wenn die Leute blaue Augen sehen, sehen sie blaue Augen. Für die meisten sind alle blauen Augen gleich.

Ich finde nicht, dass sich unsere Augen so ähnlich sind.

Die Augen meiner Mama sind von einem gleichmäßigen hellblau, wobei meine um die Iris dunkel werden. Aber so genau achten die Leute nicht darauf.

Blaue Augen sind blaue Augen.

Basta.
 

Ich habe Sommersprossen, meine Eltern nicht.

Das irritiert die Leute.

Als ich klein war, habe ich mich mal vor den Spiegel gestellt und sie gezählt, aber damals konnte ich nicht so weit zählen wie ich Sommersprossen haben. Heute könnte ich es, aber die genaue Zahl interessiert mich nicht mehr, es sind viele: Im Sommer mehr, im Winter fast keine.
 

Aber die Haarfarbe ist haargenau wie bei ihrem Vater.

Es rennen eine Milliarde Menschen mit kastanienbrauen Haaren herum, da ist es nicht verwunderlich, dass zwei Menschen sich mit genau der gleichen Haarfarbe kennen und in einem Haus leben, aber die Leute machen eben so ein Aufheben davon.
 

Ich mag meine Haare, so ist es nicht, aber manchmal beneide ich meine Schwester um ihrer dunkelblonden Locken, die sie aussehen lassen, wie ein kleiner Engel. Wenn sie dann noch einen mit ihrer großen brauen Augen anschaut, erweicht fast allen Erwachsenen das Herz.
 

Meine Mama nennt das Weltuntergangs-Blick.

Ich habe diesen Blick oft vor den Spiegel versucht nachzumachen, aber bei mir klappt er nicht mal halb so gut und er bringt schon gar nicht Erwachsenenherzen zu schmelzen.

Irgendwann habe ich es aufgegeben und versuche es nun anders.

Wenn ich meine Nase kraus ziehe, tut mein Spiegelbild das auch. Wenn ich das früher getan habe, hat Mama immer gesagt, dass würde Falten geben, so wie bei Papa. Das hat mich meistens davon abgehalten, es weiter zu tun.

Wer will denn schon mit zwanzig Falten haben?
 

In Biologie haben wir letztens gelernt, dass nicht alle Lebewesen ihr Spiegelbild erkennen. Das muss sicher seltsam sein, wenn einer genau vor einem dasselbe tut, wie man selbst.

Wenn ich mein Spiegelbild anlächele, lächelt es zurück.

Wenn ich meinen Spiegelbild die Zunge rausstreckte, tut es das auch.

Wenn ich meinem Spiegelbild drohte, streckt es mir ebenfalls die Faust in entgegen.

Im Biologiefilm haben die Affen je nach Art vollkommen verschieden reagiert. Mache haben verstanden, dass es ihr Spiegelbild ist, andere nicht. Die sind dann fast verrückt geworden. Menschen gehören zu den Affen, die sich erkennen, also im Spiegel und die wissen, dass sie es selbst sind, eben nur spiegelverkehrt.
 

Und darum weiß ich, dass die Augen von meiner Mama und mir nicht vollkommen gleich sind.

Und darum weiß ich, dass mein Papa und ich zwar die gleiche Haarfarbe haben, sie aber vollkommen anders fallen und das liegt nicht nur am Schnitt.

Und darum weiß ich auch, dass meine Schwester und ich zwar ähnliche Nasen haben, aber eben nur ähnlich.
 

Sonst könnte ich all diesen Leuten glauben, die mir sagen, wie optisch ähnlich meine Geschwister und ich uns währen und dass ich eine perfekte Mischung aus meinen Eltern bin.

Aber diese Leute sehen nicht das was ist, sondern das was sie sehen möchten.

Ich weiß nicht, ob ich die perfekte Mischung meiner Eltern bin und sie wissen es auch nicht, denn dafür müsste ich sie kennen.

Aber die Leute wissen nicht, dass es nicht meine Eltern sind, und dennoch können sie Recht haben.

Vielleicht habe ich die Augen meiner Mutter, aber ich weiß es nicht.

Vielleicht haben mein Vater und ich die gleiche Haarfarbe, aber ich weiß es nicht.

Vielleicht habe ich eine Schwester und unsere Nasen sind gleich, aber das weiß ich alles nicht.

Keiner weiß es, lassen wir die Leute in ihrem Glauben.

Sie wissen es ja nicht besser.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-05-27T18:08:52+00:00 27.05.2010 20:08
Dieser Oneshot hat mir sehr gefallen. ^^ Es ist schön, hier mal etwas Tiefgründiges lesen zu können statt oberflächlichem Fandenken. Ich selbst sehe kein bisschen aus wie meine Mutter, die Leute meinen, ich wär das Ebenbild meines Vaters. Dafür ist meine Mutter felsenfest überzeugt, dass unsere Hände sich ähnlich sind. Klar, beide haben fünf Finger pro Hand, halleluja.^^ Ich will gar nicht wissen, wie viel Leute in Kindern sehen, die ihren Eltern irgendwie ähnlicher sind.

Am besten find ich, dass das Ende mehr oder weniger offen war; du hast nicht direkt gesagt, dass sie adoptiert ist (was ich jetzt mal annehme). Ein toller, toller Oneshot! ^^
Von:  Acrobalena-
2010-04-10T07:21:51+00:00 10.04.2010 09:21
wir wollen doch alle nur das sehen was wir möchten...
ein süßer OS. mir gefällt wie du ihn geschrieben hast. ist das mädchen denn adoptiert, oder warum schreibt sie

Aber die Leute wissen nicht, dass es nicht meine Eltern sind, und dennoch können sie Recht haben. ?

achjaa, und den weltuntergangsblick^^ das fand ich lustig, allerdings ist mir entgangen das ich blonde locken habe ;)
hdl
Von: abgemeldet
2010-03-02T10:37:57+00:00 02.03.2010 11:37
Triffts auf den Punkt!
Die Menschen können ihre Spiegelbilder zwar erkennen, aber sehen nur das was sie sehen wollen (sowohl an sich selbst, als auch bei anderen).
Man fragt sich manchmal ob, wir damit wirklich besser dran sind, als die Affen, die ihr Spiegelbild nicht erkennen...

hab jetzt schon 3 der Spiegelaktionsgeschichten gelesen, und bin fasziniert, welche tiefgreifenden Gedanken dabei hochkommen können.



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