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Der Sturm

von

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Gleich, ja gleich würde er los brechen. Nicht mehr lange, dann wäre er völlig entfesselt. Der Sturm. Wasser läuft zusammen... läuft hinab, tropft, sammelt sich in Rinnsalen. Wind kommt auf. Eine frische Brise, die nach Stärke suchend um die lächerlich wirkenden Gegenstände weht. Wind und Wasser spielten miteinander, kämpfen, stritten, verbrüderten sich, stärkten einander, schwächten sich.
 

Ja, jetzt beginnt er.
 

Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. Heiß war ihm, und kalt zugleich. Er zitterte am ganzen Körper.
 

Einen Schritt nach vorne. Der Sturm schwoll an. Ein Blick, das Erkennen der Dinge um ihn herum. Er stand in seinem Zimmer. Recht groß. Gut eingerichtet. Poster an den Wänden, Bilder von Freunden und seiner Freundin. Seine Lieblingsfilme, die er mit ihr immer gesehen hatte. Bücher über Bücher, Geschenke seiner Eltern. Der Schreibtisch wurde von seinem Vater gebaut. Das Bett, auf dem er so viele Jahre geschlafen hatte.
 

Wind und Wasser begannen, sich zu einem rachsüchtigen Etwas zu mischen. Der Sturm wuchs und wuchs, seine Kräfte erreichten unvorstellbare Ausmaße.
 

Er besah eine der Wände. Die Fenster. Eingeworfen. Glasscherben überall. Ein frischer Wind zieht durch das Zimmer, trocknet seinen Schweiß. Warum schwitzte er? Angst? Hitze? Er wischte sich die Schläfe entlang. Noch immer zitterte er, versuchte alles einzuordnen.
 

Wind und Wasser ruhten. Sie warteten, sie lauerten.
 

Er ging noch einen Schritt nach vorne. Zu seiner Linken stand ein Bilderrahmen auf dem Bett. Seine Mutter hatte ihm diesen heute gekauft. Darin ein Foto. Von ihr.
 

In Sekunden brach der Sturm los. Wind und Wasser, nun frei von allen Barrieren, völlig fessellos, vermischten sich, zerstörten sich, erschufen einander neu, und zum Vorschein kam ein entsetzlicher Feuersturm. Die Glut brannte alles nieder, verzehrte, zermalmte, fraß und durchbohrte, zermarterte und zermürbte. Der Sturm war entfesselt. Seine Macht nun grenzenlos.
 

In seiner rechten Hand spürte er plötzlich etwas Hartes. Er schloss die Hand darum, in der Befürchtung, es fallen lassen zu können. Splitter bohrten sich in seine Hand. Kein Schmerz.
 

Er hob das hölzerne Etwas, besah es sich genau, doch ohne es zu erkennen. Er wusste nicht, was es war, er wusste nur, wozu er es gebrauchen könnte.
 

Der Sturm suchte nach einem Ziel, suchte etwas, das er versengen könnte, das seiner Glut zum Opfer fallen könnte.
 

Er holte mit dem fremdartigen Gegenstand Schwung. Kraftvoll schlug der Knüppel auf den Bilderrahmen ein, zertrümmerte das Bett, bohrte sich durch den Lattenrost und barst entzwei. In den Trümmern seines Bettes fand er etwas, das sich besser eignete. Eine weggebrochene Eisenstange.
 

Der Sturm wuchs noch weiter, brannte alles nieder, wuchs wieder ein Stück. Jetzt schien ihm, als wäre er von Zielen und Opfern umzingelt.
 

Wild schlug er um sich. Der Nachttisch barst, obwohl aus solidem Metall, unter einem Schlag. Spiegel gingen zu Bruch, wieder fielen ein paar zerschmetterte Bilderrahmen zu Boden. Glasscherben des Fernsehers fielen zu Boden, der Schrank brach unter dem Druck zusammen, die Stühle, der Schreibtisch, die Poster.
 

Zum Glück würden seine Eltern das nicht sehen. Sie waren mal wieder auf Geschäftsreise. Diesmal sogar für fünf Wochen. Aber was kümmerten ihn jetzt noch seine Eltern?
 

Dann sah er sie. Eine alte Lampe. Sie lief noch mit Flüssigbrennstoff. Nicht dieser moderne Schnickschnack. Ein zerrissenes, zerknittertes Bild lag vor ihm auf dem Boden. Sie hatte ihm diese Lampe geschenkt.
 

„Und wenn die Dunkelheit jemals nach dir greifen sollte, dann sei dir sicher, das ich da sein werde, um dich zu beschützen! Die Lampe soll dich daran erinnern! Für immer...“ hallte ihm nach.
 

Er versuchte, diese Worte aus seinem Kopf zu vertreiben, doch sie wollten einfach nicht weichen. Ein letztes Mal holte er voller Schwung aus. Das Glas der Lampe barst, das Metallgestell wurde verbogen und die Reste der einst so kunstvollen Lampe schmetterten gegen die Wand. Der Brennstoff lief aus.
 

„Wieso lässt du mich im Stich? Jetzt, wo ich dich so sehr brauche!“
 

Diese SMS las sie gerade. Sie erkannte sofort, das es untypisch für ihn war. 160 freie Zeichen, und nur 65 verbraucht. Keine dieser dämlichen Smileys, keine Höflichkeitsfloskeln, nichts. Sie ahnte böses.
 

Doch ihre Antwort kam niemals an. Sein Handy war es, das die Fensterscheibe zerbrochen hatte. Die erste von vielen weiteren Scheiben, die zu Bruch gingen. Und mit diesem Ende mochte sein Handy noch froh sein.
 

Ein paar Stunden später barg die Feuerwehr eine Leiche aus den Trümmern eines völlig niedergebrannten Einfamilienhauses. Die Person war männlich, zwischen 16 und 20 Jahre, und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Wie sich später herausstellte, starb er jedoch an einer Rauchvergiftung. Das Feuer brach im Erdgeschoss aus, ihn jedoch, einziger Anwesender während des Feuers, fand man im Dachboden. Als man diesen näher begutachtete, fand man zahlreiche Überreste von Fotos, die vor dem Brand scheinbar eine Bildergalerie über alle vier Wände gebildet hatten. Auf allen Bildern war das Gleiche zu sehen. Zwei glückliche Menschen.
 

Der Sturm wütete und wütete, brannte tiefer als je ein Mensch es erlebt hatte, und mit einem einzigen Schlag... verlosch er. Das Feuer wich zurück, gab Wind und Wasser wieder frei, und alles kehrte zurück in einen Zustand völlig Ruhe. Der Sturm war vorbei, und hatte ein heilloses Chaos angerichtet, Menschenleben gefordert und riesige Sachschäden angerichtet.
 

Und, wie ist das Wetter bei DIR heute so?



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