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Turn around...

von

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Turn around

Das Geräusch der Tür, die ins Schloss fiel, gab mir den Rest. Alleine. Ich war nun endgültig alleine. Fast war es so als hätte er die ganze Wärme, die bis eben noch in diesem Zimmer gewesen war, mit sich genommen, sie mit rausgeschleppt und mir die Kälte zurückgelassen, damit ich auch deutlich genug spürte, dass es sinnlos war. Es war sinnlos ihm hinterherlaufen zu wollen, ihn zu bitten, nicht zu gehen, bei mir zu bleiben. Es war sinnlos auch nur einen einzigen Schritt ohne ihn zu gehen.

Ich hatte mir geschworen in solchen Momenten stark zu sein, ich hatte mir selbst verboten, zu weinen... und nun stand ich hier, starrte auf die geschlossene Tür und kämpfte mit den Tränen. Ich wollte sie zurückhalten, wollte nicht zulassen, dass sie meine Schwäche zeigten – auch, wenn niemand anders mehr im Raum war. Es war lächerlich, dass es mich so traf. Ich hatte immer gewusst, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Natürlich hatte ich mir gewünscht, es hätte noch Jahre gedauert, aber es war die Hoffnung eines Mannes gewesen, der vor Liebe blind war. Ich hatte das alles durch die rosarote Brille gesehen, hatte alles schön geredet und nun stand ich hier wie der letzte Vollidiot und wusste nicht, was ich tun sollte – ohne ihn.
 

Langsam löste ich mich aus meiner Starre, wischte fahrig über meine Augen. Ich trat ans Fenster und mein Atem beschlug die Scheibe. Dieser Abend hätte so schön sein können. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihm heute etwas Gutes zu tun, da er die letzten Tage so viel Stress gehabt hatte und wir kaum Zeit für uns gehabt hatten. Ich hätte alles getan, um ihn abzulenken, vergessen zu lassen – nur für ein paar Stunden. Stattdessen hatte er mich zum Vergessen gebracht. All die schönen Momente, die ich mir immer wieder gerne in Erinnerung gerufen hatte … sie waren mit einem Mal verschwunden - als hätte es sie nie gegeben. Mit nur einem einzigen Satz hatte er jeden auch nur positiv-angehauchten Gedanken aus meinem Kopf gelöscht und eine unglaubliche Leere hinterlassen – eine Leere, die nun mit dem Gefühl des Schmerzes, des Verlustes gefüllt wurde und drohte überzulaufen. Viel eher aber kam mir diese Lücke, die er hinterlassen hatte, vor wie ein Fass ohne Boden. Ein schwarzes Loch. Es waren seltsame Bilder, die ich gerade vor mir sah und allesamt waren sie in Dunkelheit gehüllt.
 

Nur für Sekunden waren meine Gedanken wieder in der Gegenwart, als ich ihn dort draußen stehen sah – mit dem Rücken zu mir gewandt. Durch den hellen, glitzernden Schnee und die ausreichend beleuchtete Straße konnte ich seine Gestalt recht gut erkennen. In seinem schwarzen Mantel fiel er in dieser hellen Kulisse nur zu deutlich auf. Aber wieso stand er noch da? Wieso ging er nicht die Straße entlang? Wieso tat er sich diese Kälte an?

Für einen Moment lang glaubte ich, dass er verschwinden wollte. Verschwinden unter der weißen Schneedecke. Bliebe er noch eine Weile stehen, würde sich sicher eine dünne Schneeschicht auf seinem Körper bilden – und vermutlich würde er sich damit den Tod holen. Aber es war lächerlich zu denken, dass er gerade gerne unsichtbar wäre. Dabei hatte dieser Gedanke wirklich etwas verlockendes. So würde ich ihn nie wieder sehen müssen. Aber auch damit würde ich nicht glücklich werden, das wusste ich. Ich würde nie ohne ihn glücklich sein. Und mit ihm..? Wer wusste das schon? Ich wusste nur, dass ich glücklich gewesen war. Immer dann, wenn wir Zeit gemeinsam verbracht hatten, hatte ich mich so.. leicht, so frei gefühlt. Ich hätte nie gedacht, dass da Gefühle im Spiel waren, die weit über Freundschaft hinausgingen. Ich hatte ihn immer nur als guten Freund gesehen. Sehr guten Freund sogar. Ein Freund, der Tag und Nacht für mich dagewesen war, wenn es mir schlecht ging. Ein Freund, der mich immer zum Lachen hatte bringen können. Aber es hatte mir ja wieder einmal nicht gereicht. Obwohl ich glücklich gewesen war, hatte ich mich nach mehr gesehnt und hatte einen Fehler gemacht. Einen Fehler, den ich womöglich nie wieder gutmachen konnte.
 

Es war ein Kuss gewesen. Ein einziger – zugegeben langer und zärtlicher – Kuss, den er sogar erwidert hatte. Seine Lippen hatten so wundervoll auf die Meinen gepasst, sie hatten so gut geschmeckt, sich so schön angefühlt... und es war falsch gewesen. Hätte ich gewusst, dass mein Gerede über aufrichtige Gefühle so etwas wie eine Kettenreaktion auslöste, hätte ich ihn an diesem Abend lieber angeschwiegen und einfach nur an ihn gelehnt dagesessen. Ich hätte die Augen geschlossen und die Tatsache genossen, dass er einfach nur da war. Zu Anfang hatte ich das sogar getan – bis er mich gefragt hatte, ob ich nicht so etwas wie eine Familie vermissen würde, einen Partner. Schon da wäre mir beinahe rausgerutscht, dass ich nichts und niemanden brauchte, solange er nur bei mir war, doch ich hatte mich natürlich beherrschen können. Ich hatte lange geschwiegen, sehr lange, das wusste ich noch genau...
 

„Weißt du, Ga-chan... ich denke, du weißt genauso gut wie ich, dass sich jeder einmal schrecklich einsam fühlt. Und ich glaube, du weißt ebenso, dass dieses Gefühl irgendwann verfliegt – oder man es zumindest verdrängen kann. Genau genommen sind wir nie alleine. Wir haben unsere Freunde. Und auch, wenn Freunde einem vieles nicht geben können, können sie dich zumindest halten, auffangen. Man kann sie lieben. Platonisch, versteht sich. Man kann widergeliebt werden. Schon alleine deswegen sollte man nicht meinen, dass man etwas vermisst. Aber es stimmt wohl, dass man gewisse Dinge nur von einem Partner bekommt. Die Sicherheit, zu jemandem zu gehören. Das Gefühl, der wichtigste Mensch für den anderen zu sein. Als Freund bist du einer von vielen, als Partner bist du... der Eine. Ja … Ja, es fehlt mir. Ich bin nicht unglücklich, ich bin zufrieden mit meinem Leben. Aber der Wunsch, die Nummer eins für jemanden zu sein, unersetzlich, einzigartig, einfach... na ja.. perfekt... der ist schon da.“
 

Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, hatte ich mich dumm gefühlt. Ich hatte dem Mann, an dem ich wohl deutlich interessiert war, gerade gestanden, dass ich mich nach Liebe sehnte. Und Gackt kannte mich. Noch jetzt konnte ich mich an das Gefühl erinnern, das ich verspürt hatte, als ich in seine Augen sah und er mir durch das Haar strich. Mir war warm gewesen. Angenehm warm – und eine leichte Gänsehaut war von meinem Rücken bis in meinen Nacken gekrabbelt, ganz langsam. Dann hatte er gelächelt, kurz an meinen Haaren gezogen und mich an seine Brust gedrückt. In diesem Moment hatte ich ihn nie wieder loslassen wollen. Es hatte sich angefühlt als hätte er meine indirekte – okay, sie war sehr indirekt gewesen – Liebeserklärung verstanden und empfand genauso für mich. Deswegen traute ich mich auch erst gar nicht, mich nach seinem Empfinden zu erkunden. Viel zu viel Angst hatte davor, dass er mir sagte, dass er anders fühlte, dass er vielleicht sogar jemand anderen viel lieber mochte. Doch ich hatte mir verboten, mir noch mehr Hoffnungen zu machen, mir eine Traumwelt zusammen zu basteln und zu glauben, dass alles gut werden würde, wenn ich nur selbst ausreichend davon überzeugt war. Und deswegen hatte ich ihn schließlich doch gefragt, hatte wissen wollen, ob er sich nach einem Partner sehnte, ob er Liebe brauchte, sie vermisste... und die darauf folgende Antwort hatte sich schmerzlich in mir eingebrannt. In mein Gedächtnis, in mein Herz, in meine Seele.
 

„Vielleicht. Ich habe keine Ahnung von der Liebe. Ich weiß nicht, ob ich jemals aufrichtig geliebt habe, ich weiß nicht, ob ich es je könnte. Mag sein, dass ich jemanden mögen kann, sehr sogar... aber ob ich eine Stufe höher komme? Ob ich irgendwann auf der Ebene bin, um jemandem sagen zu können, dass ich ihn liebe und es nicht als irgendein Freund zu meinen, sondern als.. nun.. Liebhaber? Das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Ich wünschte, ich könnte es. Ich wünschte, ich könnte einem bestimmten Menschen mein Herz schenken und darauf vertrauen, dass er darauf aufpasst. Aber vermutlich habe ich einfach viel zu viel Angst vor der Liebe. Ich kann dir nicht mehr sagen, von wem ich das mal gehört habe, aber irgendjemand sagte mir mal, wenn Liebe heißt, verletzbar zu sein.. würde er für den anderen sterben. Damals habe ich den Kopf geschüttelt und gedacht, dass das absoluter Schwachsinn ist. Mittlerweile gibt es einige wenige Leute, für die ich mein Leben geben würde. Und das nicht, weil mir so wenig an meinem Leben liegt. Viel eher, weil ich dann ein einziges Mal im Leben das Gefühl haben könnte, dass ich etwas getan habe, weil ich einen Menschen liebe. Totaler Unsinn eigentlich, aber ich finde Gefühle ohnehin total verwirrend und bin ehrlich gesagt ziemlich froh, wenn ich mich nicht mit ihnen herumschlagen muss. Aber wer weiß, wie lange ich das noch sage? Vielleicht treffe ich ihn irgendwann? Den Menschen? Aber bis dahin bist du meine Nummer eins, Hideto Takarai. Bis dahin kannst du dir sicher sein, dass ich immer an deiner Seite bin, wenn du mich brauchst. Und bis dahin kannst du dich darauf verlassen, dass niemand so viel Liebe von mir bekommt wie du.“
 

Ich war damals hin- und hergerissen. Der eine Teil von mir, hätte ihn am liebsten geschlagen, weil er mir so direkt sagte, dass er nicht das für mich empfand, was ich so sehr wollte. Aber der andere Teil von mir... war geführt. Ich war seine Nummer eins. Ich bekam seine ganze Liebe – wie auch immer er diese Liebe nun definieren wollte. Dafür hätte ich mich gerne tausendmal bei ihm bedankt, doch ich hatte keinen einzigen Satz zusammenbekommen. Stattdessen hatte ich ihn nur mit Tränen der Rührung in den Augen angesehen. Wie es dann passiert war, dass wir uns geküsst hatten … das wüsste ich selbst gerne.
 

Wieder wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als er sich langsam in Bewegung setzte. Es schneite wieder richtig, dicke Flocken fielen und als er wie in Zeitlupe einen Fuß vor den anderen setzte, spürte ich wieder diese eisige Kälte, obwohl ich direkt vor der Heizung stand. Mein Herz schlug heftig gegen meinen Brustkorb und setzte gleichzeitig doch für einige Schläge aus. Es war ein unangenehmes Krampfen in der Magengegend, dann diese Übelkeit... Und zu allem Überfluss spürte ich schon, wie meine Beine drohten nachzugeben, weswegen ich mich auf der Fensterbank abstützen musste.
 

„Es ist besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen, Haido...“
 

Es war, als stünde er hinter mir und wisperte mir diese Worte wieder ins Ohr, während ich ihn ihm gleichzeitig davongehen sah – so, als würde ich mir mit ihm zusammen einen Film ansehen, in dem er die Hauptrolle spielte und nun einen dramatischen Abgang machte.
 

„Ich weiß nicht, was du fühlst, aber ich möchte dich auf keinen Fall verletzen.“
 

Meine Hände krallten sich an dem Holz der Fensterbank fest und ich biss mir auf die Unterlippe, um mich zu beruhigen.
 

„Ich will dein Freund sein, aber dafür müssen wir mit uns selbst im Reinen sein, Haido.“
 

Ich wollte diese Worte nicht hören.
 

„Es tut mir Leid.“
 

Immer und immer wieder wiederholten sich die Worte, die er mir soeben ins Gesicht gesagt hatte, bevor er gegangen war. Immer wieder hörte ich seine Stimme, als säße er in meinem Kopf und wollte mich quälen.
 

„Du wirst immer der Mensch sein, den ich liebe, das weißt du. Aber ich will dir nicht das antun, was ich all den anderen angetan habe. Ich muss das unterbinden, bevor es richtig anfängt.“
 

Ich schluckte schwer.
 

„Du darfst mich nicht lieben, hörst du? Niemals. Ich kann dir nichts von dem geben, was du willst, was du verdienst.“
 

Zu spät, du Idiot...
 

„Entschuldige, wenn ich dir irgendwie Hoffnungen gemacht habe. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Ich weiß, dass wir uns irgendwann wiedersehen und es dann wie damals sein wird.“
 

Es würde nie mehr wie damals sein. Nie wieder..
 

„Verzeih mir...“
 

Meinen Lippen entkam ein leises Schluchzen. Er trat gerade in das Licht der letzten Laterne, die ich von hier aus sehen konnte. Ich wusste, dass er nicht wiederkommen würde. Dass ich es sein müsste, der auf ihn zukam, der ihm sagte, dass alles in Ordnung war, dass wir einfach nur Freunde sein konnten und meine Gefühle niemals mehr im Weg stehen würden. Aber ich wusste genauso, dass das niemals passieren würde. Ich würde nie diese Gefühle für ihn auslöschen können. Verdrängen, aber nicht vergessen. Ich würde ihm nie wieder so sorglos entgegentreten können – selbst wenn mir zwischenzeitlich ein anderer Mensch begegnen würde, den ich lieben konnte. Gackt würde immer einen Platz in meinem Herzen haben – einen viel zu großen. Ich würde diese Freundschaft nie.. fortsetzen können, ohne etwas zwischen uns zu verändern, zu zerstören.
 

Ich legte hoffnungsvoll die linke Hand an die Fensterscheibe, als er stehen blieb. Er sollte zurückkommen. Er sollte mir die Chance zu lassen, mich selbst entscheiden zu lassen, ob ich dieses Risiko des Verletztwerdens eingehen wollte. Er sollte mir die Verantwortung überlassen. Er sollte... mich festhalten. Er liebte mich doch! Wieso ließ er mich jetzt alleine? Wieso gab er uns keine Chance? Wieso versuchte er nicht, mich so zu lieben? Ich wollte nicht von ihm verlassen werden, um ihn anschließend selbst verlassen zu müssen. Ich wollte nicht, dass er mich diesen Schlussstrich ziehen ließ, obwohl er es gewesen war, der das Ganze beendet hatte, bevor es nur angefangen hatte. Ich wollte ihn lieben...
 

„Dreh dich um“, wisperte ich und schlug mit der flachen Hand gegen die Scheibe. „Bitte dreh dich um!“ Noch einmal schlug ich gegen das kalte Glas. Ich war kurz davor, das Fenster zu öffnen, um ihm sämtliche Beleidigungen hinterher zu schreien, die mir gerade einfielen, aber ich wusste, dass er mich nicht hören würde. Und mir war klar, dass es besser so war. „Komm zurück...“
 

Die Dunkelheit verschluckte ihn und ich spürte die heißen Tränen auf meinen Wangen. Er war weg. Er hatte mich wirklich im Stich gelassen, mich einsam zurückgelassen – in der Hoffnung, es ginge mir ohne ihn besser.
 

„Du verdammtes Arschloch....“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  KornBlume-chan
2013-03-18T18:05:28+00:00 18.03.2013 19:05
Oh am Schluss!
Armer Haido. Ich hab richtig Mitleid mit ihm.
Echt toll geschrieben die Geschichte so richtig herzzerreisend.
Von:  Kimiko02
2009-12-20T23:11:39+00:00 21.12.2009 00:11
Ahh, wie gemein, das kann doch nicht das Ende sein >__<
Nichts ist besser so .__.
Das schreit geradezu nach einem Sequel!
Aber ich fürchte betteln hilft nichts, oder?

Also auch wenn mir das Ende hier nicht gefallen hat, so gefällt mir aber dein Schreibstil und es würde mich freuen, mal wieder was in Richtung Gakuhai von dir zu lesen ^^
Möglichst mit Happy End dann *g*


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