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Der Karikaturist

der Tragödie erster Teil
von

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Prolog: der Kobold

Wieder dieser elende Entscheidungszwang: nimmt er den Premium oder den Medium Roast Kaffee? gibt es da einen Unterschied? das ist doch vollkommen trivial. Der Gedanken dauerte lang genug, dass sich die Worte in Farben, die Farben in Formen umwandeln konnten: der Zwang der Entscheidung: Majestetisch der knackig dunkelbraune Premiumroast zur Rechten, der glatt flippig gelbe Mediumroast zur Linken. "Entschuldigung, was hatten sie gesagt? Premium?". Was draengelnt dieser Bedienungsroboter so? Es ist ja nicht so, dass die Leute in diesem kleinen Coffee shop Schlange stehen, er scheint einfach Kunden generell nicht leiden zu koennen. Premium oder Medium. Wird er aus rein rebellischer Haltung den Medium nehmen oder siegt die Eitelkeit? "Premium ist OK." Schliesslich ist Sonntag, da kann man sich doch auch mal Etwas leisten. Auch wenn preislich kein Unterschied vorhanden ist. Der Roboter zapft den Kaffee. Langsam trudelt eine weitere Kundin in den kleinen ovalen Raum, ebenso gemaechlich wie korpulent. Sie bringt den Herbst mit von draussen herein: das blasse Birnengesicht, die Kastanienaugen und die sproede Rinde ihrer Wangen. Bevor die Tuer schliesst, pfeift sie noch schnell - so schnell wie moeglich - eine Nebelwolke aus ihrem Mund hinaus in die Natur. Rauchen scheint ihr Abnehmprogramm zu sein. "Hier, ihr Kaffee." Die Worte der Erloesung bringen wieder Bewegung in den Raum - wieder ein Grund die Tuer aufzumachen und den Sonntag zu geniessen. Ein kurzes, unehrliches "Danke" und schon sitzt der Kaffeeunkenner vor dem Laden und geniesst den spaetsommerlichen Sonntag mit koeniglichem Premiumroast.

Earl. warum nennst du mich Earl? das ist nicht mein Name. Er starrt in die dumpf farbenfrohe Welt hinein, laesst das Bild auf sich wirken, laesst Musik auf sich wirken.Zum Spaetsommer haette der gelbe Mediumroast wohl besser gepasst. Menschen laufen die Promenade entlang und die ganze Szene verschwimmt zu einem schoenen abstrakten Kunstwerk, dass man trotzdem nicht an die Wand haengen wuerde. Wer hat auch ein Zimmer, in das ein Spaetsommerbild passte? Ein Maler wuerde es verkaufen, zu eitel, um es zu behalten. Aus dem Augenwinkel sieht er etwas kleines, dunkel gekleidetes wenige Meter neben ihm stehen und ihn anstarren. Die erste Musterung ist durchbohrend. Da steht dieser kleine mensch, kein Kind, niemand kleinwuechsiges, aber ein kleiner Mensch. Es steht da und starrt mit einer Fratze. Das Durchbohren ist kein normales,keine typisch taube Blockade, die einfach unangenehm in der Wahrnehmung sitzt. Jenes Wesen durchbohrt viel gezielter. Seine Augen sind gross und verzerrt, alle Linien seines Gesichtes treffen sich penibel zwischen den Augen, die sich beinahe beruehren. Ohren stehen senkrecht vom Kopf ab, scheinen zu wachsen. Es fuehlt sich an, als stuende eine Metallleiste durch beide Koerper, keiner kann sich bewegen.Pattsituation. Was mag dieser Kobold wollen? Er scheint nicht gern angeguckt zu werden und trotzdem provoziert es dieses. Denk nicht, dass ich dem nicht standhalten kann. Es stampft auf. Im selben Moment hoert Earls Fuss auf, im Beat seiner Musik mitzuklopfen - keine bewusste Bewegung. Der Kobold wird immer haesslicher, immer verzerrter, kaum noch ertragbar. Ich kenne euch Kobolde, ihr verschwindet wenn man euch aus den Augen laesst. Wer haette gedacht, dass es vorkommt, dass man seinen Kobold loswerden will? Wer haette gedacht, dass man einem begegnet? Seinen Kaffeebecher drehend, wendet er seinen Kopf so offensichtlich wie moeglich weg von dieser Gestalt,weg von der Bewegung, weg von dem Bild. Mit Kobolden ist nicht zu spassen. Wie immer ist er zu neugierig. Er kann es nicht lassen, zu gucken, wo das Wesen hin ist. Als seine Augen den kleinen Menschen wieder erfassen, kommt jener zurueckgerannt.Ebenso kehrt die Fratze zurueck, welche doch erst eine Ewigkeit zuvor entastanden war. Es stampft. Es starrt wieder. Man sollte es in Ruhe lassen. Eine hochgezogene Augenbraue und Handbewegungen, die unwissenheit zeigen, haben schon immer geholfen. Es lacht. Es lacht so blutrot schallend, dass zu dem sonst so giftgruenen Kobold nicht passte, ein letzter Stampfer - keine Wirkung. Es rannte endgueltig davon. Wer weiss, ein anderer Kaffee haette die Situation vielleicht anders ausgehen lassen koennen, dann haette das Bild doch in die Kueche gepasst. Der Kaffee schmeckt eh nicht besonders. Weil du es bist: das naechste Mal nehme ich den Mediumroast

Ungluecklich, dass dieses merkwuerdige Bauchgefuehl in seinem Hinterkopf ihn dazu gebracht hat, grundlos einen Mythologiekurs an der Universitaet zu belegen, trinkt er seinen verherbstet braunen Kaffee. Der Kobold taucht nicht mehr auf. Earl wird wohl nie herausfinden, weshalb das Wesen ueberhaubt auftauchte.



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