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Der Karikaturist

der Tragödie erster Teil
von

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Kontraste

Es scheint der letzte Lebenshauch des Sommers zu sein, ein letztes mal atmet der Tag einen warmen Wind ein und wieder aus. Earl schlendert durch die betonierte Allee, die ihn zur Galerie führt, obwohl dieser Begriff doch viel zu neutral und untertrieben für das bunte Schloss vor Earls Augen scheint. Im markantesten Kontrast tippt das förmlich in schwarz gestrichene Schneewittchen im Torbogen jenes exzentrischen Monuments umher - wartend. Und nervoes. Noch hat sie ihren Projektpartner nicht gesichtigt. Earl genießt die langen Sekunden, die er noch brauchen wird, um den Torbogen zu erreichen. Dann wird seine Begleitung den Stillstand eines warmen Herbstages beiseite fegen - die Ruhe vor dem Sturm brechen. Er hebt das Kinn, lächelt mit geschlossenes Augen in den aufkommenden Wind und geht noch viel langsamer, als er es ohnehin schon tat. Der gerade noch visuelle Eindruck verläuft sich in seinem Kopf zu einem viel stärkerem Bild: der Schwarze Schemen Schneewittchens, das kunterbunte Tor zur anderen Welt, das Grau der Stadt - Und überall fließen trotz alle dem die farbigen Ströme des Herbstes wieder mit ein - was für eine Perfektion.

Man trifft aufeinander, das blasse Mädchen bekommt eine glückliche Farbe: Wer weiß, wie perfekt ihr Tag soweit verlief. Wer weiß, wie er noch verlaufen soll? Sie eröffnete mit einen leichten Smalltalk, viel gelassener, als noch wenige Tage zuvor. Seitdem hatten beiden keine Minute miteinander verbracht und trotzdem machen diese wenigen Tage sie zu alten Bekannten. Ihre Augen leuchten Earl unter ihren dunklen Haaren entgegen, ungehalten gestikuliert sie, aendert ihren Tonfall, wird ausgelassen und verfällt in einen Nahezu pfeifenden Singsang. Auf ihre niedlich naive Art erinnert ihre Stimme Earl an das Piepsen der kleinen Voegel, die die letzten langen Tage nutzen, um sich noch einige Male in größter Zahl zu zeigen, bevor sie dann zu ihrer temporären Winterresidenz fliegen.

Kurz schaut er sich um und entdeckt, was er gesucht hatte: Zwei kleine Spatzen, die wild um einen Baum hüpfen, nur wenige Meter von Earls Füßen entfernt. Sie kämpfen um einen halben Apfel. obwohl man das nicht Kampf nennen kann, wenn sie sich nicht einmal berühren Tatsächlich erinnert das Gerangel mehr an einen Tanz, bis beide gleichzeit Schnabel an die halbe Frucht legen. Schneewittchen springt auf und ab, Man kann leichterhand an ihrem gespitzten Gesicht erkennen, wie entzückt und gespannt sie dem Vogeltanz zuschaut und dem Apfel nachfiebert. Earls Kopf erlaubt sich einen Spaß mit ihr: Ach Schneewittchen, wenn du nur um dein Schicksal wüsstest. Der saure Apfel wird wohl bald zu dir kommen. Sein nächster Gedankengang führt zur bösen Hexe hin - eine riesige Nase, eine Warze, ein Gesicht wie der Tod persönlich, doch bestens verkleidet. Wird es sie in der Galerie geben? Die boese Hexe, die Schlange im Paradies? Wird sie Schneewittchen in einen sauren Apfel beißen lassen?

Der Anflug seines Grinsens verschwindet augenblicklich, als die neugierig großen Augen Schneewittchens wieder vor seinem Gesicht aufschlagen - Ihr Fokus ist wieder vollständig auf Earl gerichtet: "Gehen wir rein? Wir sind schon wieder spät dran." Earls Gesichtsausdruck kann sie nicht entziffern, bemerkt ihn vielleicht gar nicht, doch seine Augen halten noch fest an der Welt vor den Toren des Schlosses. Die Prinzessin reagiert auf sein schwungloses Nicken und schon trotten beide dem Eingang in das farbenfrohe Reich der Kunst entgegen. Schwere Türen öffnen leichter und schneller, als dass es einer von beiden erwartet hätte und schon standen sie in der hohen Eingangshalle: Trotz eigentlich sehr zarter Farben und Formen platzen Lila und Rot auf Earl, seine Augen müssen sich erst an diesen unrealen Ort gewöhnen. Nach einigen Momenten ist er bereit, die neue Welt in Augenschein zu nehmen: Nur wenige andere Touristen haben ihren Weg hierher gefunden und nicht einmal eine Hand voll davon wirkt tatsächlich vollkommen verzaubert, haben jegliches objektives Urteilen ausgeblendet und lassen sich von den verschiedensten Gemälden fesseln. Ein vorsichtiger Blick nach oben - keiner sollte ihn dabei erwischen - verliert sich in der ewigen Höhe des Raumes. Spricht das fuer die Aroganz oder Eitelkeit des Künstlers? Er hat sich das Schloss selbst ausgesucht, also spricht die Höhe auf jeden Fall! Das kleine vielleicht belanglose und unbeabsichtigte Detail lässt Earl stark urteilen.

Er hat den ganzen Raum inspiziert und gemustert, nun kommt auch Schneewittchens Stimme nach einem ersichtlich beeindruckten Staunen wieder, sie schlägt vor, weiter zugehen - Earl folgt ihren penibel leisen Schritten, er erinnert sich zurueck, dass das Ziel des Auflugs ein Interview mit dem Erschaffer solch skuriler Welt ist. Wieder das Ziel scharf vor Augen verschwimmt der Rest des Wunderlandes ein wenig und lässt den bombastischen ersten Eindruck hinter sich.

Das verwunderte Paar gelangt endlich beim Rezeptionisten an - Earl ist enttaeuscht, als er sich umdreht, um zu sehen, wie weit man sich schon hervorgekämpft hat: gerade mal ein grosser Sprung.

Eine Stimme, so leise wie gelassen zieht ihm gemächlich die Unruhe aus dem Ohr, lässt ihn weniger und weniger über Farben und Bauten nachdenken und so dreht er sich verwundert um. Die ersten Worte des Rezeptionisten entgingen Earl, zu fasziniert war er von der Stimme und zu gespannt auf die Erscheinung desjenigem, dem sie gehörte: "Die Welt ist doch ein ebenso verwunderlicher Ort, meinen Sie nicht?" er muss zuvor wohl ueber die Eingangshalle gesprochen haben, die ist wahrlich verwunderlich. Was ist mit dem Rest der Welt? Schwere hängt an seinen Augenlidern, nur in Zeitlupe kann Earl aufschauen. Sein Kopf war eingerastet, er zieht die Augenbrauen hoch, um sein Blickfeld nach oben zu weiten - pure Demut zu dieser Klangutopie hält seinen Kopf gesenkt.

Neben ihm hört Earl Schneewittchens unmelodisches Geschnatter - wohl als Antwort, er hört nicht weiter hin.

Earl traute sich, über den hohen Tisch zu schauen: Dort saß die Stimme: ein kleiner Mann, gebräunte, alte Haut, weiße Haare, ein gutmütiges Gesicht, dass aber keinesfalls Feuer oder Verstand verloren hatte. Stolz weilte er da, hoch oben an seinem Pult, wie ein wachender Adler, aber nicht auf Beute aus - wie ein unbestechlicher Richter, wartend, Gerechtigkeit zu bringen. Seinen Tintenhammer schwang er nicht spielend über den Finger, wie jeder andere in seiner Position, nein, jenes Werkzeug wurde in eineindeutiger Weise nur für seinen Zweck angetastet und geheiligt. Er brauchte keine Robe, wie jeder andere im Gerichtssaal, selbst sein brauner Altherrenanzug vermochte es nicht, einen Funken Rationalität zu verkleiden. So hoch erschien sein Holzwall, auf dem er schrieb, und er nutzte es nicht, um herabzublicken und voreilig zu urteilen, dieser Holzwall wartete genauso geduldig auf Earls Antwort, wie sein Herrchen. Earls Antwort. Er macht es kurz frischer Luft möglich, in seine vor Erstaunen abgestandenen Lungen zu fliessen, um sie im nächsten Augblick in Form von Worten wieder herausspringen zu lassen, da bleibt sein Blick an der Engelsstatue auf dem Pult hängen. Ebenso bleibt die Luft in seinem Koerper haengen und ebenso bleibt sein Mund unbewegt. Wie er die Skulptur genauer betrachtet, fällt ihm auf, dass es sich hierbei nicht um einen Engel handelt, sondern um zwei: einer hält einen Weinstock, der andere eine Flöte - wie unpassend für einen rationalen Richter, sich Kunst und Rausch hinzugeben und dieses mit der Justizia vereinen zu wollen. Der Richter verliert jeglichen Titel in Earls Augen. Und trotzdem bleibt er die erhabene Gestalt, was braucht er Titel?

Er passt einen musternden Blick zu Earl, als er Schneewittchen den Weg in die Schatzkammer des Wunderlands weist. Diese schleift Earl unerbitterlich hinein. Plötzlich beginnt Earl an seiner brillanten Idee zu zweifeln: Selbst wenn dieser Exzentriker ihn nachvollziehen und verstehen kann - warum sollte er Earl helfen? Warum sollte er nicht? Immerhin hat er sich schon dazu bereiterklärt, sich Zeit für ein Interview zu nehmen.
 

Keine Sekunde stehen die Studenten im fremden Raum und schon zieht das Zentrum des Büros alle Blicke auf sich, denn jede Linie, der man folgen könnte, endet früher oder später an dem prunkvollen Tisch in der Mitte: "schließt gefälligst die Tür!" hallt es herab. Im Sprung ihres Schrecks gehorcht Schneewittchen dem Befehl ohne zu zögern, ohne zu denken.

Ein weiterer kleiner Mann erhebt sich vom Thron auf der anderen Seite des Tisches, stehend war er nicht viel größer als auf seinem hohen Stuhl. Er hoppelte zu seinem Tee servier und fragte nach Kaffee oder Tee, erst jetzt bemerkt Earl die bleiche Haut und die wenigen, gegräuselten, weißen Haare. Des Künstlers lange Ohren stehen gespannt ab, Earls Ohren liegen Schlimmes erwartend dicht an. Ein kurzer Blick zur Seite: Schneewittchens Ohren sind unter ihrem langen glatten Haar versteckt. Wie der Muskel in einer Muschel. "Kaffee bitte" , "Tee, Danke" , überschneiden sich die Gäste, bombadieren sich fliegend mit Splittern von peinlichen und merkwürdigen Gesichtsausdrücken, um letztendlich über ihre Unkoordination einig zu werden.

Der Rücken des Expressionissten verdeckt den Vorgang der Getränkepreperation, so exakt steht er vor dem Teeservier. Alles, was Earl sieht ist das extravagante Muster aus blauen und violetten Kästchen auf seinem Jacket und die zittrigen Ellenbogen, die um seinen kleinen Körper rotieren. "Sie dürfen anfangen zu fragen, ich habe noch andere Termine heute" , lässt er verlauten. Earl wundert sich über den Tonfall, der keineswegs genervt scheint, nur sehr sehr eilig. Schneewittchen kramt in ihrem Täschchen um ihre vorbereiteten Fragen durchzugehen, Earl hatte nichts vorbereitet, doch er ergreift Initiative, ein Bild an der Wand macht ihm Mut und Motivation. Er deutet auf ein wahrscheinlich surreales Gebilde und fragt, was es damit auf sich hätte, wie der Kopf des Künstlers auf diese Idee kam. Dieser erwidert einen in Earls Ohren sehr einstudierten Satz, über seine persönliche Ansicht und einen Traum zu der Einschränkung in der Kunst der fünfziger Jahre.

Schneewittchen hat ihren Zettel jetzt in der Hand, ein wenig zerknittert, aber jetzt war sie an der Reihe zu fragen. Sie beginnt, nach ihrem Muster zu interviewen, doch in Earls Kopf hallt die Antwort auf seine Frage immer und immer wieder. Er kann mir nicht helfen, seine Kunst, sein ganzes Sichtfeld dreht sich nur um ihn selbst, der Rest der Welt hat nichts von diesem alten Hasen.

Einige Minuten sind vergangen, Schneewittchen steht still, trinkt ihren Tee. Der Expressionist läuft herum, trinkt nichts. Earl ist abwesend, trinkt langsam seinen Kaffee, fühlt sich fehl am Platz und tritt etwas auf der Stelle umher. Die eine Antwort, die er bekommen hat, hat eine markante Narbe hinterlassen, als wäre sie schon seit Jahrzehnten in seinem Kopf und erst gerade eben kam der erleuchtende Schlüssel, um die Glyphe zu verstehen. Der Maler ist Nervös, beantwortet aber alle Fragen geduldiger, als der Karikaturist es ihm zugetraut hätte. Nun sieht Earl ihn auch bewusst von vorn, das Muster seines Jackets hat sich nicht verändert, jedoch laufen die Linien des Raumes nicht mehr zum Schreibtisch, vor dem er steht. Nein, die Linien rennen in die andere Richtung, weg vom Tisch, weg von Kunst, hinaus aus dem Raum. Earl überrascht sich selbst, als er sich mit kraftvoller Stimme entschuldigt, um auf Toilette zu gehen - ein offensichtlicher Vorwand, aber die Norm verlangt es. Schneewittchen dreht eine Kurve in ihrem Satz, baut ein "bis gleich." ein und wendet sich wieder der Kindheit des kleinen Mannes mit den ungeduldigen Ohren zu. Dieser nickt einfach nur, als fände er Earls Tat in Ordnung. In Ordnung?! Es ist ihm doch völlig egal, ob ich gehe! Ein entschuldigendes Lächeln zu Schneewittchen und schon kehrt Earl dem alten Hasen den Rücken zu, verlässt den Raum.

Wie Earl die Tür hinter sich zuzieht, atmen seine Augen eine neue Freiheit. Einen Schritt näher an der Realität! Die Eingangshalle ist wie leergefegt, vereinzelte Besucher entweichen seinem Sichtfeld, verschmelzen mit Gemälden, sind einfach nicht mehr interresant. Überhaupt hatte der Kubus, in dem er jetzt steht eine viel schönere Perspektive, wenn man aus der Tür des Inhabers kommt. Nach dem kurzen goldenen Gefühl kriecht die Enttäuschung wieder in sein Gemüt - was nun? Es dauerte einige Sekunden, bis Earl bemerkt, dass er beobachtet wird: der Richter an der Rezeption schaut ruhig zu ihm herüber, darauf wartend, dass Earl ihn bemerkt. Mit Leichtigkeit wird er Earls Gesichtsausdruck durchschaut haben: "Was machst du? Du siehst enttäuscht aus."

"Ich weiß nicht, wir sollten eine Hausarbeit schreiben, und.." ein kleines Gelächter unterbricht ihn: Kein gemeines, eigentlich ein sehr warmes Lachen. Das Lachen eines netten Großvaters, aber auf Earls schellte es herab wie die Guillotine seines letzten Urteils. Trotz der verheerenden Reaktion des Mannes fühlt der Verhörte sich gerecht behandelt, der Richter spricht weiter: "Deine Enttäuschung geht tiefer, als die Hausarbeit jemals könnte, habe ich recht?" Natürlich hat er recht!"Schon" fügt dem Earl so tonlos wie nur irgegnd möglich in dieser Situation bei - man sollte ihn nicht noch weiter durchschauen. Das Verhör geht weiter: "Also, was machst du als nächstes, nach diesem Misserfolg?"

"Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht" Earl entsinnt sich, was der Mann vorhin sagte. Die Welt ist ein verwunderlicher Ort. So So. Da der Richter seine Misere wohl eh schon längst durchschaut hat, sieht Earl ihn als engen Bekannten. Er ist die anonyme Person, der er vertrauen kann, weil er sie eh nie wieder sieht. Earl spricht den Beamten auf seine Aussage an: "Was macht die Welt denn in ihren Augen so verwunderlich?"

Plötzlich bekommt der richtende eine humanere, fast schon warme Aura. Er hat gehört, was er hören wollte. "Weißt du, nur wenige gehen auf diese Aussage ein.", erklingt seine Stimme wie eine Lektur, "die meisten Leute scheren sich nicht darum, zu Erkenntnissen zu kommen. "Earl stutzt etwas, diese Art zu reden, der sentimentale Seufzer des nun wirklich alten Mannes - alles an der Figur ist so altmodisch. Allerdings ertränkt der gewonnene Stolz jegliche Abneigung gegen diesen Gesprächspartner - ihm zufolge war Earl schon weiter, als die meisten anderen Menschen, das meinte der alte Weise zumindest.

"Lass mich dir eine Frage stellen." Der Mann muss innerlich grinsen, als hätte ich gerade ein kleines Feuer in ihm losgebrochen. Ich bin gespannt, was er zu sagen hatEin beschwörender Finger erhob sich: "Woran glaubst du?" Der Student überbrückt seine Denkpause mitr einem langsamen "Woran ich glaube..." Er wollte den Meister nicht warten lassen, sein Gehirn suchte und suchte, dann sagte er die erstbesten Dinge, die ihm in den Sinn kamen. "Nicht Religion, ich bin Atheist. Ich glaube an Realität, an Wissenschaft und..." Man unterbricht ihn:" Aha!" Earl war fast erschrocken, so harsch hätte er keine Gegenrede erwartet, nicht von diesem Greis. "Über Religion müssen wir also nicht reden", schwingt er abfällig, "Mit Realität bist du auch schon wieder weiter, als die meisten, die hierher kommen" Earls Augen hüpfen über die Bilder und Farben an den Wänden, er kann sich sein Glucksen nicht verkneifen - war das Stolz, Eitelkeit oder Verstandenheit? Schwer zu sagen. "Aber die Wissenschaft, die Wissenschaft, da müssen wir mal drüber reden!" fährt er fort. Was ist so schlimm an Wissenschaft, ich habe doch keinen Grund, nicht daran zu glauben, oder? Vielleicht ist er kein Freund von den sogenannten Pseudowissenschaften wie Psychologie. Wer weiß. Das Gespräch gestaltet sich sokratischer: Wenn Earl nicht umkehren und fliehen wollte, konnte er nur einen Weg gehen - Dem Theologen der Realität folgen. " Lass mich dir ein Beispiel bringen:", der Kopf des zuhörenden Verhörten sucht im Geiste das Blatt im Raum, von dem der Herr ablaß, so einstudiert kam ihm dieser Dialog vor. Ich denke, er versucht Menschen zu bekehren, oder zumindest zu reinigen und zu erleuchten. Sehr weise Absichten hat der Herr.

"Ein Beispiel:", er legt eine Pause ein - so absichtlich, es wäre schwer zu übersehen gewesen. "Kennst du die Theorie von "'Schrödingers Katze?'" DEr Student nickt unsicher, kramt in seinem Kopf nach dem so einprägsamen Titel des Tierversuches. Schrödingers Katze. Den Denkprozessen, die Earls Erinnerungen wage wieder zusammensetzen, greifen die Erläuterungen des alten Mannes unter die Arme. Eigentlich denkt er schon fast für mich. Er wird misstrauisch, sucht nach Fehlern im Erklären seines Dozenten. "Schrödingers Katze ist eine nicht endlos kleine Veranschaulichung des Zustandes eines Quantums." Quantenphysik. Nicht gerade meine Stärke. In Mechanik war ich aber eignetlich immer gut.... Er schweift kurz ab, kriegt sich aber wieder um dem Wissen der Physik zu lauschen. "Als stell dir vor du hast eine Katze und sperrst sie in eine Kiste." er setzt ab. Earl schmunzelt ein wenig über Erinnerung an die Klassenkameraden, die bei solchen Beispielen immer die übertrivialsten Widersprüche erbracht haben. Schrödingers Katze hat hoffentlich keinen Herzfehler - Die erste Phrase, die jedem Lehrer bei diesem Exampel Bahnen von Information und Nerven zerreißen muss.

Dieser Lehrer hier bemerkte Earls Unkonzentriertheit, sein Blick lastet immernoch Vorwurfsvoll auf Earl. Entschuldigende Augen lassen ihn weiterreden:" Wenn du die Kiste nach einer Stunde öffnest springt deine Katze dich fröhlich - und lebendig - an. Du kannst die sicher sein, dass sie die ganze Zeit in der Kiste am Leben war. Schrödinger legt seiner Katze allerdings noch vergifetes Futter in die Kiste. Wir wissen nicht, ob die Katze frisst und wann sie frisst, wen sie es tut" Jetzt käme der zweite Spruch zu Tierversuchen.

"Hier kommt die Phsyik ins Spiel. In der Theorie hat jedes Quantum alle möglichen Zustände die es nur haben könnte, bis wir seinen Zustand messen. Dann legt es sich fest. Am Beispiel unser Katze hieße das, unsere KAtze wäre tot und lebending zur gleichen Zeit, solange sie sich in der Kiste befindet."

Zufrieden, als hätte er das elitäre Wissen über Quanten fast von selbst komplett aufgefrischt, entgegnet Earl mit einem gelassenen 'Natürlich!'

Zum ersten mal erhob der Mann seine Stimme und geriet beinahe in Euphorie." Ich frage dich: Wie kann eine Katze zwei sich gegenseitige Zustände zugleich haben? wie kann man auf so eine Idee kommen?!" Damit wird er bestimmt wieder die Quanten meinen, nicht mehr die Katze... Und weiter spricht er in selbiger Betonung, sodass beide Sätze gleich klingen: "Ich sage es dir: Weil all diese Ideen auf Wahnsinn basieren."

Zum ersten mal hakt Earl nach, bisher scheint ihm seine Zeit verschwendet:" UNd was hat das mit meinem Glauben an Realität zu tun?" Der aufgebrachte Erzähler legt seine Stimme wieder, er muss gemerkt haben, wie unprofessionell seine Begeisterung gewirkt haben muss. "Menschlicher Wahnsinn beschreibt dir, wie ein Objekt zwei sich ausschließende Zustände haben kann und es auch soll. Mit Realität hat diese Wissenschaft doch nichts mehr zu tun."

"Doch gerade unser 'Wahnsinn'", Earl benutzt sehr bestimmt die Worte des Herren, der nun wieder zum kleinen Rezeptionisten zurückgeschrumpft war,"unser 'Wahnsinn' bringt uns als Menschheit doch voran, ermöglicht uns so vieles. Da glauben sie nicht dran?"

Etwas erhöht sitzt saß er trotzdem noch, Earl merkte, wie er ihm in die Falle gegangen ist. Er formuliert gekonnt, er wollte genau, dass ich diese Frage stelle. "Ein guter Einwand, mein Junge. Natürlich brauchen wir diese Mutationen, die uns zum Wahnsinn führen, um neue Entdeckungen zu tätigen. Aber wer sagt denn, dass diese wahr sein müssen? Nur weil man die erzählt und auf Bildern zeigt, dass die Erde rund ist, muss sie dass doch lange nicht sein."

Earl belächelt die überspitzte Aussage, es dauert einen Moment, bis er die Intention des Mannes sieht. Es ist doch sehr nihilistisch, überhaupt nichts zu glauben - aber ein gewisses Misstrauen kann nicht schaden Earl sollte sich noch lange an die Lektüre des Hinterfragens erinnern.

Er vernimmt ein leichtes atmen an seinem Ohr, Schneewittchens Stimme wispert ihm zu: "Der alte hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank, komm, lass uns gehen." sie zieht Earl in Richtung Ausgang. Nur ein Blick, keine Kopfbewegung, nur ein Blick zum Rezeptionisten dient als Gruß und Dank - stille Übereinstimmung. etwas weiter entfernt öffnet die Gefährtin wieder vorlaut den Mund, sie redet über den Künstler, wie ihr seine Bilder gefallen, was sie alles allein machen musste, womit Earl sich denn schon wieder herum triebe. Die kleine ist jetzt schon qualifiziert als alte Ehefrau...



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