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Die Nacht mit dem Gewitter und der Gemüsesuppe

Seishirou/Subaru
von

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Guten Appetit.

von Cyel~
 

Subaru war aufgewacht, weil er etwas gehört hatte.
 

Aber er war definitiv allein in Zimmer und Bett (schade eigentlich), das zeigte ihm ein gründlicher Blick quer durch den Raum und, vorsichtshalber, auch aus dem Fenster. Es war stockduster, grau-schwarz, denn draußen schienen noch nicht einmal die Straßenlampen. Sein Schlafzimmer war eine Ansammlung monochromer Flächen, dunkler Kanten und wuchtiger Vierecke. Formen und Nicht-Farben machten normalerweise keine Geräusche. War wahrscheinlich alles nur Teil seines Traumes gewesen. Oder es kam von draußen—Donner vielleicht.
 

Sein Traum war seltsam gewesen, dachte Subaru und wickelte sich bis zur Nasenspitze in die Decke und sich selber ums Kissen. Mittlerweile verfolgte Seishirou ihn schon bis in den Schlaf—warum er auf einem Pony dahergeritten gekommen war, konnte Subaru aber auch nicht wirklich sinnvoll begründen. Vielleicht hätte er nicht unbedingt die Naturdokumentation schauen sollen, bevor er sich schlafen gelegt hatte. (Er konnte wohl von Glück reden, dass es nur das Pony gewesen war und nicht das Zebra oder das Nilpferd oder gar ein futuristisch anmutendes, gestreiftes Nilzebra—je nachdem, was sich sein Gehirn im Schlaf daraus zusammenpuzzlete.)
 

Da war es wieder: Ein tiefes, langgezogenes Grummeln, das kaum hörbar war und noch schwerer einzuordnen. Doch diesmal spürte er auch, wie sein Magen sich fast schmerzhaft zusammenzog. Subaru rollte sich auf den Rücken und starrte die Decke an, eine graue, glatte Fläche in der Dunkelheit. Magenknurren—also hatte er wohl Hunger. Dabei hatte er doch am Abend noch etwas gegessen... nein, hatte er nicht. Gekocht hatte er (oder so etwas ähnliches, Hokuto hätte ihn dafür eher ausgelacht oder bemitleidet), aber nicht gegessen, weil ihm bei dem Geruch seines gebratenen Gemüses schlecht geworden war. Darum hatte er es vorerst in den Kühlschrank gestellt.
 

Oh.
 

Subaru stützte sich auf seine Ellenbogen und stemmte sich hoch. Nun, da er es einmal begriffen hatte, merkte er auch ganz deutlich, dass er wirklich einen Mordshunger hatte. Hunger wie ein ausgehungerter Wolf, sozusagen. Ein ausgehungerter Wolf, der sich die letzten Tage vor allem von mehrfach aufgewärmten Nudeln und vereinzelten Kleinigkeiten ernährt hatte, an die er sich nicht einmal mehr erinnern konnte.
 

Ja. Essen musste her.
 

Sein Lebensstil war ohnehin nicht unbedingt gesund, da konnte er es ja wohl kaum zulassen, dass ihn so etwas triviales wie Hunger von seinem wohlverdienten Schlaf abhalten sollte. Nicht, dass Subaru davon ausging, dass er seinen Schlaf verdient hatte, oh nein. Er übte seine spartanische Lebensweise ja nicht aus, weil ihm nichts besseres einfiel—er übte sie aus, weil es für die Momente, in denen er mit seinem üblichen Verhalten brach, ja wohl eine angemessene Strafe geben sollte.
 

Subaru hätte niemals geglaubt, dass er das jemals in seinem Leben sagen würde (obwohl es da dieses eine Jahr gegeben hatte, in welchem er das durchaus gesagt hätte, aber das ignorierte er im Alltagsleben gemeinhin), aber er war wirklich dankbar, dass er Seishirou hatte. Denn ohne ihn wäre sein Kühlschrank wohl nie auch nur ansatzweise so gut gefüllt, wie er es war und Subaru hätte sich mit dem Reis begnügen müssen, der gestern übrig geblieben war. Denn das Gemüse, das er zubereitet hatte, war ihm auf den zweiten Blick höchst suspekt. So konnte er also nicht nur die Schale mit Reis in den Mund schaufeln und dann in viel zu großen Bissen schlucken, sondern ihm stand auch ein großer Vorrat an frischem, nicht verstümmelten Gemüse zur Verfügung. (Schälte man Gurken eigentlich, bevor man sie aß?—egal.)
 

„Na na na. So kannst du das doch nicht machen, Subaru-kun.“
 

Subaru ließ seine Gurke sinken. „Du schon wieder!“ Er hätte misstrauisch werden sollen, als die Straßenlampen nicht leuchteten und er gar nicht richtig nach draußen sehen konnte.
 

Seishirou legte den Kopf schief. „Soll ich wieder gehen?“ fragte er—und wich der Gurke (eigentlich war es eine Zucchini, aber das wusste Subaru nicht) aus, die den Bruchteil eines Zentimeters von seinem Kopf entfernt an ihm vorbeisegelte. „Mhh... aus so viel Leidenschaft schließe ich, dass du mich auf jeden Fall ganz dicht bei dir haben willst?“
 

„Dann schließt du falsch. Bleib wo du bist!“
 

„Wie soll ich denn kochen, wenn ich nicht an den Kühlschrank komme?“
 

Subaru dachte angestrengt nach, was sich auch auf seinem Gesicht abzeichnete. Er zog die Brauen zusammen, runzelte die Stirn und schob ein bisschen die Lippen vor. Alles in allem sah er sehr danach aus, als entscheide er gerade über Leben und Tod. Schließlich glätteten sich seine Züge wieder und er machte einen Schritt zur Seite. „Mach mit dem Kühlschrank, was du willst, aber fass mich nicht an“, grummelte er und hielt vorsichtshalber Sicherheitsabstand ein.
 

„Hatte ich nicht vor—zumindest nicht, bist du gegessen hast.“ Seishirou zog seinen Mantel aus und hängte ihn über einen der Küchenstühle. Seine Krawatte folgte kurz darauf—offensichtlich hatte er eine großangelegte Kochaktion vor. „Danach sehen wir weiter.“
 

„Untersteh dich.“
 

„Wir werden sehen, wer sich besser beherrschen kann.“ Zu seinem Tonfall hätte es gepasst, hätte er ein „Und ein kleiner Tipp am Rande: Du bist es nicht“ hinzugefügt, aber er kniete sich einfach auf einem Bein vor den Kühlschrank und begann damit, Gemüse herauszusuchen. „Suppe?“
 

„Mach, was du willst“, knurrte Subaru und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Natürlich nicht dem, auf den Seishirou seine Sachen gehängt hatte, sondern auf dem, der diesem gegenüber stand. Als das Kratzen der Stuhlbeine über die Fliesen verstummt war, kehrte Stille in die Küche ein, geradezu tödliche Stille, obwohl das nie eine gute Beschreibung war, wenn der Sakurazukamori mit im Raum war. Subaru schwieg, um sich nicht noch in größere Schwierigkeiten zu bringen. Seishirou schwieg, um ihn nervös zu machen und weil er es eben konnte. Sogar den Kühlschrank durchsuchte er geradezu geräuschlos. Offensichtlich hatte er ein Talent dazu. (Subaru hatte das schon häufiger bemerkt: Er wollte duschen oder baden und kaum, dass er sich ausgezogen hatte, stand Seishirou wie aus dem Nichts heraufbeschworen neben ihm. Oder hinter, oder vor ihm, oder erwartete ihn unter der Dusche, nackt, versteht sich—auf jeden Fall schien er auch immer genau zu wissen, wann es denn soweit war. Es gab auch noch andere Momente, in denen Seishirou absolut geräuschlos war, aber irgendwie wollten sie Subaru nicht einfallen. Sie waren ja auch nur halb so beeindruckend.)
 

Es grummelte wieder und das Geräusch brach auf recht unzeremonielle Art und Weise die Stille. Seishirou blickte ihn tadelnd an. „Das war ich nicht!“
 

„Die Suppe ist gleich fertig. Dann machen wir was gegen deinen Hunger. Scheint ja höchste Zeit zu sein...“
 

Das Gewitter kam näher und diesmal sah man auch den Blitz, der dem nächsten Donnergrollen vorausging. Subaru mochte keine Gewitter, aber das Auftauchen dieses bestimmten Exemplars befriedigte ihn zutiefst. „Sag ich doch!“
 

Seishirou schüttelte den Kopf und machte sich daran, weiterzuarbeiten. Sogar er musste sich strecken, um an den obersten Schrank zu kommen (was darauf schließen ließ, dass Subaru selbst ihn selten benutzte, denn er war merklich kleiner und dachte meist gar nicht so hoch). „Es ist schon so spät, da habe ich keine Zeit, das Ganze stundenlang köcheln zu lassen—stört dich das, wenn ich ein bisschen trickse?“ Er zog ein paar Fertigprodukte aus dem Schrank und schloss ihn wieder. Subaru wollte gerade zur Antwort ansetzen, da winkte Seishirou kopfschüttelnd ab. „Nein. Dich nicht.“
 

„Was meinst du damit?“
 

„Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass du das merkst?“
 

Subaru schmollte.
 

Er stand wieder auf und ging mit vor der Brust verschränkten Armen in der Küche auf und ab. „Hör mal, Seishirou-san, ich weiß nicht, was du hier willst und warum du es willst...“
 

—„Ich will dich“—
 

„...und warum DU ES WILLST“, versuchte Subaru den Einwurf zu ignorieren. Er sprach durch zusammengebissene Zähne. „Eigentlich habe ich mich ja schon daran gewöhnt, dass ich dich nicht verstehe und dass ich nicht weiß, was ich tue, aber heute gefällt es mir wirklich nicht, was daran liegen könnte, dass ich wirklich übermüdet bin und mir die Mühe, darüber nachzudenken, was es sein könnte, gar nicht machen könnte, selbst wenn ich wollte und—“ Er verlor den Faden und holte tief Luft. Sehr tief. „Was ich sagen möchte ist, dass es mir nicht passt, dass du hier bist und dass ich will, dass du gehst und dass ich auch nicht will, dass du gehst. Kurz gesagt, ich weiß es gar nicht so genau und ich bereue es gerade außerordentlich, dass ich dass jetzt gesagt habe.“
 

„Ich will dich und wenn ich dir etwas koche, dann bekomme ich dich. Hilfst du mir beim Gemüseschneiden?“
 

Subaru hasste Seishirou von ganzem Herzen (besonders in diesem Moment), aber Höflichkeit war eben stärker als Abscheu. Außerdem gab es ihm eine Möglichkeit, zu ignorieren, dass ihn die Aussicht, die Seishirou ihm aufgezeigt hatte, rein gar nicht störte. „...Wenn es sein muss.“ Er seufzte schwer.
 

Wie hätte er auch damit rechnen können...?
 

Seishirou legte einen kleinen Haufen reiner Gesundheit auf den Tisch, der aus einer Zucchini und vier Möhren bestand. Es tat Subaru fast körperlich weh, die satten Farben zu sehen, die Vitamine zu erahnen und daran zu denken, wie frisch sie schmecken mussten. Seine letzte vollwertige Mahlzeit lag fast eine Woche zurück und das Essen, mit dem Subaru sich meist über Wasser hielt, konnte sie nicht wirklich ersetzen—was war, wenn sein Magen sich mittlerweile daran gewöhnt hatte und er vernünftiges Essen gar nicht mehr vertrug? (Eigentlich dachte er das nur, um den Gedankengang zu verhindern, dass das letzte Mal, dass er Sex gehabt hatte, schon genauso lange zurücklag und sein Gehirn lieber Wege hinabwanderte, die in etwa der Richtung „Was hat Seishirou sich heute wohl ausgedacht“ und weniger „Wie schmeckt wohl die Suppe“ oder „Muss ich die Möhre erst schälen, bevor ich sie klein schneide?“)
 

„Alles in Ordnung mit dir?“ Seishirou musste seinen leeren Blick bemerkt haben.
 

Subaru nickte. „Ja. Alles bestens.“ Nun, es war zumindest verhältnismäßig „bestens“, denn er hatte schon unangenehmere Fantasien gehabt. Aber mittlerweile hatte er (unter anderem) gelernt, dass es bessere Möglichkeiten gab, Dinge in menschliche Körper zu stecken, als Seishirous Hand in—oder gar durch—seinen Brustkorb.
 

Gedankenverloren nahm er die Zucchini in die Hand und drehte sie hin und her. Seishirou schnitt ihm gegenüber Broccoli. „Warum machst du das eigentlich? Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern. Warum machst du es trotzdem?“ Er war mittlerweile dazu übergegangen, das Gemüse wieder und wieder von seinem Handballen abprallen zu lassen.
 

„Es macht alles mehr Spaß, wenn etwas an dir dran ist“, antwortete Seishirou schlicht und Subaru seufzte schwer.
 

Seine Hand umschloss den freien Teil der Zucchini. Während er fieberhaft nach etwas suchte, dass er zurückgeben konnte (nicht, dass er die geringste Chance gegen jemanden wie Seishirou hatte, der tatsächlich dazu in der Lage war, unter fast allen Umständen etwas sehr schlagfertiges von sich zu geben), ließ er sie auf und ab gleiten. Seishirou sah ihm dabei interessiert zu, aber das nahm er nur am Rande wahr. Ihm fiel nämlich nichts ein und nach und nach machten ihn die Blicke nervös, die ihm von der anderen Seite des Tisches her zugeworfen wurden. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. „Was?“
 

„Nichts. Ich wundere mich nur, warum du die Zucchini belästigst?“ fragte Seishirou grinsend und nickte zu Subarus Händen, die dem Gemüse immer noch eindeutig zweideutige Dinge antaten. Nun wurde ihm auch endlich klar, dass er es überhaupt tat.
 

Subarus Mund klappte auf. Sein Gesicht wurde mit Sicherheit gerade so rot, dass er sich ganz hervorragend in einer Packung Tomaten hätte tarnen können und seine Ohren fühlten sich an, als würden sie langsam verkohlen und als Asche auf seine Schultern rieseln. Ja. Damit hätte er wirklich nicht rechnen können. Vielleicht hätte er Seishirou rausschmeißen sollen, sobald er aufgetaucht war.
 

Der Mann schnappte sich eine der Möhren, raspelte die Schale ab und hackte sie innerhalb von Sekunden in kleine Scheiben, während Subaru noch nicht einmal so recht wusste, ob man Zucchini ungeschält aß, oder ob man es besser nicht tat. „Ungeschält, wenn es dich nicht stört“, bemerkte Seishirou, als hätte er seine Gedanken gelesen und, ganz ehrlich, vielleicht hatte er es getan. Vielleicht stand es aber auch auf seinem Gesicht geschrieben. „Einfach in Scheiben schneiden und dann die Möhren genauso, wie ich sie auch geschnitten habe. Magst du Lauch?“
 

„Gerne. Aber das weißt du doch schon.“ Er spielte auf die Male an, die er Seishirou schon dabei „erwischt“ hatte, wie er ausgesprochen auffällig in seiner Wohnung herumschlich. Seishirou wusste ja schließlich sogar, welches Shampoo er verwendete und ob er sich unter der Dusche erst die Haare wusch oder sich den Körper einschäumte. Darüber hatte er so ausführliche Untersuchungen angestellt, dass die Frage, ob ihm etwas schmeckte oder nicht, wirklich sehr lächerlich wirkten. Außerdem hatte er etwas viel drängenderes im Kopf, auch wenn es absoluter Blödsinn war. „Sag mal, Seishirou-san... magst du Ponys?“
 

„Ich bin dem Reiten nicht ganz abgeneigt...“ Mit diesen Worten schnitt er durch den Porree, ein widerlich-schiefes Lächeln auf dem Gesicht.
 

*
 

Seishirou schlürfte probeweise etwas Suppe vom quietschgrünen Plastiklöffel. „Mhh—lecker. Willst du auch probieren, Subaru-kun?“ Er schöpfte den Löffel wieder voll und drehte sich vorsichtig um, eine Hand darunter, um eventuelle Tropfen aufzufangen. Das war natürlich Blödsinn, denn der Sakurazukamori verschüttete niemals etwas, dafür hatte er seinen Körper—jeden einzelnen Muskel—viel zu sehr unter Kontrolle. Wahrscheinlich konnte er sein Herz stoppen, wenn ihm gerade danach war.
 

Subaru, der neben ihm gestanden und ihn belauert hatte, beugte sich vor. „Na, wenn du meinst.“ Er schloss vorsichtig die Lippen um die Löffelspitze und verbrannte sich den Mund. „Hah—“
 

„Übernimm dich nicht“, scherzte Seishirou.
 

Aber die Suppe war gut. Obwohl er auch vorher trotz Schmerzen kaum zurückgezuckt war, rückte er wieder näher und nahm das ganze Mundstück in den Mund. Er saugte genüsslich auch noch den letzten Tropfen Suppe vom Löffel. Als er den Mund öffnete und den Kopf hob, tat er es widerwillig.
 

Seishirou grinste.
 

Warum grinste er?
 

Ohne seinen Gesichtsausdruck groß zu verändern (er wurde durch die Geste höchstens ausgesprochen zweideutig und irgendwie doch anziehend, aber daran dachte Subaru ja schließlich gar nicht) hob Seishirou den Löffel seinerseits an seine Lippen und leckte ausgesprochen langsam und genüsslich daran entlang. Da wurde Subaru dann auch klar, was er falsch gemacht hatte. Welchen Farbton nahm sein Gesicht wohl diesmal an? Textmarker, herbstliches Ahornblatt oder Warnweste?
 

„E-es ist ein bisschen zu salzig“, stammelte er und flüchtete aus der Küche.
 

Wahrscheinlich hatte Seishirou nicht nur vollständige Kontrolle über seine Muskeln sondern auch solche Körperfunktionen, die mehr mit der Durchblutung zu tun hatten. Subaru hatte die nicht. Leider.
 

Im Augenblick fielen ihm wirklich keine Worte mehr ein, mit denen er beschreiben konnte, wie sehr er Seishirou hasste und nur einige wenige Gesten, mit denen er es hätte ausdrücken können. Keine davon gehörten zu Subarus üblichem Repertoire, weshalb er sie nie ausüben würde, aber er konnte sie wenigstens denken und das war auch etwas wert. Seishirou war wirklich eine Plage (eine Art ansteckendes Virus, das ihn voll erwischt hatte), ein schlechter Mensch und der furchtbarste Einfluss, der je sein Leben in andere und meist vollkommen neue Bahnen gelenkt hatte. Subaru leckte sich über die Lippen.
 

Kochen konnte er trotzdem.
 

Trotz der köchelnden Suppe und Subarus ausgesprochen feuriger Stimmung, breitete sich eine derart frostige Atmosphäre in der Küche aus, als er zurückkam, dass kleine Eiskristalle an den Wänden entlang krochen. „Lass das“, murmelte er und Seishirou ließ die Illusion erlöschen. Natürlich besserte das die Umstände und Subarus Laune auch nicht wirklich, doch seit wann störte sich der Sakurazukamori an so etwas? Stattdessen fuhr er fort, die Titelmelodie einer gewissen Naturdokumentation zu summen, während er den Topf umrührte.
 

„Es ist fast fertig“, sagte er schließlich vergnügt und Subaru war wieder ein bisschen versöhnt. Das Einzige, was er im Moment mehr begehrte als ein paar Stunden Tiefschlaf war nämlich Se—Essen.
 

„Ja und?“ brummte er trotzdem.
 

Seishirou drehte sich um und stützte sich ihm gegenüber auf die Tischplatte. Vom Löffel, den er noch in der Hand hielt, tropfte etwas Suppe und ein Stück Karotte auf das Holz. „Subaru-kun, was meinst du, worauf das hinausläuft, wenn wir ewig nur versuchen, uns gegenseitig möglichst viel Schaden zuzufügen und uns abweisend verhalten?“
 

Subaru verschränkte die Arme. „Auf gar nichts.“
 

„Eben—es würde ewig so weitergehen, wo wir unsere Zeit doch so viel besser nutzen könnten“, sagte er. Er atmete die Mehrdeutigkeit praktisch aus und als sie sein Gesicht traf, wurde Subaru wieder rot. „Willst du das so?“
 

Subaru senkte den Blick. „Nicht wirklich“, gab er widerwillig zu.
 

„Braver Junge“, sagte Seishirou und tätschelte ihm den Kopf. Subaru hätte ihn dafür fast in die Hand gebissen. „Zufälligerweise ist die Suppe auch genau jetzt fertig, wo wir das geklärt haben.“
 

„Ja“, murmelte Subaru schwach, „zufälligerweise.“
 

Plötzlich hatte sich Seishirou über ihn gebeugt. Der Kochlöffel sah in seiner Hand aus, wie eine Drohung (oder eine Einladung, aber was war da schon der große Unterschied?) „Wehre dich nicht gegen das, was du wirklich willst“, wisperte ihm der Mann ins Ohr, wobei seine Lippen über empfindliche Haut strichen. Dann war er wieder weg und deckte den Tisch, als wäre nichts gewesen.
 

...was du wirklich willst. Subaru beäugte den Kochlöffel.
 

Dafür kam er wohl in die Hölle.
 

*
 

„Du solltest wirklich mehr essen“, tadelte Seishirou und stellte den Topf auf den Tisch.
 

„Du warst ja nicht da.“ War ihm das gerade einfach so herausgerutscht? Oh nein. Obendrein hatte er wahrscheinlich auch noch so geklungen, als würde er diese Tatsache bedauern, was ja wohl so weit von der Realität entfernt war, wie der Mond von der Erde: Nicht weit genug.
 

Na großartig.
 

„Mach dir keine Sorgen.“ Seishirou grinste. „Ich werde es niemanden verraten.“
 

Toll.
 

Sie löffelten ihre Suppe in relativem Frieden. Relativ, da es Subaru gar nicht gefiel, als Seishirou mit der Fußspitze an seinem Bein entlangzustreichen begann und er das mit einem heftigen Schienbeintritt quittierte (was dazu führte, dass Seishirou auf seinen Löffel biss), aber da diesmal kein Blut floss und auch keine Tränen (obwohl, Seishirous Augen glitzerten nach dem Tritt tatsächlich auf höchst verdächtige Art und Weise), konnte man wohl von freundschaftlichem Zusammensein sprechen.
 

Als sie fertig waren und Seishirou nicht mehr ganz so säuerlich dreinblickte, hatte sich die Stimmung noch ein wenig aufgeheitert, was nicht zuletzt daran lag, dass keiner von ihnen gesprochen hatte. Sie wussten nämlich ziemlich genau, dass das gemeinhin in einer Katastrophe endete. Schließlich stand Seishirou auf und sammelte Geschirr und Besteck ein, um sie auf die Theke neben der Spüle zu stellen.
 

„Ich glaube, es ist ein bisschen spät, um den Abwasch zu machen“, sagte Subaru, der sich mittlerweile mit dem Oberkörper auf der Tischplatte ausgebreitet hatte. Das gute Essen hatte ihn schläfrig gemacht.
 

Auf Seishirous Gesicht breitete sich ein schiefes und ausgesprochen bedrohlich wirkendes Lächeln aus. Eines von der Sorte, welches verrückte Serienkiller wohl auf den Lippen hatten, kurz bevor sie die Kettensäge hoben oder das Hundebaby ertränkten. Und da Seishirou tatsächlich mehr oder weniger ein Serienkiller war, konnte man davon ausgehen, dass ein paar Sorgen durchaus berechtigt und angebracht waren. Nur wie verrückt er war, das musste sich noch zeigen. „Du hast Recht“, sagte er schließlich erstaunlich wach und mit viel guter Stimmung. „Ab ins Bett.“
 

„Ja“, entgegnete Subaru träge, „Bett klingt gut.“
 

Eigentlich hatte er mehr an flauschige Kissen gedacht als an leidenschaftliche Küsse, aber die Worte klangen ähnlich genug, dass Subaru Seishirou die Verwechslung verzeihen konnte. Außerdem war das ja doch gewesen, was er sich den ganzen Tag lang schon vorgestellt hatte. Also schloss er die Augen und erwiderte den ausgedehnten Kuss mit Hingabe. Das war ohnehin schon ein Hinweis darauf, dass er lebensmüde war, in Seishirous Nähe, aber im Dunkeln, auf dem Weg ins Schlafzimmer und bei Gewitter ganz eindeutig ein unnötiges Risiko. Das zeigte sich ausgesprochen überzeugend, als ihn der nächste Donner so heftig erschreckte, dass er mit Seishirou in den Armen gegen den nächstbesten Türrahmen knallte. Sein schrilles Quieken war—dem verfluchten Himmel sei Dank—im Lärm untergegangen. Das von Seishirou (nicht ganz so schrill, aber trotzdem sehr ähnlich) nicht.
 

Hoffentlich passierte das nicht nochm—Sie blieben beide an der Tür zum Schlafzimmer hängen. Subarus Kopf stieß mit ausgesprochen viel Wucht gegen das Holz und Seishirous Hände wanderten mit bewundernswertem Enthusiasmus unter sein Hemd. Seine Finger waren wirklich warm, unglaublich weich und hatten sehr viel Ähnlichkeit mit Hochspannungsleitungen: Subaru zuckte unnötig stark zusammen, Haut begann zu kribbeln, und in ihm wuchs das Bedürfnis, sich hinzulegen. Irgendwie lief heute Nacht nichts so, wie es sollte.
 

„Seishirou-san, mein Ellenbogen!“ Er klemmte hinter seinem Rücken und eine besonders empfindliche Stelle drückte ganz besonders hart gegen den Türrahmen. Aber Seishirou interessierte das nicht im Geringsten. „Seishirou-san, das tut weh.“
 

Er stieß den Mann von sich und schob sich selbst hinterher, sodass dieser nun gegen den Türrahmen gepresst war, seine Hände zwischen ihren Körpern gefangen und seine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Das war natürlich ungewöhnlich, aber es hatte einen gewissen Reiz. Subaru wollte es gerne auskosten. Er begann, ganz traditionell, mit Seishirous Mund. Während er seine Lippen noch auf Seishirous Lippen presste und kurz darauf fein säuberlich damit begann, ihm die Zunge in Richtung Luftröhre in den Hals zu stecken, schob er ihn in Richtung Bett. Seishirou keuchte kaum hörbar auf. Ob es daran lag, dass er erregt war, oder weil er langsam erstickte, war nicht ganz ersichtlich.
 

Es war ihm auch eigentlich egal, wenn er recht drüber nachdachte, denn verdient hätte er es. Subaru schubste ihn auf die Matratze und kniete sich dann über Seishirou, ein Bein zu jeder Seite, um ihm ohne Umschweife das Hemd aufzuknöpfen. Sein eigenes Selbstbewusstsein erstaunte ihn selbst (aber er wollte nicht zu genau darüber nachdenken, denn dann wäre es wahrscheinlich gleich wieder weg), aber er wusste nicht, ob es ihn erleichtern sollte, dass es Seishirou nicht so ging. Dieser wirkte zwar etwas überrumpelt, aber nicht wirklich überrascht.
 

Mit einer Hand wischte er das Hemd, aus dem Seishirou sich mittlerweile befreit hatte, vom Bett, mit den Fingern der anderen bearbeitete er Seishirous linke Brustwarze, als wollte er sie langsam und ausgesprochen sicher vom Körper entfernen. Als das unterdrückte—ja, das war wohl so etwas wie ein Wimmern— seines Opfers zu sehr nach Schmerz klang, ließ er Gnade walten und hörte auf. Nicht, dass er es nicht ein bisschen genossen hatte—na gut, sehr viel—aber das war ihm heute wirklich zu kompliziert; ein anderes Mal vielleicht.
 

Irgendwie war er ohnehin nicht allzu erpicht darauf, die Sache in irgendeiner Form hinauszuzögern.
 

Subaru öffnete die Gürtelschnalle des Mannes, dann den Knopf, und zog ihm die Hose ein Stück herunter. Sein Handballen streifte seinen—streifte den—streifte etwas. Zum Dank landete Seishirous Zungenspitze für einen kurzen Moment etwas zu tief in seinem Ohr. Subaru gab eine Art Fiepen von sich und kniff die Augen zusammen, während die Zungenspitze die Schnörkelmuster auf der Innenseite seiner Ohrmuschel nachmalte. Ja, Seishirou wirkte definitiv enthusiastisch. Seine eigene Erregung konnte er zwar auch nicht unbedingt verbergen (der sehr lebendige Beweis drückte gegen Seishirous Oberschenkel), aber irgendwie konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, dass ihm selbst die Begeisterung fehlte.
 

Trotzdem, irgendwie wollte Subaru die Chance nutzen, Seishirous zartes, jungfräuliches Gesäß zu betasten, die sich wirklich nicht alle Tage bot. Außerdem widmete er sich weiterhin (weitestgehend) liebevoll seinem Hals und seinen Schultern, zumindest bis er gähnen musste, sich beim Einatmen beinahe an einer von Seishirous Haarsträhnen verschluckte und gegen seinen Hals würgen musste. Um dieses doch recht peinliche Missgeschick zu vertuschen, unternahm er noch etwas viel peinlicheres mit seiner Zunge (nein, er hatte nicht gerade ein kleines Herzchen auf seine Haut gezeichnet) und seufzte in sich hinein, was Seishirou wohl als einen Ausdruck von Zufriedenheit oder gar Erregung einordnete, aber dem war nicht wirklich so. Wehre dich nicht gegen das, was du wirklich willst—
 

Subaru schloss die Augen.
 

*
 

Seishirou spürte, wie Subarus Bewegungen immer träger wurden, seine Hände letztendlich ganz aufhörten, ihn zu liebkosen und, umgekehrt, auch kaum noch Reaktionen auf seine Handlungen folgten, bis sich irgendwann auch die Zunge zurückzog. Schließlich hörte er leises Schnarchen. Es wurde zu einer ausgesprochen schlimmen Nacht, da er weder Subaru von sich herunterschieben konnte, ohne ihn zu wecken (und wirklich, Subaru musste schlafen, seine Augenringe waren episch), noch ignorieren, wie Subarus Oberschenkel direkt zwischen seinen Beinen ruhte. Er drückte die Lippen aufeinander und wartete darauf, dass er sich... abregte.
 

So kam es, dass Subaru, wenn auch unbewusst, endlich Rache für all das nahm, was Seishirou ihm angetan hatte.
 

*
 

Ende
 

*
 

Anmerkungen (Oktober 2009)
 

Die Urversion enthielt in einem Satz Bernd das Brot. Meine Beta (die übliche Verdächtige, Mizukaze ♥) hatte zwar allem Anschein nach nichts dagegen, aber ich habe mich dann doch schweren Herzens dazu entschieden, ihn rauszustreichen. Ich glaube, es war eine positive Veränderung. Jetzt steht da übrigens „Na großartig“: Das ist zwar nicht halb so revolutionär, aber man sollte es selbst bei einer Crackfic ja nicht unbedingt übertreiben—zumindest nicht mit allem. ; )

Zum Ende hin gibt es eindeutig zu viele Klammern und Gedankenstriche. *seufz*



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-05-23T16:24:02+00:00 23.05.2010 18:24
^^ einfach nur herrlich... dein Schreibstil ist klasse und ich musste so viel lachen, dass ich tatsächlich Seitenstechen bekommen habe... Außerdem werde ich wahrscheinlich nie wieder Zucchini anschauen können ohne an Subaru und deine FF denken zu müssen...
LG
TA
Von: abgemeldet
2010-05-15T21:14:57+00:00 15.05.2010 23:14
Es gibt im deutschen X/1999 Fandom nicht gerade viele gute FFs, aber diese Geschichte zählt definitiv zu diesen raren, guten Geschichten. Es war crack, aber trotzdem IC. Ich habe herzlich gelacht.

mfg

milkcracker
Von:  oOArtemisOo
2010-04-30T21:53:23+00:00 30.04.2010 23:53
^^ Also ich muss sagen ich bin wirklich begeistert. Ich habe wirklich viel gelacht und das lesen einfach nur genossen. lg Artemis


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