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Vertrauen und Verrat

von

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Unerwartete Hilfe

Erschöpft ließ ich meinen Kopf auf die Schulbank fallen und schloss meine Augen. Ich hatte fast die ganze Nacht nicht geschlafen, hatte versucht, mit Kian zu reden, vergebens. Inzwischen waren seit dem Liebesgeständnis von Alice und Kians Reaktion darauf fast zwei Tage vergangen. Es war Freitag früh, in der Pause nach der ersten Unterrichtsstunde.

„Jetzt hör mir gefälligst zu!“, schrie Dean und packte mich grob an den Schultern, zog mich in eine aufrechte Position, „Ich will wissen, was hier gespielt wird! Was hat dein ach so toller Freund mit meiner Schwester angestellt? Seit zwei Tagen hat sie ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Sie isst nichts mehr, geht nicht mehr in die Schule und heult den ganzen Tag lang!“

Ich seufzte. „Kian auch…“

Dean war baff. Sein Mund klappte auf, wie bei einem Goldfisch, und er starrte mich an, als sei ich das erste Auto auf dem Mars. Aber er sagte nichts.

„Kannst du Alice etwas ausrichten?“, fragte ich vorsichtig, jetzt wo Dean sich aufgrund meiner Bemerkung wieder etwas beruhigt hatte, wollte ich ihn nicht wieder provozieren. „Sag ihr, dass es Kian leid tut, aber es ging nicht anders.“

„Wie meinst du das?“, kam es verwirrt von Dean.

Ich löste mich aus seinem Griff und zog ihn aus dem Zimmer, in den Flur, in eine dunkle Ecke, damit keiner mithören konnte. Verwirrt ließ Dean sich das gefallen.

„Wie viel weißt du über Kians Familie?“, fragte ich sachlich.

„Gar nichts.“ Dean fuhr sich, sichtlich bemüht um seine Fassung, mit der Hand durch sein Haar. „Außer dass er vor einer Weile von zu Hause abgehauen ist…“

Ernst sah ich meinen Klassenkameraden und guten Freund an. „Was ich dir jetzt sage, musst du für dich behalten. Du darfst es niemandem sagen, auch nicht Alice, Ryan oder George.“

Sichtlich irritiert nickte Dean. „Okay…“

„Der Grund, weshalb Kian Alice so behandelt hat, ist simpel. Er will, dass sie ihn hasst.“

„W- was?“, wurde ich unterbrochen, „Das ist doch bescheuert!“

Ich schüttelte meinen Kopf. „Vielleicht für dich. Aber irgendwann wirst du es verstehen. Du wirst Kian noch dankbar dafür sein. So hat Alice zwar ein paar Wochen Liebeskummer, aber sie lebt und kann sich in ein paar Monaten in jemand anderen verlieben. Hätte er nachgegeben, wäre sie in Gefahr gewesen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ihr dann jemand auf der Straße in einer dunklen Ecke aufgelauert und sie heimlich umgebracht hätte.“

Dean starrte mich fassungslos an. „Bist du völlig verrückt? Welcher halbwegs normale Mensch würde so etwas tun?“

„Kian ist es verboten, sich mit Leuten zu treffen, die nicht zur Familie gehören.“, fuhr ich fort, „Hält er sich nicht daran und andere Personen bedeuten ihm etwas, wird er entweder von ihnen getrennt, notfalls mit Gewalt, oder sie werde einfach ausgelöscht.“.

„A- aber-“, warf Dean völlig perplex ein, „Wieso ist er dann hier? Und wieso seid ihr zwei Freunde? Ihr zwei kennt euch doch schon ewig. Wenn es stimmt, was du eben gesagt hast, warum lebst dun dann noch? Du müsstest längst tot sein.“

„Um genau zu sein: seit sechs Jahren, seit dem Tag an dem meine Mutter starb.“ Ich wandte meinen Blick ab und starrte auf den Boden. „Ich habe aus versehen eines ihrer Familiengeheimnisse herausgefunden. Seitdem stehe ich auf der Liste der Tod gewünschten Personen ziemlich weit oben. Der einzige Grund, warum ich noch lebe, ist: Kian schützt mich, seit dem Tag damals.“ Meine ohnehin schon gesenkte Stimme war von Wort zu Wort leiser geworden. Am Ende hatte ich nur noch geflüstert.

Dean war völlig sprachlos. Er starrte mich geschockt an.

„Mehr darf ich nicht sagen.“, fuhr ich fort, „Sonst wirst du ebenfalls zu ihrem Ziel.“

Mein Klassenkamerad schaute mich geschockt an. „Das- Ich- Wieso sagst du mir das alles?“

Diese Frage verwirrte mich. Ich wusste die Antwort selbst nicht richtig. „Vielleicht damit du aufhörst, so schlecht über Kian zu reden?“ War das wirklich der Grund. Ich wusste es nicht.

Dean lehnte sich erschöpft gegen die Wand. „Also um es noch einmal zusammenzufassen: Kian ist in meine Schwester verknallt, kann aber nicht mit ihr zusammen sein, weil seine Familie ihr sonst etwas antun würde. Des weiteren darf er keine Freunde haben. Und ihr beide seid trotzdem Freunde, weil es bei dir egal ist. Du bist so oder so ihr Ziel.“

Ich nickte. „So sieht es aus.“

In diesem Augenblick klingelte es zum unterricht. Schnell rannten Dean und ich in unser Klassenzimmer, wo wir von einem wütenden Lehrer empfangen wurden. „Alec und Dean, wo sind Sie gewesen?“

Ich lächelte entschuldigend. „Wir hatten etwas wichtiges zu besprechen und haben die Zeit vergessen. Entschuldigen Sie bitte unsere Verspätung.“

Seufzend setzte der Lehrer seinen Unterricht fort, während Ryan mich verwundert anschaute. „Über was habt ihr gesprochen?“, fragte er nach einer Weile.

„Alice liegt seit zwei Tagen mit Liebeskummer im Bett. Kian hat ihr einen Korb verpasse.“, erzählte ich von einen Teil unseres Gespräches, „Ihm geht es nicht viel anders…“

Mein Banknachbar warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Kian tut mir leid. Wie kann ihm seine Familie das nur antun? Haben sie denn überhupt keine Gefühle?“

Ich schüttelte meinen Kopf. „Für sie ist er nichts wert, wegen seiner Mutter…“

Ryan senkte seinen Blick. „Das verstehe ich nicht. Irgendwer muss doch da mal eingreifen.“

Wieder schüttelte ich meinen Kopf. „Keiner hat es bis jetzt überlebt, sich mit ihnen anzulegen. Entweder sie zwangen ihn zur Zurückname seiner Aussage oder haben sie verschwinden lassen. Schätze mal, mir wird es nicht anders ergehen.“

Geschockt sah mein Banknachbar mich an. „W- was meinst du damit?“

Ich seufzte. „Es ist kein Geheimnis, dass sie mich seit sechs Jahren tot sehen wollen. Würde Kian sie momentan nicht daran hindern, wäre ich das auch sicher schon.“

Ryan hielt seine Luft an und riss seine Augen weit auf. „W- was? Das kann nicht sein.“

„Ist es aber.“, antwortete ich monoton, „Für sie bin ich ein Risiko, weil ich zu viel weiß und Kian daran hindere, sich an die Regeln zu halten. Besser du mischst dich da nicht ein, sonst ergeht es dir ähnlich.“ Mit diesen Worten wendete ich mich von Ryan ab und schaute wieder aus dem Fenster, zu dem besagten Apfelbaum des Nachbarn, auf dem gerade ein paar Vögel saßen und fröhlich vor sich hinzwitscherten. Wie gerne würde ich jetzt mit ihnen tauschen… Aber anstatt draußen zu sein und meine Freiheit zu genießen, saß ich hier in einem stickigen alten Raum und musste mir das langweilige Gequatsche der Lehrer anhören. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis endlich die letzte Unterrichtsstunde vorbei war und es klingelte.

Sofort sprang ich auf, stopfte meine Schulsachen irgendwie in den Ranzen und wollte gerade aus dem Zimmer stürmen, als Ryan mich am Arm packte. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte er in einem bittenden Ton.

Ich seufzte. „Worum geht es? Du weißt, ich habe nicht besonders viel Zeit.“

„Kannst du mir die Englischhausaufgaben erklären? Ich kapier sie nicht.“

Dazu hatte ich gerade zwar überhaupt keine Lust, aber ich gab nach. Ryan würde mir dann sicher auch einmal helfen oder mich in Mathe abschreiben lassen. „Dann komme ich kurz mit zu dir. Aber viel Zeit habe ich nicht. Ich möchte Kian nicht zu lange allein lassen.“

Dankbar sah mein Banknachbar mich an. „Danke. Du hast was gut bei mir.“

„Denk einfach bei der nächsten Mathearbeit an mich.“, antwortete ich grinsend.

Ryan lachte. „Du weißt schon, dass abschreiben nichts bringt, oder?“

„Doch!“, mein Grinsen wurde noch breiter, „Es rettet meinen Durchschnitt.“

Lachend machten wir uns auf den Weg zu Ryans Haus. Diesmal holte uns sein Vater nicht ab, er musste arbeiten. Mein Vater und er hatten eine neue Entdeckung gemacht und forschten den ganzen Tag, von früh bis spät. Irgendwie hoffte ich, dass sie zu keinen Ergebnissen kommen würden. Wenn es ihnen gelang, die Existenz von Kian und dessen Familie zu beweisen, wären wir aufgeschmissen.

Unterwegs trafen wir auf eine Gruppe Jugendlicher in abgenutzten Klamotten mit Sonnenbrillen und Bierflaschen in der Hand. Zuerst ignorierte die Gruppe uns, doch als wir nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt waren, kam plötzlich einer von ihnen auf uns zugelaufen. Direkt vor mir blieb er stehen. „Dich kenn ich doch!“, sagte er in einem Ton, der nichts gutes verhieß. Mir lief ein kalter Schauer dem Rücken hinunter.

Gerade wollte ich ihn antworten, dass ich ihn noch nie getroffen hatte, als er seine Sonnenbrille abnahm. Mir leuchteten ein paar gelbe Augen entgegen. „Du bist doch der, der uns belehren wollte! Wie unvorsichtig von dir, hier ungeschützt herumzulaufen.“

Jetzt fiel es mir wieder ein. Das waren die, die ich vor der Kneipe getroffen hatte, kurz bevor ich Kian wieder gesehen hatte. Unauffällig schaute ich mich um. Entkommen konnten wir ihnen nicht mehr. Sie hatten uns eingekreist.

Ich wusste, es war unvorsichtig von mir, ungeschützt durch die Gegend zu laufen, trotz Kians unzähliger Warnungen. Wäre er in der Nähe, hätten sie sicher nicht einmal gewagt, mich anzusprechen. Ich seufzte. Das würde Ärger geben, wenn ich heute nach Hause kam. „Na herzliche Dank. Wegen euch ist Kian sicher heute Abend wütend auf mich.“

Über Ryans Kopf konnte ich ein riesiges imaginäres Fragezeichen sehen, während die Gruppe, sie hatten und immer noch umzingelt, mich leicht geschockt ansah.

„Woher kennst du Kian?“, fragte mich ein anderer von ihnen in einem unfreundlichen Ton.

„Geht euch nichts an!“, gab ich trotzig zur Antwort, was sie anscheinend als Provokation auffassten, denn die gelben Augen, sie gehörten anscheinend dem Anführer der Gruppe, blitzten mich gefährlich an. „Aber Kian ist nicht hier.“, sagte er in einem drohenden Ton, „Es ist keiner hier, der dir helfen könnte oder würde. Jetzt lass mal sehen, wie du hier wieder lebend rauskommen willst. Ich möchte sehen, was du uns entgegenzusetzen hast.“

„Scheiße!“, murmelte ich, dann schaute ich zu meinem Klassenkameraden, „Geh schon mal vor. Ich komme gleich nach.“ Das war zwar gelogen, ich würde hier nicht so ohne weiteres wieder herauskommen, aber wenn es half, meinen Freund nicht mit in diese Sache hineinzuziehen… Momentan gab es wichtigeres als kleine Notlügen.

„Ach? Du glaubst also, wir lassen deinen kleinen Freund hier einfach gehen?“, zischte der Anführer der Gruppe und kam langsam einige Schritte auf mich zu.

„Er hat nichts damit zu tun.“, warf ich ein, wissend, dass es schon zu spät war.

„Und du glaubst, das interessiert mich?“ Die Stimme meines Gegenüber klang drohend.

Fieberhaft überlegte ich, wie ich hier weg kam. Ich wusste, wer mir gegenüberstand, zwar nicht den Namen, aber dass er einer von diesen Wölfen war, genau wie der Rest der Gruppe. Aber mir fiel nichts ein. Eine Flucht war unmöglich. Sie hätten mich sofort wieder eingeholt und außerdem müsste Ryan darunter leiden. Diese Möglichkeit fiel also aus. Einfach verschwinden würden die Wölfe auch nicht. Das war sicher. Das einzige, was ich noch tun konnte, war zu hoffen, dass Kian mir zur Hilfe kam. Ansonsten wäre ich aufgeschmissen.

Im Augenwinkel sah ich, wie Ryan einige Schritte zurückwich. Seine Instinkte hatten ihm also verraten, in was für einer Situation er sich gerade befand. Meine sagten mir es auch, doch ich wich bewusst nicht zurück. Kian hatte mich gewarnt, genau das nicht zu tun, es würde sie nur dazu verleiten, uns erst jetzt etwas anzutun.

„Sag mal, ganz dicht bist du nicht. Kann das sein?“, hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir, „Langsam versteh ich, warum dich Kian nicht mehr aus den Augen lässt. Du scheinst uns regelrecht anzuziehen, fast wie ein Magnet.“

Überrascht drehte ich mich um und schaute direkt in zwei tiefe braune Augen, die von Kian Cousine. „Olivia?“ Ich war sprachlos. Was tat sie hier? Gut, sie schaute mich gerade mehr als nur wütend an, trug wie letztes Man abgenutzte Jungenklamotten und ihr aschblondes Haar war zerzaust. Anscheinend lief sie immer so herum.

„Sag mal, kannst du eigentlich auch mal keine Schwierigkeiten machen?“, warf sie mir deutlich gereizt an den Kopf, „Ich kann mich nämlich nicht erinnern, zu deinem Babysitter degradiert worden zu sein, Alec Stone!“

„Ich seufzte und lächelte sie schwach an. „Dann lass es bleiben.“

Olivia schnaubte. „Und was dann? Du weißt genau, was passiert, wenn Kian das herausfindet. Er würde mich für den Rest seines Lebens hassen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Binechan
2010-05-11T08:11:27+00:00 11.05.2010 10:11
bin grad in der schule und hatte nix zu tun, deshalb schreib ich mal ein kommi.

da mein vorgänger schon alles aufgeschrieben hat, sag ich nur:
"Super Kapitel"

lg ich
Von:  chrono87
2010-05-10T17:18:05+00:00 10.05.2010 19:18
vom regen in die traufe, das passt zu dem kapitel.
erst muss er den vermittler spielen und dann gerät er in einen hinterhalt, vor dem er seine freunde dean und ryan gewarnt hat. mit alec wird es also nie langweilig.
mich würde ja interessieren, was in ryans kopf so vor geht. sicher zählt er schon eins und eins zusammen und macht sich klar, dass alec genau davor gewarnt hat.
ja, wie kommt olivia da hin? warum ist sie in der stadt? und vor allem, hat sie genauso viel zu sagen, wie kian? denn wenn nicht, sieht es noch immer schlecht für alec und ryan aus.
ein tolles kapitel. ^^
lg chrono87


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