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Momentaufnahmen

von

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Grünes Licht oder rot?

Kurze Anmerkung der Autorin: Ich hab mir noch nie das Schlüsselbein gebrochen (generell noch nie irgendeinen Knochen...) Aber mein Bruder hat das schon mal hingekriegt... allerdings ist das auch schon ein Weilchen her. Sollte ich also hier irgendeinen kompletten Schwachsinn verzapfen, sagt mir Bescheid xD (ach und ich weiß, dass Röntgenstrahlung relativ schädlich ist...)

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Zur nächsten Röntgenaufnahme begleitete Phillip ihn.

Er wartete vor der Tür mit einer Schwester. Leon hatte sich auf eine metallene Liege legen müssen, den Oberkörper unbedeckt. Über die Lenden hatte ihm die Schwester eine Art Bleischürze gelegt – eine Schutzmaßnahme.

Es dauerte gar nicht so lange, dann war die Aufnahme gemacht, und sie warteten auf den Arzt.

„Hoffentlich gibt er mir grünes Licht, dass ich wieder ins Training kommen darf“, seufzte Leon, schlürfte seinen Kaffee, den Phillip ihm und sich geholt hatte. Er selbst starrte nur auf den Becher in seinen Händen und erwiderte: „Hoffen wir lieber, dass bei dem Zwischenfall am Wochenende nichts passiert ist. Eine Operation würd ich dir nämlich nicht wünschen.“

„Nicht? Mensch, das ist aber nicht sehr großzügig von dir!“ Er lachte und Phillip hörte, dass er es nur tat, um seine Nervosität zu überspielen.

„Sie können jetzt mitkommen, Herr Naumann.“ Es war die Schwester von zuvor, die ihn nun aufrief und Leon sprang regelrecht auf, warf Phillip einen nervösen Blick zu, während der sich schwerfällig erhob und seinen Nacken knacksen ließ – diese Krankenhausstühle waren wirklich alles andere als bequem.

Sie folgten der Schwester in einen der Behandlungsräume, sie ließ sie wieder allein.

Leon setzte sich auf die Liege, Phillip nahm auf einem Stuhl neben ihm Platz, nahm seine Hand und sagte sanft: „Es wird schon alles in Ordnung sein. Du hattest die letzten Tage ja viel weniger Beschwerden.“

„Und wenn nicht?“, fragte Leon tonlos, drückte seine Hand.

„Dann musst du halt noch ein bisschen warten, bis wieder alles in Ordnung kommt. Und jetzt mach dir keine Sorgen mehr.“ Leon nickte unsicher.

Sie warteten ewig, bis endlich der Arzt eintrat. Sie standen auf und gaben ihm die Hand, dann klemmte er die Aufnahmen vor ein Lichtbrett und schaltete das Licht an. Er sah sich die Bilder einen Moment lang an, kratzte sich dann am Kinn.

Schließlich wandte er sich den Beiden wieder zu und sagte: „Nun, Herr Naumann. Man kann immer noch die Bruchstelle auf dem Bild erkennen“ Er deutete auf der Aufnahme darauf. Leon sog scharf die Luft ein und Phillip wusste, was ihm durch den Kopf ging: war das jetzt ein schlechtes Zeichen? „Aber ansonsten scheint das Ganze gut zu verheilen. Sie sollten auf jeden Fall noch drei bis vier Wochen die Physiotherapie weiterführen, dann dürften Sie in Zukunft keine Probleme mit ihrer Schulter haben.“

„Und Fußball?“, rutschte es Leon heraus.

„Warum nicht? Sie sollten allerdings gut aufpassen, dass Sie nicht wieder so unglücklich stürzen.“ Phillip schnaufte innerlich. Was war denn das für eine Aussage? Als hätte Leon es das erste Mal absichtlich getan!

„Werd ich tun!“, sagte nun allerdings Leon und sprang von der Liege auf, auf die er sich zwischenzeitlich wieder gesetzt hatte. „Vielen Dank.“ Er reichte dem Arzt die Hand – Phillip tat es ihm nach – dann sprang er schon beinahe aus dem Krankenhaus.

„Ja herrlich!“, rief er, als sie draußen waren und zu Phillips Auto gingen. „Endlich kann ich wieder gescheit trainieren!“
 

Es war kurz vor Ende der Saison, als sie wieder zusammen auf der Tribüne lagen.

Ihre Köpfe lagen nebeneinander, die Füße ragten in entgegengesetzte Richtungen und sie hielten die Hand. Leon hatte am Wochenende seit langem wieder sein erstes Spiel bestritten und etwas eifersüchtig hatte Phillip festgestellt, dass er genauso gut spielte wie immer. Er hatte sogar ein Tor gemacht. Tobias hatte es vorbereitet.

Nun lagen sie da und sahen in den blauen Himmel. Leon hatte sich das T-Shirt ausgezogen; er wollte braun werden, hatte er ihm erklärt. Phillip hatte nur geschmunzelt, sich aber ebenfalls das T-Shirt ausgezogen – es war einfach entschieden zu warm.

„Alter, haltet ihr Händchen?“

Er kannte diese Stimme. Er wusste, dass Mark vor ihnen stand und sie ungläubig musterte.

Er war wie gelähmt.

Einen Moment herrschte Stille und er spürte, dass Leons Hand sich fester um seine schlang.

„Was zur Hölle geht denn ab? Seid ihr tot, oder was?“ Jetzt kam wieder Leben in Phillip. Er ließ augenblicklich Leons Hand los, setzte sich auf, warf dem Libero einen hilfesuchenden Blick zu, doch der sah nur zur Seite.

Die Sekunden in denen Mark sie nur verwirrt musterte, vergingen quälend langsam.

„Was ist? Habt ihr nix zu sagen?“ Sie beide schwiegen, vermieden Marks Blick.

Dem klappte der Mund auf.

„Wollt ihr etwa… heißt das… seid ihr etwa ernsthaft Schwuletten?“

Phillip schluckte hart. Was für eine freundliche Art es auszudrücken.

„Warum bist du eigentlich noch da?“, fragte er nun und seine Kehle war staubtrocken.

„Warum ich noch da bin ist doch scheißegal! Alter, ich fass es nich! Ihr seid echt schwul! Wie behindert ist das denn? Boah, ist das eklig!“ Er tat einen Schritt zurück, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

Leon schwieg weiter.

Die Luft stand, die Sonne brannte auf sie herab. Die Hitze war nun noch unerträglicher als zuvor.

Phillip jedoch erhob nun die Stimme: „Und wenn schon. Was soll denn bitte daran eklig sein? Immerhin machen wir nicht auf jeder Party mit fünf verschiedenen Weibern rum! Ja, wir sind zusammen, na und? Wir spielen ja deshalb nicht schlechter Fußball!“

„Und wenn ich auf jeder Party mit zehn Mädchen poppen würde, ihr fickt euch in den Arsch! So was widerliches!“ Ihr Mitspieler wandte sich ab und lief über den Platz zurück zu den Umkleiden.

Phillip sah ihm schnaufend nach.

„So ein Arsch!“, brüllte er. „Was geht bei dem eigentlich im Kopf ab? Ich weiß echt nicht, wo sein Problem liegt!“ Er war aufgestanden.

„Phillip“ Hörte er Leon zaghaft sagen, spürte wie seine Hand sich in seine eigene schob. „Hast nicht du am Anfang gesagt, dass wir aufpassen müssen, dass die anderen nichts mitbekommen?“ Der Angesprochene hielt inne. Er sah auf Leons geneigten Kopf. Dann sagte er: „Ja klar, aber er muss ja nicht gleich so 'nen Aufstand machen! Als würden wir die Mannschaft gefährden oder so was, dabei bist du unser wertvollster Spieler. Wir steigen nächste Saison nur dank dir auf.“

„Aber wie hättest du an seiner Stelle reagiert? Wenn du ihn vor drei Monaten mit mir hier vorgefunden hättest?“

„Bestimmt nicht so!“, schnaufte Phillip. Er hätte sich nie so affig angestellt!

„Ach komm schon! Du hättest doch ganz genauso reagiert. Jetzt kannst du das so leichthin behaupten, aber auch nur, weil du in der Situation bist. Es reagieren doch immer alle gleich.“ Er wirkte verzweifelt, tieftraurig, fast schon verbittert.

Phillip setzte sich wieder zu ihm, streichelte ihm durch die Locken.

„Tut mir leid“, flüsterte er, doch Leon sah ihn nicht an, sondern erhob sich und sagte dann bitter: „Fährst du mich nach Hause?“ Normalerweise quengelte er immer, dass er nicht nach Hause, sondern bei ihm bleiben wollte. Trotzdem bejahte er.
 

Schließlich lag er alleine auf seinem Bett im Dunklen, hörte wie der Regen draußen gegen die Scheiben klopfte.

Es hatte Leon wohl wirklich getroffen wie Mark reagiert hatte.

Hatte er so was schon öfter erlebt?

Er tat ihm leid.

Und was erwartete sie nun überhaupt? Mark würde wohl kaum sein geschwätziges Maul halten. Spätestens beim nächsten Training würden es alle wissen, einschließlich des Trainers. Wie würde der Rest der Mannschaft reagieren? Genauso wie Mark?

Was für ein scheiß Tag!

Und er wusste, dass die nächste Zeit genauso beschissen werden würde.
 

Und es kam, wie er es vermutet hatte.

Die folgende Zeit wurde der absolute Horror.

Die anderen Mitspieler wechselten kein Wort mehr mit ihnen, kooperierten im Training nicht mit ihnen und im Spiel bekamen sie keinen einzigen Pass von den anderen. Der einzige, der wenigstens eine Stufe über den anderen stand, war Tobi.

Wenn sich wirklich keine andere Möglichkeit ergab und bevor ihm der Ball abgenommen wurde, passte er entweder Leon oder Phillip zu, wenn sie frei standen.

Und auch Leon distanzierte sich von ihm.

In dieser Zeit hasste er sein Leben abgrundtief.

Wieso musste gerade ihm das passieren?

Er fühlte sich verlassen. Von der ganzen Welt und vor allem von Leon. Warum wandte der sich plötzlich so von ihm ab?

Sie saßen gerade nach dem Training im Auto und Phillip sollte Leon eigentlich nach Hause fahren, da fasste er einen Entschluss. Er fuhr nicht zu ihm, sondern zu sich nach Hause.

„Du solltest mich doch nach Hause fahren“, sagte Leon müde.

„Wir müssen reden“, erwiderte Phillip daraufhin nur kühl und holte seine Tasche hinten aus dem Auto, schloss es ab, nachdem Leon es ihm nachgetan hatte.

„Worüber denn bitte?“, fragte Leon nun, wirkte genervt.

„Alles.“ Er ging in seine Wohnung und als erstes in Richtung Kühlschrank. Er hatte Hunger.

„Was alles?“ Leon lehnte sich gegen den Küchentisch, beobachtete seinen Freund.

„Die Mannschaft, die Spiele“, zählte Phillip auf und beim letzten Wort drehte er sich zum Libero um, sah ihn durchdringend an. „Uns.“

Leon schluckte. Nervös fuhr er sich durchs Haar und fragte: „Wieso willst du denn über uns reden?“

„Nachher“, vertröstete Phillip ihn. „Ich hab übelst Hunger, wir essen erst was.“ Nachdem er jedoch nichts im Kühlschrank fand, was man hätte kochen können, warf er einfach nur zwei Pizzen in den Ofen, stellte den Wecker.

Sie warteten und schwiegen sich an, während sie sich am Tisch gegenüber saßen.

„Jetzt mach doch endlich mal ’ne Ansage, das nervt tierisch!“, brauste Leon plötzlich auf.

Phillip holte tief Luft, sah Leon in die Augen. „Dir geht die ganze Sache ziemlich zu Herzen, oder?“

„Dir etwa nicht?“, fragte Leon kleinlaut, vermied den Blickkontakt.

„Nur bedingt. Was die anderen aus der Mannschaft von mir denken ist mir inzwischen so ziemlich egal. Sollen sie mich doch als Arschficker und was weiß ich was beschimpfen; ist mir gleich.“

„Schön für dich“, murmelte Leon, nestelte mit den Fingern an seiner Hose.

„Was mir allerdings nicht egal ist“, sagte er schließlich und ergriff Leons Hand, zog sie zu sich. „Ist, wie du dich verhältst. Ich dachte, gerade jetzt sollten wir zusammenhalten, aber du wendest dich nur von mir ab. Was soll das, Leon? Hängt das damit zusammen, dass du glaubst dadurch wieder mehr in die Mannschaft integriert zu werden? Vergiss es! Die haben jetzt das Bild von dir und mir und dabei werden sie vorerst bleiben. Und irgendwann werden sie sich mit Sicherheit wieder einkriegen.“ Er versuchte sich an einem Lächeln, doch Leon zog seine Hand zurück und entgegnete: „Daran liegt es doch gar nicht. Ich weiß nicht, warum ich das tue, aber eigentlich will ich ja jede Minute mit dir verbringen, aber... Ich kann es nicht sagen und es tut mir leid, aber…“ Er brach ab, schluckte hart. Nun schob er seine Hand wieder Phillip zu, der sie ergriff.

„Stört dich was an mir?“, versuchte es Phillip, doch Leon schüttelte den Kopf. „Liebst du mich nicht mehr?“, fragte er tonlos. Er wollte am liebsten gar keine Antwort auf diese Frage. Sollte Leon es nicht mehr tun, wusste er nicht, wie er reagieren sollte.

„Doch!“, rief Leon allerdings hastig aus, sah auf. „Ich liebe dich wie immer, wenn nicht sogar noch mehr, aber mich zieht die ganze Sache so wahnsinnig runter und ich will dich nicht mitziehen.“ Beschämt sah er wieder zur Seite, doch Phillip musste unwillkürlich lächeln.

„Und ich dachte immer, dass es zu 'ner Beziehung dazugehört, auch in schweren Zeiten zusammenzuhalten… Leon glaub mir, jetzt grad mögen die sich aufspielen und den Schulhofrowdy raushängen lassen, aber spätestens zu Beginn der nächsten Saison ist alles wieder beim Alten, wenn sich alle beruhigt haben.“

„Bist du sicher, Phlip?“ Er hatte ihn schon lange nicht mehr so genannt. Phillip streichelte ihm mit dem Daumen über den Handrücken, lächelte und sagte: „Ganz sicher.“ Dann ließ er die Hand los, lehnte sich über den Tisch und zog mit seinem Daumen Leons Mundwinkel nach oben. Die Geste brachte den Schüler wirklich zum Lachen und Phillip stimmte mit ein.

Hoffentlich war nun wenigstens diese Krise überwunden.
 

Nachdem sie gegessen hatten, hatten sie sich vor den Fernseher gesetzt und begonnen einen Film zu schauen. Phillip fand ihn langweilig, doch Leon wollte ihn unbedingt zu Ende gucken. So hatte der Stürmer seinen Kopf gegen Leons Schulter gelegt und döste vor sich hin, gab hin und wieder dumme Kommentare von sich, die Leon fast zur Weißglut trieben.

Gerade kam Werbung.

„Sag mal, weißt du eigentlich inzwischen wenigstens 'ne Richtung in die du dich nach dem Abi orientieren willst?“, fragte Phillip und Leon stöhnte auf. „Jetzt mal ernsthaft, du solltest dich langsam entscheiden…“

„Ich werd Profifußballer!“, brauste Leon plötzlich auf. Phillip hob erschrocken den Kopf von seiner Schulter und sah ihn perplex an. Dann fragte er: „Profifußballer? Bist du jetzt komplett bescheuert? Wie stellst du dir das denn vor? Glaubst du, der DFB ruft dich demnächst an und fragt dich, ob du in die Nationalmannschaft willst oder Bayern klingelt bei dir durch, weil sie da noch einen bräuchten?“

Leon stöhnte erneut. „Das war doch nur ein Spaß!“ Er schwieg. Warum war Leon denn plötzlich so angepisst? Doch er lieferte ihm prompt die Antwort: „Ey du bist wie meine Mutter! ‚Konzentrier dich auf die Schule!’ ‚Kümmre dich mal um deine Zukunft!’ ‚Lass doch das blöde Fußballspielen bleiben, das lenkt dich viel zu sehr ab!’.

Ich hasse es!

Fußball ist neben dir das einzige in meinem Leben, das ich wirklich liebe! Ich lebe für den Fußball! Wozu brauch ich denn Mathe, Physik, Kunst und Musik und den ganzen Schrott? Ich will doch nur Fußball spielen! Ich bin doch noch jung, ich bin noch nicht mal volljährig und schon soll ich meine ganze Zukunft vorausplanen und am besten schon mal 'nen Rentenfond anlegen! So ein Rotz!

Ich hör ganz bestimmt nicht auf Fußball zu spielen, ihr spinnt doch alle! Und dass ich nicht so einfach Fußballprofi werden kann, weiß ich doch selbst. Für wie bescheuert haltet ihr mich eigentlich alle? Ich weiß doch, dass ich mir Gedanken um meine Zukunft machen muss und ich tue es ununterbrochen, aber weißt du, wie viel Zeug man studieren und lernen kann? Ich wünschte, ihr würdet mich alle in Ruhe und mich wenigstens jetzt noch Fußball spielen lassen; jetzt, wo ich noch die Zeit dazu habe.“
 

Das lag dem Ganzen also zu Grunde.

Seine Mutter hätte es also am liebsten, wenn er mit dem Fußballspielen aufhörte, weil es ihn anscheinend von der Schule und den wichtigen Dingen des Lebens ablenkte. Nur Leon konnte das natürlich nicht nachvollziehen.

Phillip hingegen konnte beide Seiten verstehen. Er selbst war früher genauso gewesen wie Leon. Er hatte immer nur Fußball spielen wollen. Den Werkrealschulabschluss hatte er nur auf das Drängen seiner Eltern hin gemacht und irgendwann war er dann einsichtig geworden.

Er hatte verstanden, dass man vom Fußballspielen allein keine Miete bezahlen konnte, kein Essen, keinen Strom und kein Wasser. Wenn man nicht in einer der höheren Ligen spielte, verdiente man einfach nichts und dafür war ihre Mannschaft bei weitem zu schlecht – wenn, dann mussten sie bezahlen, wenn der Schiri ihnen eine Karte gab.

Leon schnaubte. Er bemühte sich wohl sich wieder zu beruhigen.

Phillip beobachtete ihn von der Seite. Schließlich wandte er ihm aber wieder das Gesicht zu und sagte, nun ruhiger: „Tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin, aber du hast dich echt so angehört wie meine Mutter. Und die sagt mir ständig, dass ich aufhören soll Fußball zu spielen. Ich ertrag es einfach nicht, wenn sie das tut.

Meine Schwester darf Tennis spielen, wie es ihr passt. Die wird zu jedem Turnier gefahren, egal wie weit es ist. Ich muss selbst schauen, wie ich zu meinen Spielen komme. Sie kriegt auch jedes Jahr neue Tennisschuhe, ich muss meine ausgelatschten von vor drei Jahren immer noch tragen, bis ich genug gespart hab um mir neue Stollenschuhe zu leisten.

Und wirklich jedes Mal, wenn ich mit meiner Mutter länger als fünf Minuten zusammen bin, will sie mir den Fußball wieder ausreden…“ Er überlegte einen Moment. „Naja gut, seit ein paar Wochen will sie mir noch was ausreden.

Von unserer Beziehung ist sie nämlich auch nicht wirklich angetan. Und aus dem Grund will ich eigentlich nie nach Hause, sondern zu dir.“ Er barg sein Gesicht an Phillips Schulter, der seine Arme schweigend um ihn schloss. „Du verstehst mich. Du liebst das Fußballspielen auch. Und du liebst mich. Du willst mir nichts ausreden oder mich verbiegen. Du magst mich einfach so wie ich bin.

Das ist so angenehm.

Ich war so was gar nicht mehr gewöhnt. Deswegen will ich immer bei dir sein. Du bist der einzige, der mich versteht. Der mich verstehen kann.“ Leon atmete tief durch. Phillip küsste sanft sein Haupt. „Aber jetzt ist da auch noch die Sache mit der Mannschaft.

So kann man doch nicht gescheit spielen und gewinnen schon gar nicht. Ich frag mich, warum der Trainer uns nicht einfach auf die Bank setzt.

Wahrscheinlich, weil er uns auch nicht mehr leiden kann, weil wir zusammen sind.“ Er seufzte. Phillip hörte ihm zu und streichelte ihm über den Rücken.

Er wusste gar nicht, was er darauf erwidern sollte, aber er hatte das Gefühl, als bräuchte Leon gar keinen Ratschlag oder sonst irgendwas von ihm. Er brauchte nur jemanden, dem er sich anvertrauen konnte, der ihm zuhörte. Und das konnte Phillip ihm bieten.

Leon sprach weiter: „Als mein Schlüsselbein gebrochen war, war ich auch so froh, dass du für mich da warst. Wenn ich dich nicht gehabt hätte, wär ich wahrscheinlich total eingegangen. Vor dir hab ich immer nur den Fußball geliebt und nur dafür gelebt.

Hin und wieder hatte ich mal was mit irgendeinem Typen, aber ich war nie verliebt. Wenn dann war ich nur besoffen und hab halt mit einem rumgemacht, weil es sich angeboten hat. Aber seit ich dich hab, geht es mir irgendwie besser.

Ich hab einen Pol in meinem Leben dazubekommen. Irgendwie ist es wie mit Stelzen. Früher war mein einziger Halt der Fußball und dadurch hab ich immer gefährlich geschwankt. Hätte ich damals länger aussetzen müssen, wäre ich abgestürzt. Jetzt hab ich noch dich und du gibst mir zusätzlich Sicherheit. Und wenn ich falle, dann fängst du mich auf.

Wenn ich meine Launen hab, dann lächelst du nur und lässt mich spinnen.

Wenn ich wieder irgendwas total Bescheuertes mache, dann machst du einfach mit und teilst meine Freude.

Und wenn ich nachts rumheule und vor Schmerzen und Übermüdung nicht schlafen kann, dann hältst du mich im Arm, tröstest mich und würdest Himmel und Hölle in Bewegung setzen, nur damit es mir besser geht.“ Er drängte sich näher gegen Phillip. Der hatte inzwischen seine Wange auf Leons Kopf abgelegt und ihm gebannt gelauscht.

„Und jetzt laber ich dich hier voll und du hörst mir zu, unterbrichst mich nicht, sondern hältst mich im Arm. Ich hab dich eigentlich gar nicht verdient.“ Er lachte, hob den Kopf an und sah Phillip melancholisch lächelnd entgegen.

Der fragte sich nun wer hier wen nicht verdient hatte. Doch er lächelte seinen Freund aufmunternd an, küsste ihn sanft und sagte dann: „Ich liebe dich.“ Er wusste nicht, was er ihm anderes hätte sagen sollen. Und nicht einmal das reichte in dem Moment eigentlich aus um seine Gefühle zu beschreiben.

„Ich dich auch.“ Leon blinzelte glücklich, küsste ihn auch. Dann legte er ihm den Kopf in den Schoß, sah zum Fernseher und rollte sich auf dem Sofa zusammen.

Sie schwiegen.

Vom Film hatten sie einiges verpasst, aber Phillip störte das ja nicht.

Er kraulte Leon durchs Haar, genoss die Nähe zu ihm und dachte noch einmal über das Gesagte nach. Deshalb wollte Leon immer zu ihm.

Und er hatte seiner Familie, also zumindest seiner Mutter, von ihrer Beziehung erzählt. Das hatte er selbst noch vor sich und es graute ihm davor. Besonders seine beiden Brüder würden wohl ziemlich brüsk reagieren.

Aber jetzt hatte ihm Leon sein Herz ausgeschüttet.

All das hatte er zuvor mit sich rumgeschleppt, all die Worte hatten auf seinem Herzen gelastet und er hatte alle gesagt, als hätte er Steine aus einem Rucksack genommen.

Es war unglaublich!
 

Als der Film zu Ende war, war Leon schon eingeschlafen. Es war Samstagabend, also konnten sie am nächsten Morgen ausschlafen. Dennoch stellte Phillip den Fernseher aus und weckte Leon sanft. Der meldete sich nur mit einem Brummen und bedeutete Phillip so, dass er wach war und ihn hörte.

„Los, steh auf, der Film ist vorbei und wenn du schlafen willst, solltest du das lieber im Bett tun, sonst hast du morgen nämlich 'ne Genickstarre.“

„Aber ’s is doch so bequem“, nuschelte der Angesprochene kaum verständlich, umfasste zur Bestätigung Phillips Bauch – er hatte sich inzwischen auf die andere Seite gelegt – und drückte sich noch näher an ihn.

„Ich will aber auch schlafen gehen und zumindest für mich ist es hier ziemlich unbequem. Jetzt steh schon auf, du musst doch nur kurz rüber ins Schlafzimmer gehen und dich ins Bett legen, dann kannst du weiterschlafen.“

„Ich mag aber nich!“, murrte der Jüngere nun und Phillip griff zu drastischeren Maßnahmen. Er zwickte ihm wiederholt in die Seite und zog ihm leicht an einzelnen Haarsträhnen. „Oh Phillip!“, stöhnte Leon schließlich. Aber es wirkte. Er erhob sich langsam und träge. Als er vor ihm stand, warf er ihm noch einen Blick zu, der ihn hätte töten können, dann schlurfte er in Richtung Schlafzimmer weg.

Phillip lächelte nur, schaffte noch wenigstens oberflächlich Ordnung und folgte ihm dann. Leon hatte sich – Bauch voran – einfach aufs Bett fallen lassen und ratzte da nun friedlich weiter. Phillip packte seine Beine, die noch weit über die Bettkante herausragten und verfrachtete sie zum Rest von Leons Körper aufs Bett. Dann legte er sich auch hin, legte einen Arm um ihn, schloss die Augen und schlief schnell ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yura-san
2010-09-06T15:31:09+00:00 06.09.2010 17:31
Ohh, wie niedlich *~*
Die sind soo süß, die beiden ^^
Aber jetzt kann man echt verstehen, warum Leon nie nach Haue will.. Würde ich wahrscheinlich auch nicht wollen, bei so mieser Behandlung ._.
Danke fürs hochladen und dann freu ich mich schon auf ein nächstes Kapi ^^
LG, Yura-san


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