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Engelsgeflüster

Würdet Ihr mir einen Tanz schenken, Milady?
von

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Engelsgeflüster

Als ich acht Jahre alt war, begegnete mir mein Märchenprinz.
 

Engelsgeflüster
 

Bis heute weiß ich nicht, ob es nur ein Traum oder die Wirklichkeit war. Er war genauso plötzlich aufgetaucht, wie er auch wieder verschwunden war… Meinem Herzen das schönste Geschenk hinterlassend… dass sich ein Kind nur hätte wünschen können.
 

Würdet Ihr mir einen Tanz schenken, Milady?
 

„Sarah?! Eure Tanzstunde beginnt gleich!“, dröhnte die Stimme der Haushälterin quer durch den Flur.

Ich stöhnte genervt auf und wandte mich wieder meinem Spiegelbild zu. Ich zog meine brünetten Zöpfe noch einmal nach, die ich hoch oben auf meinem Kopf trug, drehte mich einmal im Kreis, sodass mein fliedernes Rüschenkleid Wind fasst und lächelte dann noch einmal übertrieben, bevor ich mein Lächeln fallen ließ und aus meinem Schlafgemach trat.

Ich war acht Jahre alt und die kleine Prinzessin meiner Eltern. Als Einzelkind bekam ich alles was ich wollte, aber selbst das war nicht genug. Ich wollte mehr.

Ohne meinen Angestellten die geringste Beachtung zu schenken betrat ich den Tanzsaal in dem mein Lehrer schon ungeduldig auf mich wartete. Ich hasste ihn dafür, dass er mir so perfekt gespielt zulächelte und das obwohl er mich bestimmt für das wohl nervigste Kind seiner gesamten Schule hielt.

Ihn arrogant anblickend, lehnte ich mich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Sie können wieder gehen. Mir ist heute nicht nach Tanzen.“, meinte ich eiskalt.

„Aber-“

„Sie können gehen!“, wiederholte ich laut und verschwand wieder, die Tür hinter mich laut ins Schloss werfend.

Warum mussten sie immer alle erst nachfragen? Wenn ich etwas wollte, dann geschah das auch. So war er schon immer gewesen und so würde es auch immer sein. Verärgert über das protestierende Verhalten meines Lehrers rannte ich aus dem Haus – oder besser Villa – und direkt in mein liebstes Geheimversteck. Weiter hinter im Garten gab es einen kleinen Pavillon, der mit Rosenranken geschmückt und von vielen Hecken vor den Blicken Anderer geschützt war. Dort zog ich mich immer zurück, wenn ich traurig oder wütend war. Also praktisch täglich.

Langsam atmend ließ ich mich auf der Treppe des Pavillons sinken, mit den Tränen kämpfend. Ja, ich bekam immer alles was ich wollte, aber dafür sah ich meine Eltern auch so gut wie nie. Es kam so häufig vor, dass sie noch nicht einmal an Weihnachten da waren oder wie heute, an meinem achten Geburtstag.

Ich fühlte mich so endlos einsam.

Ich war allein.

Selbst in einem so großen Haus, mir so vielen Angestellten, war ich immer allein.

Schluchzend zog ich meine Knie an mich und legte meinen Kopf zwischen diese, als ich gleichzeitig ein Rascheln in den Hecken vernahm. Sofort wischte ich mir mit meinem Ärmel über das Gesicht und blickte zu dem Weg zwischen den Hecken, der als einziger zu meinem geheimen Garten führte.

„Würdet Ihr mir einen Tanz schenken, Milady?“, hörte ich plötzlich die Stimme hinter mir und drehte mich hektisch um. Hinter mir, mitten im Pavillon, mir seine Hand entgegen streckend und freundlich lächelnd, stand ein Junge. Seine hellblonden Locken wehten leicht im Wind, der durch den weißen Marmor zog. Nach seiner Kleidung nach zu urteilen war er nicht adlig, aber ein Angestellter konnte er auch nicht sein, dafür war er zu jung.

„Würdet Ihr mir einen Tanz schenken, Milady?“, wiederholte er seine Frage und trat dabei einen Schritt auf mich zu.

Sofort sprang ich auf und wich einen Schritt zurück, die Treppe ganz vergessend.

Ich fiel.

Doch ich kam nicht unten an.

Seine Hand schloss sich um meine Taille und hielt mich. Dann legte sich seine andere auf meine rechte und im nächsten Moment wurde ich durch die Luft gewirbelt.

Ich tanzte.

Und stand.

Ich stand in der Mitte des Pavillons und betrachtete das Gesicht des mir fremden Jungen.

Wie war er so schnell zu mir gekommen?

Wer war er überhaupt?

Fragend blickte ich in sein Gesicht, das mir von Sekunde zu Sekunde schöner vorkam.

„Würdet Ihr mir einen Tanz schenken, Milady?“, wiederholte er noch einmal und diesmal nickte ich. Ich konnte mir nicht erklären woher die liebliche Melodie kam, die plötzlich den weißen Marmor umgab und ihn in eine andere Welt zu ziehen schien.

Wir wirbelten durch die Wolken aus Ton und Klang und ich lachte.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt so frei und offen gelacht hatte, aber es kam mir wie das schönste Gefühl der Welt vor. Und seine Augen erst. Ihr tiefes Blau schien mich wie in einem Meer schwimmen zu lassen. Seine starken Arme hielten mich an ihn und seine geschickten Beine führten mich wie durch Zauberhand in ein Märchenreich, dass ich schon vor so vielen Jahren verloren hatte.

Ich wollte nie wieder aufhören mit ihm zu tanzen, denn ich hatte Angst, dass dann auch er verschwand, ohne dass ich ihn richtig kennen gelernt hatte. Also fragte ich: „Wie heißt du?“

Doch er lächelte nur und brachte mich dann mit Ende der letzten Note zum stehen.

Enttäuscht blickte ich ihn an, als er plötzlich seine Hände auf meine Schultern legte und mir einen zärtlichen Kuss auf die Lippen hauchte.

„Mein Geschenk an dich, liebste Sarah.“, flüsterte seine Engelsstimme sanft und ich schloss meine Augen, einen weiteren Kuss erwartend.

Doch es kam keiner.

Und als ich meine Augen wieder aufschlug, war mein Prinz nicht mehr da. Ich saß wieder auf der Treppe des Pavillons, meine Knie an mich gezogen.

Hatte ich etwa geträumt?

So etwas konnte ich mir doch nicht erträumen, oder?

Vorsichtig berührte ich mit meinen Fingerspitzen meine Lippen. Sie waren warm.

Es konnte also kein Traum gewesen sein, entschied ich mich strickt.

„Sarah! Mein Kind, wir sind zurück!“, hörte ich plötzlich die Stimme meiner Mutter rufen. Überrascht und erfreut sprang ich auf, lief meiner Mutter entgegen und ließ mich von ihr Umarmen und Küssen und mit Rosen beschenken.

Danke, mein Märchenprinz.
 

Der Engel auf dem Dach des Hauses lachte.

„Mein Geschenk an dich, meine geliebte Sarah.“, flüsterte er und tanzte.
 

~ Ende ~



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