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Silence

von

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Eigentor

„Wenn ich du wäre ...“ Ich zog an meiner Zigarette und hob den Blick. „Wenn ich du wäre, dann würde ich jetzt einen Jungen küssen.“ Meine Lippen verzogen sich zu einem triumphierenden Grinsen. Geschockt ließ er seine Zigarette fallen und drehte sich zu mir um. „Nicht dein Ernst!“, stieß er mit einem Schreckensblick auf die gelackmeierten Kerle mit ihren Krawatten aus. Ich nickte stumm und wusste, dass ich ihm überlegen war. Idiot! „Felix, ich bitte dich! Sieh sie dir an! Ich lauf für dich barfuß durch den Schnee und schrei dabei, kein Ding, ich umarm‘ für dich auch die Höppner, ebenfalls kein Ding, aber ich werde mich nicht von einem der Spasten da hinten vollsabbern lassen!“
 

Er wusste genau, wie ernst ich es meinte. Und er war ein schlechter Verlierer. Plötzlich zeichnete ein stummes Lächeln sein Gesicht, als wäre ihm die Idee schlechthin gekommen. „Einen Jungen, ja?“, fragte er unschuldig, ohne mich anzusehen, und zündete sich eine neue Zigarette an. Er zog ein mal daran und fixierte die dunkle Mauer des Schulgebäudes hinter mir. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und ich bekam eine Ahnung von dem Schmarrn, den er sich gerade vornahm. Sein Lächeln mutierte zu seinem unwiderstehlichen Grinsen. Fabi, der Hakenspezialist, wie er leibt und lebt. Mein bester Freund hatte einen Weg gefunden, dem Speichel der Krawattenfreaks zu entkommen und bei Gott, ich schwöre, er würde dafür nichts unversucht lassen. Aus reiner Vorsicht wich ich einen Schritt zurück und als er näherkam noch einen, bis ich gegen die Mauer stieß.
 

„Du legst es drauf an“, schmierte er mir Honig ums Mäulchen und ich konnte verfolgen, wie sein Kopf mit den rotblonden Haaren und dem markanten Gesicht langsam in den Schatten verschwand, in dem ich auch stand. Jener Schatten würde uns jetzt vermutlich jede Peinlichkeit ersparen, wusste ich doch genau, was er als Hakenspezialist ausgeheckt hatte. „Nein, Fabi, ich zähl nicht!“, versuchte ich, mich mit schwacher Leistung herauszureden. Was hatte ich mir da nur eingebrockt? Sein Blick schweifte ab und traf wieder die Mauer, an der ich nun lehnte, in keinesfalls freudiger Erwartung eines Kusses.
 

„Das nennt man, soweit ich weiß, ein klassisches Eigentor.“ Noch einmal zog er demonstrativ an seiner Zigarette, dann warf er sie auf den Boden und trat sie aus. Noch einige Sekunden beobachtete er, wie sie erlosch, dann richtete sich sein fesselnder Blick wieder auf mich. Seine Augen verrieten mir den Ernst der Lage. Mein Mund klappte wie von selbst auf, doch ich brachte keinen Ton heraus. Ich drückte mich nur gegen die Wand und wartete mit gemischten Gefühlen ab.
 

Es wäre für mich nie in Frage gekommen, einen Jungen zu küssen, und schon gar nicht Fabi, aber ich hatte mir selbst ein Ei gelegt und er ließ mir keine Wahl, das konnte man auch daran erkennen, wie langsam, ja, fast drohend, er auf mich zukam.

„Du hast es drauf angelegt und bist selbst schuld, nur dass du’s weißt. Ich mach das hier ganz sicher nicht freiwillig, aber Verlieren behagt mir nicht so, weißt du.“ Seine Stimme klang unsicher und wenn man ganz genau hinhörte, erahnte man das leichte Zittern, die Angst, die er versuchte zu verbergen.
 

Ich schnipste meine Zigarette weg und beschloss, mich der Sache zu stellen. Kurz und schmerzlos. So schlimm konnte es schon nicht werden, schließlich stand ich Fabi nahe und meine Freundin küsste ihre Busenfreundinnen doch auch immer. Das wäre kein Problem, es ihr zu sagen. Wenn ich das je tun müsste, immerhin ist das hier ja nichts. Nur ein harmloser, kleiner Kuss unter Freunden. Ich bin mit Fabi durch dick und dünn gegangen. Auch als er abgestürzt war und jeden Tag eine neue Blondine anschleppte, hatte ich zu ihm gehalten, und er hatte mich nicht dafür geköpft, dass ich während meiner Lungenentzündung wegen meines Asthmas alle um den Schlaf gebracht hatte.

Ich lehnte an der Wand und presste meine Hände mit aller Gewalt dagegen. Das Risiko, dass Fabi mich berühren würde, war schon groß genug, als dass ich das noch erwidern wollte. Dann kam er näher. Er tat es wirklich, ich konnte es nicht fassen. Und das nur, weil er ein schlechter Verlierer war!
 

Mit einem Mal lagen die Lippen meines besten Freundes auf den meinen, ohne, dass er auch nur noch zwei Sekunden gezögert hatte. Sie bewegten sich sanft und dann öffnete er den Mund, was ich absolut nicht verstehen konnte und wollte. Ich kann jetzt nicht mehr sagen, was mich dazu getrieben hatte, seinen zarten Zungenkuss zu erwidern, bei Gott, ich schwöre es, soweit das keine Gotteslästerei ist, ich weiß nur, dass ... dass ich es schön fand. Ja, verdammt. Und dabei war doch alles so perfekt, wie es war. Ich hatte Chuck, er Carly, und wir hatten uns beide, als beste Freunde. Da konnte doch jetzt ... nicht einfach mehr draus werden.
 

Nach einer halben Minuten stieß ich ihn nicht gerade unsanft weg, ich wollte einfach nicht alles zerstören, was bis jetzt gewesen ist. Er starrte mich an. Zog die Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche. Steckte sich eine an und drehte sich blitzschnell um. Ich wischte mir mit dem Handrücken über den Mund und zündete mir ebenfalls eine Zigarette an. Nur zur Beruhigung, versteht sich. Hatte ich gerade wirklich meinen besten Freund wegen einer hirnlosen Wette und schlechten Verlierern geküsst?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  denise7xy
2010-08-16T18:09:20+00:00 16.08.2010 20:09
Liebes!
Die Namen gehören zur Hälfte auch mir.
:D
Ich will ja schließlich auch noch Geschichten dazu schreiben! Also!
Nun.


Ich LIEBE diese Geschichte, wie du weißt! Sie ist göttlich!
Man muss sie einfach lesen.
:D
Und nun. Ich werde sie später immer und immer wieder lesen.
Ich liebe dich :**


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