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Der Weg in den Westen

Auf dem Oregon Trail
von

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17. Juli - 29. August 1866

17. Juli, im Wyoming Territory
 

Heute haben wir die Grenze von Wyoming nach Idaho überquert. Die Landschaft ist sehr eintönig, alles ist entweder mit rotem Staub bedeckt, oder je nach Sonneneinfall grau, gelb oder schwarz. Es schimmert unterschiedlich. Auch wenn die Landschaft eintönig ist und nur hin und wieder durch Hügel und Buschwerk unterbrochen wird, aber das Farbenspiel ist einmalig und ich schaue die meiste Zeit träumend in die Ferne. Jetzt, da Mr. Smith gesagt hat, dass es nicht mehr so weit ist, haben alle begonnen zu träumen und über die Zukunft zu reden. Jeder freut sich, wenn wir endlich in Oregon ankommen.
 

28. Juli, Fort Hall, 260 Meilen von Fort Bridger
 

Wir haben Fort Bridger weit hinter uns gelassen und dort die zwei Wagen verabschiedet, die uns verlassen wollten. Dann ging es weiter durch die bergige Landschaft und nun sind wir in Fort Hall angekommen und haben unser Lager aufgeschlagen. James ist mit George, der sich in Fort Bridger einen Dorn eingetreten hat und beinah zwei Wochen lang nicht geritten werden konnte, auf einem Ritt in die Gegend rundherum. Ich bin heute mit Bill mit dem Planwagen beschäftigt und flicke mit einer dicken Nadel und dickem Garn die großen Löcher, die ein Hagelsturm hineingerissen hat. Fast der ganze Treck ist mit ebendiesem beschäftigt. Einige Tiere hatten Blessuren davongetragen und ein Mann hatte einen Hagelbrocken so fest auf den Schädel bekommen, dass er mit Kopfschmerzen und einer eiergroßen Beule auf der Stirn hinten auf dem Wagen lag und ächzte. Er ächzt nun nicht mehr, weil er Schmerzen hat, sondern weil dann die Frauen zu ihm kommen, ihn bemitleiden und ihm Essen zustecken, weil er ihnen so leid tut. Die ersten drei Tage haben wir es ihm geglaubt, aber seit gestern nicht mehr. Und heute geht es ihm ganz plötzlich wieder gut und er ist mit den anderen Männern beschäftigt zerbrochene Holzstreben auszubessern, die ebenfalls unter dem Hagel zusammengebrochen sind.

Ich habe mir nie träumen lassen, dass es solchen Hagel gibt. Einige waren so groß wie Hühnereier, und sie haben keinen Halt gemacht vor dem Segeltuch, das die Planwagen bedeckt. Außerdem hat das Tuch sich zu allem Unglück auch noch aus der Verankerung gerissen und ist an einer Seite nun ganz ausgefranst. Ich beschließe im Fort nachzuschauen, ob es so etwas wie Ersatz dafür gibt. Ich finde bei einem Händler ein gutes Stück Segeltuch, aber als ich den Preis höre glaube ich meinen Ohren nicht zu trauen. Ich gehe wieder und er ruft mir nach, dass ich sicher im ganzen Fort kein günstigeres Tuch finden würde.

So sitze ich schmollend auf dem Wagen und nähe mit ungeschickten Stichen die Löcher wieder zu, das Ausgefranste muss ich abschneiden, und so ist die Abdeckung am Schluss ein gutes Stück zu kurz. Als ich kurz davor bin alles hinzuwerfen kommt James, auf dem Arm ein Stück Segeltuch. Als ich es genauer ansehe, stelle ich fest, dass es das gleiche ist, wie das, was ich vorher bei dem Händler angesehen habe. Ich frage ihn danach und was es gekostet hat und er nennt mir einen Preis, der um die Hälfte günstiger ist, wie der den der Kerl mir genannt hat. Ich koche vor Wut und James weiß gar nicht warum. Ich erkläre es ihm und sage, normalerweise sollte man hingehen und dem Kerl das Tuch um die Ohren hauen. James lacht, nimmt mich in den Arm und wirbelt mich herum, drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Dann gibt er mir das Tuch und zieht pfeifend von dannen.

Am Abend habe ich den Planwagen wieder zusammengeflickt und Bill hat die Holzstreben ausgebessert. Der Mann mit der Beule benimmt sich so, als hätte er nie eine gehabt.
 

Und wieder verlassen uns zwei Wagen, wir sind nun nur noch elf, denn die Leute wollen nach Kalifornien ziehen. Mr. Smith warnt sie alleine weiterzufahren und lieber ein bisschen zu warten, bis noch andere Wagen eintreffen, die das gleiche Ziel haben. Aber die Menschen auf den zwei Wagen sind stur und lassen sich nicht davon abbringen, denn sie wollen schnell an ihr Ziel kommen.

Zwei Tage später bringt jemand die Nachricht ins Fort, dass die Wagen überfallen worden sind und all die Menschen getötet worden sind. Mr. Smith zuckt bedauernd die Schultern, sagt aber, dass sie selbst schuld seien. James nimmt mich in den Arm, weil mir die Tränen herunterkullern, wenn ich daran denke, dass auf den Wagen auch wieder Kinder waren. Er sagt, es täte ihm leid für die Menschen, aber wenn sie auf die erfahrenen Leute hören würden, würde so etwas seltener passieren. Ich frage mich, von wem sie überfallen worden sind und frage James. Der fragt Mr. Smith und dieser meint, es waren Indianer. Ich beschließe Frances nichts zu sagen von den Indianern, ich erinnere mich noch zu gut an ihre anfängliche Panik. Und ich hoffe Mr. Smith sagt auch nichts zu den anderen Leuten, denn sonst gibt es hier noch eine Meuterei.
 

11. August, Fort Boise, zweihundertvierzig Meilen von Fort Hall
 

Jetzt ist es doch passiert, wovor mir am meisten gegraut hat, jemand der mir nahesteht ist krank geworden. James liegt mit Fieber hinten auf dem Wagen und wälzt sich in wirren Träumen hin und her. Er ächzt und seufzt und das kühle Tuch, das ich ihm auf die Stirn gelegt habe fällt immer wieder herunter. Seit er vor drei Tagen das Kind aus dem Fluss gezogen hat und abends ein kalter Wind mit Regen über uns hereingebrochen ist geht es ihm nicht gut. Und seit gestern Nacht hat er hohes Fieber und ich habe große Angst um ihn. Zum Glück ist es nicht die Cholera, denn sonst würden wir zurückgelassen werden. Doch trotz dem sitze ich seitdem neben ihm, halte seine Hand, die eiskalt und mit kaltem Schweiß überzogen ist, und Bill sitzt vorne auf dem Wagen und steuert die Ochsen. Rosie habe ich bei Frances untergebracht, damit sie sich nicht ansteckt. James hustet und bäumt sich auf, seine Augen weit aufgerissen, doch er erkennt mich nicht, sondern starrt nur ins Leere und sieht Gestalten, die überhaupt nicht da sind. Und er redet vom Krieg. Von Blut, von Gewehren und von Schatten, die ihn verfolgen.

Ich schlafe in dieser Nacht kaum, schrecke immer wieder hoch und richte das Tuch auf seiner Stirn hin, damit es wenigstens ein bisschen kühlt. Ein Arzt aus Fort Boise hat mir ein fiebersenkendes Mittel gegeben, und ich versuche es James einzuflößen, aber es bleibt nur bei dem Versuch.
 

12. August 1866
 

Seit heute früh fahren wir weiter und lassen Fort Boise hinter uns.

Bill und ich haben James ausgezogen und seinen Körper in feuchte Tücher gewickelt. Doch von einem Moment auf den anderen zittert er vor Kälte, dann wieder ist ihm heiß und er strampelt die Decken von sich. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich bereite ihm einen Tee, den er nicht bei sich behält. Ich versuche es mit Frances’ Suppe, aber das Ergebnis ist das gleiche. Die ganze Nacht wache ich an seinem Bett. Bill will mich ablösen, aber ich schüttele den Kopf. Wie kann ich jetzt von ihm weggehen und mich hinlegen, während er hier mit dem Fieber ringt?

Heute Vormittag habe ich Rosie kurz besucht und Frances hat mir etwas Suppe gegeben und gemeint, wenn ich nichts esse würde ich auch noch krank werden. Dann gehe ich sofort wieder zurück zu James und setze mich neben sein Krankenlager. Vor meinen Augen verschwimmt plötzlich alles und als ich wieder klar sehen kann, finde ich mich in Decken gewickelt bei Frances auf dem Wagen. Sie fährt das Gespann und erklärt mir, dass Bill die Wache drüben bei James übernommen hat und ihr Mann unser Gespann fährt. Frances ist nicht sehr sicher mit den Ochsen und will unbedingt zurück zu James, aber schon als ich mich zurücklehne und die Augen kurz schließe versinke ich wieder in Dunkelheit.

Ich muss lange geschlafen haben, denn als ich erwache hockt Bill neben mir und lacht mir ins Gesicht. Und da weiß ich, dass alles gut werden wird. Er sagt, dass James aufgewacht sei und etwas Suppe geschlürft hat, und dass er alles bei sich behalten hat. Bill greift nach meiner Hand und drückt sie fest, und ich lächle ihn an und danke Gott, dass alles gut gegangen ist.
 

29. August, Whitman’s Mission, zweihundertsechzig Meilen von Fort Boise
 

Eine neue Welle der Aufmunterung hat den ganzen Treck erfasst. Denn heute Morgen hat uns Mr. Smith erzählt, dass wir unser Ziel bald erreicht hätten und es bis Oregon City nur noch etwas über zweihundertfünfzig Meilen seien. Daraufhin brachen einige Männer in lautes Geheul aus und warfen ihre Hüte in die Luft.

James beugte sich grinsend zu mir herüber und meinte, was sie wohl werfen würden, wenn wir Oregon City wirklich erreicht haben. Ihre ganze Kleidung vermutlich, erwidere ich und James sagt lachend, wenn das die alte Mrs. Bartlett hören würde, würde sie uns den Priester auf den Wagen schicken, damit er uns Anstand beibringt. Bill meldet sich von hinten zu Wort, wo er mit Rosie spielt und meint, der Anstand sei schon längst in einem der vielen Flüsse hier baden gegangen. Bill hat sich vorgestern Abend den Fuß verstaucht, als er von George heruntergefallen ist. Keiner weiß so genau, wie es passiert ist, er selbst noch weniger, denn er hat sich ziemlich arg den Kopf angeschlagen, als George ihn abwarf. Vermutlich hat das arme Pferd sich vor irgendetwas erschrocken, denn wir sind zu der Zeit durch ein Waldstück gezogen und es gab viele Büsche, in denen allerhand Getier hätte herumkriechen können.

Am Abend fahren wir an Whitmans Mission vorbei und lagern ein Stück weiter. Mr. Smith erzählt abends am Lagerfeuer die Geschichte von Dr. Whitman, der damals in 1836 hier eine Mission gegründet und mit seiner Frau hier gelebt hat. Bis dann ein paar Jahre später die Masern unter den Indianern ausbrachen, die in der Mission lebten, und viele der Einwohner starben. Anscheinend hatten die Indianer die Ansicht, dass Dr. Whitman nur den weißen Einwohnern half, was nicht wahr war. Und deshalb brach ein Krieg aus, woraufhin fast alle Einwohner der Mission getötet wurden.

Ich habe Gänsehaut auf meinen Armen, als Mr. Smith endet und James legt seinen Arm um mich und zieht mich an seine breite warme Brust.



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