Zum Inhalt der Seite

Freundschaft und Liebe

[Sasuke x Sakura | high school AU | jerks to friends]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kick And Knock


 

.

.
 

"Sakura-chan! Sakura-chan! Sakura-chan! Etwas Furchtbares ist passiert!" Naruto klopfte rabiat gegen die Tür und stieß sie schlussendlich einfach auf. Er kam in einer panischen Hektik hereingestürmt, nur um das Zimmer menschenleer vorzufinden. Wo waren die Bewohnerinnen denn bitte um acht Uhr morgens an einem Samstag? Wer war um diese Uhrzeit denn überhaupt schon wach, wenn er nicht, wie Naruto, von einem Alptraum geplagt aus dem Bett gefallen war? Ihm fiel ein, dass es immerhin Sakura war, die er suchte. Sie konnte zu so früher Stunde nur an einem Ort sein.

Ebenso gehetzt, aber diesmal nicht schreiend, raste er die Stufen hinab, über das Gelände ins Schulgebäude, an der Mensa vorbei, wo Ino missmutig in ihrem Kaffee rührend mutterseelenalleine saß, und hinein in die Bibliothek in die Biologieabteilung.

"Sakura-chan!"

"Das ist eine Bibliothek, Naruto", war ihre trockene Begrüßung. Sie sah nicht einmal von ihrem dicken Buch auf.

"Es ist keiner außer dir hier, Sakura-chan", wandte Naruto ein. "Du wirst irgendwann an einem zu großen Gehirn sterben."

"Biologie", sagte sie beiläufig, während ihre Augen noch über die letzten Sätze der Seite flitzten, "ist mein Spezialgebiet. Daher kann ich dir versichern, dass man daran nicht sterben kann." Endlich hatte sie fertig gelesen und sah zu ihm auf. "Was willst du? Es ist acht Uhr morgens. Normalerweise schläfst du am Wochenende bis elf."

"Ich hatte einen Alptraum", meinte er keuchend. "Als ich in mein Zimmer kam, saß Sasuke mit Karin, dieser verdammten Plage, auf seinem Bett und hat exzessiv mit ihr geflirtet. Es hat nicht mehr viel gefehlt, da hätte er sie geküsst oder Schlimmeres!"

"Mach dir das nächste Mal vor dem Schlafengehen Tee mit Honig, vielleicht träumst du dann besser. Warum wühlt dich das so auf?"

Naruto blinzelte verwirrt, ehe er kapierte. "Nein, nein, das war doch nicht der Traum! In meinem Traum ging es um Weltraumschnecken und Sonden und—egal! Das mit Karin ist gestern Abend wirklich passiert! Sasuke saß mit Karin im Halbdunkeln auf dem Bett! Sie haben geredet und gelacht und was weiß ich was noch alles! Verdammt, Sakura-chan, sie hatten dasselbe Oberteil an!"

"Wenn, dann ist es das gleiche, sonst stelle ich mir den Anblick recht skurril vor", erklärte sie mit Schulmeisterblick, dann wandte sie sich wieder dem Buch zu. "Was stört dich daran?"

"Yoshida Karin stört mich daran! Sie ist die hinterhältigste Schlange des Internats, vielleicht sogar der ganzen Welt! Genau das habe Sasuke gesagt, aber er meinte nur, er könne sich seine Freunde selbst aussuchen."

"Das kann er auch, so ungern ich ihm recht gebe", bestätigte sie unbeteiligt. "Du kannst ihn nicht zwingen, sich mit uns abzugeben, ebenso wenig wie du ihm verbieten kannst, sich mit Karin anzufreunden. Wenn er das möchte, sei es ihm frei zu entscheiden, wem er mehr zugetan ist." Sie klappte das Buch zu, steckte es ein und stand auf. "Naruto, ich weiß, dass er und du schon sehr lange befreundet seid. Du hast die ganze Zeit über von ihm als deinem besten Freund gesprochen, darum verstehe ich, dass es schwer zu akzeptieren ist, dass er deine Freundschaft nicht angemessen wertschätzt. Aber sieh ein, dass du ihn bei all deiner freundschaftlichen Zuneigung nicht dazu zwingen kannst, dich ebenfalls als besten Freund anzusehen."

"Sakura-chan", unterbrach Naruto sie ernst. "Hier geht es nicht um mein verletztes Ego oder meinen Wunsch nach seiner Anerkennung. Es geht darum, dass Karin ihn mit in ihre Machenschaften ziehen wird."

"Das ist kein Actionfilm", tat sie seine übertrieben Sorge ab. "Das Schlimmste, das sie machen kann, ist bei den Prüfungen zu schummeln."

"Du weißt, wozu sie fähig ist. Sie wird ihm wehtun. Ich möchte nicht, dass meine Freunde verletzt werden."

"Es ist mir egal, was Uchiha Sasuke tut und mit wem, damit das klar ist. Ich habe nichts mit ihm zu tun. Dieser Typ interessiert mich nicht, okay? Soll er machen, was er möchte, das geht mich nichts an! Und wenn er dich nicht als Freund akzeptiert, geht es auch dich nichts an." Sie schulterte ihre Umhängetasche und ging an Naruto vorbei.

Er sah ihr ungläubig nach, bis sie durch die Glastüre der Bibliothek verschwunden war.
 

ɣ
 

So sehr sie die Fassung vor Naruto gewahrt hatte, so heiß brodelte es in Sakura tatsächlich. Sie war stinksauer, sodass sie den Gurt ihrer Tasche schmerzvoll fest umklammert hielt. Sie fühlte sich, als sie würde sie jeden Moment explodieren. Eigentlich wollte sie nach draußen gehen und die letzten Septembertage auf der geheimen Terrasse verbringen, doch ihre Schritte führten sie ohne ihre Einwilligung in die Sporthalle. Es war eine große, hohe Halle, die rechts an das Schulgebäude grenzte. Es war nicht ihr endgültiges Ziel. Sie visierte einen Nebenraum an, der vollgestellt war mit Gerätschaften aller Art. Wie selbstverständlich, als hätte sie nie etwas anderes vorgehabt, zog sie einen Boxsack samt seiner Aufhängevorrichtung heraus, montierte die Konstellation und stellte sich vor den feuerroten Gegner, der sie herausfordernd anzuschielen schien. Achtlos warf sie ihre Tasche hinter sich, schmiss die Weste nach und starrte den Sack ein paar Sekunden lang an.

"Du blöde Schlampe!", kreischte sie und schlug mit der baren Faust zu. Ein kurzer Schmerz durchzuckte ihren Arm, dann schlug sie mit der anderen Faust zu. Der Sandsack schunkelte nur unmerklich, was sie noch wütender machte. Normalerweise gebrauchte sie nicht solche Kraftausdrücke; gerade eben wusste sie sich nicht anders zu helfen.

"Du gehirnamputierte Kuh, ich hasse dich, du Stück Dreck!" Sie setzte ihren Fuß nach, dann wieder eine Faust, einen Fuß, warf sich mit der Schulter gegen den Sack, bis sie sich abreagiert hatte.

Es hatte nahezu zehn Minuten gedauert, in denen sie mit vollem Körpereinsatz das Substitut bearbeitet hatte, als das sie den Boxsack missbraucht hatte. Sie war wütend auf Karin, nicht auf Sasuke, so wie sie es anfangs vermutet hatte. Aber als sie zugeschlagen hatte, hatte sie nur Karins Gesicht vor Augen gehabt. Vielleicht weil die Farbe des Sacks Karins Haarfarbe ähnelte, vielleicht aber auch, weil Sakura genau wusste, dass sie Sasuke keine Schuld geben durfte.

Sie kannte Karin seit Jahren. Sie hatte sämtliche ihrer boshaften Aktionen miterlebt, die meisten sogar selbst gespürt. Warum sie sich unter den vielen Schülern gerade Sakura ausgesucht hatte, war dieser bis heute schleierhaft. Vielleicht, weil am ersten Schultag alle Aufmerksamkeit auf Sakura und ihrer wunderschönen Zimmerbewohnerin gelegen hatte und nicht auf der reichen Verwandten der Kaiserin. Vielleicht, weil Gaara, den sie früher attraktiv gefunden hatte, sich Sakuras Schwester zugewandt hatte. Vielleicht auch, weil Sakuras Freundlichkeit und natürliche Ausstrahlung, mit der sie sich schnell beliebt gemacht hatte, automatisch missgünstige Menschen wie sie anzogen.

Mögliche Gründe gab es viele; Fakt war, dass sich das Resultat immer wieder in der gleichen Weise manifestierte: In Neid und damit einhergehenden Manipulationen. Sobald Karin Sakura als ihre Feindin anerkannt hatte, hatte sie ihr das Leben schwergemacht. Die unzähligen Aktionen wollte Sakura sich nicht mehr in Erinnerung rufen, zumal vieles erfolglos geblieben war, da sie eine Vielzahl von Freunden umgab, die zusammen alles abwenden konnten.

Aber nun hatte Karin es auf Sasuke abgesehen. Sakuras einzige Schwachstelle, die niemand schützen konnte, außer Sasuke selbst, der dies nicht gerade zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte.

"Ich weiß, was du vorhast, Karin", flüsterte Sakura zornig. Sie saß erschöpft vor dem Sack am Boden. "Du willst Sasuke für dich haben, weil du irgendwie herausgefunden hast, dass ich in ihn verliebt bin. Aber ich sage dir eines." Sie fuhr auf und schlug erneut schreiend auf den Boxsack ein. "Ich werde dir nicht kampflos den Sieg überlassen!"

Dass es dabei nicht wirklich um den Sieg über Karin ging, sondern um den Sieg, Sasuke für sich zu gewinnen, ignorierte Sakura in ihrer Ansage geflissentlich. Ihr waren die Motive egal, solange sie Sasuke vor Karin schützen konnte. Wie auch Naruto war ihr klar, dass Karin nichts an Sasuke lag. Sie war zu sehr in sich selbst verliebt, um jemand anderem ihre Gunst zu schenken. Es ging gegen Sakura, daran hatte sie keinen Zweifel. Genau darum würde sieSasuke nicht in Karins Fänge rutschen lassen!

Als Schwurschlug sie mit all ihrer verbliebenen Kraft gegen den schweren Sack, der wie durch ein Zeichen bewegt heftiger zu schaukeln begann als sie es jemals zuvor zustande gebracht hatte.
 

Gegen Nachmittag, nachdem Sakura sich völlig verausgabt und verschwitzt in der Bibliothek ein paar Bücher eingesammelt hatte, war sie auf dem Weg in ihr Zimmer, als sie einfach daran vorbeiging und stattdessen Temari einen Besuch abstattete. Sie brauchte keinen neuen Streit mit Ino, schon gar nicht, wenn es um nichtiges Zeug ging, nur damit Ino brüllen konnte.

"Wie siehst du denn aus?", begrüßte Temari sie und musterte ihr wirres Haar.

"Ich war boxen."

"Klingt nicht gut. Das hast du seit zwei Jahren nicht mehr gemacht. Wer hat dich wütend gemacht?"

Sakura erzählte von Narutos Beobachtung und ihrem Verdacht, dass Karin sich nur an Sasuke ranmachte, um ihr zu schaden. "Da hab ich's nicht mehr ausgehalten. Ich bin damals aus dem Boxverein ausgetreten, weil ich mehr Frau sein wollte. Aber als ich auf meine imaginäre Karin einschlug, merkte ich, wie gut es tut, mal wieder das Biest herauszulassen. Jetzt habe ich einen Muskelkater, aber mir geht es um einiges besser. Ich hab schon lange nicht mehr so eine Wut verspürt, das kannst du mir glauben."

"Tu ich auch, immerhin kenn ich dich seit zehn Jahren. Was gedenkst du jetzt zu tun?"

"Nichts", beschloss Sakura. "Ich kann nichts tun. Sasuke ist ein freidenkender Mensch, der nicht mal auf meinen Rat hören würde, wenn es seine einzige Überlebenschance wäre. Ich werde die Sache beobachten und Informationen sammeln. Dann werfe ich Sasuke alles hin, was Karin verbrochen hat. Danach liegt es an ihm, sich zu entscheiden."

Temari verschränkte die Arme. "Warum setzt du dich für ihn ein? Uchiha hat dich gedemütigt, beleidigt und schikaniert. Außerdem bist du jetzt mit Shikamaru zusammen, nicht?"

"Ja." Das war alles, was Sakura dazu zu sagen hatte. "Wo ist Hinata?"

"Lernen."

"Jetzt schon?"

Temari zuckte die Schultern. "Vielleicht gibt sie Naruto ja Nachhilfe." Das tat Hinata natürlich nicht, aber der Gedanke daran bereitete ihnen Freude in diesen tristen Tagen.
 

ɣ
 

Montag früh herrschte Katerstimmung, obwohl sie keinen Alkohol getrunken hatten; im Gegenteil, sie hatten sich äußerst gesund ernährt und darauf geachtet, möglichst zeitig ins Bett zu gehen, denn ab heute begann der Lernstress erneut. Ende Oktober waren sämtliche Prüfungen der Wahlfächer angesetzt, dafür hatten sie nun keine Pflichtfächer mehr bis Anfang November. Einen ganzen Monat ohne Vormittagsunterricht! Das war ganz nach dem Geschmack der Abschlussklässler, die diesen Vorzug leider nur dazu verwenden konnten, in den Lernsälen und Bibliotheken Bücher zu wälzen, Skripten zu verfassen und zu lernen, was das Zeug hielt.

Der zweite Grund für die miese Stimmung war diesmal nicht etwa die Zankerei zwischen Ino und Sakura, sondern ein fehlender Tischgenosse.

"Wo ist Sasuke?", wollte Naruto wissen, als er mit seinem Essen an ihren Tisch kam. Shikamaru und Hinata deuteten gleichzeitig auf den Tisch am anderen Ende der Mensa, woraufhin Naruto geschockt die Kinnlade nach unten fallen ließ. Sakura vergrub resignierend seufzend den Kopf in den Händen.

"Das darf nicht wahr sein!", rief Naruto empört, wurde aber sofort auf seinen Sessel gezogen und ermahnt, nicht so laut zu sein. In normaler Lautstärke sagte er: "Warum sitzt er bei Karin und Suigetsu?"

"Weil wir verloren haben", seufzte Sakura. Ihre ganzen Hoffnungen waren damit zunichte gemacht worden. Er war bereits zum Bösen übergelaufen. Einfach so. Sie musste sich geschlagen geben. "Sieh es ein, Naruto, er ist vollkommen in ihrem Bann."

"Sakura, du hast gesagt, du würdest Karin nicht so einfach den Sieg überlassen", erinnerte Temari, woraufhin der Rest aufmerksam wurde. Sie fügte schnell hinzu: "Ich meine den Sieg, dass sie etwas hat, was du ihrer Meinung nach willst, was natürlich nicht stimmt. Ihr versteht?"

"Was auch immer das heißen soll", platzte Naruto aufgeregt dazwischen, "wir müssen ihn da rausholen!" Die fehlende Zustimmung ließ ihn die Augenbrauen zusammenziehen. "Leute, kommt schon, Sasuke ist unser Freund!"

"Ist er nicht", korrigierte Temari. "Erinnere dich doch. Wann hat er je was Nettes zu uns gesagt? Wann hat er sich je an unseren Aktivitäten beteiligt, ohne dass du ihn gezwungen hast? Geben wir es zu, richtig gemocht hat ihn keiner."

"Das ist vielleicht deine Meinung, aber ihr anderen denkt anders, oder?", fragte er in die Runde, in der sich nun betroffenes Schweigen ausbreitete.

Gaara machte den traurigen Anfang. "Ich konnte ihn nie leiden."

"Und der Rest von euch?" Nach und nach stimmten alle zu, bis auf Sakura, die sich ihrer Meinung enthielt. "Sakura-chan. Du stehst doch auf meiner Seite, oder? Du weißt, dass Sasuke kein so schlechter Kerl ist."

Sie biss sich auf die Lippen und sah in ihre Teetasse. Langsam sagte sie: "Er hat mich in aller Öffentlichkeit beleidigt, mich bloßgestellt und mich nicht gerade wie jemanden behandelt, auf dessen Freundschaft er Wert legt. Damals auf der Kreuzfahrt hat er, als ich ihn zum Tanzen aufforderte, abgelehnt und stattdessen mit Sayuri getanzt, die er mitten im Tanz auf der Fläche stehen gelassen hat. Nichtsdestoweniger war ich gewillt, ihn als Mitglied unserer Gruppe zu akzeptieren, weil er scheinbar deine Freundschaft gewonnen hatte. Aber nach eingehender Beobachtung…" Sie machte eine kurze Pause, um sich zu sammeln. "Nach eingehender Beobachtung muss ich feststellen, dass Sasuke sich unsere Freundschaft nicht verdient hat und damit einhergehend auch nicht unsere Bemühungen um ihn. Ich stimme den anderen also zu."

"Du klingst wie eine Sozialberaterin in einem Einbürgerungstest", stellte Naruto entsetzt fest. "Aber Temari sagte doch, du würdest ihn Karin nicht einfach überlassen!"

"Das hatte ich auch nicht vor." Sie wandte sich endlich von der Tasse ab und sah Naruto ernst an. "Allerdings wusste ich, als ich das sagte, nicht, dass Sasuke sich bereits entschieden hat. Keine Ahnung, seit wann er mit Karin rumhängt, aber sie hat ihren bösen Einfluss schon über ihn gelegt. Daran ist nichts zu ändern."

"Rede mit ihm!", forderte er sie nachdrücklich auf. "Erinnere dich an die ganzen schlimmen Dinge, die Karin dir angetan hat. Wenn du sie ihm erzählst, wird er erkennen, dass Karin eine furchtbare Person ist. Versprich mir, dass du mit ihm redest."

Sakura zögerte. "Okay. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich es tun." Sie schlug sich in Gedanken für dieses Versprechen. Halten würde sie es müssen, daran führte kein Weg vorbei. Aber ob sie das wollte? Sie hatte zwar zu keiner Zeit gelogen—weder, als sie Karin den Kampf erklärte, noch, als sie gerade eben resigniert hatte –, doch so wie die Lage aussah, musste sie Sasuke abschreiben. Sie war kein naives, verträumtes Mädchen—zumindest nicht immer. Es gab Situationen im Leben, da musste man das Blatt akzeptieren, das das Leben einem zugespielt hatte. Und wenn man damit nicht gewinnen konnte, musste man eben dennoch das Beste daraus machen. Manchmal hatte hoch pokern keinen Sinn. Als sie Karin den Kampf erklärt hatte, hatte sie nicht geahnt, dass sie bereits so viel Vorarbeit geleistet hatte. Die beiden mussten sich schon öfters getroffen haben, sonst würde er nicht bereits an ihrem Tisch sitzen. Es war aussichtslos.

Sakura vermied es in den nächsten Tagen auf das Tunlichste, Sasuke über den Weg zu laufen. Da sie den ganzen Oktober kein einziges Unterrichtsfach gemeinsam hatten und er beinahe ständig mit Karin unterwegs war, bekam ihn selbst Naruto nur beim Fußballtraining zu Gesicht, also hatte sie eine sehr gute Ausrede für den Aufschub des Gespräches, das sowieso nichts bringen würde.
 

ɣ
 

Das Blatt wandte sich am Donnerstag, nachdem sie es vier Tage geschafft hatte, ihn kein einziges Mal zu Gesicht zu bekommen.

Ino hatte sich gnädigerweise dazu herabgelassen, nicht mehr mit ihr zu reden und ihr somit ihre verdiente Ruhe zu gönnen. Sie selbst musste viel lernen, was sich beim Wahlmodul Kunst irgendwie schräg anhörte. Also hatte sie freundlicherweise das Zimmer für diesen Abend geräumt und lernte im Kunstsaal mit ihren Wahlmodulmitschülern für Fächer wie Farbmethodik und Kunstgeschichte.

Sakura saß indes über ihren Schreibtisch gebeugt und büffelte wie eine Wahnsinnige für Somatologie, ihr Lieblingsfach. Nach Geflechtsknochen und Faserknochen war sie nun gänzlich in die Lamellenknochen vertieft und las leise murmelnd den Text aus dem Lehrbuch vor.

"Der Lamellenknochen wird in die äußere Substantia corticalis und die innere Substantia spongiosa gegliedert. Die äußere Substantia corticalis befindet sich im Mittelteil von Röhrenknochen. Da sie sehr dick ist, wird sie auch als Substantia compacta bezeichnet. Die innere Substantia corticalis ist ein schwammartiges Gerüstwerk feiner Knochenbälkchen. Näheres dazu im Kapitel acht Punkt vier in 'Anthropologie' von Shibasaki et al."

Sie sah stöhnend auf die Uhr.

"Na super! Jetzt muss ich dieses dumme Buch holen!" Demotiviert tauschte sie die Jogginghose gegen einen Rock, schlüpfte in ihre Schuhe und ging um sechs Uhr nachmittags in die Bibliothek.

So leer diese am Wochenende war, so voll war sie normalerweise nach fünf Uhr, wenn alle mit dem Hauptstoff ihres Buchkapitels durch waren und plötzlich die kleinen Querverweise fanden, die sie in die Bibliothek trieben. Hoffentlich war ihr Buch noch da! Somatologie war sehr beliebt, darum würde jeder damit anfangen. Hoffentlich war sie mit dem Stoff schneller vorangekommen als der Rest. Sie würde sich Buch greifen, sich in die Liste eintragen und verschwinden, bevor sich ihr jemand in den Weg stellte. Das war der Plan und bis zu dem Teil mit dem Verschwinden hatte er einwandfrei geklappt.

Sakura schrieb den Buchtitel in die Liste am Bibliothekspult und holte ihren Schülerausweis aus der Umhängetasche, um ihre Schülerkennzahl abzuschreiben. Sie fingerte das kleine Kärtchen dabei so ungeschickt aus seinem Fach, dass es ihr hinunterflog. Als sie sich herunter beugte, um danach zu greifen, kam ihr eine Hand zuvor. Damit hatte sie nicht gerechnet und dementsprechend erschrak sie auch bis auf die innere Substantio corticalis. Ein rauer Schrei entwich ihrer Kehle, als sie zurückwich und sich die Hand aufs klopfende Herz legte.

"Sasuke!", rief sie überrascht.

"Hier."

Er reichte ihr das Kärtchen, in der anderen Hand hatte er ein Buch aus der Wirtschaftsabteilung, das er eben geholt hatte. Sie brauchte einen Moment, ehe sie es nehmen konnte.

"Mir fällt gleich der Arm ab, wenn du es nicht bald nimmst."

Sie nickte und nahm ihm den Ausweis endlich ab. In all ihrer letzten verbliebenen Geistesgegenwart, verabsäumte sie es zum Glück nicht, sich doch noch einzutragen. Sasuke war inzwischen wieder nach hinten zu den leeren Tischen gegangen. Fast niemand lernte in der Bibliothek. Das wollte auch Sakura nicht und sie wollte bereits gehen, als ihr das Versprechen einfiel. Sie musste es einfach tun. Vielleicht war es ihr Ehrgefühl, vielleicht der letzte verbleibende Rest Hoffnung; jedenfalls ging sie nach hinten und setzte sich mit gelassener Miene ihm gegenüber. Dass sie so viel Coolness aufbringen konnte, überraschte sie.

Sasuke war das, wie es schien, herzlich egal. Er sah kurz auf und wandte sich wieder seinem Buch zu, das mit seinen ganzen Formeln gar nicht wirklich interessant sein konnte.

"Kann ich mit dir reden?", fragte sie.

"Tust du doch gerade."

"Sprach er, während sich sein Ego schmerzlich bewusst wurde, dass schon drei Milliarde Leute vor ihm genau dieselbe dumme Antwort gegeben hatten." Sie beugte sich über den Tisch und legte ihre Handfläche auf sein Buch, um ihm am Weiterlesen zu hindern. Es zeigte Erfolg.

"Was willst du?"

"Reden, sagte ich doch. Über deine Freundin. Sie ist eine verlogene Möchtegerntussi, die sich was auf ihre Adelsabstammung einbildet. Sie manipuliert ihre Mitmenschen wo sie nur kann. Dabei kamen schon viele Leute zu Schaden und du bist ihr nächstes Opfer."

"Halt", unterbrach er sie wenig interessiert. "Bevor du weiterredest, lass mich eines klarstellen. Karin ist nicht die Art von Freundin, die du dir vorstellst. Wir sind nicht zusammen. Noch weniger bin ich irgendjemandes Opfer, schon gar nicht ihres. Ich suche mir meine Freunde selbst aus, ob es euch passt oder nicht. Wenn du von Naruto geschickt wurdest, dann richte ihm aus, dass mein Leben ihn nichts angeht. Ich habe ihm schon einmal gesagt, dass er sich nicht einmischen soll. Ich schätze Karin, weil sie nicht so dumm und naiv ist wie ihr." Er stand auf und packte seine Sachen zusammen. Der Blick, der sie dabei streifte, war eine Drohung für sich. Mit schneidender Stimme fuhr er fort: "Falls diese sinnlose Warnung aber aus deinem Ideenschatz entsprungen sein sollte, dann lass dir gesagt sein, dass du ebenso wenig das Recht hast, mir Ratschläge zu erteilen, mit wem ich mich abgeben soll. Mein Leben ist für dich tabu. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten und belästige mich nicht mit deiner heuchlerischen Fürsorge."

"Daran ist nichts heuchlerisch."

"Und ob!", zischte er wütend. Er knallte die Hände auf den Tisch und beugte seinen Kopf dicht zu ihr hinunter. Sie konnte ihre Spiegelung fast in seinen Augen sehen, wäre die Schwärze darin nicht leer und kalt gewesen. "Wenn du schon so niederträchtig bist und Karin vor mir als schlechten Menschen darstellst, dann gib diese Frechheit wenigstens zu. Gib endlich auf, Sakura. Der Zug, der für dich scheint, als würde er gleich abfahren, den gab es in Wahrheit nie. Ich hätte niemals etwas mit dir angefangen, nicht für eine einzige Nacht. Sakura."

Sein Blick ließ sie zu Eis gefrieren. Er war so verachtend. Er sagte damit, dass er ihre Hilfe nicht brauchte, nicht wollte, nicht einmal annehmen würde, wenn er im Sterben lag. Alleine, weil sie ihm davon abraten wollte, würde er weiter mit Karin befreundet sein. Das war ihr Verdienst. Aber am zornigsten machte sie seine Anmaßung, ihr das Gesagte als Lüge zu unterstellen, als gemeine Intrige, um Karin zu schaden. Dabei hatte sie ihm in den Tiefen ihres Herzens wirklich helfen wollen. Aus Selbstlosigkeit, weil sie niemandem wünsche, Karins Marionette zu werden.

Nicht minder wütend sprang sie auf, wobei ihr Sessel nach hinten kippte, und schlug die Handflächen wie zuvor Sasuke auf den Tisch. Er wich zurück; sein Glück, andernfalls hätte sie ihn ausgeknockt, als ihr Kopf in die Höhe schnellte. Sein Zurückweichen bot ihr die Gelegenheit zum Gegenschlag.

"Jetzt hör mir zu", fauchte sie bedrohlich. Er blieb unberührt. "Erzähl mir nichts von Frechheit, wenn aus deinem eigenen Mund nur Unverschämtheiten kommen! Hörst du dir selbst zu? Jedes deiner Worte strotzt nur so vor Überheblichkeit, Arroganz, vor Missgunst und Selbsthass! Du hasst dich selbst, weil du so bist, aber du kannst es nicht ändern. Schön. Damit habe ich kein Problem, Sasuke. Von mir aus, verende in Karins Fängen, bis sie dich nicht mehr braucht. Ihr passt sicherlich hervorragend zusammen, denn ihr beide seid nicht mehr als die Strohmänner eurer Verachtung gegen euch selbst! Jeder Schritt, jedes Wort geschieht aus eurer Verzweiflung über euer glückloses, hohles Leben! Mit so jemandem möchte ich nicht befreundet sein—selbst wenn du hundertmal besser aussehen würdest!"

"Bist du fertig?", fragte er ungerührt, als hätte sie ihm gerade das Wetter geschildert. Das machte sie nur noch rasender.

"Ja, ich bin fertig mit dir, Uchiha Sasuke!", schrie sie aufgebracht. "Du wirst früh genug sehen, was du davon hast! Aber komm dann nicht angelaufen, wenn du verstehst, dass wir deine wahren Freunde hätten werden können, wenn du selbst dir nicht alles verbaut hättest! Du hast nicht keine Freunde, weil du keine willst, sondern weil du jeden binnen weniger Tage vergraulst, der dein Freund werden könnte!"

Das war der Moment, an dem Uchiha Sasuke für Haruno Sakura starb. Und zwar nicht einfach nur sein Leben ließ, sondern in ihren Gedanken auf hundert verschiedene grausame Arten den Tod fand.

Sakura wollte ihm das sagen, doch ehe Sasuke sich noch mehr Verachtung ihrerseits einhandeln konnte—wozu er sicherlich mit nur wenigen Worten fähig gewesen wäre—wurden sie von Hinata unterbrochen, die Sakura verhältnismäßig grob am Handgelenk packte und ihr befahl, mitzukommen. Sasuke sah den beiden verdutzt nach. Er war froh, diese Nervensäge endlich losgeworden zu sein.
 

ɣ
 

"Hinata! Was ist los?", fragte Sakura arglos und zutiefst verwirrt. Hinata zerrte sie weiter mit sich den Gang entlang, bis sie in der um diese Uhrzeit noch leeren Mensa waren. Sie stellte sich mit wütendem Blick vor sie und verschränkte nicht minder wütend die Arme.

"Diesmal bist du zu weit gegangen, Sakura!"
 

.

.
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (16)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2015-09-07T10:00:34+00:00 07.09.2015 12:00
Hallöchen,

also Sakuras Gleichgültigkeit wirkt wirklich überzeugend und dann kommt dieser Wutausbruch. Holla, da bekommt man ja richtig Angst vor ihr.

Die wenig begeisterte Reaktion von Temari und den anderen Sasuke aus Karin Fängen zu retten, fand ich gut, denn es stimmt ja. Er hat sie nie als seine Freunde angesehen, sich selbst isoliert und ist nur dank Naruto überhaupt bei ihnen in der Gruppe gewesen.
Ich würds genauso wie alle (außer Naruto) sehen. Soll er doch selbst sehen, was er davon hat. Man kann schließlich niemanden zu seinem Glück zwingen.

Was wohl Hinata so auf die Palme gebracht hat?

Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Verovera
2013-05-01T18:00:30+00:00 01.05.2013 20:00
go, saku, go! schlag sie alle nieder! Echt, ich habe mich schon gefragt, wann das kommt! Ist sowas wie der Shippuden-Schnitt im Manga, gel? Die Parallelen sind echt gut gewählt!
Von:  L-San
2013-03-25T21:57:15+00:00 25.03.2013 22:57
Sehr beeindruckende Worte von Sakura.
Damit zeigt sie wirklich sowas wie Reife.
Ich habe eigentlich nichts mehr zu sagen.
Alles was ich gut oder schlecht fand, habe ich dir ja schon gesagt.
Und deswegen werde ich auch nur Sachen aufzeigen, die besonders gut oder schlecht waren.
Abgesehen davon werde ich dann hier nur noch das schreiben, was ich an der Story mag.
Ui, verwirrende Worte, aber ich hoffe, du verstehst, was ich meine.
Ach ja, das mit den Rechtschreibefehlern wollte ich halt nur mal so erwähnen, weil sie mir aufgefallen sind. Klar, du musst das jetzt nicht verbessern, weil die FF ja ad acta ist. Richtiges Wort?

Okay, dann wieder zurück.
Ähm ja, ich bin wirklich auf das nächste Kapitel gespannt.
Dass ich dir durch meine Empfehlung einige Favos mehr bringen konnte, ist doch selbstverständlich. Du bist eine gute, nein, eine talentierte Autorin, die es verdient hat.
Es würde mich nicht wundern, wenn du mit deinem OS gewinnen würdest.
Und auch in Zukunft wird dies sicher so sein, wenn du überhaupt noch an Wettbewerben teilnehmen willst.
Also dann bis zu meinem nächsten Kommentar.
;D
Von:  sasusaku15
2011-03-30T16:47:57+00:00 30.03.2011 18:47
Ich bin soooooooooo froh, dass Sakura endlich mal
dieses dumme kleine verliebte Teenager - oder besser
gesagt, Fangirlie gehabe sein gelassen hat.
Als ich angefangen hab deine FF zu lesen & dacht ich,
Woha, geil. Endlich mal ne FF wo Sakura nicht so dumm
ist & kindisch. & dann als sie auf Sasuke traf, BÄM.
& ich dacht mir nur. Boah, ne. Aber ich hab mir entschieden
weiter zu lesen, worüber ich jetzt sehr froh bin :D
Jedenfalls, ist DAS, dieses Kapitel, mit abstand mein
Favorit bisher. & nur allein wegen dem Part wo Sakura
ihm die Meinung geigt & zwar auf die Art die ich Liebe. :D
Aber, er schien unbeeindruckt. Was sehr traurig ist. :|
Naja. Erfolgreiches Kapitel. :D

Küss'chen ! :*
Von: abgemeldet
2011-03-29T12:53:48+00:00 29.03.2011 14:53
Hab ich doch glatt vergessen zu kommentieren ... schande! langsam wird das zir gewohnheit. nach deinen geschichten bin ich immer so hin und weg, da träum ich dann immer noch so vor mich hin. ;)
klasse gemacht, soll dir mal wer nachmachen!

liebe grüße
kaname
Von: abgemeldet
2011-03-28T19:19:44+00:00 28.03.2011 21:19
Ach ja, die Konsequenz, mit der du die FF durchziehst, ist mal echt lobenswert! Die meisten haben alle Monate mal ein Update und man muss immer ewig warten, aber du ziehst das voll durch! Klasse!
Von: abgemeldet
2011-03-28T19:18:50+00:00 28.03.2011 21:18
Super Kapitel! Werd gleich das nächste lesen. Dein Schreibstil ist bewundernswert.

Liebe Grüße
Von:  Hina09
2011-03-26T15:38:36+00:00 26.03.2011 16:38
Saku ist echt klasse.
Ich fand die Stelle zwischen Sasu und Saku echt gut.
So jetzt bin ich aber gespannt was Hinata meint.
Freu mich auf montag :)

Lg Hina09
Von:  nutellafan
2011-03-25T15:36:37+00:00 25.03.2011 16:36
Huhu! (:
Spitze Kapitel - wie jedes Mal super zum Lesen.
Ich fand das so cool, dass Sakura Sasuke endlich die Meinung gegeigt hat!
Treffende Wortwahl. (;

Möglicherweise könnte es ja sein, dass Hinata alles über Sakura & Shikamaru gehört hat und möglicherweise könnte es auch sein, dass Ino deswegen total am Boden ist (wegen dem "mutterseelen-allein" in der Mensa sitzen) und Hinata deswegen mal ein ernstes Wörtchen mit Sakura sprechen möchte?
Oder, sie hat das, was Sakura Sasuke an den Kopf geknallt hat, mitgehört und weiß mehr über den Uchiha Bescheid, als alle anderen?
Ach, ich freue mich schon so darauf, weiter zu lesen!

Also dann, mach weiter so. Deine Geschichte ist toll!♫

Alles Liebe,
nutellafan.♥
Von:  Veronika
2011-03-21T23:29:35+00:00 22.03.2011 00:29
Mal wieder ein richtig geiles Kapitel und langsam kommt Action zwischen Sakura und Sasuke auf. Was sie ihm an den Kopf geknallt hat, war richtig gut, das hätte sie schon viel eher machen können. Vielleich merkt Mr. Uchiha langsam, dass er nicht so toll und Karin wirklich hinterlistig ist... Okay unwahrscheinlich =P Aber trotzdem wars gut.

Was Hinata meint... hmm... könnte Naruto sich eventuell verplappert haben, so dass sie weiß, dass die Beziehung zwischen Sakura und Shikamaru nur gespielt ist? Man weiß es nicht, man weiß es nicht... Ich bin auf jeden Fall otal gespannt auf das neue Kapitel.

LG <3


Zurück