Die zweite Aussage der Angestellten
Als der Hundeprinz ein wenig schicksalsergeben im väterlichen Schloss eintraf, führte ihn sein erster Weg zu diesem, nicht überrascht, dass sich Sakura ebenfalls dort befand.
Der Inu no Taishou musterte seinen Sohn, als sich dieser sich leicht vor ihm verneigte: „Sesshoumaru, schön, dass du unverzüglich kamst. Setze dich. Wie geht es Bokuseno?“
„Danke, verehrter Vater. Euer alter Freund befindet sich wohl. - Zwei Morde in Eurer Vermögensverwaltung.“ Er folgte dem Wink und ließ sich neben seinem Vater nieder, in der Hoffnung bald Informationen bekommen zu können.
Der Hundefürst nickte und sah seitwärts: „In der Tat. Ich habe bereits Ermittlungen veranlasst. Myouga, du kennst den Flohgeist, prüft momentan die Bücher, Sakura unterhielt sich mit der Witwe des obersten Beamten und ersten Opfers, Tanaka. Sie war auch anwesend, als ich zwei der Überlebenden befragte. Neigi führte die Leichenbeschau durch.“
„Myouga?“ Kaum merklicher Spott lag in der Stimme. Der kleine Flohgeist war ein gewaltiger Feigling, der bei jeder auch nur andeutungsweise auftauchenden Gefahr türmte. Und der sollte etwas für Vater erledigen?
Der Herr der Hunde verstand: „Nicht jeder kann ein Krieger sein. Und es ist die Aufgabe des Fürsten alle passend einzusetzen.“ Eine sehr schwere Aufgabe, an der er selbst noch immer übte.
„Verzeiht, mein Herr und Vater.“ Sesshoumaru sah zu der Dienerin, in der unberechtigten Hoffnung, diese hätte den dezenten Tadel des Fürsten nicht so ganz mitbekommen: „Die Toten, Sakura.“
Er wollte nur den sachlichen Bericht, aber sie hatte durchaus etwas geschmeichelt bemerkt, dass er sie mit Namen ansprach, ohne dass es nötig gewesen wäre: „Der erste Tote, Goro Tanaka, war der Vorstand der Bank. Er wurde von vorn erwürgt und in die Kleidertruhe seines Mitarbeiters Umeko Kobayashi gesteckt. Dieser fand ihn und regte sich derart auf, dass Neigi-sama ihm einen Mohnsaft gab, so dass er schlafen konnte. Im Schlaf wurde auch er von vorn erwürgt. Eine andere Todesart ist bei beiden auszuschließen. Die Flecken an Tanaka entstanden zumeist erst nach seinem Tod durch das Liegen in der Kiste. Eine dünne rote Linie zwischen seinen Schulterblättern könnte darauf hindeuten, dass er bei dem Angriff rücklings über die Kiste gebogen wurde.“
„Name und Aussage der Witwe.“
„Ihr Name ist Akina Tanaka, Lord Sesshoumaru.“ Sie berichtete über die Aussage und bemerkte trotz des gesenkten Kopfes durchaus den gewissen Unwillen, der über sein Gesicht huschte, als sie die Vereinbarung der beiden alten Freunde erwähnte, um jeden Preis für ein Kind für Tanaka zu sorgen. Nun ja, das war kein Thema, das er schätzte – überdies würde er persönlich sein Eigentum niemals teilen wollen, gleich, aus welchem Grund und mit wem.
„Weiter.“
Sie sah zu dem Inu no Taishou, mied freilich seinen Blick. Schließlich war es unhöflich, dem Herrn vorzugreifen. Dieser wusste es: „Berichte nur weiter, Sakura.“ Ihr Gedächnis war wirklich bemerkenswert. Erst jetzt warf sie einen raschen Blick auf die Notizen – zum ersten Mal. Und ihre Berichte ebenso erstaunlich sachlich und vollständig. Wenn er nur alles solche Mitarbeiter hätte....Jedenfalls war es kaum verwunderlich, dass selbst Sesshoumaru mit ihren Darlegungen zufrieden war. Sie musste schon immer talentiert gewesen sein und sein Sohn hatte sie noch nach seinen Wünschen erzogen, für dessen Verhältnisse wohl glimpflich.
„Der edle Herr sprach mit Kouhei Tokuwa, dabei war ich nicht anwesend. Danach kam Rafu Matsumura, der Schreiber Tokuwas.“ Sie erzählte dessen Aussage ebenso wie die Masa Katos, des ehemaligen Samurai.
Sesshoumaru hörte schweigend zu, ehe er zu seinem Vater blickte: „Tokuwa bestätigte diese...Teilung der Ehefrau?“ Er konnte nicht verhindern, dass sein Widerwillen durchklang. Menschen! Warum wunderte er sich nur immer noch über deren merkwürdige, ja, abscheuliche Sitten?
„Ja. Tanaka habe ihn vor einem halben Jahr in einer Taverne darauf angesprochen und ihn überredet, da er sich nicht in der Lage sah, selbst die Ehe zu vollziehen. Überdies gab er an, dass sie die Arbeit auch geteilt haben. Er selbst und Matsumura kümmerten sich um Kreditvergabe, Zinseintreibung, während Tanaka und Kobayashi auf der Suche nach neuen oder lohnenden Geschäften waren, die auch Reisen erforderten. Darum hatten sie aus Sicherheitsgründen meist Kato dabei. - Hast du noch Fragen?“
„Tanakas Testament liegt in Euer Kanzlei? Es wurde noch nicht geöffnet?“
„Myouga soll es sich nach der Buchprüfung ansehen. Andererseits gehe ich davon aus, dass entweder Akina oder Tokuwa das Erbe erhalten. Oder beide.“
„Wir werden sehen.“
„Du hast einen Verdacht?“
„Ich denke, ich weiß, wie der Mord an Tanaka beabsichtigt gewesen ist – und, dass der Mörder dann eine Änderung seines Planes vornahm oder vornehmen musste.“
Der Inu no Taishou wollte nicht gerade zugeben, dass das etwas war, das er noch nicht abschätzen konnte – zumal er mehr am Namen des Verbrechers interessiert war: „So werde ich Myouga zur Eile anhalten. - Bist du in deinem Zimmer?“
Oh, hatte er womöglich seinem Fürsten und Vater vorgegriffen? Das könnte Ärger geben. So beeilte sich der Hundeprinz dezenter hinzuzufügen: „Wenn Ihr nichts dagegen habt, verehrter Vater, werde ich zur Bestätigung noch einmal mit Matsumura und Kato sprechen, auch mit Tokuwa.“
„Nein. Es ist deine Aufgabe den Täter zu fassen, meine, dann über ihn zu richten.“
Ach so, natürlich vermutete der Herr aller Hunde ebenfalls, wie es passiert war, wollte aber die Sache erst als Richter darlegen. Wie hatte er auch an ihm zweifeln können: „Wie Ihr wünscht. - Sakura.“
Diese stand eilig auf, ohne verhindern zu können, dass ihr Herz klopfte. Er hatte eine Idee? Aber anscheinend verdächtigte er nicht Akina, wollte er doch mit ihr nicht sprechen. Oder gerade deswegen? Was hatte ihn auf das Wie des Mordes an Tanaka gebracht?
Der diensthabende Hundekrieger riss hastig die Tür vor Lord Sesshoumaru auf. Schließlich wusste jeder, wie leicht dieser mit einer Strafe zur Hand war.
Tohei Tokuwa warf sich eilig vor, noch ehe er erkannte, dass dies nicht der Inu no Taishou sondern dessen Sohn war. Nun gut. Einer war wie der andere.
Der junge Hundedämon blieb einen Meter vor dem Knienden stehen: „Mein verehrter Herr und Vater hat mir den Auftrag erteilt, die Morde an Tanaka und Kobayashi zu klären.“
„Ich...ja. Ich gab dem ja auch schon Auskunft.....“
„Vorsicht, Mensch! Er und ich tragen Titel.“
Tokuwa wusste, dass das eine letzte Warnung war und beteuerte hastig: „Ja, Lord Sesshoumaru. Ich kann mir nur nicht vorstellen...“
Aufbrausend hatte ihn Kato genannt, dachte Sakura prompt, aber sie nannte es eher dumm. Wenn er so weitermachte, landete er noch an der Wand. Mindestens. Seine Lordschaft liebte keine Ermahnungen - schon gar nicht durch Mordverdächtige.
„Gestern kam Tanaka zu dir. Was sagte er genau?“
„Äh, Ihr meint am Nachmittag?“ Da zwei schwarze Schuhe in seinen gesenkten Blick gerieten und er sich plötzlich sämtlicher mörderischer Gerüchte um den Hundeprinzen erinnerte, erklärte er eilig: „Das war nichts Ungewöhnliches, Lord Sesshoumaru. Ihr...Euer mächtiger Vater, unser Herr, wird Euch ohne Zweifel bereits davon unterrichtet haben....Goro teilte mir auf diese Art stets mit, dass er spazieren gehen würde oder sonst etwas, damit ich zu Akina gehen könnte.“
„Ich wünsche eine wörtliche Antwort.“ Irgendetwas in der Stimme des jungen Hundedämons erinnerte an Stahl. Zusätzlich legte sich ein Fuß wie beiläufig auf die rechte Hand des knienden Bankiers.
Tokuwa geriet in Panik: „Äh, ja, natürlich, Lord Sesshoumaru. Goro sagte...er sagte, ja, er müsse rasch ausnutzen, dass Kobayashi nicht da sei, und er wolle mir sagen, dass er noch eine wichtige Verabredung habe und nun gehe.“
„Das kam dir nicht eigenartig vor.“
„Nein, Lord Sesshoumaru. Wie gesagt, das tat er ja öfter....wegen Akina.“
Dieser Mensch dachte wohl nur mit dem Unterleib: „Erwähnte er dabei stets Kobayashi?“ fragte der Dämonenprinz dann doch und nahm seinen Fuß beiseite, nicht willens, länger als zwingend nötig ein derartiges Wesen zu berühren.
Tokuwa nahm das mit Erleichterung zur Kenntnis, wagte aber wohlweislich nicht, erneut auch nur eine scheinbar unnütze Antwort zu geben: „Äh, nein, wenn Ihr so fragt....aber er suchte jedes Mal einen anderen Vorwand. Ich meine, Matsumura sitzt ja neben mir und der sollte nichts davon mitbekommen.“
Warum hakte er bei Kobayashi nach, fragte sich Sakura unwillkürlich, der war doch auch tot und hatte sich kaum selbst erwürgt. Aber da er sich nur umdrehte und ging, folgte sie ihm lieber eiligst. Sie kannte seine Stimmungen mittlerweile auch ohne dass er redete – und der Nächste, der nicht aufpasste, bekäme seine Klauen zu spüren.
Auch zu Rafu Matsumura ließ der dortige Wächter den Sohn des Herrn unverzüglich ein.
Der Schreiber entpuppte sich als höflicher – oder schlauer - als sein Gebieter und verneigte sich bis zum Boden, ohne sich weiter zu bewegen, als der Hundeprinz vor ihm stehenblieb.
„Richte dich etwas auf. Du bist der Schreiber Tokuwas.“
„Ja, Lord Sesshoumaru. Danke.“ Erst nun richtete er sich etwas auf.
„Was genau ist dein Aufgabengebiet.“
„Ich empfange Bittsteller, gerade um Kredite, und gehe auch zu ihnen in ihre Häuser, auf ihre Felder, um zu sehen, wie kreditwürdig sie sind. Dann schätze ich die Höhe des Kredits und der Zinsen ab, und lege das Ganze in einem Schriftstück Herrn Tokuwa vor. Dieser entscheidet dann.“
Eigentlich machte er also die ganze Arbeit, wenn sich Sesshoumaru richtig an eine Bank entsann: „Hast du auch bereits für Herrn Tanaka gearbeitet?“
„Nein, Lord Sesshoumaru. - Darf ich ausführlich antworten?“ Schweigen, aber er nahm es als Genehmigung: „Als Herr Tanaka gemeinsam mit Herrn Tokuwa die Bank gründete vor fünf Jahren, war Herr Tokuwa so freundlich mich als seinen Schreiber aufzunehmen. Mein Vater war mit ihm befreundet.“
„Tokuwa und Tanaka auch.“
„Äh, ja...
„Weiter.“
„Mein Vater und Herr Tanaka kannten sich, aber sie waren nie befreundet Lasst es mich so ausdrücken: man kann mit Herrn Tokuwa befreundet sein – mit Herrn Tanaka wohl nicht. Ich möchte dazu nicht mehr sagen, wenn ich bitten darf.“
Was war denn nun schon wieder los? Menschen! Moment mal, die stellten sich immer bei einem Thema so an: „Es ging um eine Frau?“
„Meine Mutter....“
Also blieb nur eine logische Schlussfolgerung: Tanaka war hinter der späteren Frau Matsumura hergewesen, Rafus Vater hatte gewonnen. Tokuwa hatte der Streit zwischen seinen Freunden kalt gelassen, so kalt, dass er den Sohn des einen bei sich einstellte, obwohl der andere sein Teilhaber war. „So warst du froh, wenig mit Tanaka zu tun zu haben.“
„In der Tat. Obwohl ich zugeben muss, dass er sich mir gegenüber korrekt verhielt, nun, wie eben zu einem Schreiber. Einmal erwähnte er sogar, dass ich fähig sei.“
„Wie Kobayashi?“
„Dazu möchte ich nichts sagen, Lord Sesshoumaru.“
„Kobayashi wurde erwürgt als er unter Mohn schlief. Und er war dein Freund.“ Der Hundeprinz war in Anbetracht der Tatsache, dass er bislang sachlich und umfassend Auskunft bekam bemerkenswert geduldig.
Der Schreiber atmete tief durch: „Ich weiß, Lord Sesshoumaru. Ich sah, wie aufgeregt er war, nachdem er Herrn Tanaka gefunden hatte. Es war schrecklich. Aber er war schon immer ein sehr gefühlvoller Mensch.“
„Zu gefühlvoll im Verhältnis zu seinem Vorgesetzten.“ Bei der bloßen Vorstellung, er werde je von Vater mit einem derartig verliebten Schreiber beglückt, wünschte er sich lieber noch Prinzessin Tokushima als Ehefrau.
„Er...er unterlag einem Irrtum.“
„Und der wäre?“
„Er hatte wohl mitbekommen, dass das Verhältnis der Eheleute Tanaka nicht ganz....optimal war, und hoffte, als Sohn Herrn Tanakas adoptiert werden zu können.“
Aha: „So spielte er den überaus höflichen, begeisterten Sohn?“
„Ja.“ Ehrlich fuhr Matsumura fort: „Ich riet ihm davon ab. Nach allem, was mir mein Vater über Herrn Tanaka erzählte, würde dieser nicht darauf hineinfallen. Er war ein Geschäftsmann und prüfte immer den eigenen Nutzen. Nur den eigenen Nutzen, Lord Sesshoumaru.“
„Du warst bei Kobayashi, als Neigi kam.“
„Ja. Da sich der ehrenwerte Heiler dann um ihn kümmerte, ging ich und kehrte erst später zu ihm zurück. Eigentlich wollte ich bei ihm bleiben, aber er schlief so friedlich und tief, dass ich erst wieder am Morgen vor der Arbeit nach ihm sehen wollte.“
„Dann warst du der Letzte, der ihn lebend sah,“ stellte der Hundeprinz ruhig fest.
„Ich bedauere Euch widersprechen zu müssen, Lord Sesshoumaru: der Letzte war sein Mörder.“ Der Schreiber presste für einen Moment die Zähne zusammen, sich nur zu bewusst, dass man einem Prinzen nicht widersprach, zumindest nicht, ohne sich eine Strafe einzuhandeln. Und diese lautete bei dem vor ihm Stehenden nur zu leicht auf Tod.
Sesshoumaru wusste dies auch, aber er meinte nur sachlich: „Das ist wohl korrekt. Was tatest du, nachdem du ihn das erste Mal verlassen hattest?“
„Ich wollte in mein Zimmer gehen, als ich Kato traf. Ihn hatte der ganze Aufruhr angelockt. Er hat ja ebenso wie ich ein Zimmer in diesem Trakt. Ich berichtete ihm von dem Mord und dass Kobayashi völlig aufgelöst war. Er schlug vor, dass wir zu Frau Tanaka gehen sollten, um es ihr zu berichten, aber das lehnte ich ab, zumal wir ja mitbekamen, dass der Herr....ich meine Euer edler Herr Vater, unser Fürst, bereits auf dem Weg war. Und...“ Nun, ein Mensch sollte einem Dämonenfürsten nicht im Weg herumstehen, aber das brauchte er gegenüber dem Sohn des besagten Fürsten nicht zu erwähnen.
„Komm, Sakura.“
Diese gehorchte, ein wenig überrascht, wie geradezu freundlich er gegenüber Matsumura gewesen war. Gewöhnlich widersprach man ihm nicht ohne seine Klauen zu spüren – es sei denn, die Aussage hätte ihm den Mordfall geklärt. War es das und der Schreiber der Mörder? Hatte er nur dem Fürsten nicht vorgreifen wollen? Oder hatte die Aussage ihn zu dem Wie der Taten gebracht? Beides war möglich, aber fragen wäre nur schmerzhaft geworden.
Vor der Tür schrie sie trotz aller angelernten Selbstbeherrschung leise auf, als sie einen scharfen Schmerz am Hals spürte. Unwillkürlich schlug sie hin, noch ehe sie erkannte, dass Lord Sesshoumaru bereits herumgefahren war, und starrte irritiert den kleinen Dämon an, den sie in der Hand hielt.
„Myouga!“ Der Hundeprinz verriet nur zu deutlich mit diesem geknurrten Namen, was er am liebsten tun würde, ließ jedoch die Hand sinken.
Der Flohgeist wusste die Zurückhaltung durchaus zu schätzen: „Ich bitte um Vergebung,“ stammelte er eiligst, da ihm nun erst einfiel, was für Gerüchte um den Prinzen und die Heilerschülerin umliefen – und er nur zu gut wusste, was Sesshoumaru mit Leuten zu tun pflegte, die sein Eigentum anrührten: „Der Herr wünscht Euch unverzüglich zu sehen, es geht um die Testamente....“ Und wenn er weiterhin in Sakuras Nähe blieb konnte er sein eigenes schreiben, da war er sicher. So machte er mit einem gewaltigen Satz, dass er davonkam.
***
Im nächsten Kapitel werden die Testamente geöffnet und Seine Lordschaft hat eine erneute Unterredung mit Tokuwa, eine mit Kato, der ja noch fehlt, während sich Sakura um Akina kümmern darf.
bye
hotep