Zum Inhalt der Seite

Das Leben ist ein Mannschaftssport.

One-Shot Taito
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

...und jeder Spieler hat seinen Platz.

Das Leben ist ein Mannschaftssport
 

Montag. ( Yamato's POV )
 

Möglichst unauffällig warf ich einen kurzen Blick um die Ecke der Sporthalle. Wenn man an die Wand gedrängt und auf Sportler glotzend, unauffällig nennen konnte. Mein Scham fragte mich, wo mein Stolz geblieben war. War er nicht eben noch da gewesen?
 

Doch dennoch konnte ich meine Augen einfach nicht von ihm abwenden. Und soviele gegensätzliche Gedanken lieferten sich haufenweise Schlachten in meinem Kopf. Da war zum Einen immer noch die Wut, welche noch auf Vergebung wartete und zum Anderen war da ein schlechtes Gefühl, dass mich runterzog und mich nachdenken ließ, ob ich es vielleicht war, der sich entschuldigen musste. Dabei ging es doch nur um eine Party.
 

~
 

"Komm schon, das wird 'ne super Fete! Die halbe Schule hat zugesagt und die haben einen Pool. Einen Pool, Yama!"
 

"Mir egal Tai, wir hatten ausgemacht, dass wir heute einen ruhigen Abend machen und uns ein paar DVD's anschauen."
 

"Ja, ich weiß, aber ich hab keine Lust jeden Samstagabend nur Filme zu sehen. Ich will was erleben, unter Leute und so."
 

"Du hast aber zugesagt und ich bin in drei Videotheken gewesen um diesen einen Streifen zu finden, den du unbedingt gucken wolltest."
 

"Schön, dann schauen wir ihn morgen, morgen ist Sonntag! Aber heute gibt es eine Riesenparty und wir sind eingeladen! Komm schon Yama, das kommt nicht jeden Tag vor..."
 

"Na danke! Wieder mal lässt du mich sitzen! Wie konnte ich mich nur auf dich verlassen?"
 

"Hör mal, echt! Ich lass dich sonst nie hängen, dafür lässt du mich immer hängen, denn du kommst nie irgendwohin mit!"
 

"Ich sage ja auch immer extra VIELLEICHT bin ich dabei!"
 

"Was bei dir immer NEIN heißt! Das nervt! Du kannst dich doch nicht dein Leben lang verkriechen und deine jungen Jahre zuhause vor dem Bildschirm verbringen!"
 

"Oh doch. Und weißt du was? Ich machs in Zukunft allein! Geh du auf deine dämliche Party, sauf dir deine letzten Gehirnzellen raus und schreib in der nächsten Mathearbeit halt mal eine 6 statt wie sonst eine 4. Es ist ja nicht mein Leben!!!"
 

"DU DRAMAQUEEN! Verdammt nochmal-..."
 

"Nein!.... Raus hier. Auf mich warten ein paar Filme!"
 

"Wie du willst! Dann verrotte doch hier in dieser Bude!"
 

~
 

Hatte Taichi vielleicht sogar Recht gehabt? Schließlich ging ich wirklich nie aus. Und abgesehen von den Strebern war ich damit der Einzige - selbst Schüler aus der Blaskapelle führten mehr Privatleben als ich!
 

Seufzend lehnte ich mein Gesicht an die kühle Fassade. Da rannte mein bester Freund auf und ab, diesem doofen Ball hinterher und schwitzte so sehr, dass sein ganzer Oberkörper in der Sonne glänzte. Es sollte verboten werden, dass sich Schüler obenrum freimachen dürfen. Das würde vielleicht auch die Anzahl der kreischenden Mädchen am Spielfeldrand verringern.
 

Die Pfeife ertönte.
 

Lachend und Hände abklatschend tapsten die Spieler noch ein wenig auf dem Rasen herum, um dann Grüppchenweise Richtung Umkleiden zu laufen. Die Mädchen am Spielfeldrand verteilten sich und verließen in kleinen Gruppen mein Sichtfeld. Überall waren es Gruppen, Cliquen, Ansammlungen von Menschen. Ich musste fast schon automatisch an Damals denken, als wir noch als Digiritter unterwegs waren. An all die Worte, die mir die Anderen zu diesem Thema sagten und an das Gefühl, einer Gruppe zugehörig zu sein.
 

Es war ein schönes Gefühl.
 

Wie lange war das schon her? Es kam mir vor wie ein ganzes Leben. Und es schien als hätte ich nichts gelernt - schließlich stand ich schon wieder alleine da. Bisher hatte ich immer Taichi gehabt, ihn hatte ich an mich rangelassen oder besser gewähren lassen, denn er hatte sich meine Zuneigung stark erkämpft.
 

Irgendwas sagte mir, dass er sich ein bißchen zuviel davon erobert hatte...
 

"Yama?"

"Uh!", erschrocken wollte ich einen Schritt zurück machen, knallte dafür mit dem Hinterkopf gegen die Wand hinter mir und rieb mir mit verzerrtem Gesicht die getroffene Stelle.
 

"Was machst du hier?", fragte der braune Haarschopf.

"Ich öhm...", ja, warum stand ein Junge heimlich hinter einer Ecke und beobachtete halbnackte, schwitzende Fussballspieler? "Also ich.. ich wollte mich entschuldigen."
 

Wollte ich das?
 

"Wirklich?...", Taichis Augen erhellten sich angenehm und ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Wie sehr hatte ich das vermisst? Dabei war erst Montag und wir hatten unseren Streit am Samstag. Das konnte nicht normal sein!
 

"Ja...", beschloss ich und seufzte ergeben. "Ich bin ein Ekel. Nicht nur, dass ich mich selbst einmauer, ich versuch dich auch noch aus dem aktiven Leben zu reissen. Das war unfair von mir."

"Allerdings.", kommentierte er, schmunzelte dann aber. "Aber ist schon gut. Ich möchte nur eines von dir..."

Erstaunt und neugierig hob sich mein Kopf wie von Selbst ein Stück.

"Was denn?", fragte ich zaghaft.

"Das du wenigstens abunzu mal mitgehst, wenn ich dich frage. Es würde dir so wahnsinnig gut tun und du ahnst nicht, wie sehr ich mich freuen würde...", die letzten Worte wurden immer leiser und die braunen Augen wandten sich ein wenig ab.
 

Ich spürte wie meine Mundwinkel zuckten.
 

"Geht klar!", posaunte ich dann mit frischer Motivation aus. Die Frage war, wie lange sie halten würde - doch das musste ich eben herausfinden. "Sofort beim nächsten Mal bin ich dabei!"

"Super.", sein Grinsen schien beinahe schadenfroh. "Deeenn... heute Abend geht unsere gesamte Jahrgangsstufe in den neuen Club in der Stadtmitte. Also kann ich mit dir rechnen?"
 

Club? HEUTE? Gesamte Jahrgangsstufe? Hilfe, NEIN!
 

"Morgen ist Schule!", hörte ich die erste Ausrede aus meinem Mund entweichen. "Das wird bestimmt brechend voll! Und ich bin so gut wie pleite!"

"Tja, morgen sind nur Lehrerkonferenzen, daher entfällt jeglicher Unterricht. Außerdem ist der Club riesig, hat heute freien Eintritt und alle Getränke zum halben Preis.", zählte Taichi schadenfroh auf und rückte sich seine Sporttasche auf der Schulter zurecht.

"Verdammt.", grummelte ich. "Bin dabei."
 

"Ich hol dich um Acht Uhr ab.", grinsend klopfte mein wieder gewonnener bester Freund mir auf die Schulter und schlurfte an mir vorbei. "Ich muss los, bis später dann."

"Wir treffen uns besser irgendwo - bevor sich das noch anhört wie ein Date!", rief ich ihm halblaut nach und stutzte dann. "Gehst du eigentlich gar nicht duschen?"

"Ich bin mit Daisuke jetzt zum Fussballspielen im Park verabredet. Das wäre also ziemlich schwachsinnig.", klärte er mich noch laut auf, bevor er um die nächste Ecke verschwand.
 

Schwachsinn war doch sein zweiter Vorname. Und soviel Fussballspielen verdiente das Wort als Bezeichnung. Das war ja nicht mehr gesund - am Ende müsste ich mir irgendwann noch Sorgen machen, dass er an Erschöpfung sterben könnte. Kopfschüttelnd verwarf ich diese Gedanken wieder.
 

Wenn ich mich schon sorgen wollte, dann darüber, warum ich Taichi länger als 10 Sekunden beim Spielen zugesehen hatte. Und erst recht, weil es länger als 10 Minuten gewesen war.
 

"Agh!", Zähne knirschend, in der Hosentasche nach einem Kaugummi wühlend und in gleichmäßigem Zeitabstand eine ganz bestimmte Strähne immer wieder aus dem Gesicht pustend, machte ich mich auf den Heimweg. Heute Abend also Party. Hm.
 

Naja, ich hatte die richtigen Vorraussetzungen - ich war 19, gesund und ... und... Menschenscheu.
 

~
 

Wer zum Henker störte mich bei meiner stundenlang andauernden Modeschau? Nur noch eine halbe Stunde bis ich am Treffpunkt sein musste und immer noch kein passendes Outfit gefunden! Woher sollte ich wissen, was man anzieht, wenn man ausgeht? Pf!
 

Genervt riss ich die Haustür auf und erwartete schon Takeru, wie er zum X-ten Mal eine Beziehungskrise mit Hikari hatte und darüber Dampf ablassen musste. Doch vor mir stand mein Date, wie es schien. Wütend verengte ich die Augen zu Schlitzen.
 

"Sagte ich nicht, wir TREFFEN uns?", fauchte ich Taichi an, der gleichgültig dazu die Schultern zuckte und sich an mir vorbei drängte. "Hallo? Ignorieren hilft dir auch nicht weiter!"
 

Mit skeptischem Blick blieb Tai neben mir stehen und betrachtete mich von Kopf bis Fuss. Fragend schaute ich ihn an.
 

"Ich brauch keine Hilfe, aber du und zwar dringend.", meinte er nur und schenkte mir einen Da-ist-nichts-mehr-zu-retten-Gesichtsausdruck.

"Bitte was?", irritiert sah ich an mir herunter. Helle Jeans, weißes Shirt - was war daran denn falsch?

"Keine Angst, ich nehm mal deinen Kleiderschrank unter die Lupe.", beruhigend tätschelte er mich auf den Kopf und war weg, ehe ich das Gefühl dieser Demütigung in Zorn verwandelt hatte.
 

"HEY!"
 

Knurrend folgte ich ihm in mein Zimmer, wo der nette Herr sich bereits in den Tiefen meiner Kleidung versenkt hatte und alles durcheinander brachte. Schnaubend schaute ich ihm eine Weile dabei dazu, bis er mir eine schwarze Hose und ein eher dunkles, grünes T-Shirt reichte, auf welchem Grün-Schwarze Muster abgebildet waren.
 

"Anziehen, Hopp Hopp, wir müssen los!"
 

Gerade wollte ich protestieren, aber seine Augen schienen so entschlossen, dass ich ausnahmsweise kuschte und mehr oder weniger freiwillig mein Hemd auszog.

Ein eigenartiges Gefühl beschlich mich, als ich mir die Hose aufknöpfte und ich ahnte welches. In den Augenwinkeln erkannte ich Taichi und wie er seinen Blick nicht von mir abwandte. Seine Anwesenheit war nun wirklich schon schlimm genug, wenn ich mich gerade umzog, aber musste der so starren? Vielleicht sollte ich Geld dafür verlangen...
 

"Na mach schon.", hörte ich ihn neben mir sagen und schließlich ein Türklicken. Entspannt seufzte ich und beeilte mich mit dem Umziehen. Wieviel doch eine Person bei einer Anderen ausrichten konnte, ohne irgendwas zu tun. Hätte ich Zeit gehabt, würde ich mich eingehend mit dieser Sache befassen, aber die Uhr ließ mir keine Wahl. Ungläubig betrachtete ich mich mit dem neuen Outfit im Spiegel und musste Taichi eins lassen: Gute Wahl.
 

Seltsam zufrieden stolzierte ich in den Flur, schnappte mir mein Portmonee, die Schlüssel und tippte Tai an, welcher in ein Sportmagazin vertieft war. Er zuckte zusammen und sprang sofort auf. Ich machte ihm ein Zeichen, dass wir gehen konnten und am Kopf kratzend folgte er mir zur Tür - obwohl er wirklich sehr neben der Spur wirkte. Und den Weg über änderte sich daran auch nichts.
 

~
 

"Tai?", brach ich Fünf Minuten bevor wir das Ziel erreicht hatten, die Stille. Wenige Sekunden später hob er den Kopf und schaute mich an, mit geistesabwesenden Augen.
 

"Hä, was?!"
 

"Ist alles klar mit dir?", freundschaftlich stieß ich ihn leicht in die Seite und hoffte auf eine Reaktion, aber nichts geschah.
 

"Jaja, bin nur bißchen Banane im Kopf heute.", er winkte ab und schaute auf die Uhr. "Wir sollten uns beeilen. Micky steht mit den Anderen noch in der Schlange und wenn wir rechtzeitig da sind, können wir uns zu ihm stellen, dann müssen wir nicht ewig anstehen..."
 

"In Ordnung.", erwiderte ich und begnügte mich den Rest des Weges eben damit, dass Taichi immerhin noch atmete.
 

Und hier war. Bei mir. Und ich bei ihm. Ich war nicht allein.
 

Ich war... auf dem Weg in einen Club! AH! Panik!
 

"Taaaaai! Ich glaub ich kann doch nicht mit!", quiekte ich auf einmal verzweifelt. Da war wohl wirklich das letzte Korn Stolz verloren gegangen. "Echt, ich glaub... mir gehts gaaaar nicht gut!"
 

"Vielleicht klappt sowas bei deinem Dad, aber nicht bei mir.", mit hoch gezogener Augenbraue sah er mich von der Seite an und schmunzelte. "Du wirst sehen, es wird dir Spaß machen."
 

"Wenn das bei Dad klappen würd, wär ich nie in der Schule."
 

"Er ist doch nie da?"
 

"Das heißt nicht, dass er keinen Kontakt mit den Lehrern pflegt."
 

"Hm, stimmt."
 

"Ich hab die Lösung.", bestimmte ich in diesem Moment und damit den ganzen Verlauf des Abends. "Ich betrinke mich einfach."
 

"Um Aufgeschlossen zu sein?", seine Stimme war mit Skepsis erfüllt.
 

"Ja, klar."
 

"Falls ich dich erinnern darf... du verträgst nichts. Ich mein, ein bißchen werden wir alle trinken, aber halt du dich lieber etwas mehr zurück..."
 

"Tai, nun wirklich. Ich bin doch kein Kind mehr!"
 

"Letztes Mal hast du dich piercen lassen im Suff.", wurde beiläufig erwähnt und traf ins Schwarze.
 

"Das ist schon ewig her. Und die Wunde am Ohr ist fast verheilt."
 

"Es war vor einem Monat. Und es sieht aus, wie gestern gestochen."
 

"Pessimist.", schimpfte ich Taichi, den größten, mir bekannten, Optimisten.
 

"Schisser."
 

~
 

Wir hatten vor ca. 20 Minuten den Club betreten, uns einen kleinen Tisch in der Nähe der Bar ergattert und dort niedergelassen. Wir -waren Taichi, unsere Klassenkameraden Micky, Desiree, Makoto und zwei mir unbekannte Gesichter.
 

"Hier.", keuchte mein bester Freund leise auf, als er sich den Weg von der Bar wieder zurück gekämpft hatte und stellte unsere Getränke auf den Tisch. "Ich hab alles jedem gleich zweimal geholt, damit wir nicht so schnell wieder in die Schlacht müssen."

"Übertreib doch nicht. Wenn man geschickt vorgeht...", mischte sich Micky ein, wurde aber von Taichis Finger unterbrochen. Wir sahen uns um und erblickten ein weinendes Mädchen, das mit einem Cocktailstäbchen in der Nase Richtung Klo flüchtete.

"Ouuh!", machten wir alle gleichzeitig.

"Ich hatte fast eine Zitronenscheibe im Auge.", meinte Tai noch und setzte sich neben mich. "Diese Biester sind verrückt."
 

"Hey Matt, wie kommts eigentlich dass du hier bist?", fragte da Desiree und rührte in ihrem Drink herum. "Bist du krank oder so?"

"Haha.", machte ich. "Mir wurde das Gehirn amputiert, also kann ich jetzt endlich mit euch nun Gleichgesinnten herumhängen."

"Boah, du bist so'n Arsch, Yamato.", zischte das nun ziemlich angepisste Mädchen über den Tisch und verließ mit ihrem Getränk den Tisch. Ich spürte wie zwei braune Augen mich zornig anfunkelten und drehte mich langsam in diese Richtung.

"Was ist nur mit dir, dass du so derbe unsensibel bist?", fragte Taichi mich schroff und traf einen wunden Punkt, den schon lange Niemand mehr berührt hatte - weil Ja nie Jemand da war.
 

"Unsensibel? Ich?", fauchte ich schon beinahe und trank einen großen Schluck von meinem Wodkaenergie. "...oaah! Bitte nenn mich unsensibel! Ich nenn es EHRLICH!"

"Ehrlich? Leute ohne Grund ständig zu beleidigen nennst du Ehrlichkeit?", fassungslos haute Tai auf den Tisch.
 

"Nenn DU es wie du willst!", ich warf ihm einen boshaften Blick zu, nicht bemerkend, wie Micky und die Anderen von unserem Tisch aufstanden und weggingen. "Ich komm ja auch nicht daher und halt dir was vor, wie unecht du bist!"

"Bitte wie?", jetzt hatte ich ihn verwirrt. Oder getroffen. Hauptsache er hatte daran zu knabbern. Unser Mr.Perfekt, Fussballkapitän, immer gut gelaunt und alle Welt liebte ihn.
 

"Unecht, Tai, unecht.", wiederholte ich für ihn laut und deutlich. "Kein Mensch ist immer glücklich und immer nett! Geschweige denn kommt mit absolut Jedem aus! Das ist doch krank und unnatürlich!"

"Bist du etwa neidisch?", ungläubig musterte er meine Augen genauer und stockte dann. "Jetzt nicht wirklich, oder?!"
 

"NIEMALS!", wütend sprang ich von meinem Stuhl auf. "Du kannst dein mit Heuchelei vollgestopftes Leben für dich behalten! Mit all den gesichtslosen Puppen die um dich herumschwirren und den leeren Worten, die dir all die Leute sagen, die du kaum kennst. Behalte es. ALLES!"
 

"YAMATO!", schrie er da und im Schockzustand setzte ich mich sofort wieder hin und bewegte mich nicht. Er hatte mich Yamato genannt. Das tat er sonst nie.

Tief durchatmend, mit großen Augen und nicht glaubend, dass er gerade tatsächlich geschrien hatte, hielt sich der Fussballer am Tisch fest und sah mich eingehend an. "Verdammt nochmal. Also zum Einen möchte ich NICHT und schon gar nicht hier, über sowas reden. Zum Anderen... ja, ich mag mein Leben so und ja, da sind Zigtausend Leute die ich kaum kenne... aber was glaubst du bedeutet mir das?"
 

"Ich würd mal sagen, Alles.", mit zusammengekniffenen Augen warf ich ihm einen Todesblick zu. "Denn dafür lebst du schließlich."

"Das ist nicht wahr.", plötzlich wich jegliche agressive Schwingung aus der Stimme des Braunhaarigen. Sie wurde ersetzt durch Unsicherheit und Beklommenheit. "Ich lebe nur für..."
 

"IST MIR EGAL!"
 

Ich schrie bevor ich darüber nachdachte.
 

"Wir sehen uns dann später oder wer weiß, vielleicht auch erst irgendwann in der Schule, wenn Mr.Perfekt seinen Beliebheitsgrad nicht gerade steigern muss!"
 

Ich drehte mich um und ging, obwohl Taichis Blick alles in mir zum Brodeln brachte. Brodeln, welches wochenlang im Kopf verharrt, sich als Kribbeln im Bauch bemerkbar macht und dafür sorgt, dass man sich eine Nacht nach der Anderen um die Ohren schlägt - weil man einfach nicht einschlafen kann.
 

Und jeder Schritt von ihm weg, verstärkte das Brodeln. Ich war am Ende des Raumes, mit einem kleinen Tornado im Magen und konnte nun nur zwischen Männertoilette und Treppe wählen. Die Toilette gewann interessanterweise, obwohl ich nicht einmal annähernd Wasser lassen musste.
 

Doch irgendwas, vermutlich die Party in meinem Bauch, zwang mich dazu, dieses halbwegs saubere Ambiente zu betreten und mich selbst im Spiegel zu betrachten. Und wie ich da so stand, rauschte alles auf mich nieder und zerquetschte mein Gemüt.
 

Dieser Typ, der hinter mir lang schlich und mir einen merkwürdigen Blick zuwarf - sah er auch, dass in meinen Augen kein Funken Lebensfreude mehr war? Konnte man das sehen? War es vielleicht für jeden Menschen ganz leicht ersichtlich?

Hingen meine Mundwinkel schon immer soweit unten? Konnte man erkennen, dass sie ziemlich eingerostet waren? Ich benutzte sie seit Jahren schon nur für Tai... manchmal für Takeru und wenn ich mal einen von den Digirittern sah, dann ebenfalls abunzu. Doch wie oft kam das schon vor...
 

"Du erbärmlicher, nasser Sack."
 

Mein eigenes Flüstern erstarb.

Meine Stimme brach einfach ab.

Krepierte kratzend und ächzend.
 

Was fand Taichi nur an mir, dass er mit so einem Miesepeter befreundet war? Kein Wunder, dass er immer mehr die Nähe anderer Menschen aufsuchte. Vielleicht war ich jetzt nur noch ein Lückenbüsser. Vielleicht wurde ich auch auf einmal nur völlig kirre im Kopf, weil ich mich viel zu sehr da hineinsteigerte.
 

Schließlich war es Tai.
 

Seufzend fuhr ich mir immer wieder durchs Haar.

Tai würde sich doch niemals solche Mühe machen, wenn ich ihm nicht wichtig wäre. Tai würde mich niemals hierher mitnehmen, wenn er meine Anwesenheit nicht mögen würde... Tai würde...

Tai war immer nett zu Allen.
 

Tai...

TAI TAI TAI!
 

"AAAAAAAHHHHHH!!!!"
 

Und ich schrie und schrie und schlug gegen die erstbeste Kabinentür ein, dankbar noch so klar zu sein, nicht stattdessen den Spiegel zu misshandeln. Wie konnte ich nur so blind und dumm sein? Und wie war es passiert, dass ich in kürzester Zeit so einen Haufen Zweifel aufgeworfen hatte - wo vorher nichtmal Einer war?

"Ey!"

Erschrocken fuhr ich herum.

"Bist du klar? Sonst ruf ich nämlich den Securitytypen!"

Hektisch nickend winkte ich dem fremden Kerl ab und wischte mir nervös über die Stirn. Ich musste ja aussehen wie ein Wrack.

"Schon gut. Alles ok. Ich bin schon wieder weg."
 

Ich hatte den Satz gerade zuende gesprochen, da war ich auch schon aus dem Männerklo geflüchtet. Und um Taichi bloß jetzt nicht zu begegnen, entschied ich mich für die Treppe statt zurück zu gehen. Die Stufen blinkten in bunten Farben, die Wände reflektierten das Schwarzlicht und mir war, als würde mein Augenlicht ein bißchen vergewaltigt. Wurden Clubgänger irgendwann zu Brillenträgern? Sollte man mal untersuchen.
 

Die letzte Stufe ließ mich Taichi tatsächlich kurz vergessen - denn direkt über der Bar hier, prangte ein riesiges Werbeschild mit meinem Lieblingsdrink - Jack Daniels.
 

"Einen Jacky-Gingerale.", bestellte ich bei der Bardame und sank auf den Hocker. Wenn die da unten wüssten, dass man hier oben nicht darum kämpfen musste, ein Getränk zu ergattern. Ha.
 

"Bittesehr."
 

Kaum stand der Jacky vor mir, hatte ich ihn schon zur Hälfte geleert. Mochte ja sein, dass man seine Probleme im Alkohol nicht ertränken konnte - aber immerhin konnte man sich selbst eine Weile außer Gefecht setzen. Und besonders die Gehirnzellen. Die, die dachten. Die, die alles noch komplizierter machten.

Also machte ich es mir dort gemütlich, summte sogar gedankenabwesend mal ein Liedchen mit und verging mich am Jack Daniels und meinem Portmonee.
 

~
 

"Ich glaub, du hast 'ne Sms.", meinte Lilly, welche ich vor zwei Stunden hier am Tresen kennengelernt hatte. "Es hat gepiept."
 

Meinen mindestens 7. Jacky auf dem Tisch abstellend, nahm ich mein Handy in die Hand, entsperrte und überflog die Sms schnell.
 

// Yama, ich glaub Kari hat was mit Daisuke! Was soll ich machen?\\
 

"Ah, mein Bruder...", murmelte ich halbschmunzelnd.

"Jaa, die lieben Geschwisterchen.", lächelte der Rotschopf und wandte sich an die Bedienung. "Bitte zwei Tequila!"
 

// Hör auf paranoid zu sein! \\ schrieb ich grinsend zurück und merkte, als ich meinen Kopf hob, dass ich wesentlich mehr getrunken hatte, als ich bis dahin ahnte. Das Handy schob ich in meine Hosentasche und nahm dann den Tequila der uns gerade serviert wurde. "Ich hab noch nie Tequila getrunken."
 

Lilly lachte auf und fiel beinahe vom Stuhl, als zwei Jungs auftauchten, die vorhin schonmal bei uns gesessen hatten. Mit Bierflaschen in der Hand setzten sie sich zu uns.
 

"Die Zitrone auf den Handrücken reiben, das Salz drauf streuen, dann ablecken, den Tequila trinken und in die Zitrone beissen."
 

Lilly fing an, der Neuzugang bestellte sich ebenfalls Tequila nach und ich versuchte ihrer Anweisung zu folgen. Der Alkohol der bereits intus war verhinderte das geschickt und ich biss zuerst in die Zitrone. Der Tequila zerriss mir den Magen und beschwor ganze Armeen von Brechbedürfnissen herauf. Das Salz danach machte alles noch viel schlimmer und mit winselnden Geräuschen verzog ich eine halbe Minute lang gequält das Gesicht.
 

"So gehts jedem beim ersten Mal.", beruhigte mich der eine Typ, von dem ich glaube, dass er Maik hieß. "Ich hab fast gekotzt."
 

"Ich hab wirklich gekotzt.", warf Lilly lachend ein.

"Ich will nicht kotzen, also bitte Themawechsel!", krächzte ich und trank einen großen Schluck Jackygingerale hinterher. Das Grummeln in meinem Magen war spürbar, aber wie betäubt, sonst hätte es mir verraten, wie schlimm es um mich stand.
 

"Bist du eigentlich allein hier?", fragte dieser Maik dann plötzlich und ich verschluckte mich beinahe an meinem Drink.

"Neee.", mit gemischten Gefühlen dachte ich an Tai, der hier noch irgendwo rumlief - es sei denn, er war bereits gegangen.

"Und wo sind dann deine Leute?"

"Hey, wir sind hier bei keinem Quiz oder?", schritt das Mädchen an meiner Seite ein und zwinkerte mir zu. "Holt uns doch mal ein paar Pommes, die gibts bei der Bar unten!"

"Na gut.", schulterzuckend standen die Beiden auf. "Hab eh Hunger."
 

"Danke.", nickte ich ihr leise zu. "Das erinnert mich daran... dass ich mal gucken könnte, ob Tai noch da ist." Betrübt betrachtete ich meine Hände auf dem Tisch.

"Also, nachdem was du mir erzählt hast von ihm - und du hast viiiel erzählt - glaube ich nicht, dass er schon weg ist. Er fragt sich bestimmt wo du bist.", aufmunternd klopfte sie mir auf den Oberschenkel und wandt sich ihrem Getränk zu.

"Ich würd ihn ja gern suchen.", murmelte ich. "Aber ich bin schon ziemlich betrunken... wenn ich aufstehe, entgleitet mir fast sämtliches Gleichgewicht...", ich musste grinsen. "...und die Vernunft beim Sprechen..."

"Das mit dem Gleichgewicht ist wirklich kein Vorteil. Aber vielleicht kriegst du in deinem berauschten Zustand es eher hin, ihm endlich die Wahrheit zu sagen, als sonstwann?"
 

Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen.
 

"Hä?"

"Na, was du für ihn fühlst.", sagte sie und sah mich fragend an.

"Wie... hä... was ich fühle? Für.. ihn? Was meinst du?", ein bißchen durcheinander trank ich mein Glas leer und schaute sie skeptisch an.

"Herrje Yamato. Willst du mir echt sagen, dass du das nicht weißt?"

"Was wissen?"

"Himmel und Hölle.", lachte sie auf und versuchte wieder ernst zu werden, mit einem leicht amüsierten Grinsen. "Ich kenn dich erst seit zwei Stunden, hab mir von Millionen Geschichten aus deinem Leben, vielleicht Zehn oder Fünfzehn angehört und hab es sofort geschnallt. Kann doch nicht sein, dass du...? Nein..."

"Verdammt, was meinst'n du?"

"Naa, alles dreht sich um diesen Tai. Taichi hier, Taichi da. In jedem zweiten Satz hast du ihn erwähnt, in jeder Geschichte ist er mit dir der Hauptdarsteller und meistens seit es nur ihr Zwei. Willst du mir immer noch sagen, dass du es nicht kapierst?"
 

"Tai ist mein einziger Freund... ich hab sonst nichts zu erzählen..."
 

Verunsichert und irgendwie gekränkt ließ ich meinen Blick umher schweifen und blieb hängen. Da stand Tai. Ein paar Meter weiter weg nur und zum Glück mit dem Rücken zu mir.
 

"Matt?", hörte ich eine Stimme. "Matt? Yamato? Du hast doch gesagt dein Spitzname wär Matt..."

"Hä, was, hm?", etwas durch den Wind schaute ich sie wieder an.

"Du bist in deinen besten Freund verliebt du Holzkopf!", stellte Lilly dann klar. Wow. Jetzt war alles klar. Und logisch. Sowas von.
 

"So ein Blödsinn.", lachte ich. Hielt inne. Dieses Lachen kannte ich. Das war mein eigenes Fakelachen. Mein unsicheres Lachen. Das war ein Oh-Gott-Vielleicht-hat-sie-Recht-Lachen. "Das... ist Unsinn."
 

"Ich bin mir ganz sicher.", sie hob schmunzelnd eine Augenbraue und deutete über ihre Schulter, Richtung Tai. "Da steht er doch irgendwo, nicht wahr? Du bist eben so sehr weggetreten, als du da hin geschaut hast, das kann nur Liebe sein."

"Ich.... nein...", mit einem schiefen Lächeln spielte ich mit meinem Glas herum. "Das ist... also echt... Tja.. was... was erwarte ich auch.. du kennst mich erst seit zwei Stunden, wie du sagtest..."

"Ach, Matt, mach dir das nicht madig. Ich mag dich.", und ich glaubte ihr das sogar. "Du hast mir erzählt, du wärst Menschenscheu und oft unausstehlich, könntest nicht schnell Kontakte schließen und dich Jemandem anvertrauen."

"Danke für die Info.", grummelte ich. "Achso. Die hast du ja von mir. Haha."

"Hör mir doch zu.", sie nahm meine Hände und schüttelte sie ein wenig. "Wir haben nur angefangen zu Reden, weil wir Beide dasselbe Getränk bestellt haben. Und hier sitzen wir, du hast mir wahnsinnig viel erzählt und wir haben uns wunderbar verstanden und Spaß gehabt. Vergiss nicht, vorhin hast du kurz getanzt."

"Ja. Bis mir klar wurde, dass ich TANZE.", mir entfuhr ein Lachen und es lockerte mich wieder. "Vor allen Leuten... oh Mann.."

"Ich will damit sagen... du kannst es anders... wenn du willst."

Nachdenklich betrachtete ich unsere Hände. Sie drückte ein wenig fester zu und kicherte leise. Wieder musste ich leise lachen.
 

"Und ich wette, dass deine Gefühle für Tai das Problem sind.", führte sie die Therapiesitzung fort. "Da du sie mit dir herumträgst, aber nicht ausleben kannst, fallen sie dir zur Last und ein negatives Gefühl im Bezug auf Tai entsteht. Ich wette, wenn du mit ihm ins Reine kommst und das geklärt ist, bist du wie befreit und wirst dich auch wieder viel besser fühlen. Allgemein."
 

Das klang gar nicht mal dumm. Richtig gut.

Aber...

Dazu müsste ich ja in Taichi verliebt sein. War ich das? Ich wusste nichts davon. Ich wusste nur...
 

"Yama?"
 

Erschrocken schaute ich auf und entdeckte Taichi neben mir stehen. Er schaute mit einem irritierten Blick auf unsere Hände und wieder zu mir. Lilly reagierte schneller als ich und zog die Ihren weg.

"Hi...", sagte ich leise. "Tschuldige wegen vorhin. Ich.. ich bin einfach ein Idiot und nicht Gesellschaftsgeeignet."

"Halt!", stoppte die Rothaarige mich. "Darüber haben wir doch eben geredet, hm?!"

"Achja.", ich verdrehte die Augen und setzte neu an. "Ich bin ein Idiot und nur unter Umständen auch Gesellschaftsgeeignet."

Skeptisch hob der Fussballspieler eine Augenbraue.

"Wie darf ich das verstehen?", fragte er und setzte sich zögerlich zu uns. Hinter ihm sah ich gerade die beiden Jungs von vorhin wieder kommen. "Kennt ihr euch schon länger?"

"Neeein, wir haben uns hier erst kennengelernt.", riss Lilly das Wort an sich und reichte Tai lächelnd die Hand. "Lilly. Und dein Freund da, ist wirklich ein ganz lieber Mensch. Nur ein wenig durcheinander."

Jetzt schaute Tai mich noch verwirrter an als vorher. Unschuldig und hilfslos guckend hob ich meine Schultern. Was sollte man da machen? Die Frau nahm kein Blatt vor den Mund.
 

Vielleicht mochte ich sie deshalb.
 

"Tai...", murmelte er zu Lilly und wandte sich wieder zu mir, als die beiden Kerle sich wieder zu uns setzten. Ich sah Taichis steigenden Wunsch einige Fragen zu stellen - immerhin hatte er mich nie so vertraut und vergnügt mit Fremden gesehen. Und gerade vorhin war das ja auch ein Streitgrund gewesen. Ich stöhnte innerlich.

"Hier sind die Pommes.", Maik stellte sie auf den Tisch und während die Jungs begannen zu essen und auch Lilly sich nicht zurückhielt, machten sie sich alle gegenseitig bekannt. Ein paar Minuten sah ich mir das schweigend an.

"Tai, können wir gehen?", hörte ich mich plötzlich fragen.

"Hu?... Äh... Ok?!"

Erstaunt, aber zugeneigt, nickte er und verabschiedete sich wieder von den gerade neu Kennengelernten. Ich ebenfalls, allerdings gab ich Lilly meine Handynummer, was mich selbst überraschte.
 

"Ich bin entzückt.", grinste sie mich an. "Du wirst ja richtig aufgeschlossen."

"Tja.", ich zuckte mit den Schultern und schenkte ihr ein ehrliches, nettes Lächeln. "Ich mag dich. Und danke."

"Gern geschehen."
 

Das war's. Tai und ich verloren kein Wort auf dem Weg durch den Club, auch nicht die ersten Minuten des Heimwegs. Bis plötzlich mein Handy vibrierte. Taichi bekam es unweigerlich mit, da er meine plötzlichen Zuckungen nicht übersehen konnte.
 

"Vibration kann zu Herzstillstand führen, sollten sie als Warnung rausgeben!", lachte ich scherzhaft. Mir fiel nicht einmal auf, dass ich fröhlich war. Nicht missmutig. Nicht deprimiert. Nicht gemein.
 

"Hu...?", irgendwie blieb ich stehen, keine Ahnung weshalb. Ein bißchen irritiert schaute ich auf mein Handy und musste unweigerlich lächeln. Lilly hatte geschrieben.
 

// Ich hab die Eifersucht in seinen Augen brennen sehen. \\
 

"Was ist?", fragte die Stimme meines besten Freundes weit weg.

"Lilly hat... egal.", ich sah wieder auf, holte ihn ein und lächelte ihn breit an. "Wie war eigentlich dein Abend?"

"Hm... ok.", murmelte er und schlurfte neben mir her.

"Klingt ja nicht so toll.", meinte ich überrascht.

"Ahja. Lernt nicht jeder so schnell neue Menschen kennen wie du und das alles.", das Sarkastische am Anfang wandelte sich in einen belustigten Ton. Wir grinsten uns blöde an.

"Is echt verrückt, ne.", ich konnte es selbst kaum fassen. "Hätte nie gedacht, dass man so schnell neue Freundschaften schließen kann. Bzw. Bekanntschaften."

"So nennst du das?"

"Wie meinst du das?", hakte ich nach. Hatte ich noch einen Kaugummi? Meiner Erinnerung nach roch eine Mischung aus Alkohol und Passivrauch nicht sonderlich gut aus dem Mund.

"Sah eher nach dem Anfang einer Liebschaft aus."
 

Wieder blieb ich stehen. Der Kaugummi war vergessen.
 

Hatte Lilly tatsächlich Recht? War er eifersüchtig? Sollte ich das testen? Wenn sie Recht hatte, wäre das nicht sehr gemein?
 

"Vielleicht.", meinte ich provokant und stolzierte an Taichi vorbei, der mir mit einem leicht entgleisten Gesicht nachsah.

"Wie?", kam er mir nach. "Im Ernst? Du stehst auf sie?"

"Was ist denn mit dir los?", fragte ich spitz. Der Fisch hatte angebissen. Möglicherweise reichte es sogar schon, Taichi mit einem Dounat zu locken - da würde er schließlich auch anbeissen.

"Nichts. Wieso? Was soll sein? Ich will heim, mir ist kalt.", murmelte Tai schroff und ging ein paar Schritte schneller voraus.
 

"Weißt du ...", ich hüpfte ihm ein wenig verspielt hinterher, verfluchte den Alkohol kurz für diese Blödelei, dankte ihm, dass ich soviel Spaß an Nichts hatte und hakte mich bei Taichi einfach ganz dreist ein. Perplex schaute er mich an, wie ich an seinem Arm hing und ihn unschuldig angrinste. "...Chi..."
 

Wusste er, dass seine Augen brannten? Vielleicht hatte Lilly dieses Feuer mit der Eifersucht verwechselt. Seine wunderschönen, braunen Augen brannten immer. Dieses Leuchtfeuer von Energie und Leidenschaft war zu mächtig um es nicht wahrzunehmen.
 

"...also...", zur Seite schauend versuchte ich die richtigen Worte zu finden und ärgerte mich kurz, Lilly dafür nicht um Rat gefragt zu haben. Vielleicht sollte ich erstmal anders anfangen.
 

"Also...?", hörte ich da große Neugierde in Tais Stimme?
 

"Ich möchte dir danken.", sagte ich dann mit fester Stimme. Und das wollte ich wirklich. Für Alles. Für seine Existenz. Für jeden Moment, jeden nichtigen Augenblick, den er je mit mir verbracht hatte. "Du hast nie aufgehört an mich zu glauben. Und nie daran gezweifelt, dass ich ein toller Mensch bin oder... sein kann."
 

"Bist. Du bist.", warf er leise ein.
 

Wäre es heller gewesen, hätte er vielleicht meinen Rotschimmer auf meinen Wangen bemerkt. Dann hätte ich mich wohl komplett weggedreht.

"Danke...", flüsterte ich ihm zu. "Jedenfalls... ich hab irgendwas verstanden. Irgendwas von all dem, was du mir immer versuchst zu vermitteln. Das Unter Leute gehen, das Glücklich sein auch Einstellungssache ist... ich hab kapiert, dass das Leben ein Mannschaftssport ist."
 

"Das hast du aber Schön gesagt.", grinste Tai mich an und ich lächelte zurück. "Und wie kommst du darauf? Lilly...?"
 

"Ja.", nickte ich.
 

Wieder senkte Taichi seinen Kopf ein wenig mehr. Da schien wirklich was dran zu sein. Vielleicht ...
 

"Weißt du, wenn Lilly nicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht Nie oder viel zu spät, etwas sehr Wichtiges über mich selbst herausgefunden."
 

Vermutlich wäre unsere Freundschaft irgendwann an meinem Verhalten zerbrochen und für immer gestorben. Das hätte mich vermutlich meinen Verstand gekostet. Und mein Herz sowieso.
 

"Was denn?", brummte mein bester Freund neben mir.

"Ich...", ich versuchte es, aber mehr bekam ich einfach nicht raus.

Genervt stöhnend blieb Taichi stehen und fasste mich an den Schultern. Sah mich eindringlich mit einem düsteren Blick an.

"Ich weiß es doch.", grummelte er.

"Ja?", kurz glaubte ich das und erschrack. Doch sein Benehmen deutete daraufhin, dass er an was ganz Anderes dachte.

"Du hast endlich kapiert, dass es Mädchen gibt und blablabla, sie hat dich von der Einsamkeit bekehrt und absofort wirst du dein Leben richtig leben.", er hob noch fragend eine Augenbraue. "Fehlt irgendwas?"

"Ja, alles.", nickte ich überzeugt und nahm sanft seine Hände von meinen Schultern. "Ich hab herausgefunden, dass ich ohne dich nicht leben will."

Oh. Das kam schnell und unerwartet.
 

"...so... im Ernst jetzt?", wollte ein total verdutzter Taichi wissen.

"J-Ja..", beschämt schaute ich weg. "Ich glaub... ich..."
 

Eine Hand schlich an meinen Augen vorbei und Finger legten sich zärtlich unter mein Kinn, zogen es hoch und lenkten es. Und wieder war da dieses Brennen. Dieses heiße, glühende Licht. Oh Tai.
 

"Ich glaube... ich habe mich... ich hab irgendwie... Gefühle... für dich... die nicht freundschaftlicher Natur sind ...aber... ich hab keine Ahnung wie das geschehen konnte...", stammelte ihm entgegen und wollte am liebsten im Boden versinken, obwohl der Alkohol ausreichend verhinderte, dass ich über Konsequenzen nachdenken konnte.

Dann kam das, was mir zuerst Angst machte.
 

Das Feuer in Taichis Augen erstarb. Verschwand. Wich.
 

"Yama..."
 

Wich Wasser. Salzwasser. Und einem feuchten Schimmern.
 

"Oh Gott, Tai, sind das etwa TRÄNEN?!", fragte ich entsetzt. Mein Taktgefühl war mal wieder bahnbrechend.

"Ja... sieht so aus, oder..?", er lachte leise und wischte sich die paar Tropfen aus seinen Augenwinkeln. "Ich fass es selbst nicht.."

"Ich hab dich noch nie weinen gesehen. Außer damals, als dir der Nachbarshund das Bein fast zerfleischt hat.", ich legte kopfschüttelnd meine Hände auf seine Brust und lächelte. Mir war gar nicht mehr bewusst, wo wir waren und warum. Und auch nicht, was alles passieren könnte. Ich nahm einzig und allein eine Tatsache war und die genügte mir völlig.
 

Taichi war hier bei mir.
 

"Ich dachte schon, ich wär total kaputt im Kopf...", erzählte er leise mit belegter Stimme, lächelte aber sanft. "Was für eine Erleichterung..."
 

Was meinte er? Hatte er gemerkt, dass ich was für ihn empfand? Dann wäre ich ja tatsächlich der Letzte gewesen, der es erfuhr und das obwohl ich die Hauptperson in diesem Fall war!
 

"Wovon sprichst du?", fragte ich also leise und unsicher.

"Ich hab nur gemerkt, dass sich in den letzten Monaten irgendwas geändert hat. Es war ein komisches, unbeschreibliches Gefühl. Und als ich darüber nachdachte, kamst nur du dabei raus.", er sah breit lächelnd zu Boden und wieder hoch. "Ich werde verrückt wenn du nicht da bist. Selbst wenn du schlimme Launen hast, will ich bei dir sein. Und... eben gerade... ich dachte nur daran, dass ich nicht will, dass du und diese Lilly... du weißt schon."
 

Wir sahen uns verstrahlt an. Niemals zuvor standen wir uns so nahe, in jedem Sinne. Ich konnte ihn Atmen hören. Es übertönte sogar den Wind, der in meinem Trommelfell rauschte.
 

"Ich schätze, ich empfinde dasselbe für dich.", schloss mein braunhaariger bester Freund das Ganze nun ab und sah mich fest an. "Ich bin total verwirrt und komm darauf nicht klar - aber ich kann nichts dagegen machen!"

"Dito... Darling...", beim zweiten Wort musste ich auflachen.

"Aber weißt du was?"

"Hm?"

"Ich mag, wenn du mich Darling nennst.", sagte er und man sah ihm an, dass er das selbst seltsam fand. "Obwohl ich das Wort nicht mag."

"Du Chi.", flötete ich und strahlte ihn an.

Woher kam nur all die Freude, die gerade meinen Körper und meine Seele fluteten? Achja... daher...

"Chi ist am Besten.", grinste Tai und legte seine Hände zögerlich um meine Hüften. "Was denn... Yama?"

"Ich will es wissen.", wisperte ich gegen seine Lippen, die mittlerweile soviel näher gekommen waren. Mir wurde schwindelig. Das lag aber nicht an all dem Jack Daniels.

"Was wissen?", hauchte er mir entgegen. Seine Augen funkelten verführerisch. Sein Mund erschien auf eine eigenartige Weise fremd und neu. Der Geruch dafür umso vertrauter.

"Was es ist.", höre ich mich sagen, schon fast taub und total benebelt von diesem Moment. "Ich will... dich küssen."
 

Er tat es.
 

Ich zuckte innerlich zusammen. Seine Lippen waren warm und weich und schmeckten nach Energiedrink. In mir verendeten alle Gleichgewichtsfunktionen, alle Muskeln gaben auf und die Vernunft rutschte vom Kopf runter in mein Herz.
 

Es war kein Film. Ich hörte keine Musik im Hintergrund, die passend zum Filmfeeling ablief. Da waren keine verschiedenen Perspektiven, die eine alltägliche Szene ein wenig interessanter wirken lässt. Und ich schwebte nicht auf Wolken, schwor nicht ab diesem Augenblick auf ewige Liebe und am Allerwenigsten glaubte ich, dass dieser Moment niemals vorbeigehen sollte.
 

Da waren nur wir. Und dieses einnehmende Gefühl.
 

Schmatzend trennten sich unsere Lippen und wir sahen uns mit verklärten Blicken an. Mein Herz pochte viel zu schnell und laut, ich konnte es beinahe hören. Es würde weh tun, wenn er sich geirrt hätte. Mein wallendes Blut hatte mich nämlich überzeugt.
 

Dann lächelte er.
 

Und küsste mich wieder.
 

Wir standen noch ziemlich lange auf dieser Straße, mitten in der Nacht und küssten uns, umarmten uns und grinsten uns abunzu an wie die letzten Vollpfeifen. Ich blieb dabei. Ich wollte sogar, dass diese Augenblicke schnell vorbeigingen - obgleich ich jeden genoß - freute ich mich auf Die, welche noch kommen würden.
 

// Jetzt brennt etwas Anderes. In unserer beider Herzen. \\
 

~
 

Ende
 

~
 

Nein, ich werde keine Fortsetzung schreiben - nur mal im Voraus. Das ist ein abgeschlossener One-Shot. Hoffentlich hat Niemanden gestört, dass ich die erfundene Lilly soviel eingebaut habe. Ansonsten... Ich hab versucht Yamatos Unsicherheit im Bezug auf Menschen ein bißchen rauszuarbeiten. Hat ganz gut funktioniert finde ich, war auf jeden Fall ein schöner Zeitvertreib für einen Sonntagabend :)
 

Freue mich über Feedback (schließt Kritik ja mit ein)!
 

Liebste Grüße

Skewed



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  kitty007
2012-02-18T21:29:14+00:00 18.02.2012 22:29
hello :D

total süße ff! musste die ganze zeit lächeln! und schön geschrieben, man konnte sich richtig gut reinversetzen!


LG Kitty >^.^<
Von:  Minouett
2011-09-21T21:01:44+00:00 21.09.2011 23:01
Eine schöne, rundeFF. Kein unnötiges Drama, kein Kitsch...
Mein Hirn spuckt leider gerade keine sinnvollen Sätze aus; normalerweise neige ich zu Romankommentaren und zähle mit Freude auf, was mir alles ge- oder missfallen hat (in diesem Fall GEfallen). Tut mir Leid. xD
Du hast auch Yamatos Problem gut dargestellt :) Auch dass er die Eifersucht ein bisschen gekitzelt hat, war schön xD
Eine sehr schöne One-Shot!
lg
Minou
Von: abgemeldet
2011-04-10T21:18:17+00:00 10.04.2011 23:18
Nur EINEN Kommentar? Alter das ändern wir gleich Ò Ó

Wie du auf der letzten Seite schon erwähnt hast, an einem Sonntagabend, was man da nicht alles machen kann, jupp ff lesen ^^
Deine ist wirklich delikat, WUNDERVOLL.

Ich mag Leute, die Taito-Stories so authentisch rüberbringen, dass man echt glaubt, man guckt grade Digimon Adventure 7 years later. So Inchara, mit ihrem Gezanke (konnte mich nicht zurückhalten auf Seite 2 wo Matt meinte "Ich sage doch extra immer VIELLEICHT dazu" los zu lachen XD Geil)

Lilly hat mich ÜBERHAUPT NICHT gestört, sie war einfach ne Schülerin aus'm selben Jahrgang, und durch die Serie, lernt man ja nicht alle kennen, sprich, man hat super viel Spielraum für neue Charas. Nein du hast sie wirklich gut eingebaut.

Was die Matt-Perspektive betrifft: Besser hätt ich's auch nicht machen können, nix kitschiges, kein Schatz oder sonst was OOC-mäßiges, einfach beschrieben, so wie's Matt eben beschreiben würd, die letzte Seite der Story war genial.

Zuguterletzt bin ich vom Titel der ff wahnsinnig begeistert, da hat sich mal jemand was dabei gedacht. Er schwirrt immer noch in meinem Kopf herum und iwie ist man neidisch nicht selbst ein Tai in deiner Story zu sein, bzw. neidisch nicht selbst sowas erlebt zu haben, aber es kommt verdammt realistisch rüber, man kann sich super reinversetzen ^^

Es war wahrlich eine Freude sie lesen zu dürfen ^^ vielen Dank für dieses Werk.
Lg
Von:  Miez
2011-03-01T20:31:28+00:00 01.03.2011 21:31
Oh, noch kein Kommentar?
Komisch.
Aber ist halt Animexx xD
Hab die Geschichte gestern gelesen ... oder war es heute? Eh... jedenfalls fand ich sie sehr süß und auch gut geschrieben <3


Zurück