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Schloss Tegel

von

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XXIX

Noch vor dem Mittagessen kamen die Gäste.

Alexander war gerade wieder unten im Salon; bis eben hatte er noch Robert einen wichtigen Auftrag gegeben und mit ihm die Planung für den Abend besprochen, weshalb er sich auch noch nicht Dorothea und ihren Erwartungen stellen musste, die sich anscheinend noch einmal die Haare hatte richten lassen und nun ein noch anmutigeres Kleid trug. Doch jetzt musste er sich ihr wohl oder übel annehmen, denn ihm war bekannt, dass einer der Gäste Hauptmann von Dossow war.

Ein wirklich schöner junger Mann – an Heinrich reichte er nicht heran, für Alexander schon gar nicht, denn er war blond und großgewachsen, doch er hatte auf Frauen eine gewisse Wirkung, das war nicht abzustreiten. Im Grunde genommen bestand sein Reiz wohl darin, dass er in sich Alexanders Aussehen und Ferdinands aufreißerische Art vereinte. Er besaß nicht nur die Fähigkeit, beim weiblichen Geschlecht Interesse zu wecken, sondern ebenso den Willen dazu. Dass Dorothea ihm verfallen könnte, das befürchtete der junge Baron ja gar nicht, nur dass das den Hauptmann nicht von seinen Avancen abhalten würde. Also beschloss er, in ihrer Nähe zu bleiben, um ihr seinen Arm anbieten zu können, käme er ihr zu nahe.
 

Der erste Gast, der, wohlgemerkt, nicht mit einer Kutsche in den Schlossgarten einfuhr, sondern mit seinem treuen Pferd angeritten kam, war General von Mörner. Alexander kannte ihn noch aus Kindheitstagen: Ein alter Mitstreiter seines Vaters aus der Armee. Mittlerweile war er bestimmt schon über sechzig und immer noch nicht verheiratet. Alexander hatte ihn schon als kleiner Junge dafür bewundert.

Für sein Alter ziemlich schwungvoll sprang der Mann mit Schnurrbart von seinem Rappen und salutierte vor der Baronesse. „Meine Dame. Danke aufrichtig für die Einladung.“

Die Hausherrin nickte ihm mit einem freundlichen, aber ein wenig unbeholfenen Lächeln zu. Sie hatte noch nie gewusst, wie sie mit diesem Mann umgehen sollte.

„Sie sind überpünktlich, Herr General, wie immer.“, merkte sie deshalb nur an, wobei sie wusste, dass das für ihn das größte Kompliment war, das sie ihm machen konnte. „Wenn Sie es sich vielleicht schon einmal gemütlich machen wollen, Sie haben noch die freie Auswahl.“

„Kümmere mich zuerst um Otto.“, entgegnete von Mörner jedoch und salutierte, bevor er sein Pferd ums Schloss herum zur wohlbekannten Scheune führte.

Die Baronesse seufzte auf. Wie ihr Mann sich nur so fürchterlich gut mit diesem komischen Kauz hatte verstehen können…
 

Drüben neben dem Buffet, das gerade von Rousseau und seinen Männern gedeckt wurde, stand Heinrich, der sich mit Wilhelm – und weniger mit Ferdinand, unterhielt, während Caroline hinüber zur Baronesse lief, um sie zum Ausruhen zu ermahnen, schließlich war ihre Schwiegermutter schon seit heute Morgen auf den Beinen.

Alexander wollte sich gerade bei Dorothea entschuldigen und sie kurz bei ihrer Mutter stehenlassen, um zu ihrem Cousin hinüberzugehen, da er ihm ja noch die Einzelheiten über ihren Plan für diesen Abend unterbreiten musste, doch da trat General von Mörner zu ihnen und salutierte.

„Die Damen. Alexander.“ Er schlug ihm freundschaftlich, aber mit beachtlicher Wucht, gegen den Oberarm.

„Willkommen, Herr General.“, begrüßte Alexander den Mann, den er schon vorhin auf seinem Pferd gesehen hatte, „Wie geht es Otto?“

„Wird alt, aber gut in Schuss.“

„Wunderbar.“, entgegnete der junge Baron. Als er sah, wie verwirrt die Madame gerade dreinblickte, räusperte er sich. „Herr General, darf ich vorstellen: Madame von Pannwitz und ihre Tochter. General von Mörner.“

Während die Madame schon ihre Hand zum Kuss hob, salutierte von Mörner nur wie gewohnt. Dorothea machte einen Knicks.

„Werde mich für die Schlacht stärken.“, verkündete der Alte schließlich.

Alexander salutierte freudig. „Guten Appetit.“, wünschte er und sah dem General amüsiert hinterher, wie dieser hinüber zum noch nicht einmal vollständig gerichteten Buffet marschierte. Ja, er bewunderte diesen Mann.

Aber immer noch musste er unbedingt Heinrich unter vier Augen sprechen. Gerade wollte er sich wieder von Dorothea und ihrer Mutter losmachen, da sah er, wie sein Geliebter dem General salutierte und in ein Gespräch mit ihm verwickelt wurde.

Alexander seufzte innerlich.

Als die ersten Kutschen im Schlossgarten einfuhren, bot er Dorothea seinen Arm an.
 

Es war kurz nach Ein Uhr, als die weiteren Gäste eintrafen. Die Kutschen hielten und ließen Herren mit schmuckvollen Uniformen, Männer in feinem Zwirn und zahlreiche Damen in prunkvollen, sommerlichen Kleidern aussteigen, die allesamt von der Baronesse, die es nun zuließ, dass Caroline sie ein wenig stützte, begrüßt wurden.

Während Wilhelm sich langsam seiner Frau anschloss und auch die Madame, wohl in der Hoffnung neue, wichtige Beziehungen zu knüpfen, beschlossen hatte, sich zum Empfangskomitee dazuzuzählen, blieben Alexander und Dorothea ein wenig abseits stehen.

Sie redeten nicht viel, hin und wieder fühlte sich der junge Baron verpflichtet, ihr die Namen zu den Leuten zu liefern, die aus den Kutschen stiegen, doch mehr Konversation kam zwischen ihnen nicht auf, so sehr es sich Dorothea auch wünschen mochte.

Schließlich fuhr eine kleinere Kutsche vor, aus der ein einziger Mann stieg. Er trug einen sehr eleganten Frack, sicherlich die neuste Mode aus London, einen Stock mit elegantem Griff bei sich, und einen Zylinder.

Alexander bemerkte Dorotheas anerkennenden Blick.

„Hauptmann von Dossow.“, kommentierte er, ein wenig säuerlich wohl, da er sich in seiner Annahme, dieser Schnösel könne ihrem frommen Gemüt nichts anhaben, getäuscht hatte. „Frauenheld.“

Sofort sah sie schuldig zu ihm auf. „Aber nicht doch!“, versetzte sie, „Sie haben keinen Grund eifersüchtig zu sein. Nicht auf so einen, wie den.“

Alexander wich ihrem Blick aus und suchte krampfhaft nach einem anderen Thema. Dieses bot sich ihm, als eine äußerst korpulente Dame im Pelz quer über die Wiese zielstrebig hinüber zum Buffet schritt und ihren Ehemann, ein kleingewachsener Mann mit Hut, hinter sich her schleifte.

„Sehen Sie die beiden da?“, machte der junge Baron seine Begleitung auf das Schauspiel aufmerksam.

Dorothea folgte seinem Nicken und musste sich, kaum hatte sie die zwei erblickt, eine Hand vor den Mund halten, um nicht laut loszukichern.

„Charlotte und Bernhard von Wulffen. Ein äußerst reizenden Paar, nicht?“

„In der Tat.“, antwortete sie amüsiert, „Wo die Liebe hinfällt.“

„Man munkelt ja“, begann Alexander, „dass sie ihm den Antrag gemacht haben soll.“

Dorothea drehte sich ein wenig mehr zu ihm, um ihr Lachen vor den anderen Gästen zu verstecken, das sie nun nicht mehr zurückhalten konnte, und festigte ihren Griff um seinen Arm.

Alexander war das etwas unangenehm. Er sah sich um, eigentlich auf der Suche nach seinem Heinrich, da begegnete er dabei dem Blick einer jungen Frau, die ihre blonden Haare nur hinten geflochten hatte, damit die vorderen Strähnen ihr aufs Dekolletee fielen, das durch ein enges Korsett und einen gerüschten, relativ weiten Ausschnitt unterstrichen wurde. Ihre dunklen Augen verfinsterten sich sofort, als sie ihn erkannte, und er musste grinsen.

Als sie sich fast schnippisch abwandte, und er wieder zu seiner Begleitung sah, blickte diese unsicher zu ihm auf.

Alexander begann zu stottern. „Sie ist nicht…! – Ich meine – ich…“ Er drehte sich ganz zu Dorothea um und sah ihr in die Augen. Er musste sich jetzt nicht vor ihr rechtfertigen, um Gotteswillen, er wollte sie ja nicht heiraten, aber er konnte sie nicht so verletzt sehen.

„Ihr Name ist Isabelle Baffour. Sie ist die Tochter eines ehemaligen Nachbars meiner Mutter, der vor einigen Jahren gestorben ist. Sie waren Kindheitsfreunde, nur deshalb fühlt Mama sich verpflichtet, seine Tochter immer noch einzuladen.“

Dorothea wich seinem Blick aus. „Es scheint Ihnen aber zugute zu kommen.“

„Um Himmelswillen!“, widersprach Alexander, „Sie ist für ihre sexuellen Eskapaden bekannt, ja, und sie hat es vor einigen Jahren auch bei mir versucht, ja, aber haben Sie nicht gesehen, wie sie es mir immer noch übel nimmt, dass ich sie damals abgewiesen habe?“

Dorothea senkte ihre Augen. „Eine Frau wie diese abweisen…“, brachte sie heraus und klang dabei sehr verletzt.

„Ja, das mag ihr nicht oft passieren, aber ich habe sie abgewiesen.“

Dorothea brauchte etwas, dann sah sie langsam wieder zu ihm auf. Sie versuchte ein Lächeln. „Sie sollte es mal mit dem Hauptmann versuchen.“

Alexander lachte.

„Der interessiert sich doch für Frauen, oder?“

Alexander blieb das Lachen im Halse stecken.

Entgeistert sah er seine Begleitung an. „Ja, das…offensichtlich. Für was sonst?“ Er lachte nervös.

Dorothea schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln.
 

Dank dem Buffet waren die Gäste mit dem Essen ein wenig flexibel, und so fand man, auch wenn man keinen Hunger hatte, außerhalb der Zelte noch genug Gesprächspartner, und an den Tischen herrschte kein großes Gedränge.

Alexander hatte endlich Heinrich im Gewimmel wiedergefunden, der sich fürchterlich über Ferdinand beschwerte, vor dem er anscheinend geflüchtet war, und sie beschlossen, sich zu dritt etwas zu essen zu holen.

Als sie an einer der Tafeln Platz nahmen, fing der junge Leutnant sofort wieder an, zu fluchen.

„Und dieser widerwärtige Parasit konnte es natürlich nicht lassen, mich ständig aufzuziehen! Es war ihm vollkommen egal, mit wem wir gerade beisammenstanden, er ließ eine Anspielung nach der anderen heraus. Ich musste mich so schrecklich beherrschen, ihm nicht ein Loch in den Schädel zu schießen.“

„Heinrich!“, entfuhr es Dorothea, „Nun beruhig dich.“ Sie strich ihm zärtlich über die Hand. „Du findest auch noch jemanden.“

Heinrich senkte seinen Blick, während Alexander sich lieber seinem Essen zuwandte: Rinderroulade mit Knödeln. Rousseau hatte sich wirklich nicht lumpen lassen, und ihre Köchin war einfach nur fabelhaft.

„Guten Appetit.“, kam es von Dorothea, was Heinrich und Alexander höflich erwiderten.

„Guten Appetit.“, kam es auch von der Dame neben ihnen, die genauso jung wie Dorothea sein musste.

„Oh, danke, Ihnen auch.“, entgegnete diese freundlich und schenkte ihr ein Lächeln.

„Laetitia.“, stellte sich die Rothaarige vor.

„Dorothea.“

„Wunderschöner Name.“

„Nicht so wunderschön, wie deiner, mein Schatz.“, meldete sich ihr Nachbar zu Wort, der ihr zärtlich über die Wange fuhr.

Heinrich konnte gerade noch seinen entsetzten Blick verstecken. Der Mann war sicherlich nicht viel jünger als Fünfzig!

„Oh“, stellte Alexander ebenfalls ein wenig irritiert fest, „Oberst von Katte. Ich wusste gar nicht, dass Sie verheiratet sind.“

„Seit letztem Herbst.“, verkündete er stolz, „Und ich darf annehmen…?“ Sein Blick wanderte zu Dorothea.

„Nein, nein.“, wehrte Alexander ab und hoffte, sie damit nicht zu sehr zu verletzen.

„Aber Sie sehen ganz reizend zusammen aus.“, meinte Laetitia und warf Dorothea ein Lächeln zu, die daraufhin beschämt ihren Blick senkte.

Laetitia schien überhaupt Gefallen an ihrer Nachbarin gefunden zu haben, denn die beiden begannen eine nette Unterhaltung. Als sie diese zum beeindruckenden Diamantencollier um Laetitias Hals führte, das, wie man erfuhr, ein Verlobungsgeschenk ihres Mannes gewesen war, beschloss Alexander, diese Gelegenheit zu nutzen, seinem Heinrich den Plan für heute Abend näherzubringen.

„Heinrich, darf ich dich ans Feuerwerk heute Abend erinnern?“, begann er, da er nicht wirklich wusste, wie er die Sache umschreiben sollte, damit niemand mitbekam, was sie wirklich vorhatten.

Aber Heinrich schien ihn zu verstehen, denn er nickte eifrig. „Ja, das…Ich kann es kaum mehr abwarten.“

Alexander beherrschte sich, sein Gegenüber nicht allzu verliebt anzusehen. „Darum“, begann er leise, „Vielleicht lässt uns Mama mit einem Pferd hinreiten.“

„Ja, wobei…Ich denke, sie wird die Kutsche bevorzugen, damit du…damit Dorothea nicht alleine fahren muss.“

„Ja, aber…“ Der junge Baron brach ab. Wie sollte er Heinrich jetzt sagen, dass Robert ihnen mit zwei Pferden nachgeritten kam? „Nun, Robert…“ Er unterbrach sich abermals, als Dorothea zu ihm aufsah.

„Wie geht es ihm denn? Ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen.“

„Gut, er genießt nur seinen freien Tag.“, antwortete Alexander ihr ein wenig wehmütig, diese Gelegenheit, Heinrich endlich aufzuklären, wieder verpasst zu haben.
 

Eine weitere Gelegenheit sollte auch nicht mehr kommen, denn kurz darauf setzte sich ein junger Herr neben Heinrich, der sich als Hugo von Wilmersdorff vorstellte, passionierter Schriftsteller.

„Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht, zu schreiben!“, bekundete Heinrich begeistert, und ein engagiertes Gespräch kam zwischen ihnen auf.

Alexander hatte währenddessen die Ehre, mit Dorothea und dem Ehepaar von Katte an ihrer Seite eine Runde im Garten zu drehen, bei welcher er allerlei Leute neu oder wieder kennenlernte.

Ab und zu hielt er Ausschau nach Ferdinand, von dem er ja immer noch einen Seitenhieb befürchtete. So ein großes Fest, bei dem der halbe Adel Brandenburgs anwesend war, bot natürlich eine wunderbare Gelegenheit, sein schreckliches Geheimnis zu offenbaren.

Alexander musste schmunzeln. Er sah es schon vor sich, wie Ferdinand in den Pavillon stieg, wo jetzt noch die Musiker spielten, und um Ruhe bat. Und sich selbst sah er da mit Dorothea stehen, deren Hand er nach Ferdinands Offenbarung ergreifen würde und sagen: »Nein, um ehrlich zu sein, begehre ich nur eine Frau, mit der ich mich heute verloben möchte.«

Hoffentlich würde die Kanaille dichthalten.
 

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Ich war ganz überrascht, wie viele Gäste ich so spontan hier noch eingebaut hab ^^

Wen von ihnen habt ihr denn am liebsten? Oder wen könnt ihr gar nicht leiden? XD



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  BloodyMary1342
2011-10-20T18:26:47+00:00 20.10.2011 20:26
General von Mörner finde ich sehr toll^^
hmmm... von den anderen gästen konnte ich mir nicht wirklich jemanden merken^^

ich freu mich auch schon sehr auf das Feuerwerk^^


LG x3

Von: abgemeldet
2011-10-17T10:51:27+00:00 17.10.2011 12:51
Ich mag den alten mit seinem Pferd und auch Laetitia...an Gästen nach wie vor nicht mag ich im Grunde immernoch die Madame und Ferdi, wobei, wie sicherlich beabsichtig auch von Dorrow nicht gut rüber kommt.
Die Tochter des ehemaligen Spielgefährten der Baronesse finde ich lustig^^
Ein nettes Kapitel.
Von:  Ran34
2011-10-07T18:58:44+00:00 07.10.2011 20:58
Ehrlich gesagt, bin ich ein wenig mit den Namen überfordert^^"
Aber die, mit der Diamaneten?halskette? fand ich ganz sympathisch :3

Im Allgemeinen wirkte dieses Kapi sehr hektisch, es gab viel trubel und man hat unserem Alex seine Innere hektik regelrecht angemerkt.
Ich hoffe doch, dass wir im nächsten kapi zum feuerwerk kommen!?

lg~


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