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Schloss Tegel

von

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XXXI

Alle Bediensteten des Hauses waren draußen im Garten, die Hinterlassenschaften der Feier zu entsorgen und aufzuräumen; Schloss Tegel war wie ausgestorben. Sie hätten noch nicht einmal durch den Postboteneingang hineinschleichen müssen, hätten gleich unten durch die große Halle gehen können, die Treppe hinauf.

Es hätte sie jedoch genau an denselben Ort geführt, hier auf Alexanders Zimmer, das er gerade verschloss, bevor er sich einmal mehr dort wiederfand, wo ihn Heinrich anscheinend gerne hatte: Mit dem Rücken an der Tür.

Doch dieses Mal war der Kuss weder gierig, noch verzweifelt. Der junge Leutnant nahm sich die Zeit, Alexanders Gesicht in seine Hände zu nehmen, bevor er ihn sanft und liebevoll küsste. Zunehmend inniger.

Alexander legte ihm seine Hände auf den Rücken und zog ihn näher an sich.

„Bist du dir sicher?“, flüsterte er, als Heinrich seine Lippen für einen Moment freigegeben hatte.

„Ja. Ich will es tun.“, kam es von diesem zurück und er küsste ihn abermals.

Alexander nahm ihn an die Hände und zog ihn ein wenig mit sich, was ihre Münder voneinander löste.

„Ich will, dass wir uns Zeit nehmen.“, meinte der Baron und sah seinem Geliebten tief in die Augen.

„Ja.“

„Ich will, wie ich es geschrieben habe, deinen Körper kennenlernen.“

„Jah.“, kam es entzückt von Heinrich und er riss seinen Alexander mit sich ins Bett.

Zusammen fielen sie aufs weiche, kühle Laken, umarmten sich, ihre Arme sowie ihre Zungen. Sie fuhren sich durch die Haare, über den Stoff ihrer Kleidung, verschränkten ihre Beine ineinander, und nie wollten sie mit ihren Lippen voneinander ablassen.

Erst als Heinrich auf ihm lag, unterbrach Alexander den Kuss mit einem Schmunzeln. Zärtlich fuhr er ihm über die gerötete Wange.

„Wollen wir uns ausziehen?“

„Ja.“, entgegnete Heinrich und begann schon, dem Älteren das Hemd aufzuknöpfen. „Wo ist dein Rock?“, fragte er.

„Bei deiner Cousine.“, brachte Alexander heraus, mit Mühe, da Heinrich sich seine Brust hinabküsste.

„Wie konntest du dich bei ihr entschuldigen?“

Der Baron schloss die Augen, als sein Geliebter ihm das Hemd qualvoll langsam aus der Hose zog. „Robert hat – es wolle mich jemand sprechen.“

Heinrich lachte leise gegen seinen Bauchnabel. „Sprechen.“, wiederholte er amüsiert.

Er keuchte erschrocken auf, als Alexander ihn bei den Schultern packte und unter sich auf die Matratze warf.

„Was haben wir denn der netten Tante erzählt, hm?“, fragte der Baron, während er seinen Rock aufknöpfte.

Heinrich sah mit einem spitzbübischen Funkeln in seinen Augen zu ihm auf. „Dass ich dringend einmal austreten muss. Sie echauffiert sich bestimmt immer noch über meine schwache Blase.“

Lachend küsste Alexander seinen Hals und öffnete ihm das Hemd. „Gibt es da Heilmethoden?“, flüsterte er.

„Bestimmt.“

„Soll ich einmal sehen, was ich tun kann?“, fragte Alexander, die Hände an Heinrichs Hosenbund. Erst als dieser nickte, öffnete er den Knopf.

Gemeinsam schoben sie dem Leutnant die Hose von den Beinen, zogen ihm die Stiefel aus. Während Alexander ihm Rock und Hemd von den Armen streifte, stieg er auf seinen Schoß und küsste ihn. Sich selbst befreite er auch noch von seinem Hemd, dann wollte er sich auf ihn sinken lassen, doch Heinrich hielt ihn auf. „Halt, du auch.“, bat er und drängte den Älteren mit ein paar sanften Küssen zurück ins Laken.

Heinrich zog ihm also ebenso die Hose von den Beinen und als er zu seinem Geliebten aufsah, wie dieser in all seiner natürlichen Schönheit auf dem Bett lag, die gelockten Haare in Unordnung und die Wangen ein wenig gerötet, da fühlte er sein Herz fast vor Freude überquellen.

„Ich würde behaupten, dass du es warst, der Michelangelo für seinen David als Studie diente, aber du kannst es nicht gewesen sein.“

Alexander sah ihn irritiert an, schwieg jedoch, als Heinrich sich mit einem Schmunzeln auf ihn schob.

„Er müsste ein großes Detail übersehen haben, das unmöglich zu übersehen ist.“ Mit seinen blauen Augen blickte er ihn an, und Alexander konnte spüren, wie er seine Hand eben jenem Detail näherte, um es schließlich zu umfassen.

„H-Heinrich…“ Mit flatternden Wimpern schloss er die Augen.

Heinrich hingegen küsste ihm die Wangen und die Stirn, während er nicht von ihm abließ. „Darf ich zuerst?“, fragte er, „Deinen göttlichen Körper entdecken?“

Alexander hätte sich gerne über das abermals gebrauchte Wort »göttlich« beschwert, aber er konnte nur nicken.

Und so legte sich Heinrich neben ihn und küsste seine Schläfe, sein Ohr, den Wangenknochen hinab bis zum Kinn.

„Wieso gefällt mir nur alles an dir so gut?“, hauchte er, als er ihm die Hände auf die Brust legte und auch diese auf Erkundungsreise schickte.

Alexander wusste nicht, wie ihm geschah. Noch nie hatte er so etwas erlebt. Nichts Bisheriges war so intensiv gewesen, wie dieser Moment zwischen ihnen. Heinrich musste es bemerken, wie er ihm mit seinen Berührungen eine Gänsehaut bescherte und ihn zum Erzittern brachte.

Wenn nicht, bemerkte er es spätestens jetzt, als er ihm die Lenden küsste und der Baron ein Stöhnen von sich gab.

Heinrich sah mit roten Wangen zu ihm auf. „Würden wir ein wenig mehr Zeit haben, hätte ich dir gerne zurückgegeben, was du mir zum Abschied geschenkt hast.“

Alexander nahm seine Hände und zog ihn zu sich nach oben, sodass er ihm durch die schwarzen Haare fahren konnte. „Du hast mir dein Innerstes geschenkt“, flüsterte er, „und wenn du willst, dann geb ich es dir heute zurück.“

Heinrich küsste ihn eifrig. „Bitte.“, hauchte er und küsste ihn abermals, während sie ihre Finger miteinander verschränkten.

Alexander fuhr seinem Geliebten sanft über den nackten Rücken, wollte schon anmerken, dass es Zeit würde, seine Entdecker einmal auf Reisen zu schicken, da bat ihn Heinrich, sich auf den Bauch zu legen.

Alexander war nur einen Moment erstaunt, dann gehorchte er. Den Kopf ins Kissen gepresst schloss er die Augen und konnte spüren, wie sich sein Leutnant über ihn kniete, ihn küsste, zuerst hinterm Ohr, dann am Haaransatz.

Heinrichs Hände wanderten über seinen Rücken, strichen verführerisch über seine Haut. Die Lippen küssten sich seine Wirbelsäule hinab.

„Heinrich…“

„Gleich.“

Alexander krallte seine Hände ins Laken, als die Lippen seinen Hintern erreicht hatten, dort für ein paar Küsse verweilten.

„Heinrich.“

„Ist gut. Du darfst dich umdrehen.“

Alexander blieb liegen.

Heinrich fuhr ihm durch die Haare. „Was ist?“, fragte er und küsste seinem Geliebten die gerötete Wange.

Erst da drehte sich Alexander wieder auf den Rücken.

Heinrich ließ seinen Blick über den Körper des jungen Barons gleiten und lächelte ihn an. „Ich mag gar nicht glauben, dass ich es bin, den du so willst.“

Alexander fasste nach seiner Wange, „Doch, das bist du.“, bevor er ihn innig küsste.

Kurze Zeit später fand sich Heinrich mit dem Rücken auf der Matratze wieder, Alexander über ihm, der sich seinen Hals hinabküsste, über die Brust. Er keuchte auf, als der Ältere an seiner Brustwarze zu saugen begann.

Als Alexander merkte, wie sehr dies seinem Geliebten gefiel, wandte er sich auch noch der anderen zu. Er küsste sich weiter über Heinrichs Rippen, an seine Seite, hinunter bis zu Hüfte und über den Bauchnabel wieder hinauf.

Stöhnend warf Heinrich seinen Kopf in den Nacken und spreizte seine Beine. Das nahm Alexander als Einladung, sich auf ihn sinken zu lassen. Er musste selbst an sich halten, als er Heinrichs Erregung an seinem Bauch spürte.

„M-möchtest du“, begann der Jüngere, „nicht bald beginnen?“

Alexander beugte sich über ihn, um ihm einen Kuss zu geben. Ernst sah er ihm in die Augen. „Du weißt, was wir tun werden, und du willst es wirklich?“

Heinrich nickte. „Ja, ich will es, auch wenn ich es nur aus Büchern über die alten Griechen kenne.“

Alexanders Gesichtsausdruck wandelte sich zu zärtlich lächelnd. „Was hast du denn gelesen?“

Heinrich erwiderte das liebevolle Lächeln. „Dass die Männer die Knaben immer mit Gedichten umworben haben.“

Alexander musste schmunzeln. Er fuhr seinem Geliebten sanft über die Wange. „Noch himmlischer als Amor selbst, hab ich ein Knab gefunden.“

Auf Heinrichs Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.

Alexander küsste ihn. „Und will mit tausend Kuss am Tag, ihm meine Lieb bekunden. Doch Küsse reichen Menschen nicht“ Er legte ihre Stirn aneinander, bevor er sich wieder zwischen Heinrichs Beine sinken ließ. „drum muss er mir verzeihen, dass ich mit seinem göttlich Leib, mich sehnlichst will vereinen. – Du siehst, ich kann nicht dichten.“

„Doch.“, widersprach ihm Heinrich flüsternd und fuhr dem Älteren über die Brust, während er ihm antwortete. „Dein Knabe weiß, was du ihm willst, und lässt sich gern verführen. Dies, um der Lieb unbändig Lust, gleich jetzt mit dir zu spüren.“

Alexander stöhnte in den Kuss hinein, als sie sich aufeinander bewegten, sich mit ihren Händen liebkosten.

„Lass mich kurz gehen“, bat der Baron, „Robert muss hier irgendwo ein Öl…“

Heinrich hatte die Flasche mit einem Griff vom Boden neben dem Bett hervorbefördert. Alexander entfernte den Korken. „Du weißt, was ich…?“

„Ja, und es beruhigt mich ein wenig.“, gab Heinrich zu und hob ihm die Hände entgegen. „Mir auch, bitte.“

Alexander gehorchte, und während er anfangs noch seinen Leutnant küsste und ihn so vorsichtig wie möglich vorbereitete, musste er bald an sich halten, als Heinrichs Finger ihm zur Hilfe kamen und dessen andere Hand seine Männlichkeit umschloss.
 

So sinnlich das Ganze auch begonnen hatte, so feurig und heftig endete es.

Alexander sah seine eigene Leidenschaft in den blauen Augen seines Geliebten lodern, als er seinen Rhythmus beschleunigte, ihm mit jedem Stoß ein Stöhnen entlockte. Unbändige Lust wallte in ihm auf, übermannte ihn. Er hatte davon schreiben können so viel er wollte, davon träumen so oft er mochte, nie war er wirklich an dieses Gefühl herangekommen, das ihn erfüllte, wenn er seinem Heinrich so nahe war, wenn er eins mit ihm war.

Der Jüngere schrie nach ihm, bat ihn um mehr, um alles.

Alexander gab es ihm, ihr beidseitiges Stöhnen erstickt in einem stürmischen Kuss.
 

Völlig außer Atem sank der junge Baron in die Arme seines Geliebten, die ihn erschöpft umschlossen. Er küsste Heinrichs Wange und fuhr ihm sanft durch die Haare. „Entschuldige, ich war viel zu grob.“

Heinrich schüttelte schwer atmend den Kopf. „Nein.“, brachte er heraus, „Es war wunderbar. Besser als alles jemals Erlebte.“

Alexander sah ihn abwägend an. „Wirklich?“, fragte er, „Weißt du, es ist mir wichtig, dass es dir auch gefallen hat.“

Heinrich küsste ihn kurz auf die Lippen und schenkte ihm ein Lächeln. „Ja. So gut, dass ich es gleich noch einmal tun könnte.“

Glücklich und erleichtert gab Alexander seinem Geliebten einen zärtlichen Kuss, den dieser ebenso innig erwiderte. „Ich glaube, ich habe heute das erste Mal richtig geliebt.“, hauchte er.

Heinrich schluckte. „Du hast doch schon so oft…“

„Nein. Nach dem einen Mal mit dir möchte ich sagen: Noch nie zuvor.“

Sein Leutnant zog ihn fest an sich und verteilte eifrig tausend Küsse über sein Gesicht. „Ich liebe dich.“

Alexander sah ihn gerührt an. „Wie wünsche ich mir, dich das immer wieder sagen zu hören, mein Heinrich. Ich liebe dich genauso.“

Küssend lagen sie noch eine Weile im Bett, strichen mit ihren Händen zärtlich über den Körper des anderen, bis Alexander sich aufrichtete und Heinrich seine Hände entgegen hob.

„Wir müssen.“, sagte er, „Zumindest ins Bad.“

Bereitwillig ließ sich der Jüngere hochziehen und vom Älteren von hinten umschlungen ins Bad führen.

„Kannst du laufen?“, fragte der besorgt, „Tut dir etwas weh?“

Heinrich legte seinen Kopf in den Nacken und sah mit einem Grinsen zu ihm auf. „Ich schätze deine Fürsorge, mein Liebster, und weiß auch nicht, was du bisher mit anderen getrieben hast, aber mit mir ist alles in Ordnung.“

„Wunderbar.“, entgegnete Alexander und ließ ihn zuerst ins Wasser steigen, bevor er ihm folgte.

Heinrich nahm sein Gesicht in seine Hände und sah ihn mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen an. „Ich bin ein Mann, vergiss das nicht, noch dazu ein Soldat. So jemand kennt keinen Schmerz, keinen körperlichen jedenfalls.“ Beinahe wäre es Alexander entgangen, wie sich die Wangen des Jüngeren bei diesen Worten röteten. „Aber ich bin gewillt“, sprach er weiter, „schon möglichst bald, wenn du es mir erlaubst, herauszufinden, wie es sich da bei dir verhält.“

Alexander war beinahe etwas überfordert, aber er zog seinen Geliebten auf sich und versank mit ihm im warmen Wasser. „Ja, bitte tu das.“, hauchte er, bevor er seinen Heinrich küsste.
 

Sie konnten leider nicht lange im Wasser verweilen, mussten sich darauf beschränken, sich wirklich zu säubern und zu waschen. Robert hatte zwei große, weiche Handtücher bereitgelegt, mit denen sie sich trockenrieben; nicht gegenseitig, dafür war keine Zeit.

Sie sammelten ihre Kleider zusammen und zogen sich wieder an, bevor sie sich wieder aus dem Schloss schlichen.

Bei den Pferden angekommen, beugte sich Alexander noch einmal zu seinem Heinrich hinab und sie küssten sich liebevoll.

„Kannst du reiten?“

Der Leutnant grinste ihn an. „Ich bin Soldat, vergiss nicht.“

Alexander küsste ihm schmunzelnd die Nasenspitze. „Ich weiß.“, flüsterte er, „Ich wollte dich nur bei mir auf dem Pferd haben.“

Lachend stieg Heinrich auf den Steigbügel und schwang sich aufs Pferd. „Beeil dich.“

Alexander besann sich, und als er ebenfalls auf seinem Pferd saß, ritten sie los. Über dem Wald sahen sie die bunten Raketen aufsteigen, in solch imposanten Farben und kurzen Abständen, dass beide daraus schlossen, es müsste sich dabei um das Finale handeln.

Und tatsächlich: Gerade als sie schon das mit den Zuschauern besetzte Feld sehen konnten, blieb der nächste Knall aus.

„Ist es fertig?“, rief Heinrich.

Alexander zog das Tempo ein wenig an. „Es sieht so aus.“

Am Waldrand nahe der Hütte sprangen sie von den Pferden und banden sie hastig wieder fest. Sie wussten, dass sie sich nun trennen und so schnell wie möglich unter die Leute mischen mussten, doch keiner von beiden wollte so recht auseinandergehen.

„Danke.“, sagte Alexander und zog seinen Geliebten noch einmal in seine Arme.

„Nicht doch.“, flüsterte Heinrich, „Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“, entgegnete der Baron, bevor er ihm kurz die Hand drückte und davoneilte.
 

Alexander lief dorthin zurück, wo er Dorothea und Robert hatte stehenlassen, und war erstaunt, nur noch seinen Diener dort anzutreffen, der sofort mehr als nervös, fast schon panisch, auf ihn zukam. „Alexander, bitte erschlagen Sie mich! Reißen Sie mir die Zunge heraus, als Strafe für meine nicht tolerierbare Dummheit!“

„Halt, halt – Robert!“, hatte der Baron seine Mühe, den anderen ruhigzustellen, „Ganz langsam. Wo ist Dorothea?“

Robert sah ihn verzweifelt an. „Sie…sie muss es geahnt haben – die Anspielung mit dem Haselnussstrauch…!“

„Und du bist darauf eingegangen?“, hakte Alexander Böses ahnend nach.

Ja! Ich sagte doch: Steinigen Sie mich bitte! Ich konnte nicht – Ich musste…!“

„Ganz ruhig.“, versuchte ihn Alexander zu beruhigen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du bist nicht schuld, sie wusste es wohl schon vorher. Wo ist sie jetzt?“, hängte er etwas dringlicher an.

„Sie ist fortgelaufen, ich weiß es nicht.“, gab Robert völlig am Ende zu.

Der Baron klopfte ihm abermals auf die Schulter. „Ich geh sie suchen, mach dir darum keinen Kopf. Bring viel lieber die Pferde wieder zurück, ja?“

„Sofort.“, entgegnete der Diener und lief eilig los, während sich sein Herr in die Menge stürzte. Er musste Dorothea unbedingt finden, bevor –

„Alexander!“, hörte er seine Mutter rufen, und er zuckte zusammen.

Nach einem kurzen Stoßgebet gen Himmel drehte er sich langsam zu ihr herum. Sein Gebet hatte wohl niemand erhört: Die Madame stand neben der Baronesse und wandte sich gerade von einem ihn erstaunt anblickenden Heinrich ab.

„Alexander, wir haben Sie überall gesucht!“, verkündete sie, jedoch mehr besorgt als erbost, „Dass Heinrichs Blase miserabel ist, wie alles an ihm, weiß ich zur Genüge, aber was war denn mit Ihnen?“

Alexander sah sprachlos in die Runde.

„Ja…“, begann er nervös, räusperte sich; er wusste, dass seine Mutter keinen Herrn von Molte kannte. „Ich, nämlich, war…“ Verdammt, was sollte er tun?!?

„Er war die ganze Zeit bei mir, wo denn sonst?“
 

Erstaunt sahen alle zu Dorothea, die in der Runde auftauchte, Alexanders Rock immer noch um die Schultern gelegt.

„Ja, in der Tat, das war ich.“, stimmte ihr Alexander zu, noch ein wenig überrumpelt, aber höchst erleichtert, und legte einen Arm um sie, was der Madame ein glückliches Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Wir standen ein wenig abseits, um für uns zu sein.“, erklärte Dorothea, wobei sie ihren Kopf perfekt beschämt senkte.

„Deshalb wollte ich eben nichts…“, begann Alexander, „Ich wusste nicht, ob du das begrüßen würdest, Doro, dass man es erfährt. Man soll ja nichts Falsches denken.“

„Aber sicherlich nicht!“, versetzte die Madame, die aus ihrer Entzückung gar nicht mehr herauskam.
 

Die Baronesse verabschiedete sich vom Offizier von Bülow und dankte ihm herzlich für die Einladung, dann stiegen sie, fast als Letzte, die das Feld verließen, in die Kutschen. Da bei der Baronesse und ihr, die mit Wilhelm, Caroline und dem ihnen wieder zugelaufenen Ferdinand fahren würden, kein Platz mehr für Heinrich war, musste die Madame es ihm wohl oder übel genehmigen, dass er bei ihrer Tochter und ihrem sichergeglaubten Schwiegersohn mitfuhr.

Dies führte zu der seltsamen Situation, in der sich Alexander gerade befand. Sie waren schon ein paar Meter gefahren, erst dann rang er sich dazu durch, Dorothea, die neben ihm saß, anzusprechen.

„Wieso hast du das getan? Du bist mir nichts schuldig.“

Sie sah nicht zu ihm auf, sondern blickte ihren Cousin an, der ihnen gegenübersaß; ihm war sichtlich unwohl. „Ich wollte es aber tun.“

„Warum?“

Auf ihre Lippen legte sich ein Lächeln. „Weil ich meinen Cousin liebe. Und weil ich dich mag.“

„Aber woher…?“

Endlich wandte sie sich zu ihm um. „Alexander, ich bin zwar gläubig und wohl auch wohlbehütet, aber ich habe schon vor unserer Abreise bemerkt, dass du Heinrich lieber magst als mich. Natürlich wollte ich es bis heute nicht wirklich wahrhaben, wie ich zugeben muss, schon gar nicht, dass…“ Sie wurde ein wenig rot. „dass es nicht nur Bruderliebe ist, sondern auch… - nichtsdestotrotz will ich nicht, dass ihr in Unannehmlichkeiten geratet.“

Sie erschrak, als der junge Baron plötzlich ihre Hände nahm. Er sah sie ehrfürchtig an. „Ich danke dir, Doro. Tausend Dank.“

Sie konnte gerade nicken, da schmiss sich ihr Cousin in ihren Schoß. Er weinte. „Oh, du liebes, artiges Mädchen! Du bist ein Engel! Mögest du auch nur halb so glücklich werden, wie ich es mit Alexander bin.“

Lächelnd fuhr sie ihm über den Rücken und ließ es zu, dass Alexander ihm durch die Haare strich.

„Ich muss mich bei dir entschuldigen.“, fing der Baron ein wenig bedrückt an, „Robert hat damit nichts zu tun, er hat nur meinen Befehl ausgeführt, aber dich so hintergangen zu haben, ich…Ich fühle mich schrecklich.“

„Es ist schon in Ordnung.“, antwortete sie und sah lächelnd zu ihrem Cousin, der sich die Tränen aus den Augen wischte, „Bitte sag ihm, dass ich nicht böse auf ihn bin. Um ehrlich zu sein…habe ich schon nach dem zweiten Brief vermutet, dass er sie für dich schreibt.“

Alexander sah sie erstaunt an. „Und dann hast du noch geantwortet?“

Sie wich seinem Blick aus. „Ich konnte euch doch nicht auffliegen lassen…und außerdem…“

Mit einem Poltern kam die Kutsche zum Halten, und Heinrich sprang hastig wieder auf seinen Platz zurück, denn da wurde die Tür auch schon von der Madame geöffnet.

„Doroschätzchen, komm! Wir wollen uns gleich schlafen legen, damit wir morgen recht frisch sind.“, beschloss sie freudig.

„Ist gut, Mama.“, gehorchte ihre Tochter, umarmte Heinrich und ließ sich von Alexander die Hand küssen.

„Gute Nacht, schlaf gut.“, wünschte er ihr sogar noch.

„Du auch.“, erwiderte sie und winkte ihm zu, als sie von ihrer Mütter ins Schloss geführt wurde.

„Mach dir nichts drauß, Alexander.“, meldete sich Caroline, die nähertrat. „Das ist Taktik.“, raunte sie ihm zu, „Sie möchte Doro jetzt etwas auf Abstand halten, bis du dich entschlossen hast.“

Alexander nickte mit Unbehagen.

Heinrich sah ihn lächelnd an und vertrieb damit seine Sorgen.

Richtig. Dorothea wusste nun Bescheid. Das hieß, er könnte sie heiraten, mit der Gewissheit, dass sie ihn und Heinrich tolerieren und decken würde.

Er erwiderte Heinrichs Lächeln.

Wilhelm gähnte.

„Wir sollten uns auch schlafen legen.“, schlug er vor.

„Da tut ihr Recht.“, stimmte ihm seine Mutter zu, und Caroline führte sie ins Haus.

„Gute Nacht, Heinrich.“, wünschte Alexander seinem Geliebten.

„Gute Nacht, Alexander.“, bekam er zurück, die Worte so voller Liebe, dass sie ihn die Nacht über wärmen würden.
 

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Na? Wie hat euch das "Feuerwerk" gefallen? :3

Es dürfen gerne Spekulationen angestellt werden, ob Alexanders neugefasster Plan aufgeht^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  BloodyMary1342
2011-10-20T19:04:20+00:00 20.10.2011 21:04
Sehr schönes Kapitel ♥

Achja ich muss mich wirklich entschuldigen, dass ich Doro am anfang nicht gemocht habe... sie ist ja so ein liebes Mädchen (aber ich denke, dass Alex Plan nur aufget, wenn Robert in Doros Nähe bleiben darf <3 )

LG x3

Von: abgemeldet
2011-10-17T11:28:33+00:00 17.10.2011 13:28
Hach ja...bisher läuft ja alles meiner Vermutung entsprechend ;-)
Wirklich schön das Kapitel, wobei ich wirklich beeindruckt bin was für ein langes Feuerwerk und was für schnelle Pferde das sein müssen...aber naja, künsterlische Freiheit^^'
Doe Kutschen-szene mag ich sehr^^
Von:  Ran34
2011-10-13T19:47:32+00:00 13.10.2011 21:47
Ein kleines Fehlerchen ist mir aufgefallen:
Unbändige Lust wallte ihn ihm auf, übermannte ihn.
->anstatt dem ersten ihn muss da ein in rein (schlimm, jetzt machen wir schon die gleichen Fehler)

Deine Lösung hat mir auch sehr gut gefallen >.<
Freu mich schon sehr auf das nächste Kapi, auch wenn ich nicht glaube, dass Alex`s Plan so locker aufgehen wird.

lg~


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