Zum Inhalt der Seite

Auf Bewährung

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Keven Kernel

Disclaimer: s. Kapitel 1

Anmerkung: s. Kapitel 1
 


 

~*~*~
 

Severus hob eine Augenbraue. Er wusste nicht, wer dieser Kernel war, aber der Name kam ihm seltsam bekannt vor. Slants Miene zeigte, dass er den Namen zumindest kannte - oder wusste, mit was er zu rechnen hatte. Wäre er jemand anderes gewesen, hätte er vielleicht seine Finger aneinandergelegt und "Ausgezeichnet!" gesagt. Das schmale Lächeln war jedoch bereits Beweis genug für Severus, dass er sich da keine Gedanken machen musste. Musste er sowieso nicht, aber Slant wusste offensichtlich - mal wieder - mehr als er. Und wenn er ehrlich war, dann war es ihm eigentlich ein wenig egal, ob Slant ihn nun wirklich raus haute oder nicht. Immerhin war er schuldig, er wusste es, Slant wusste es und auch Crouch wusste es. Aber da die Verhandlung nun stattfand - vermutlich sehr zum Missfallen von Crouch, der ihn mit Sicherheit am liebsten sofort nach Askaban gekarrt hätte - waren nur die Sachen wichtig, die hier vorgetragen wurden. Und sofern Severus nicht aufstand und ein Geständnis ablegte, welches Slant mit Sicherheit trotz allem entkräften würde, standen die Chancen gut, dass er frei gesprochen wurde.
 

Der Gerichtsdiener kam mit Keven Kernel zurück. Keven Kernel sah aus wie die Personifizierung eines getretenen Hündchens, dass noch mit Wasser überschüttet worden war. Severus fragte sich, warum er sich nicht an so eine Elendserscheinung erinnerte, aber vielleicht war das ein klarer Fall von simpler Verdrängung. Es war nicht besonders schwer, sich das Szenario vorzustellen. Jemand, der so aussah, wurde bestimmt leicht vergessen - sonst würde man auf ewig vor Mitleid zerfließen. Andererseits ... Severus zog die Brauen zusammen. Er hatte derlei Gestalten schon mal gesehen, und es war auch in freier Wildbahn gewesen. Und er meinte nicht Peter Pettigrew, so sehr der auch in diese Kategorie passen mochte.
 

"Mr. Kernel", begann Crouch nach der Aufnahme der Personalien und musterte den neuen Zeugen, "Sie wurden über Ihre Rechte und Pflichten und die Konsequenzen, die aus einer Falschaussage resultieren, belehrt?"
 

Kernel nickte. "Ja, das wurde ich."
 

Auch seine Stimme hatte einen erbärmlichen, mitleidserregenden Klang. Dennoch war Severus aus irgendeinem bisher undefinierbaren Grund nicht dazu gewillt, Kernel dieses Mitleid entgegenzubringen. Etwas stimmte da nicht. Er sah zu Salic. Hatte der Kerl vielleicht den Zeugen für sich vereinnahmt? Oder ihn erfunden?
 

"Nun gut. Mr. Salic, Sie dürfen Ihre Fragen stellen."
 

Crouch lehnte sich ein wenig zurück, während Salic mit gewichtigter Miene vortrat. Offenbar hatte er vor, diesen Kernel in die Mangel zu nehmen, damit dieser Severus alles anlastete, was Salic so einfiel.
 

"Mr. Kernel", begann Salic auch schon, "Sie sind mit dem Angeklagten, Mr. Severus Snape, bekannt. Ist das korrekt?"
 

Kernel warf einen unsicheren Blick in Richtung Anklagebank und nickte zögerlich.
 

"Sie wurden mehrfach Opfer von Folterflüchen, ausgeführt unter anderem vom Angeklagten, in deren Folge Sie das St. Mungo's Hospital für Magische Krankheiten und Gebrechen frequentieren mussten", fuhr Salic fort. "Stimmt das?"
 

"Ja." Kernel nickte, dieses Mal ein wenig enthusiastischer.
 

Slant schnaubte, als Salic ein fast triumphierendes Lächeln zeigte. "Können Sie dem hohen Gericht mitteilen, worin genau die Folter und Misshandlung, die Sie durch den Angeklagten erlitten haben, bestand?"
 

Kernel dachte nach, und er ließ sich dabei viel Zeit. Severus hatte kein gutes Gefühl dabei. Er wusste, was er getan hatte - insbesondere dann, wenn andere Todesser danebenstanden und ihn beobachteten - und es war sicherlich nicht gerade die feine englische Art. Eher das Gegenteil. Was würde Kernel alles aufzählen?
 

"Erstaunlich, dass er die ach so häufigen Begegnungen dann überlebt hat", spottete Slant kaum hörbar. "Nur ein Idiot würde nicht merken, dass da etwas nicht ganz stimmen kann."
 

"Eben", war alles, was Severus dazu zu sagen hatte.
 

Er hörte sich schweigend an, was Kernel zu sagen hatte. Es war viel, was erstaunlich war angesichts der Tatsache, dass er zuvor nur mit recht knappen Antworten gearbeitet hatte. Ja, da war wirklich etwas im Busch. Nur war die Frage ob es ein Mantikor oder ein Kaninchen war.
 

"... Cruciatus, aber da bin ich mir nicht mehr ganz sicher, wer das war, Sie können sich sicher vorstellen warum ..."
 

Severus hob milde eine Augenbraue. Wenn er es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, dass Kernel glücklich darüber war, malträtiert worden zu sein. Er sah zu Slant, während Kernel weiter fröhlich irgendwelche Flüche aufzählte, Körperverletzungen benannte und andere Grausamkeiten, die ihm von der Todesserheit allgemein und mitunter von Severus persönlich zugefügt worden zu sein schienen. So, wie er klang, musste das alles für einen Sprung im Kessel gesorgt haben, denn es war definitiv nicht normal, dass sich jemand so fröhlich gab. Slant indes sah eine Liste durch - ein seltenes Ereignis - und begann zu lächeln - ein Wunder.
 

Kernel beendete seine sehr ausführliche Aufzählung und Salic sah fast erwartungsvoll zu Crouch, der um einige Nuancen blasser geworden zu sein schien. "Wie Sie sehen, Herr Richter, wurde Mr. Kernel permanent Opfer von Gewalt seitens des Angeklagten -"
 

"Warum auch nicht?", fuhr Slant dazwischen.
 

Crouch sah ihn finster an. "Warten Sie, bis Sie dran sind, Mr. Slant." Er wandte sich wieder an Salic, "Haben Sie noch weitere Fragen an den Zeugen, Mr. Salic?"
 

"Nein." Salic wirkte für Severus' Geschmack entschieden zu selbstzufrieden, aber Slant würde ihn wieder zurechtstutzen. "Keine weiteren Fragen."
 

"Gut. Das Wort hat die Verteidigung", sagte Crouch seufzend.
 

Slant stand auf und trat nach vorne neben Kernel. "Mr. Kernel, wäre es korrekt, wenn ich Sie als Opfer bezeichnen würde?"
 

"Ja, natürlich", erwiderte Kernel.
 

Der Zombie nickte sich selbst einmal zu. "Ist es auch korrekt, dass Sie, bevor Sie durch meinen Mandanten zu einem Opfer gemacht wurden, nur ein Gearschter waren?"
 

"Einspruch!" Salic sprang auf. "Das ist eine Beleidigung und -"
 

"Nein, nein, er hat Recht", unterbrach Kernel ihn mit einem Lächeln. "Ich war tatsächlich ein Gearschter. Meinen Status als Opfer - und das auch noch der obersten Stufe! - habe ich nur Mr. Snape zu verdanken."
 

Severus blinzelte ein paar Mal. Dann machte es klick. Er musste sich dazu zwingen, ein Lachen zu unterdrücken - ausgerechnet einer von denen! - aber dennoch konnte er nicht verhindern, dass ein schmales Grinsen auf seinem Gesicht erschien. Slant wirkte ebenfalls sehr zufrieden, aber warum auch nicht? Der Zeuge der Anklage hatte sich soeben als eine Art Helfershelfer der Verteidigung erwiesen, nur, dass scheinbar niemand außer der Verteidigung das wusste. Die Blicke, die Crouch und Salic austauschten, sprachen Bände.
 

"Wenn das nicht zur Verhandlung gehört, dann -", begann Crouch, aber Slant würgte ihn ab: "Aber es ist ein essentieller Teil der Verhandlung. Denn der Zeuge hat deutlich gemacht, dass er durch die ... Aufmerksamkeit meines Mandanten einen Vorteil erhalten hat. Damit wird sein Fall der eines sini pleni piscis(1). Die scheinbar böse Absicht hinter den Taten meines Mandanten verliert jegliche Bedeutung angesichts der Tatsache, dass Mr. Kernel so offensichtliche Vorteile erlangt hat.

Abgesehen davon müssen wir davon ausgehen, dass Mr. Kernel kein unschuldiges Opfer, das heißt, ein Opfer ohne jegliche Schuld daran, in eine Straftat verwickelt worden zu sein, ist. Mr. Kernel ist per Definition eine Person, die prädestiniert dazu ist, ein Opfer zu werden, und dementsprechend müsste man ihm eine Mitschuld an der Straftat anlasten.

Tatsächlich könnte man, wenn man es darauf anlegt, Mr. Snape zum Opfer in diesem Fall erklären, aufgrund des althergebrachten cui prodest scelus, is fecit(2). Aber es liegt nicht im Interesse meines Mandanten, diesbezüglich ein Verfahren anzustreben."
 

Salic schnaubte. "Das ist das wohl lächerlichste, was ich je gehört habe." Er wandte sich an Crouch. "Euer Ehren, Sie können doch nicht wirklich glauben, dass der Zeuge sich hat freiwillig foltern lassen, das ist doch vollkommen absurd."
 

"Das Gericht teilt diese Ansicht", verkündete Crouch. "Mr. Slant, entweder Sie begründen Ihre ... Anschuldigungen und Behauptungen, oder Sie schweigen."
 

Slant wirkte unbeeindruckt. "Es ist ganz einfach. Das Opfersein ist ein Teil von Mr. Kernels Beruf. Demnach haben sich seine Berufschancen durch die Taten meines Mandanten nur verbessert - was Mr. Kernel bereits dargelegt hat. Er ist von einem einfachen Gearschten aufgestiegen zu einem Opfer der obersten Stufe."
 

"Mr. Slant ...", sagte Crouch mahnend.
 

"Er ist Mitglied der, nun, Gilde der Opfer und Gearschten", sagte Slant fast süffisant. "Stellgetretenes Oberhaupt, möchte ich hinzufügen. Ein Meister im Opfersein."
 

Kernel schrumpfte in sich zusammen, aber die roten Ohren waren nicht zu übersehen. Offenbar war es ihm peinlich, so hoch gelobt zu werden. Dennoch, es war wahr. Severus hatte selten jemanden gesehen, der so sehr Opfer war wie Kernel. Kernel war gut. Daran gab es keinen Zweifel, und nur ein Narr hätte etwas anderes behauptet. Kernel war dazu geboren, ein Opfer zu sein, und dementsprechend war offensichtlich auch seine Berufswahl ausgefallen.
 

Crouch starrte. "Die Gilde der ...?"
 

"Opfer und Gearschten", beendete Slant für ihn. "Ihre Gildenstatuten besagen bereits, dass ein Mitglied der Gilde per Definition ein Opfer ist, und als solche sind sie mitunter bestrebt, in der Opferhierarchie weiter aufzusteigen. Demnach muss damit gerechnet werden, dass Gildenmitglieder dazu neigen, eine Straftat zu provozieren, solange sie in einem gewissen Rahmen bleibt, eben dem, dass der verursachte Schaden soweit reparabel, oder in diesem Falle, heilbar ist." Slant reichte Crouch eine dicke Pergamentrolle. "Die genauen Statuen mögen Sie dieser Rolle entnehmen, und in dubio(3) sollte auch Mr. Kernel als stellgetretenes Oberhaupt der Gilde dazu in der Lage sein, Ihnen diese noch einmal zu nennen."
 

Crouch zögerte. Er sah zwischen Slant und Kernel hin und her, als erwarte er, in einem ihrer Gesichter einen Hinweis darauf zu finden, dass er hereingelegt wurde. Aber Severus wusste bereits, dass es ein unmögliches Unterfangen war: Es gab keine Hinweise. Crouch konnte nichts finden. Gleichzeitig war es ihm nicht zu verdenken, dass er so dachte. Severus wusste, dass die ganzen Gilden oftmals zu Verwirrungen führten - insbesondere, da sie Außenstehenden eher unbekannt waren. Er musste da nur an die ständigen Missverständnisse bezüglich der Näherinnengilde denken. Crouch schien zu dem Schluss zu kommen, dass man ihm die Wahrheit gesagt hatte, und nichts als die Wahrheit, und ihm auch nichts verschwiegen hatte. Er rieb sich die Schläfen, als hätte er Kopfschmerzen, was bei Slants Worten auch nicht weiter verwunderlich war. Wie bestrafte man jemanden, der ja so offensichtlich keine Straftaten begangen zu haben schien? Es war zum Mäuse melken! Jeder Ansatz, um Severus in den Knast zu schicken, wurde systematisch auseinander genommen und ins Gegenteil verkehrt. Severus konnte sich Crouchs Frust nur zu gut vorstellen - auch wenn er nicht genug Mitleid besaß, um es ihm nachzufühlen.
 

"Wir stellen also fest, dass gegen Mr. Snape im Fall von Mr. Kernel keine Straftat besteht", sagte Crouch. "Und damit ist der einzige Fall von bewiesener Folter hinfällig geworden."
 

Sein Tonfall zeigte, wie begeistert er davon war, aber er war in keiner Position, seinem Unmut Luft zu machen. Er musste immerhin vorgeben, unparteilich zu sein. Severus fragte sich, wie lange diese Verhandlung noch dauern sollte. Er war zwar an sich durchaus fähig, lange zu warten, doch es schien zweifelhaft, dass Crouch so lange durchhielt. Ganz zu schweigen von seinen Beinen - sie waren eingeschlafen, da er sie in seiner Position nicht bewegen konnte.
 

"Sind noch Fragen an den Zeugen Keven Kernel? Nein?" Crouch seufzte. "Mr. Kernel, bitte halten Sie sich für etwaige Nachfragen weiterhin bereit, wir werden Sie zur Urteilsverkündung wieder in den Saal rufen."
 

Kernel nickte und wurde hinausgeführt. Crouch seufzte verhalten. "Mr. Salic, möchten Sie weitere Zeugen vernehmen?"
 

"Nein, keine weiteren Zeugen." Salic klang resigniert, aber er hatte sich erstaunlich lange gehalten. "Die restlichen Beweise liegen dem Gericht bereits vor."
 

"Mr. Slant?"
 

"Ich hätte noch zwei Zeugen", bemerkte der Zombie. "Zunächst würde ich gerne Ex-Auror Alastor Moody in den Zeugenstand rufen."
 

------------------------------

(1) "die Taschen voller Fische" - die böse Absicht zählt nicht mehr, wenn sie dem Betroffenen einen Vorteil erbringt (TP)

(2) "Wem das Verbrechen nützt, hat es begangen" - eine verschärfte Form des sini pleni piscis, da das scheinbare Opfer den alleinigen Nutzen aus der Straftat zieht und demnach als einziger ein Motiv hat (sky)

(3) "im Zweifel(sfalle)" - falls jemand, der allein auf Grund der Tatsache, dass er es tut, verrückt sein muss, zweifelt (sky)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück