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es besser machen.

- a next generation story -
von

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Prolog.

Genre: Romanze / Drama
 

Charaktere: Albus Potter, Scorpius Malfoy, Fred Weasley II, Alice Longbottom, Rose Weasley, Dominique Weasley und dann noch so ein paar Randfiguren.
 

Pairings: Albus und Alice, Scorpius und Rose, Fred und Dominique
 

Disclaimer: Orte, Personen und alles andere auch gehören J.K. Rowling. Nur die Idee gehört mir.
 

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Es besser machen.
 

Prolog.
 

Unterricht. Der Unterricht hatte in diesem Moment begonnen - das sagte ihr die große Uhr über der Tür des Schlafsaales. Kaum vorstellbar, dass es solch banale Dinge in diesem Moment tatsächlich noch gab. Nicht, dass Alice Longbottom den Unterricht jemals als besonders wichtig empfunden hätte. Natürlich, sie war die Tochter des Schulleiters, aber was sagte das schon? Ihr Vater hatte sich schon vor Jahren damit abgefunden, dass sein kleines Mädchen nichts für Kräuterkunde, Zaubertränke, Verwandlung und Co. übrig hatte. Warum sollte sich das in ihrem siebten Schuljahr ändern? So kurz vor dem Ende, bevor sie hier ausbrechen, dieses verfluchte Schloss hinter sich zurücklassen konnte? Nein, nichts würde sich ändern.
 

Und trotz allem war es erstaunlich, dass die brünette Gryffindor schon am zweiten Schultag grundlos fehlte. Normalerweise hatte sie zumindest die ersten vier Wochen eines neuen Schuljahres wacker durchgehalten, bevor sie begann sich regelmäßig im Krankenflügel abzumelden – sei es wegen erfundener Kopfschmerzen, vorgespielter Bauchkrämpfe oder ausgedachter Übelkeit. Im letzten Jahr hatten ihre Fehltage sogar noch drastischer zugenommen, denn sie sie war mit dem Unruhestifter Albus Potter zusammen gekommen, was ihr Vater mit zusammengezogenen Augenbrauen zur Kenntnis genommen hatte. Ihr zahlreiches Fehlen schien er ihr leichter zu verzeihen als eine Liaison mit dem vorbelasteten Pottersproß. Es war ihr gleich was ihr Vater dachte.
 

Jedenfalls hatten Albus und sie gar nicht daran gedacht ihre Zeit im langweiligen Unterricht abzusitzen - stattdessen verbrachten sie ihre Zeit lieber auf den Ländereien oder in Hogsmead. Die Gedanken an den schwarzhaarigen Slytherin und all das, was sie sich gemeinsam schon geleistet hatten, wie oft sie gemeinsam hatten nachsitzen müssen, ließen sie fast schon lächeln. Aber nur fast.

Sie hatte noch niemals das Gefühl gehabt, dass ein Lachen oder sogar nur ein Lächeln weniger angebracht war als in diesem Augenblick.
 

Alice sehnte sich plötzlich nach ihren Freundinnen, aber Rose und Dominique saßen sehr wahrscheinlich vorbildlich im Unterricht. Rose zwar nur, um den Schein der perfekten Streberin zu wahren, aber immerhin. Ronald Weasley würde vollkommen durchdrehen wenn er von den zahlreichen Affären und Skandalen seiner heißgeliebten Tochter erfahren würde. Auch dieser Gedanke brachte sie beinahe zum Grinsen. Rose war wirklich ein durchtriebenes Miststück. Das einzig wirklich gute Mädchen in ihrem Bund war bei Merlin Dominique, Rose‘ Cousine aus Ravenclaw. Ihre einnehmende, engelsgleiche Art war tatsächlich keine Fassade. Nicht zum ersten Mal fragte sich Alice, was Dome eigentlich zu ihnen trieb. Eine chronische Schwänzerin, ein verlogenes Flittchen und mittendrin die wunderschöne, herzensgute Halbveela? Fast schon klischeehaft.
 

Dieses Mal konnte Alice ihr Lachen wirklich nicht zurückhalten, doch im selben Moment brach sie auch unaufhaltsam in Tränen aus. Sie begann hilflos zu Schluchzen und ihre Hände krallten sich in ihre Oberschenkel, nur um eine Art Halt zu finden.
 

Wie hatte sie sich nur in diese schreckliche Situation katapultieren können?
 

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tbc

Kapitel Eins.

Es besser machen.
 

Kapitel Eins.
 

Der Wind blies ihr die Haare ins Gesicht, doch Rose Weasley störte sich nicht daran. Zu sehr genoss sie diesen Moment hoch oben auf dem Nordturm, mit ihrer Zigarette in der Hand und der vollkommenen Stille, die sie umgab. Sie konnte die ständige Unruhe, die auf den Gängen und in den Klassenräumen herrschte, nicht ausstehen. Das ganze Geplapper und Gekicher würde sie früher oder später noch in den Wahnsinn treiben. Es war nicht so, dass sie mit Menschen nicht klar kam - im Gegenteil - aber es gab diese Momente, in denen sie einfach ihre Ruhe brauchte.
 

„Hab mir schon gedacht, dass ich dich hier finde“, erklang in diesem Moment eine mehr als vertraute Stimme hinter ihr und die Gryffindor konnte es nicht unterlassen, ihre Augen genervt zu verdrehen, bevor sie sich umwandte. „Da ich mich in jeder Mittagspause hier aufhalte war das nun wirklich keine Glanzleistung, Malfoy“, erwiderte sie nur kühl und nahm einen Zug von ihrer Zigarette, während sie den Jungen vor sich distanziert musterte. „Was willst du?“, fügte sie dann hinzu.
 

Scorpius Malfoy trat einen Schritt näher. Seine blonden Haare fielen ihm ungeordnet ins Gesicht und in seinen grauen Augen glitzerte es undefinierbar. „Kannst du dir das nicht denken?“ Und natürlich konnte Rose es sich denken. Ein kurzes, künstliches Lachen entwich ihr. „Glaubst du vielleicht, dass ich mit dir schlafe sobald du mit dem Finger schnippst?“ Sie konnte den Hohn nicht aus ihrer Stimme verbannen. „So habe ich es mir gedacht“, entgegnete Scorpius ruhig und fummelte in der Tasche seiner schwarzen Hose herum, bis er schließlich ebenfalls eine Zigarette zwischen den Lippen hatte und sie mit einem Schwung seines Zauberstabes anbrannte. „Dann hast du aber falsch gedacht. Ich bin nicht deine kleine Hure, die kommt wie und wann es dir gefällt. Merlin, du bist so widerlich arrogant und von dir selbst eingenommen.“ Beherrscht strich sie eine Strähne roter Locken hinter ihr Ohr, bevor sie sich von dem Slytherin abwandte und den Blick über die Ländereien von Hogwarts streifen ließ. Am See konnte sie eine Menge Schüler entdecken, die die letzten warmen Tage des Jahres ausgiebig genossen und badeten. Im Augenblick wäre sie tatsächlich lieber in dieser lärmenden Menschenmasse als hier.
 

Scorpius kam es gar nicht in den Sinn, jetzt locker zu lassen. Er hatte Rose das letzte Mal am Abend der Jahresabschlussfeier gesehen und die war mittlerweile zwei Monate her. Natürlich hatte er sich seinen Spaß in den Sommerferien anderswo geholt, aber er konnte nicht leugnen, dass es mit Rose etwas Besonderes war. Sie wusste, was er wollte, wie er es wollte. Und es war immer zwanglos, emotionslos und einfach. „Kannst du mir nicht einfach den Gefallen tun?“, versuchte er es also erneut mit gleichgültiger Stimme und pustete Rauch in die warme Spätsommerluft.
 

Rose drückte ihre Zigarette auf der Brüstung aus und blickte ihm ein letztes Mal in die Augen. „Ich wüsste nicht, wann du mir den Anlass gegeben hast, dir einen Gefallen zu tun. Du willst mich? Dann lass dir was einfallen. Solange werde ich meinen Spaß schon woanders finden.“ Mit diesen Worten marschierte sie davon und knallte die Tür zum Turm mit einem lauten Knall hinter sich zu.

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„Komm ja nicht auf die Idee, deine schlechte Laune an mir auszulassen“, warnte Dominique Weasley ihre Cousine sobald diese neben sie in den Korridor vor das Verwandlungsklassenzimmer getreten war. Den verstimmten Gesichtsausdruck von Rose hatte sie schon von weitem wahrgenommen und sie wollte heute nicht schon wieder diejenige sein, die ihren Wutanfall zu ertragen hatte, nur weil sie eben gerade hier war und nicht Alice oder sonst irgendjemand.
 

Rose seufzte. „Das hatte ich eigentlich nicht vor, nur … ich meine, was glaubt er, wer ich bin? Sehe ich vielleicht aus, wie so eine dahergelaufene … ich weiß auch nicht. Dieser Junge raubt mir noch den letzten Nerv, Dome, wirklich! Was soll ich denn nur machen?“ Eine theatralische Geste folgte ihren aufgebrachten Worten, während Dominique ihr Gegenüber nur ungläubig musterte. „Ernsthaft, Rose? Ernsthaft? Weißt du wie oft wir solche Gespräche schon geführt haben? Hör einfach auf mit ihm zu schlafen - das kann doch nicht so schwer sein. Alle deine Probleme wären sofort gelöst.“
 

Die Gryffindor wollte gerade etwas erwidern, das bewiesen hätte, dass damit keineswegs jedes Problem gelöst wäre, als Professor Targin die Tür zu ihrem Klassenzimmer öffnete und den Schülern Eintritt gewährte. Wie üblich am Anfang eines neuen Schuljahres wollte jeder den besten Platz weit vorne oder auch in der Mitte ihre Raumes ergattern und nur Rose und Dominique gingen wie üblich auf die letzte Bank zu, wo sie drei Plätze sicherten - man wusste schließlich nie, ob Alice nicht doch mal das Verlangen verspüren würde, etwas zu lernen.
 

„Ich kann nicht aufhören“, setzte Rose das Gespräch fort sobald sie sich gesetzt hatte, so, als hätte es niemals eine Unterbrechung gegeben. „Er ist einfach zu gut.“ Das war jedoch eindeutig genug für die Ravenclawschülerin. „Zu viel Information, Rose, okay? Ich habe vor weniger als fünf Minuten verlangt, dass du deine Probleme nicht mit mir besprichst und schon gar nicht das spezielle Malfoy-Problem. Das war doch wirklich keine große Bitte.“ Kopfschüttelnd begann sie, ihre Bücher aus der Tasche zu holen, sowie Pergament, Feder und Tinte auf dem Tisch zu platzieren. „Du hast gesagt, ich soll meine schlechte Laune nicht an dir auslassen. Das mache ich nicht. Von Problemgesprächen, die du nicht führen willst, hast du nie etwas gesagt“, beschwerte sich Rose ohne viel Zeit zu verschwenden, während sie ihre Bücher lustlos auf den Tisch fallen ließ. „Das ist mir egal. Ich möchte nicht mehr über Scorpius Malfoy sprechen - und der ist sowohl immer der Grund für deine schlechte Laune und als auch für jedes deiner Probleme. Vergiss diesen Idioten einfach; ich bin sicher du findest in Windeseile einen anderen, mit dem du deinen Spaß haben kannst. Und können wir jetzt bitte das Thema wechseln?“ Die Rothaarige warf ihrer Cousine einen schmollenden Blick zu, kam aber nicht dazu, einen weiteren Satz zu formulieren, da Professor Targin in diesem Moment den Unterricht begann.

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Der Hunger hatte Alice dazu getrieben, nach unzähligen Stunden endlich den Schlafsaal zu verlassen. Sobald das Klingeln zum Nachmittagsunterricht durch das Schloss geschallt war, empfand sie es als sicher, den leeren Gryffindorturm zu verlassen. Sie würde jetzt niemandem über den Weg laufen, den sie nicht sehen wollte.
 

Ein Blick in den Spiegel hatte ihr gezeigt, dass sie wirklich schrecklich aussah. Ihre braunen Haare waren durcheinander und verknotet, ihre Augen rot unterlaufen und ihre Lippen spröde und aufgerissen. Sie hatte mindestens zehn Zauber anwenden müssen, um wenigstens halbwegs normal auszusehen, doch gegen die roten Augen konnte sie nicht viel ausrichten.
 

Jetzt lief sie durch die leeren Korridore, trotz allem mit gesenktem Kopf und fest vor der Brust verschränkten Armen. Sie wollte nur schnell in die Küche, um sich dort Pudding und heißen Tee zu besorgen und anschließend im Raum der Wünsche ihr Lager bis zum Abend aufschlagen. Es war ihr sehr wohl bewusst, dass sie sich nicht ewig verstecken konnte - nicht vor Albus, Rose und Dominique. Und auch ihrem Vater würde früher oder später auffallen, wenn sie nicht mehr zu den Mahlzeiten erschien. Sie alle würden irgendwann misstrauisch werden und das war wirklich das letzte, was sie wollte.
 

In ihrer Eile und Unaufmerksamkeit bemerkte sie nicht, wie ein ihr wohlbekannter Slytherinschüler aus einem der Klassenräume zu ihrer linken trat.
 

„Alice?“, erklang die Stimme von Scorpius Malfoy fragend hinter ihr und sie verfluchte sich innerlich dafür, nicht vorsichtiger gewesen zu sein. Unbeirrt ging sie weiter und gab vor, nichts gehört zu haben.
 

Wie erwartet ließ Scorpius nicht locker. Wirklich unglaublich, dieser Junge. „Hey, jetzt warte doch mal. Wo warst du den ganzen Tag? Albus macht sich schon Sorgen um dich.“ Sie spürte, wie er zu ihr aufholte und als sie immer noch kein Wort von sich gab, hielt er sie am Arm fest.
 

„Was soll das? Lass mich los“, fauchte sie ihn unwirsch an und war bemüht, nicht in seine stechend grauen Augen zu schauen. Sie versuchte, ihren Arm aus seinem Klammergriff zu befreien, doch alles ziehen und rütteln war nutzlos. „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, wie sonst auch immer?“, meinte sie nach einigen Minuten vergebener Anstrengung schließlich.
 

„Erst, wenn du mir sagst, was mit dir los ist“, war Scorpius‘ trockene Erwiderung.
 

„Was interessiert es dich?“
 

„Albus ist mein bester Freund.“
 

„Das ist überhaupt kein Grund. Was hat deine Aktion hier mit Albus zu tun?“
 

„Oh, lass mich überlegen - ach ja, du bist seine feste Freundin und wie gesagt, er sorgt sich um dich.“
 

„Deinen dämlichen Sarkasmus kannst du dir sonst wo hin schieben. Lass mich in Ruhe!“ Die letzten Worte verließen Alice‘ Mund lauter als beabsichtigt und sie nutzte die kurzweilige Verwunderung des Slytherins über ihren Ausbruch um sich loszureißen.
 

„Warum hast du geweint?“, rief er ihr hinterher, als sie gerade dabei war um die nächste Ecke zu laufen. Überrascht stolperte sie beinahe über ihre eigenen Füße und fing sich in letzter Sekunde an der nächsten Wand ab.
 

„Habe ich nicht“, sagte sie kurz angebunden, ohne eine weitere Gefühlregung und ließ ihn stehen. Er folgte ihr nicht. Innerhalb weniger Minuten hatte sie das Schloss durchquert und war durch das Portrait der Obstschale in die Küche getreten, um endlich etwas zu essen, obwohl ihr der Appetit lange vergangen war.
 

Was, wenn er Albus etwas erzählen würde? Was, wenn er ihm sagen würde, dass sie geweint hatte, obwohl wenn sie es geleugnet hatte? Mit Scorpius hatte sie nie viel zu tun gehabt - die einzige Verbindung zwischen ihnen bestand von Anfang an darin, dass er der beste Freund Albus‘ war und sie seine feste Freundin. Warum musste er ihr ausgerechnet heute über den Weg laufen und doofe Fragen stellen? Ausgerechnet heute. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug. Kraftlos ließ sie den Kopf auf den Tisch sinken und atmete tief ein und aus, um ihren Herzschlag zu beruhigen.

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„Guten Tag und Herzlich Willkommen zurück zu Ihrem letzten Schuljahr! Ich hoffe Sie alle hatten angenehme und erholsame Sommerferien, denn ich kann Ihnen versprechen, dass dieses letzte Jahr Verwandlung für Sie kein leichtes werden wird.“ Die lauten, begrüßenden Worte von Professor Targin brachten den Verwandlungsraum sofort zur Ruhe. „Zunächst - kann mir jemand sagen, warum Miss Longbottom heute dem Unterricht fernbleibt?“ Der Blick der dunkelhaarigen Lehrerin überflog die Klasse und landete schließlich auf Rose und Dominique, die nur unbestimmt mit den Schultern zuckten. Sie wussten ja selbst nicht, was mit Alice los war. Den ganzen Tag über hatte sie gefehlt und war weder zum Frühstück noch zum Mittagessen aufgetaucht. Professor Targin schien nicht weiter verwundert über das unentschuldigte Fehlen der Longbottom und kehrte ohne weitere Fragen zum Unterricht zurück. „Bevor wir uns dem ersten großen Thema dieses Schuljahres zuwenden werden, nämlich Gamps Gesetzen der elementaren Transfiguration, welches eine große Rolle in ihren UTZ-Prüfungen spielen wird, möchte ich Ihnen jemanden vorstellen. Das erste Mal seit langem haben wir wieder einen Referendar für das Fach Verwandlung hier in Hogwarts, der uns über das gesamte Jahr hinweg begleiten wird - bitte begrüßen Sie mit mir zusammen Mr. Fred Weasley.“
 

Einiges Tuscheln erfüllte den Raum und die beiden Mädchen in der letzten Reihe sahen überrumpelt auf, als sie den vertrauten Namen aufschnappten und sich tatsächlich ihr Cousin von einem Platz hinter dem Lehrerpult erhob und freundlich in die Klasse lächelte. Jedoch verspürte nur Dominique einen plötzlichen, stechenden Schmerz in ihrer Bauchgegend, als sie das bekannte Gesicht fassungslos anstarrte.
 

„Ich hab ihn gar nicht gesehen. Kein Wunder, wenn er sich hinter Targins Platz versteckt“, bemerkte Rose erfreut und klatschte mit dem Rest der Klasse höflich Beifall. „Wusstest du, dass er hier herkommt um sein Referendarjahr anzutreten? Ich meine, da er in Deutschland studierte wäre es ja naheliegend gewesen, wenn er es auch in einer der Zauberschulen dort gemacht hätte.“ Die Rothaarige schien sich nicht daran zu stören, dass Dominique nicht antwortete, geschweige denn überhaupt zuhörte.
 

Professor Targin begann weiterzusprechen, doch der Rest der Stunde zog an der Blondine vorbei, ohne dass sie ein Wort mitschrieb. Ihr Blick war stur auf die alte, zerkratze Holzplatte des Tisches geheftet und sie kämpfte jeden Drang, nach oben zu sehen, vehement nieder. Hunderte Gedanken schwirrten durch ihren Kopf.

Warum war er hier? War ihm nicht klar gewesen, dass sie noch zur Schule ging? Das sie sich wiedersehen würden? War ihm, bei Slytherin und Gryffindor, nicht klar, was er ihr damit antat? Wie konnte er hier auftauchen, ohne eine Warnung, ohne ein Wort, nachdem sie sich fast drei Jahre nicht mehr gesehen hatten? Nicht einmal bei einem Familientreffen, zu Weihnachten oder Silvester? Wie konnte er so rücksichtlos sein? Nach allem, was passiert war?
 

Das laute Klingeln der Schulglocke ließ Dominique aus ihrer Trance erwachen. Sie stopfte ihre Bücher und unbeschriebenen Pergamente achtlos in die Schultasche und flüchtete dann so schnell wie möglich aus dem Raum, wobei sie Rose als Erklärung nur unverständlich das Wort „Klo“ zu murmelte. Aber diese war sowieso gerade dabei, sich einen Weg zu Fred nach vorne zu bahnen und achtete glücklicherweise nicht weiter auf die Halbveela, die ihre Gelegenheit ohne zu zögern nutzte und verschwand. Je weniger Rose bemerkte, desto besser.

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Zum Abendessen in der großen Halle war Alice immer noch nicht anzutreffen und langsam begannen Rose als auch Dominique sich ernsthafte Sorgen zu machen. Es war nicht ungewöhnlich, dass ihre Freundin den Tag über mal fehlte - dann war sie meist mit Albus auf den Ländereien unterwegs oder unternahm illegale Ausflüge nach Hogsmead. Aber zum Abendessen war sie doch immer wieder an ihrer Seite, erzählte ihnen von ihrem Tag und fragte, was sie im Unterricht verpasst hatte, auch wenn es sie kaum interessierte.
 

„Vielleicht ist ihr wirklich etwas passiert. Meinst du, wir sollten mal im Krankenflügel nachfragen?“, begann die blonde Weasley das Gespräch leise und zögerlich, und steckte sich dann eine Bratkartoffel in den Mund. Obwohl sie eigentlich eine Ravenclawschülerin war, verbrachte sie nahezu jede Mahlzeit bei Rose und Alice am Gryffindortisch.
 

Rose nickte auf ihre Worte hin. „Wäre wohl das Beste“, erklärte sie. „Andererseits - wenn sie wirklich im Krankenflügel wäre, dann hätte Targin doch vorhin nicht gefragt, wo sie ist, oder? Ich meine, dann hätte sie es wissen müssen.“
 

„Stimmt auch wieder.“
 

„Bestimmt gammelt sie oben im Gemeinschaftsraum rum oder ist eingeschlafen. Wir machen uns sicher mal wieder unnötige Sorgen.“
 

„Am Ende liegt sie wieder in Al’s Bett“, fügte Dominique lächelnd hinzu und das Thema wurde fallen gelassen.
 

Als die beiden sich nach dem Essen erhoben und die Tür der Großen Halle erreichten, wurde Rose von einem Jungen ihres Alters aufgehalten. „Kann ich kurz mit dir reden?“, fragte er lässig und Rose nickte zustimmend. „Geh schon mal vor zum Turm, Dome, ich komme gleich nach“, erklärte sie entspannt und folgte ihrem Klassenkameraden dann in eine ruhigere Ecke der Eingangshalle, während sie der Ravenclaw nachsah, die die große Marmortreppe hinaufging.
 

„Was gibt’s, Egon? Schöne Ferien gehabt?“, begann sie das Gespräch freundlich und fuhr sich durch die roten Locken, die ihr ungebändigt ins Gesicht fielen.
 

„Ja klar. Hör mal Rose, ich wollte nur wissen … würdest du mal mit mir ausgehen? Vielleicht zum ersten Hogsmead-Wochenende?“ Er klang tatsächlich ein wenig nervös.
 

Rose lachte leise. „Da bist du aber früh dran“, merkte sie an. Das Jahr hatte immerhin eben erst begonnen.
 

„Nun ja, ich weiß das viele Jungs gerne mit dir ausgehen würden und ich wollte nicht … zu spät kommen.“ Jetzt wurde er auch noch rot. Rose konnte nicht anders als ihn in diesem Moment süß finden.
 

„Also gut, warum nicht?“, stimmte sie zu, um ihn nicht länger auf die Folter zu spannen. „Sag mir einfach Bescheid wann und wo wir uns treffen, okay?“
 

Der Ravenclawschüler schien sein Glück kaum zu fassen. Erleichterung breitete sich in seinem Gesicht aus. „Wirklich? Ich meine klar, super. Bis später.“ Und im nächsten Moment war er verschwunden.
 

Nachdenklich begann Rose alleine den Weg zum Gryffindorturm zurückzulegen. Das Lächeln verschwand langsam aus ihrem Gesicht. Egon Scott war wirklich ein netter Junge, er sah sogar recht gut - wenn man auf braune Haare und blaue Augen stand. Aber Rose wusste genau, was das für ein Date werden würde. Es würde sein, wie jedes Date, das sie in den letzten eineinhalb Jahren gehabt hatte - ob nun in Hogsmead, auf den Ländereien oder auf dem Astronomieturm. Es war immer das gleiche.
 

Zunächst würden sie und ihr Begleiter etwas Essen oder Trinken gehen, vielleicht ein Picknick am Schwarzen See. Sie würden sich belanglose Dinge erzählen, nichts wirklich Wichtiges oder Tiefgründiges. Und am Ende würden sie in irgendeiner Abstellkammer, einer Fensternische oder einem Zimmer in den Drei Besen (wenn der Begleiter wirklich großzügig war) miteinander schlafen. Danach würden sie sich noch einmal treffen - so etwa zwei bis drei Tage später - und sie würden erneut miteinander schlafen. Das war dann das Ende.
 

Manchmal bekam sie einen kurzgefassten Brief, in dem geschrieben stand, dass das mit ihnen leider nicht funktionieren würde, sehr selten, bei halbwegs anständigen Typen die sich dann doch irgendwie schämten, wurde ihr das sogar persönlich gesagt. Meistens jedoch meldeten sich die Typen einfach nicht mehr.
 

Es tat Rose nicht weh, dass man sie abwies. Sie hatte schließlich für keinen dieser Kerle jemals mehr empfunden als eine vage Zuneigung. Es war nicht so, als würde ihr jemand das Herz brechen. Und noch dazu wusste sie ja genau, worauf sie sich bei diesen „Dates“ einließ.

Es verletzte sie auch nicht wirklich, dass man sie als so selbstverständlich hinnahm und meinte, mit ihr umgehen zu können, als sei sie tatsächlich nur eine billige kleine Nutte. Sie war sich sicher, dass so wahrscheinlich jeder in der Schule im Stillen über sie dachte. Trotzdem, und zu ihrer großen Verwunderung, hatte sie noch niemals jemand deswegen beleidigt oder tatsächlich so behandelt, als sei sie nichts wert.
 

Mit einer Ausnahme. Scorpius Malfoy.

Er zögerte nicht, ihr zu sagen, wie er über sie dachte und sie auch so zu behandeln. Und sie hasste ihn dafür, dass er ihr zeigte, was sie am meisten an sich selbst hasste. Und er machte ihr auf seine Art immer wieder klar, dass sie es nicht würde ändern können, sich nicht würde ändern können. Denn sie beide wussten, dass sie auf eine verdrehte und verkorkste Art und Weise dieses Spiel mit den „Dates“ genoss.

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tbc

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Vielen Dank für die ganzen Favoriteneinträge. :)

Kapitel Zwei.

Es besser machen.
 

Kapitel Zwei.
 

Fred Weasley hätte wirklich niemals vermutet, dass ausgerechnet er einmal am Lehrertisch seiner alten Schule sitzen und über die Köpfe der vielen Schüler, die unter ihm an ihren Haustischen saßen, hinwegschauen würde. Geschweige denn, dass er überhaupt einmal den Beruf des Lehrers in Betracht ziehen würde. Diese Entscheidung hatte er von einem Tag auf den nächsten getroffen, kaum das er seinen Abschluss in der Tasche hatte, und damit nicht nur sich selbst, sondern seine gesamte Familie überrumpelt. Und einen weiteren Tag später war er schon in Deutschland gewesen und saß in seiner ersten Vorlesung über die Geschichte der Verwandlung an der Emeric-Wendel-Akademie in München.
 

Er konnte nicht in Worte fassen, wie sehr es ihn freute, wieder hier zu sein, in diesen Hallen, in denen er so viele glückliche Jahre seines Lebens verbrachte hatte. Der heutige Morgen war der erste Tag, an dem er sich tatsächlich an den Lehrertisch zum Essen begeben hatte - einerseits hatte er sich anfangs ein wenig gefürchtet als eine Respektsperson so öffentlich dargestellt zu sein und andererseits wollte er seine Verwandten nicht auf diese Weise überraschen. Doch in den letzten beiden Tagen wurde er von Professor Targin in jeder Jahrgangsstufe vorgestellt und jeder wusste, dass Fred Weasley wieder in Hogwarts war. Also, hatte er sich an diesem Morgen gedacht, konnte er nun auch getrost zum Essen in die Große Halle gehen.
 

Rechts neben ihm saß seine eben genannte Mentorin, Professor Targin, mit Kaffee und Zeitung in der Hand. Links neben ihm saß der einzige Grund, warum sein Morgen nicht vollkommen perfekt war. Ein weiterer Referendar für dieses Schuljahr oder besser gesagt, eine Referendarin.

Donna Zabini - blond, blauäugig und schon jetzt Unausstehlich. Zu schade, dass die Sitzplätze am Tisch festgelegt waren. Fred hätte auf ihre Präsenz bei jeder seiner Mahlzeiten gut und gerne verzichten können. Zufälligerweise waren Fred und sie zur selben Zeit zur Schule gegangen und hatten ihren Abschluss somit gemeinsam gemacht. Allein die Tatsache, dass sie damals eine Slytherin gewesen war, reichte, um sie nicht auszustehen. Fred kannte jedoch auch ihren Charakter von den zahlreichen Vertrauensschülersitzungen, an denen sie beide damals aufgrund ihrer Ämter teilnehmen mussten. Die Nächte, in denen sie zusammen auf der Suche nach Rumtreibern in der Schule umherlaufen mussten, waren die Schlimmsten gewesen.
 

Fred versuchte nicht weiter, an seine blonde Sitznachbarin zu denken und hielt stattdessen neugierig Ausschau nach seinen Cousins und Cousinen an ihren jeweiligen Haustischen. Albus saß, wie schon zu den Zeiten als er noch an der Schule gewesen war, neben seinem besten Freund Scorpius am Slytherintisch. Fred konnte sich nie wirklich entscheiden, ob er den Malfoy nun mochte oder nicht. Am Ravenclawtisch saßen Hugo und Louis mit Lily. Die drei müssten seines Wissens nach nun in der zweiten Klasse sein und anscheinend waren sie noch immer die besten Freunde, so wie damals, als er gegangen war. Am Gryffindortisch saßen die letzten seiner Verwandten, die noch zur Schule gingen. Molly und Lucy, beide in der vierten Klasse, saßen in der Mitte zwischen ihren Freundinnen. Am Ende des Tisches, nahezu vor seiner Nase, wenn er nicht so weit oben gesessen hätte, hatten sich Rose und Dominique einen Platz gesucht, gemeinsam mit Alice Longbottom.
 

Sein Blick blieb an Dominique hängen. Sie sah immer noch so hübsch und engelhaft aus wie damals, vor fast drei Jahren. Als sie ihn gestern zum ersten Mal nach dieser ganzen Zeit gesehen hatte, hatte sie nicht glücklich gewirkt. Im Gegenteil - viel eher verstört und verschreckt. Sie hatte ihn nicht begrüßt, wie Rose und die anderen. Er seufzte leise und trank einen Schluck Kürbissaft aus seinem Kelch. Wer konnte es ihr verdenken, nach all dem was damals passiert war? Und er hatte sich nicht mal verabschiedet. Kopfschüttelnd versuchte er diese Gedanken loszuwerden, als die Augen seiner blonden Cousine auf seine trafen. Ihr Blick war undefinierbar, im Gegensatz zu ihrer Reaktion. Ruckartig stand sie auf und flüchtete nahezu aus der Großen Halle, so wie sie gestern aus dem Verwandlungs-Klassenzimmer geflohen war.
 

Ein Gespräch mit Dominique lag demzufolge nicht in naher Zukunft.

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Rose und Alice verließen die Große Halle nach dem Frühstück allein, nachdem Dominique ohne eine vernünftige Erklärung einfach weggestürmt war. Sie machten sich auf den Weg zu ihrer nächsten Stunde, Muggelkunde, was Dominique nicht belegt hatte. Sie hatte jetzt Pflege magischer Geschöpfe auf den Ländereien. Wahrscheinlich hatte sie einen Aufsatz in ihrem Schlafsaal liegen lassen und war deswegen so schnell abgehauen.
 

„Also, Alice, wirst du mir jetzt erzählen, was mit dir los ist?“, eröffnete Rose nach einer Weile des Schweigens das Gespräch, welches sie schon seit Beginn des Frühstücks führen wollte, wozu sich allerdings keine passende Gelegenheit ergeben hatte.
 

„Was meinst du?“, fragte Alice verwirrt. Rose konnte doch unmöglich etwas bemerkt haben. Heute Morgen hatte sie beinahe eine Stunde lang an sich herumgehext, damit die roten Augen vom Weinen nicht mehr zu sehen waren und es hatte funktioniert. Sie hatte sich aus jedem Blickwinkel hundertmal betrachtet und sah heute für ihre Verhältnisse wirklich gut aus - sogar ihre Haare hatte sie zu einem ordentlichen Zopf zusammengebunden.
 

„Nun ja, ich habe dich gestern den ganzen Tag über nicht gesehen und auch in der Nacht warst du nicht da“, begann Rose mit ihrer Antwort. „Dome und ich haben uns Sorgen gemacht, und Albus im Übrigen auch. Du verschwindest normalerweise nicht einfach ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen. Es ist nicht deine Art.“ Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Also, was ist los mit dir?“
 

„Merlin, Rose, nur weil ich mal nicht im Schlafsaal übernachtet habe, glaubst du gleich, ich verheimliche dir etwas?“, hakte Alice ungläubig nach, doch ihr Herz klopfte unnatürlich schnell in ihrer Brust. Diese Nacht hatte sie im Raum der Wünsche übernachtet, weil sie sich nicht dazu bringen konnte, in den Gemeinschaftsraum oder Schlafsaal zu gehen, aus Angst, Rose oder anderen Mitschülern zu begegnen.
 

„Du hast heute zum Frühstück zwei Schüsseln Erdbeerquark gegessen.“
 

„Und wo ist da das Problem?“
 

„Du hasst Erdbeerquark.“
 

„Wie kommst du denn darauf?“
 

„Das hast du mir in der vierten Klasse erzählt.“
 

„Naja, und jetzt mag ich Erdbeerquark eben. Wo liegt der Sinn in dieser Unterhaltung, Rose?“
 

„Ehrlich Alice, vertraust du mir nicht mehr?“ Mit einem Ruck blieb die Weasley stehen und Alice drehte sich verwundert zu ihrer Freundin um, die Arme vor der Brust verschränkt.
 

„Natürlich vertraue ich dir. Du bist eine meiner besten Freundinnen“, erklärte sie als wäre es das natürlichste in der Welt und tatsächlich empfand sie es so. Wie konnte Rose überhaupt glauben, dass sie ihr nicht vertraute? Das war nahezu absurd.
 

„Warum erzählst du mir dann nicht was los ist? Geht es um Albus? Habt ihr Probleme? Oder hast du Stress mit deiner Familie? Wegen der Schule? Erzähl es mir doch einfach!“
 

Die beiden setzten ihren Weg zum Klassenzimmer langsam fort, wobei Rose‘ fordernder Blick nach wie vor auf ihrer Freundin lag. Alice zögerte einen Moment, bevor sie antwortete. „Es ist alles in Ordnung, Rose, bitte glaub mir“, log sie dann mit nachdrücklicher Stimme und ging an Rose vorbei ins Klassenzimmer, bevor diese eine Chance bekam, noch weiter zu forschen. Alice konnte nicht darüber reden - noch nicht.

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Nahe des Schwarzen Sees hatte sich Dominique auf einem Stein niedergelassen, ihr abwesender Blick war auf das dunkle, unberührte Wasser gerichtet. Sie sollte jetzt eigentlich im Unterricht sein, aber sie konnte sich nicht dazu aufraffen, aufzustehen und zu gehen. Ihre Tasche mit Büchern und Pergamenten lag nutzlos neben ihr.
 

„Seit wann rauchst du denn?“, erklang in diesem Moment eine bekannte Stimme hinter ihr und Dominique schrak zusammen. Holly Lewis, ihre Klassenkameradin aus Ravenclaw, war neben sie getreten und deutete unwirsch auf die Zigarette in der Hand der Halbveela.
 

„Schon länger, immer mal wenn ich mich danach fühle. Nur mache ich es normalerweise nicht an öffentlichen Orten. Wer weiß was passiert wenn mich die Lehrer erwischen. Aber heute war es mir wohl egal. Willst du auch eine?“ Dominique schaute schräg nach oben und blickte direkt in Hollys braune Augen.
 

„Nein bloß nicht“, wehrte die Vertrauensschülerin sofort ab.
 

„Ziehst du mir Punkte ab?“
 

„Nein.“
 

Holly setzte sich ebenfalls auf den Stein. Sie sagte nichts weiter. Dominique begann über ihre Beziehung zu dem Mädchen nachzudenken. Aus ihrem Schlafsaal war Holly Lewis mit Abstand das einzige Mädchen, das sie ausstehen konnte. Vielleicht waren sie sogar irgendwie Freundinnen, wenn auch keine, die sich Geheimnisse anvertrauten und sich an der Schulter der jeweils anderen ausheulten. Aber Dominique konnte manchmal gut mit Holly reden und ab und zu erledigten sie Hausaufgaben und Gruppenarbeiten zusammen. Die anderen Mädchen aus ihrem Schlafsaal, Megan Stark und Beatrice Montez, waren in Dominiques Augen Menschen, mit denen man einfach nicht klar kommen konnte. Beide waren übermäßig auf Hausaufgaben, Lernen und Bücher fixiert und symbolisierten somit kurz und knapp gesagt die perfekten, klischeehaften Ravenclaws. Es war nicht so, dass Holly und sie selbst sich nicht auch bemühen würden, aber Bea und Megan übertrieben es permanent.
 

„Hast du keinen Unterricht?“, fragte Dominique nach einer Weile und klopfte die Asche von der Spitze ihrer Zigarette.
 

„Freistunde“, erwiderte Holly gelassen und drehte eine schwarze Locke um ihren Finger. „Aber soweit ich weiß, solltest du in diesem Moment bei deiner Pflege magischer Geschöpfe-Stunde sein.“
 

Dominique seufzte. „Ich weiß.“
 

Wieder schwiegen die beiden Mädchen und plötzlich wusste die blonde Ravenclaw wieder ganz genau, warum sie in diesem Moment den Unterricht schwänzte. Dabei hatte sie den Gedanken daran die ganze Zeit hartnäckig vermieden. Sie wusste, dass sie nicht jedes Mal so reagieren konnte, wenn Fred im gleichen Raum wie sie war, sie ansah. Denn das würde nun offensichtlich öfter geschehen. Und wie wollte sie bitte reagieren, wenn er sie irgendwann mal ansprechen sollte - wieder einfach weggehen? Das war in diesem Fall keine Option. Sie musste sich also etwas überlegen. Oder noch besser; sie sollte sich endlich zusammenreißen und die Vergangenheit auf sich beruhen lassen, auch wenn es wehtat.
 

„Danke Holly“, murmelte sie letztendlich, während sie ihre Zigarette am feuchten Ufer des Sees ausdrückte und anschließend mit Schlamm bedeckte.
 

„Wofür?“ Überrascht sah die brünette Ravenclaw auf.
 

„Einfach nur so, dafür das du gerade da warst. Hat mir irgendwie geholfen, klar zu denken.“ Mit diesen Worten schnappte sich Dominique ihre Schultasche und eilte in Richtung des Verbotenen Waldes davon. „Ich muss zum Unterricht“, rief sie über die Schulter grinsend zurück und hörte Holly daraufhin leise lachen.

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Wahrsagen war definitiv Albus‘ liebstes Fach. Nicht, weil er es in irgendeiner Weise gut beherrschte, sondern weil es für ihn immer wie eine Freistunde war. Professor Selin schien ständig nur durch das dritte Auge zu sehen und bekam überhaupt nicht mit, was ihre Schüler in ihrem Unterricht taten oder eben nicht taten.
 

Die Doppelstunde an diesem Mittwochmorgen kam ihm besonders gelegen, denn somit konnte er locker noch zwei Stunden Schlaf abgreifen. Wie konnte man den Tag besser starten?
 

Er hatte es sich gerade auf seinem Sitzkissen bequem gemacht und den Kopf neben seiner Kristallkugel platziert, als Scorpius‘ Stimme ihn aus seinen Gedanken riss.
 

„Wir müssen reden, Al. Es geht um Alice“, begann der Malfoy und bewegte seinen Freund somit, ihn anzuschauen.
 

Albus‘ Blick war verwirrt. Seit wann interessierte sich Scorpius denn für Alice und wieso um Merlins Willen wollte er über sie reden?
 

„Ich habe sie gestern gesehen“, gestand der blonde Slytherin und rückte dabei seine Bücher gerade, um seinem besten Freund nicht in die Augen sehen zu müssen. Er wusste genau, dass Albus sich Sorgen gemacht hatte, schließlich hatte er Alice den ganzen Tag über nicht gesehen. Und er wusste auch, dass Albus sich zurückgehalten hatte, das Thema Alice anzusprechen, gerade weil er wusste, dass Scorpius nicht gerade von der brünetten Gryffindor begeistert war. Nun fühlte er sich schuldig, nichts gesagt zu haben. Albus war sein bester Freund seit dem ersten Tag, den sie gemeinsam in Hogwarts verbracht hatten. Es war seine Pflicht, ihm zu erzählen, was er beobachtet hatte.
 

„Warum hast du nicht früher etwas gesagt?“, fragte Albus überrascht nach und noch immer brachte Scorpius es nicht über sich, ihm in die Augen zu schauen. Natürlich war Albus nicht sauer. Er war nie sauer, wütend oder verärgert wenn es Scorpius betraf. Das Malfoy begann sofort, sich noch schlechter zu fühlen.
 

„Ich weiß es nicht. Es tut mir ehrlich Leid, Al. Ich wollte es dir nicht verheimlichen. Ich weiß, dass du dir Sorgen gemacht hast. Ich wollte wohl einfach mal einen Tag mit dir verbringen, in dem es ausnahmsweise Mal nicht um Alice geht.“
 

Albus richtete sich auf seinem Kissen weiter auf und klopfte seinem Freund beruhigend auf den Rücken. Er grinste schief. „Ist schon gut. Ich verstehe, dass du eifersüchtig bist, Scorp. Ich bin ein toller Fang.“
 

Daraufhin entwich dem Malfoy ein trockenes Lachen. „Soweit kommt es noch.“ Kopfschüttelnd erwiderte er Albus‘ Lächeln.
 

„Nun ja, ich bin froh dass es Alice gut geht. Wenn du sie gesehen hast, hat sie wenigstens nichts Dummes gemacht, nicht wahr?“
 

„Ich glaube nicht, dass es ihr gut geht“, gab Scorpius nach einem kurzen Zögern zu. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube sie hat geweint. Ich habe sie gefragt, was los ist, aber sie hat nicht mit mir geredet und sie hat geleugnet, dass sie geweint hat.“
 

Albus schwieg. Seine rechte Hand fuhr verunsichert durch seine Haare, eine Geste, die er sich von seinem Vater und James abgeschaut hatte. Er war tatsächlich nicht wütend auf Scorpius, auch wenn er mit etwas so Wichtigem erst jetzt rausrückte. Seine einzigen Gedanken galten nun Alice - seiner Alice. Er hatte sie heute beim Frühstück gesehen und sie hatte sich verhalten wie immer. Er wusste nicht, was er von Scorpius‘ Worten halten sollte, aber ebenso gut wusste er, dass der Malfoy nicht log. Warum sollte er auch? Alice interessierte ihn nicht einmal.
 

Es war nun seine Aufgabe herauszufinden, was mit Alice los war. Sie war nicht der Typ Mädchen, der wegen Belanglosigkeiten weinte. Noch dazu kam sie mit all ihren Problemen zu ihm. Es musste sie also wirklich etwas bedrücken und Albus wollte auf jeden Fall für sie da sein.
 

„Ich werde sie später darauf ansprechen. Danke, dass du mir das erzählt hast, Scorp“, erklärte Albus schließlich. Mit einem Seufzen ließ er den Kopf zurück auf den Tisch sinken und wartete darauf, dass Professor Selins Stimme ihn einschläferte. Dies fiel ihm heute jedoch viel schwerer als sonst, denn seine Sorge um Alice, die am heutigen Morgen eigentlich abgeklungen war, war nun wieder präsent.

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Nach ihrer Doppelstunde Muggelkunde machte sich Rose allein auf den Weg zu den Gewächshäusern auf den Ländereien der Schule. Alice belegte Kräuterkunde nicht mehr, denn immerhin war Professor Longbottom ihr Vater und Alice war froh um jede Minute, die sie nicht mit ihm verbringen musste. Dominique würde sie dort treffen, denn diese befand sich ja schon wegen ihrer Pflege magische Geschöpfe-Stunde auf den Ländereien.
 

Als Rose durch das Portal trat, lief ihr Adam Leroy über den Weg. Er war, wie sie selbst, ein Gryffindor und ebenfalls im siebten Schuljahr.
 

„Hey Rose“, rief er ihr über einige Meter hinweg zu und kam dann mit den Händen in den Hosentaschen auf sie zu.
 

„Hey Adam. Wie geht es dir? Wir haben noch gar nicht geredet, seit die Ferien vorbei sind.“
 

„Du bist ja ständig nur von Jungs umschwärmt, da findet man gar keine Gelegenheit an dich ranzukommen.“ Adam lächelte scherzhaft, doch Rose schluckte.
 

Adam bemerkte ihren Stimmungswandel. „Entschuldige, habe ich etwas Falsches gesagt? Das war nicht böse gemeint.“ Sein Gesicht nahm einen unsicheren Zug an.
 

„Es ist schon in Ordnung. Wirklich, ich hab nur viel im Kopf und deine Worte haben mich an etwas erinnert.“ Rose ihm beruhigend zu. „Also, wenn wir uns nun schon einmal getroffen haben - was meinst du, sollen wir Kräuterkunde sausen lassen und einen Abstecher in die Küche machen? Über die Ferien quatschen?“, bot sie dann an.
 

„Ich denke, es wäre besser, wenn ich mich nicht in deiner Gesellschaft befinde. Wenn du mich schon am dritten Schultag zum Schwänzen überredest“, scherzte Adam und der kurze, unangenehme Moment von zuvor war schon wieder vergessen. „Also los, ab in die Küche. Das Mittagessen liegt noch in so weiter Ferne und ich verhungere jetzt schon.“
 

Enthusiastisch griff er nach Rose Hand und gemeinsam gingen sie durchs Portal zurück ins Schloss. In der Küche waren die Hauselfen gerade dabei, alles für das Mittagessen fertigzustellen, sodass die beiden Gryffindors nur nach einigen Überbleibseln vom Frühstück griffen und sich dann auf den um diese Uhrzeit unbenutzten Astronomieturm verzogen.
 

„Stört es dich, wenn ich eine Rauche?“, fragte Rose, die sich an diesem Platz sofort geborgen und wohl fühlte. Adam schüttelte den Kopf und beschwor mit dem Zauberstab eine Decke herauf, auf der die beiden es sich bequem machen konnten.
 

„Manchmal vergesse ich, dass du gar nicht so ein liebes und braves Mädchen bist, wie du immer vorgibst. Beängstigend, wie schnell du dich verändern kannst. Und ich meine das nicht so, wie es vielleicht klingt.“
 

Rose kicherte leise und nahm dann einen Zug von ihrer Zigarette. Erneut verschwand die Fröhlichkeit aus ihrem Gesicht und sie wandte sich zu Adam um und begann mit einer ungewohnten Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme zu sprechen: „Soll ich dir etwas verraten? Ich habe es so satt, diese Rollen zu spielen. Am liebsten würde ich einfach so sein, wie ich bin. Ich meine, ernsthaft, was ist denn falsch daran, wenn ich Rauche und Trinke und Sex habe? Ich bin nun einmal dieser Mensch. Ich genieße es, es macht mir Spaß, es definiert mich. Und trotzdem muss ich es immer verbergen. Ich wünschte ich könnte einfach sein, wer ich wirklich bin.“
 

„Warum tust du es denn überhaupt? Ich meine, warum bist du nicht einfach du? Vor wem oder was hast du Angst, Rose?“ Adam klang nicht belustigt oder genervt von ihrem kurzen Vortrag, auf eine seltsame Weise schien er sogar zu verstehen, was sie belastete.
 

„Ich weiß es ja auch nicht. Vor allem und jedem. Vor meinem Vater und meiner gesamten Familie. Ich will sie nur nicht enttäuschen. Ich möchte nicht, dass meine Mutter traurig darüber ist, dass ich nicht genauso bin wie sie. Es war schlimm genug meinem Vater klar zu machen, dass ich nicht Quidditch spielen kann. Ich ertrage es einfach nicht, nicht ihren Vorstellungen zu entsprechen. Kaum zu glauben, dass ich in Gryffindor bin, was?“ Sie warf Adam ein schmales Lächeln zu.
 

„Ich finde, deine Ängste sind sehr nachvollziehbar. Aber ich denke nicht, dass deine Familie enttäuscht wäre, wenn du nicht ganz so bist, wie sie dich vielleicht gerne hätten. Du bist eine eigene Persönlichkeit. Du hast andere Ziele, andere Wünsche, andere Träume. Ich denke, wenn du mit deinen Eltern reden würdest, würden sie es verstehen. Und noch dazu finde ich, dass du eine tolle Gryffindor bist. Kein Mensch schafft es, immer stark und mutig zu sein. Nicht einmal ich, und dass muss schon was heißen.“
 

Rose konnte nicht anders, als in lautes Lachen auszubrechen.
 

„Du bist wirklich süß, Adam.“
 

„Als wüsste ich das nicht schon längst.“
 

„Oh Merlin, wenn du wirklich so ein arroganter Idiot wärst, würde ich keine Sekunde mit dir verbringen, das schwöre ich dir. Aber nun mal ein Themawechsel, schließlich wollten wir ja nicht meine Selbstfindungsprobleme durchdiskutieren. Wie waren deine Ferien? Was hast du erlebt?“
 

Und in Windeseile waren die beiden in ein Gespräch vertieft und Rose war glücklich, dass es wenigstens einen Jungen an dieser Schule gab, der seine Zeit nicht mit ihr verbrachte, weil er am Ende Sex erwartete. Adam mochte sie und Rose war froh darum, denn sie mochte ihn ebenfalls.

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tbc

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Danke für alle Kommentare und Favoriteneinträge! :)

Kapitel Drei.

Es besser machen.
 

Kapitel Drei.
 

Am Donnerstagmorgen war für alle diesjährigen Siebtklässler eine Freistunde angesetzt. Und in dieser fand Albus endlich die Gelegenheit, mit Alice zu sprechen. Er folgte ihr nach dem Frühstück, welches sie übereilig verlassen hatte, hinaus auf die Ländereien. So langsam verfestigte sich Albus‘ Eindruck, dass Alice ihm mit Bestimmtheit aus dem Weg ging. Seit Beginn des Schuljahres hatten sie noch keine Minute allein verbracht und das war wirklich untypisch. Noch dazu war es ja nicht so, als hätten sie absolut keine Möglichkeit, sich irgendwo zu treffen und Zeit miteinander zu verbringen.
 

„Hey Alice! Warte doch mal!“, rief er über die weitläufigen Rasenflächen hinweg und Alice‘ braune Haare wirbelten im Wind, als sie sich zu ihm herumdrehte. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, doch es schien nicht so echt und offen wie sonst auch. Auf eine merkwürdige Art und Weise schien es sogar falsch.
 

Albus eilte auf seine Freundin zu und schloss sie fest in die Arme, bevor er sie sanft auf den Mund küsste. „Merlin, ich habe dich vermisst. Es kommt mir vor, als hätten wir uns schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.“
 

Alice lachte nur halbherzig: „Jetzt übertreib mal nicht, wir haben uns in den Ferien fast jeden Tag gesehen. Ich glaube es tut keiner Beziehung gut, wenn man ständig nur aufeinander hockt.“
 

„Sag mal, willst du mich loswerden?“ Albus sprach noch immer scherzhaft, doch in Alice‘ Augen blitzte eine ungewöhnliche Ernsthaftigkeit.
 

„Kannst du dich auch einmal deinem Alter entsprechend reif verhalten? Ich will dich nicht loswerden, Albus, ich möchte nur ein wenig Abstand. Kannst du das nicht verstehen?“ Wütend verschränkte die Longbottom ihre Arme vor der Brust und es war wirklich erstaunlich, wie schnell sich ihre Laune verändert hatte, und dann noch wegen einer solchen Belanglosigkeit.
 

„Also bist du mir doch mit Absicht aus dem Weg gegangen“, stellte Albus daraufhin nur nüchtern fest und trat einen Schritt zurück. Irgendetwas stimmte hier nicht. „Gibt es einen Grund dafür? Ich meine, habe ich etwas falsch gemacht?“
 

„Nein, hast du nicht.“
 

„Das ist alles? Keine Erklärung? Nichts?“ Nun verhärteten sich auch die Gesichtszüge des Potters. Was war denn heute bitte los?
 

„Findest du nicht auch, dass uns etwas Abstand gut tun würde? Ein wenig Zeit für uns, in der wir nicht andauernd aufeinanderhängen?“
 

„Um ehrlich zu sein - nein! Ich weiß überhaupt nicht, wie du auf diese absurde Idee kommst. Vor wenigen Tagen war alles noch perfekt und es hat dich nicht im Geringsten gestört, Zeit mit mir zu verbringen. Aber natürlich möchte ich dir nicht zur Last fallen.“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen und nahm eine abwehrende Körperhaltung an.
 

„So meine ich das doch nicht, Al. Ich liebe dich, das weißt du. Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Aber jetzt, in diesem Moment, glaube ich, dass uns eine kleine Pause gut tun würde. Ein paar Wochen nur.“
 

Zunächst kam es Albus in den Sinn, laut loszulachen. Das konnte doch unmöglich ihr Ernst sein? Wieso, um Merlins Willen, sollte er das wollen? Und noch viel wichtiger - warum wollte sie das? Doch als er wieder in Alice‘ blaue Augen sah, wusste er, dass sie keine Witze machte. Und es brach ihm fast das Herz.
 

„Sag mal tickst du noch ganz richtig? Wie kommst du auf diese schwachsinnige Idee? Wer hat dir diesen Müll eingeredet? Beziehungspause, pah! Wenn du keine Lust mehr auf mich hast, dann sag es mir wenigstens ehrlich heraus und schieb nicht solche fadenscheinigen Ausreden vor. Also, was genau willst du von mir?“
 

Alice schüttelte hilflos den Kopf. „Genau das, was ich gesagt habe. Eine Pause, Funkstille. Aber nicht für immer. Natürlich nicht für immer. Hast du mir nicht zugehört?“ Verwirrt sah sie ihn an. Ihre Wut war verschwunden und plötzlich hatte sie Angst, dass das alles in eine vollkommen falsche Richtung lief. Konnte er ihre Gedanken denn nicht nachvollziehen? Hört er nicht richtig zu?
 

„Doch, ich habe ganz genau zugehört, Alice. Aber bei so einem Blödsinn mach‘ ich nicht mit. Entweder es bleibt alles so wie es jetzt ist oder es ist ganz und gar vorbei. Entscheide dich!“ Der unterschwellige Zorn in Albus‘ Stimme ließ die Gryffindor vor ihm zurückzucken.
 

Sie zögerte. Eine Sekunde zu lang für ihn.
 

„Okay, na schön, dann ist es eben vorbei.“ Der Slytherin warf die Hände in die Luft, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und stapfte zurück ins Schloss.
 

Und Alice stand da, als wäre sie soeben versteinert worden. Sie blinzelte nicht einmal. Alle Luft schien aus ihrem Körper gepresst worden zu sein und das Schlucken fiel ihr schwer.
 

Das einzige, was sie mit dieser Pause hatte bezwecken wollen, war ein wenig Zeit für sich. Sie musste über verschiedene Dinge nachdenken und Albus war momentan der letzte Mensch, den sie bei diesen Überlegungen an ihrer Seite wollte. Aber das hieß doch nicht, dass sie ihn sonst nicht an ihrer Seite wollte!
 

Ganz sicher hatte sie sich von dieser Pause nicht erhofft, dass Albus und sie am Ende getrennte Wege gehen würden. Wie könnte sie das jemals wollen? Albus war der wichtigste Mensch in ihrem Leben!
 

Und nun hatte sie innerhalb von fünf Minuten all das kaputt gemacht, was ihr das Wichtigste auf der Welt war.

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Bei all den Fächern, die Rose gezwungenermaßen belegte und in denen sie sich redlich Mühe gab, auch wenn sie ihr zum Hals raushingen, war Zaubertränke bei weitem das Schlimmste. Das Talent, stinkende Kräuter und ekelerregende Tierausscheidungen zusammenzumischen, hatte sie eindeutig von ihrem Vater geerbt. Kurz gesagt: es war nicht vorhanden.
 

Und so begann die erste Doppelstunde des Jahres und Rose war schon jetzt nach Schwänzen zumute. Aber letztendlich war es doch Alice, die dem Unterricht fernblieb und Rose, die sich durch jede verdammte Stunde durchkämpfte, nur um vor ihren Eltern den Anschein zu wahren, dass sie eine engagierte und fleißige Schülerin war. Merlin, wie satt sie dieses Theaterspiel hatte!
 

Der Blick in Professor Mantecas Augen machte Rose zusätzlich misstrauisch. Es war, als hätte die Frau eine Idee, die besonders Rose ganz sicher nicht gefallen würde.
 

Missgelaunt schmiss die Rothaarige ihre Bücher auf den Tisch und wartete das Klingeln ab. Dominique stürzte in letzter Sekunde in den Raum und Alice tauchte, wie zu erwarten, gar nicht erst auf.
 

„Nanu, so spät heute?“, neckte Rose ihre Cousine und schob Alice‘ leeren Stuhl beiseite, um sich und Dominique mehr Platz und Beinfreiheit zu beschaffen.
 

„War noch in der Bibliothek. Der Aufsatz für Kräuterkunde, du weißt schon.“
 

Rose verdrehte die Augen und versuchte nicht einmal, ihren Unglauben zu verbergen. „Dome, die nächste Stunde Kräuterkunde liegt am Montag an. Das sind noch über drei Tage, in denen du deine Zeit dafür opfern kannst. Warum eine Stunde weniger schlafen? Da haben wir schon einmal die erste Stunde frei und du nutzt deine Gelegenheit trotzdem nicht.“
 

„Ich hab’s total vergessen und bis es mir wieder klar war, war ich schon komplett angezogen. Ich wäre sowieso nicht wieder eingeschlafen, warum also die Zeit vergeuden?“
 

Rose kicherte kopfschüttelnd. „Wer’s glaubt!“
 

Weiter kamen die Cousinen in ihrem Gespräch nicht, da Professor Manteca den Unterricht begann. „Für die heutige Doppelstunde habe ich eine ganz spezielle Idee. Sie werden in Gruppen arbeiten und somit paarweise einen Trank brauen. Und nein, Sie werden die Gruppen nicht selbst einteilen. Ich habe das schon getan. Ich lese jetzt die Einteilungen vor - finden Sie sich bitte mit Ihrem zugeteilten Partner zusammen und warten Sie dann auf weitere Anweisungen. Also gut - “ Und sie begann damit, eine schier endlose Liste von Namen vorzulesen.
 

Rose glaubte ihren Ohren nicht zu trauen, als ihr Name gemeinsam mit dem von Scorpius Malfoy genannt wurde. Zuerst hoffte sie, sich verhört zu haben, doch ein Blick in Dominiques Augen verriet ihr das Gegenteil. Im zweiten Impuls hoffte sie eindringlich, dass Scorpius die Stunde schwänzte oder im Krankenflügel lag. Sie ließ die Augen durch den Raum schweifen und entdeckte zu ihrer enormen Enttäuschung einen Schopf weißblonder Haare.
 

Merlin, sie hasste Zaubertränke und sie hasste Professor Manteca und sie würde es tatsächlich als Wunder bezeichnen, sollte sie die heutige Stunde ohne Nachsitzen verlassen.
 

„Weasley?“ Die kühle und dennoch spöttische Stimme des Malfoys riss sie aus ihren Überlegungen, in wie viel verschiedenen Weisen sie sich eben dieses Nachsitzen einhandeln könnte. Es schienen unendlich viele Möglichkeiten und es wurde von Sekunde zu Sekunde unwahrscheinlicher, dass sie diesen Raum glücklich verlassen würde.
 

„Was?“, blaffte sie, gar nicht erst versucht, mit dem verwöhnten Mistkerl auszukommen. Als würden sie das jemals schaffen. Die Mühe würde sie sich sparen.
 

„Hast du der Professorin zugehört?“, fragte der Slytherin und ging nicht weiter auf ihren unhöflichen Tonfall ein.
 

„Nein.“
 

„Ich hätte auch nichts anderes erwartet. Wir sollen den Trank Amortentia brauen.“
 

„Na das passt ja super.“ Zutiefst verstimmt legte Rose den Kopf auf den Tisch und hoffte, wenn sie einfach nur lang genug kein Zeichen mehr von sich gab, würde Malfoy das schon alleine machen. In Zaubertränke konnte sowieso niemand auf ihre Hilfe zählen.
 

„Vielleicht bewegst du mal deine Beine und holst die Zutaten. Ich braue das Zeug sicherlich nicht allein. Obwohl du als totale Niete in Zaubertränke mir natürlich nicht wirklich weiterhelfen wirst. Aber die Etiketten auf den Zutaten wirst du ja sicherlich noch lesen und ein Messer bedienen können. Also los!“ Es war, als hätte Scorpius diese Worte an seinen Hauselfen gerichtet. Noch nie hatte jemand in einem solchen Befehlston zu ihr gesprochen.
 

Merlin, hab Gnade, war ihr einziger Gedanke bevor sie sich schlurfend erhob und auf den Weg zu den Aufbewahrungsschränken machte. Natürlich ließ sie es sich nicht nehmen, Malfoy im Weggehen den Mittelfinger zu zeigen.

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Dominique hatte es mit ihrem Zaubertränke-Partner weitaus besser getroffen als Rose, aber das war ja auch nicht wirklich schwer zu schaffen. Jeder Schüler im Raum wäre ein besserer und vor allem umgänglicherer Zeitgenosse als Malfoy.
 

Die Augen der Ravenclaw schweiften durch den Raum und blieben an Elias Klix hängen. Er war gerade dabei, die Kräuter für ihren Zaubertrank zu beschaffen. Dominique hatte noch nie wirklich mit dem Gryffindor geredet, es hatte sich nie eine Möglichkeit ergeben. Aber er schien ein freundlicher Junge zu sein und mehr brauchte sie am heutigen Tag nicht. Nur Ruhe, Frieden und Freundlichkeit.
 

„So, das dürfte alles sein. Bist du eigentlich gut im Brauen? Ich gestehe dir nämlich lieber gleich, dass ich dafür leider überhaupt keine Begabung habe.“ Elias war an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt und ordnete die Zutaten säuberlich auf dem Tisch an, bevor er seine Hände in den Hosentaschen vergrub.
 

„Keine Angst, zusammen schaffen wir das schon.“ Dominique lächelte ihm beruhigend zu und zog dann ihr Buch näher zu sich, um die ersten Arbeitsschritt genau durchzulesen. „Kannst du den Kessel schon mal erhitzen? In der Zeit beginne ich das Nieskraut zu schneiden.“
 

Während die beiden vor sich hinarbeiteten, wobei Dominique alle Anweisungen gab und Elias sie ohne Wiederrede befolgte, begannen sie über Belanglosigkeiten wie die Schulfächer, die Lehrer und das Wetter zu reden. Dominique bemerkte schnell, dass es einige verbindende Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gab. Elias verbrachte zum Beispiel ebenso viel Zeit wie sie in der Bibliothek, er nahm sich Zeit gute Bücher zu lesen und sein Lieblingsgetränk war grüner Tee.
 

Den Rest der Stunde beobachtete die Ravenclaw ihren Sitznachbarn verstohlen, auch wenn sie das niemals zugeben würde. Elias‘ hellbraune Haare fielen ihm immer wieder in die grünen Augen, woraufhin er sie mit einer eingeübten Handbewegung einfach beiseite strich. Während er Aschwinderinnen-Eier und Mondsteine zu Pulver rieb, war seine Stirn in Anstrengung verzogen. Ihr fiel auf, dass seine Hände sehr gepflegt aussahen. Ab und zu biss er sich, wahrscheinlich ohne es zu bemerken, auf die Unterlippe. Wenn er lächelte, hatte er süße Grübchen. Und als er sich Notizen machte, erkannte sie, dass er Linkshänder war.
 

Erst als ihr Zaubertrank, charakteristisch für den Amortentia, alle Farben des Regenbogens wiederspiegelte und der Rauch spiralförmig aufstieg, schaffte sie es, ihre Aufmerksamkeit von Elias wegzulenken. Auch Professor Manteca schien zufrieden mit der geleisteten Arbeit und ließ die beiden noch vor Ende der Stunde gehen, während ihre Mitschüler noch mit ihren Zaubertränken zu kämpfen hatten.
 

„Also Dominique, nachdem du mich nun fast zwei Stunden lang beobachtet hast, meinst du ich bin es wert, dass du dich mit mir auf einen grünen Tee triffst?“, fragte Elias ohne lange zu zögern, sobald sie den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatten.
 

Überrascht drehte die Weasley sich um. Zunächst wollte sie leugnen, ihn überhaupt angeschaut zu haben, aber wo lag da schon der Sinn? „Das hast du bemerkt?“, stellte sie stattdessen die Gegenfrage, woraufhin er leise lachte.
 

„Also an deinen Beobachtungs-Fähigkeiten solltest du dringend arbeiten. Würde mich wundern, wenn es irgendjemand nicht mitbekommen hätte.“
 

Dominique wünschte sie könnte etwas gegen die Röte in ihren Wangen tun. „Tut mir Leid“, stammelte sie sichtlich beschämt.
 

„Das muss dir doch nicht leidtun. Mich hat es nicht gestört, im Gegenteil. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Haben deine Beobachtungen und Studien ergeben, dass ich es würdig bin, dich um ein Date zu bitten?“ Noch immer lag ein Grinsen auf seinen Lippen, doch die Ravenclaw meinte, einen Hauch von Unsicherheit in Elias‘ Gesicht wahrzunehmen.
 

Auch sie war nervös. Sie war noch nie um ein Date gebeten worden, zumindest nicht in dieser Form. Sie wollte ja sagen, schließlich war Elias wirklich nett und sie verstanden sich außergewöhnlich gut, obwohl sie sich gerade einmal zwei Stunden kannten. Andererseits, sie hatte noch nie ein Date gehabt und sie wollte nichts falsch machen und sich schon gar nicht blamieren. Wie konnte sie sicherstellen, dass nicht genau das passierte?
 

„Du musst dich nicht verpflichtet fühlen. Sag einfach nein, wenn du nicht willst“, unterbrach Elias ihren Denkvorgang und zuckte mit den Schultern, um ihr zu zeigen, dass es kein Weltuntergang wäre. Wahrscheinlich hatte ihre Antwort einen Moment zu lange auf sich warten lassen.
 

„Oh nein, so ist es ja gar nicht. Ich … ich bin nur noch nie auf einem Date gewesen und ich will nichts falsch machen und … du weißt schon.“ Sie konnte ihm kaum in die Augen sehen, während sie das sagte. Sie war 17 Jahre alt und hatte noch nie eine Verabredung gehabt. Erst jetzt wurde ihr klar, wie peinlich das eigentlich war. Was dachte er nun wohl von ihr?
 

„Was? Du bist noch nie auf einem Date gewesen? Du kannst mir nicht erzählen, dass dich noch nie jemand gefragt hast. Ich meine, schau dich nur mal an.“ Elias schüttelte ungläubig den Kopf und kam dann einen Schritt auf sie zu.
 

„Wie meinst du das?“, fragte die Ravenclaw, nun noch verunsicherter.
 

„Was ich sagen will ist, dass du unglaublich gut aussiehst und jeder zweite Junge der Schule nachts von dir träumt. Aber das kann dir ja wohl unmöglich entgangen sein.“
 

Nach diesen Worten wurde Dominique, falls das überhaupt möglich war, noch röter. Das war nicht sein Ernst. Er wollte sie nur umgarnen.
 

„Hör zu, du musst dich nicht mit mir treffen. Wenn du kein Interesse an mir hast, ist das vollkommen okay.“ Durch Dominiques Verlegenheit schien Elias sehr viel selbstbewusster zu werden. „Aber du solltest wissen, dass ein Date mit mir durchaus unkompliziert ist. Wir gehen was trinken oder essen, reden und schauen einfach, was sich ansonsten so ergibt. Sag mir einfach demnächst Bescheid, wie du dich entschieden hast.“ Er nahm eine ihrer Hände und drückte sie kurz zum Abschied, bevor er sich umdrehte und Richtung Treppe davonging.
 

Aber Dominique hatte sich schon längst entschieden.
 

„Elias! Ich würde mich sehr gerne mit dir treffen. Meine Studien haben ergeben, dass du es tatsächlich wert bist“, rief sie ihm lachend hinterher und schlug sich dann erschrocken die Hand vor den Mund, aus Angst zu laut gewesen zu sein und sich Ärger einzuhandeln.
 

Der Gryffindor drehte sich noch einmal zu ihr um und nickte lächelnd, um zu verdeutlichen, dass er sie verstanden hatte. Dann verschwand er um die nächste Ecke und Dominique konnte das breite Grinsen auf ihrem Gesicht kaum zurückhalten.

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Fred nutzte seine freie Stunde vor dem Mittagessen für einen Spaziergang über die Ländereien. Seit seiner Ankunft hatte er noch keine Zeit gefunden, zu erforschen was sich in den letzten Jahren, die er nicht an der Schule verbracht hatte, verändert hatte. Allzu schnell wurde ihm jedoch klar, dass alles so aussah wie immer.
 

Die Gewächshäuser standen nach wie vor in Reih und Glied, Hagrids Hütte war, wie schon zu seiner Zeit, von zahlreichen Beten und Käfigen umgeben, der Verbotene Wald ragte wie immer hinter genannter Hütte auf und bildete eine Grenze des großen Schulgeländes und der Schwarze See zu seiner linken bildete eine weitere. Absolut alles war gleich geblieben, selbst die peitschende Weide schien sich nicht um einen Ast verändert zu haben.
 

„Verrückt, nicht wahr?“, erklang eine, ihm gänzlich unbekannte, Stimme neben ihm und er zuckte vor Schreck kaum merklich zusammen.
 

Donna Zabini, die zweite Referendarin dieses Schuljahres, war neben ihn getreten und betrachtete die Ländereien genau so, wie er es noch vor einer halben Minute getan hatte.
 

„Was meinst du?“, fragte er aufrichtig verwirrt und schaute dabei dem Riesenkraken beim Rückenschwimmen zu.
 

„Das alles hier. Nichts scheint anders zu sein. Es ist so seltsam, wenn man bedenkt, was wir inzwischen alles erlebt haben. Wie hektisch unsere Leben sind und welche Ruhe und Gelassenheit dieses Stückchen Landschaft hier noch immer ausstrahlt. Ich finde es wundervoll, wieder hier zu sein. Seit ich die Schule verlassen habe, war es mein größter Traum, so schnell wie möglich zurückzukehren.“
 

Fred hörte ihr aufrichtig interessiert zu und konnte letztendlich nicht anders, als ihr zuzustimmen. „Du hast Recht“, erklärte er schlicht und einfach, und begann dann auf den Schwarzen See zuzugehen. Donna folgte ihm, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Aber das war es nicht.
 

Damals, als er ein stolzer Gryffindor und sie eine arrogante Slytherin gewesen war, waren sie sich bei jeder Begegnung förmlich an den Hals gesprungen. Die Zeit, die sie als Vertrauensschüler ihrer jeweiligen Häuser zusammen hatten verbringen müssen, war wirklich nichts, an das er sich gerne erinnerte. Sie beide hatten wirklich jedes Klischee, das sich auf Gryffindor und Slytherin bezog, wahrgemacht. Jetzt, drei Jahre später, erschien es fast lächerlich wie sehr sie sich gehasst hatten.
 

„Weißt du, ich denke es muss nicht so zwischen uns sein“, begann Donna schließlich erneut zu sprechen. Sie standen am Ufer des Sees und schauten auf das schwarze Wasser nieder. „Wir sind keine dummen Schüler mehr. Wir sind erwachsen geworden, reif und vernünftig, und ich denke wir müssen das kommende Jahr nicht als Feinde verbringen. Wir sollten unsere Schulzeit hinter uns lassen und von vorne beginnen. Du bist der einzige Mensch in meinem Alter hier und ich würde es wirklich bevorzugen, wenn ich dich einen Freund nennen könnte. Denn ich habe vor, dieses Jahr wirklich zu genießen, schließlich könnte es das letzte sein, dass ich hier verbringen darf.“
 

Es gelang Fred diesmal wirklich schwer, seinen Unglauben zu verbergen. Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte er jemals gedacht, solche Worte aus Donna Zabinis Mund zu hören. Doch erneut musste er ihre Worte als wahr anerkennen. Auch er wollte die Zeit auf Hogwarts vollkommen auskosten, für den Fall, dass er keine Chance bekam, jemals zurückzukehren.
 

„Ich glaube du hast schon wieder Recht, Zabini.“ Ein kleines Lächeln huschte über Freds Züge, als er sich zu ihr umdrehte.
 

„Ach, ist das so?“, hakte sie grinsend nach und streckte dann ihre Hand aus. „Übrigens, mein Name ist Donna.“
 

„Freut mich dich kennenzulernen, Donna. Ich bin Fred, aber das weißt du sicher. Schließlich bin ich überaus bekannt auf diesem Fleckchen Erde.“ Und er ergriff ihre Hand und schüttelte sie theatralisch.
 

„Wow, es gehört sicherlich viel Mut dazu, schon bei der ersten Begegnung so arrogant daherzureden.“
 

„Ich will ja einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“
 

„Ja, den hinterlässt du mit Sicherheit immer.“
 

„Natürlich!“
 

„Okay, genug von dem Geplapper. Lass uns was Essen gehen. Ich verhungere gleich!“

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Scorpius war kein Mensch, der sich vorrangig um das Wohlergehen anderer Menschen sorgte. Er hatte kein Problem damit, an weinenden Mädchen vorbeizulaufen und sie sich selbst zu überlassen. Wenn zwei ältere Schüler einen jüngeren bedrohten, hatte er nicht das Verlangen sich einzumischen und den Helden zu spielen. Es war ihm schlicht egal, ob es anderen Menschen gut oder schlecht ging. Warum sollte es ihn auch kümmern?
 

Anders war das nur bei einer Person auf dieser ganzen Welt. Bei Albus Potter, seinem besten Freund. Er wollte tatsächlich für Albus da sein, wenn es ihm schlecht ging. Dabei gab es nur ein Problem: Er wusste absolut nicht, wie um Merlins Willen er ihm helfen konnte. Und zu seinem Glück musste er sich nie weitergehend mit diesem Problem beschäftigen, denn Albus hatte die nette Angewohnheit, immer gut gelaunt und aufgeschlossen zu sein.
 

Bis zum heutigen Tag zumindest.
 

Scorpius hatte nicht wirklich alles verstanden, was Albus in sein Kissen genuschelt hatte, mit welchem er versuchte, seine Tränen zu verbergen. Schlussendlich war es wohl so, dass Albus die Beziehung mit Alice beendet hatte, weil … Ja, weil. Der Malfoy hatte wirklich keine Ahnung, warum. Nur, dass Albus anscheinend nicht vorgehabt hatte, die Beziehung zu beenden. Wieso er es dann getan hatte, blieb ein Rätsel.
 

Das Problem jedoch blieb: Albus ging es dreckig und Scorpius, als bester Freund, hatte dafür zu sorgen, dass es ihm baldmöglichst besser ging. Nur hatte er keine Idee, wie.
 

Nach dem Mittagessen, welches er verpasst hatte, da er die Zeit mit Albus im Schlafsaal verbracht hatte, machte er sich allein auf den Weg durch die Kerker zum Zauberkunst-Klassenzimmer. Der Potter war heute offensichtlich nicht mehr Unterrichtstauglich.
 

Er hatte den Kerker noch nicht einmal verlassen, als ihn jemand frontal umrannte. Obwohl, umrennen konnte man es kaum nennen. Der zierliche Körper, der in ihn rannte, wurde vom Aufprall zurückgeworfen und landete auf dem Boden, während er ohne große Anstrengung stehen blieb. Überrascht sah er nach unten.
 

Was für ein Zufall. Alice Longbottom sah mit großen, blauen Augen zu ihm auf, als warte sie auf irgendeine Reaktion von ihm. Sie bekam keine. Er hielt ihr nicht einmal die Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Wegen dieser Göre weinte sich sein bester Freund im Schlafsaal schließlich die Augen aus. Bei genauerem Hinsehen erkannte er jedoch, dass auch Alice‘ Augen rot unterlaufen waren. Es war ihr also nicht völlig egal, dass die Beziehung vorbei war. Na immerhin.
 

Alic rappelte sich letztendlich selbst vom Boden auf und schaute ihn dann flehentlich an. Was war denn jetzt los?
 

„Wie geht es ihm?“, fragte sie dann kaum hörbar.
 

Merlin!
 

„Na super! Was glaubst du denn wie es ihm geht?“ Er gab sich keine Mühe, Abscheu und Spott aus seiner Stimme zu verbannen, was er sonst Albus zuliebe immer getan hatte. Aber dafür gab es ja jetzt keinen Grund mehr.
 

„Hör zu, ich wollte das nicht! Das unsere Beziehung endet, ist das letzte, dass ich jemals wollen würde. Es war nur ein Missverständnis. Ich wollte doch nur eine Pause, ein bisschen Zeit für mich. Und er hat alles gleich persönlich genommen und einfach Schluss gemacht.“
 

„Ich weiß nicht, warum du mir das erzählst.“
 

„Rede mit ihm, bitte!“
 

Scorpius wäre beinahe der Mund aufgeklappt, so erstaunt war er über ihre Worte. Er sollte mit Albus reden? Über sie? In welchem verdammten Universum lebte sie denn? Glaubte sie vielleicht, er würde auch nur ein gutes Wort für sie einlegen?
 

„Bitte, Scorpius. Erkläre ihm, dass ich das alles nicht wollte“, bettelte sie weiter, als er nicht antwortete.
 

Der Slytherin wollte kein weiteres Wort aus ihrem Mund hören. Er musste hier weg, er hatte Unterricht und er konnte die Gesellschaft dieses Mädchens in diesem Moment noch weniger ertragen als sonst. Ohne Alice noch einen Blick zu würdigen, ging er an ihr vorbei.
 

„Scorpius, wenn du wüsstest … ich … ich kann es ihm nicht sagen. Ich habe es noch niemandem gesagt. Ich schaffe das nicht. Ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Alles ist schiefgelaufen und … ich brauche Hilfe. Scorpius, bitte!“
 

Er musste nicht zurückschauen um zu wissen, dass sie weinte. Ihre Worte ergaben keinen Sinn in seinem Kopf. Wovon zur Hölle sprach sie bitte? Von ihrer Trennung? Er wusste nicht, warum er schlussendlich doch stehen blieb und zu ihr zurückging.
 

„Wovon redest du eigentlich?“, fragte er frei heraus und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

„Das kann ich nicht sagen“, schluchzte sie.
 

Er hätte gehen sollen. Einfach gehen sollen. Wie sollte er ihr denn helfen, wenn sie nicht sprach? Abgesehen davon, dass er sich immer noch nicht sicher war, ob er ihr wirklich helfen wollte.
 

„Aber wie soll ich dir dann helfen?“, fragte er höflich und bemüht, seine Fassung zu behalten. Die Stunde Zauberkunst konnte er nun auch sausen lassen. Wenn er jetzt noch erscheinen würde, würde das Slytherin nur unnötig Punkte kosten.
 

„Ich … ich weiß ja auch nicht. Kannst du mich … in den Arm nehmen … bitte?“
 

Wäre sie nicht so offensichtlich vollkommen am Ende, würde er sie wahrscheinlich auslachen. Langsam kam er sich echt verarscht vor. Er umarmte nicht. Niemanden.
 

Und trotzdem, weil er irgendwo in seinem Herzen vielleicht doch einen kleinen Platz besaß, der sich für Menschen abgesehen von Albus und natürlich sich selbst interessierte, zog er Alice in seine Arme und streichelte ihr ungeschickt den Rücken.
 

Merlin, dieses Mädchen hatte ernsthafte Probleme, wenn sie schon auf eine Umarmung von ihm angewiesen war.

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tbc

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Danke für alle Kommentare und Favoriteneinträge! :)

Kapitel Vier.

Es besser machen.
 

Kapitel Vier.
 

Das erste Wochenende des Schuljahres wurde von Rose, Alice und Dominique gleichermaßen herbeigesehnt. Als die drei Mädchen am Freitagabend endlich in Ruhe und Frieden im Raum der Wünsche zusammensaßen, war allen die Erleichterung anzusehen. Die letzten fünf Tage waren ihnen unendlich lang erschienen, besonders weil sie nicht eine Möglichkeit gefunden hatten, sich zu treffen und zu reden. Umso mehr gab es jetzt zu besprechen.
 

„Was für eine furchtbare Woche! Ich dachte schon, sie endet nie.“, beschwerte sich Rose und machte es sich bequemer auf dem kuscheligen Sofa. Die Füße legte sie auf den flachen Couchtisch.
 

Dominique gab ein müdes Nicken von sich. „Und dabei ist das unser letztes Schuljahr. Wir sollten jeden Tag genießen, den wir hier noch verbringen dürfen.“
 

Rose schnaubte spöttisch. „Als wäre mir das gegönnt. Jeden Tag muss ich Malfoy ertragen, wie er durch die Gänge stolziert und blöde Kommentare austeilt. Als würde ihm die Welt gehören.“
 

„Vielleicht ist er gar nicht so schlimm, wie du ihn immer darstellst.“, merkte Alice an und erntete damit von Rose und auch Dominique einen ungläubigen Blick, der gleich darauf ins mitleidige wechselte, als die Freundinnen Alice verquollene Augen wahrnahmen.
 

„Lassen wir das Thema lieber. Alice-Mäuschen, möchtest du uns nicht endlich erzählen, was zwischen dir und Albus vorgefallen ist? Ich schwöre dir, sollte er irgendwas Mieses angestellt haben, dann fluche ich ihn nach Mexico!“ Rose streckte sich etwas, so dass sie Alice Hand halten konnte.
 

Das Fiasko zwischen Alice und Albus war erst ein-einhalb Tage her und bis jetzt hatte sich die Longbottom in Schweigen gehüllt. Sie brachte es einfach nicht über sich, die ganzen missverständlichen Ereignisse zu erzählen, ohne dabei in Tränen und lautes Schluchzen auszubrechen. Sie hatte gerade einmal die Worte gefunden, um Dominique und Rose nahezu im Vorbeigehen mitzuteilen, dass es vorbei war. Eine Gelegenheit zum ausführlichen Reden hatte sich dann bis zum heutigen Abend nicht ergeben. Doch natürlich war ihr klar, dass sie jetzt alles erklären musste.
 

„Albus hat absolut nichts falsch gemacht. Eigentlich war alles meine Schuld. Ich wollte es ihm erklären, aber er hat es ganz falsch verstanden und dann … war es von einer Minute zur anderen einfach zu Ende.“ Alice biss sich fest auf die Unterlippe, bei dem Versuch, die Tränen zurückzuhalten.
 

„Nun fang doch mal von vorne an, Süße. Worum ging es denn überhaupt?“ Mitfühlend strich Dominique Alice die braunen Haare aus dem Gesicht und quetschte sich dann neben sie in den Sessel, um ihren Arm um sie legen zu können.
 

Und Alice begann stockend die Vorkommnisse des letzten Tages zu schildern. Als sie geendet hatte, trugen Rose und Dominique ganz unterschiedliche Mienen zur Schau.
 

„Es ist so typisch für Al gleich wieder so überzureagieren. Er ist so unreif und reagiert immer wie ein eingeschnapptes Kind. Merlin!“, äußerte sich Rose ungehalten und verdrehte die Augen.
 

Dominique hingegen sah Alice unsicher an. „Aber ich kann schon verstehen, warum Albus so wütend ist. Ihr wart doch wirklich glücklich. Du sagst selbst, dass du niemals mit ihm Schluss machen wolltest. Wieso brauchst du dann eine Beziehungspause?“ Sie formulierte ihre Worte vorsichtig, um Alice nicht zu verärgern oder gar noch trauriger zu machen.
 

Alice wich dem Blick der blonden Ravenclaw aus. „Ich wollte einfach etwas Zeit für mich. Zum Nachdenken. Ich muss einfach … ein paar Entscheidungen treffen. Und dazu brauche ich Ruhe und einen klaren Kopf. Ihr müsst das nicht verstehen.“
 

Dominique wirkte nicht gerade überzeugt, doch sie wusste, dass Alice nicht weiter über ihre Motive reden wollte. Rose hingegen wurde bei den unkonkreten Aussagen der Longbottom hellhörig.
 

„Details bitte, Alice. Was denn für Entscheidungen?“ Es fiel ihr nicht im Traum ein, Alice einfach so davonkommen zu lassen, mochte es ihr auch noch so wiederstreben darüber zu reden.
 

„Verschiedene Entscheidungen. Über meine Zukunft. Mein gesamtes Leben. Wir haben nur noch dieses Jahr und dann müssen wir selbst klar kommen. Wir müssen wissen, was wir machen wollen. Und ich brauche Klarheit und Sicherheit, ich kann nicht einfach in den Tag hineinleben. Ich brauche einen Plan.“ Das hinter diesen Worten noch viel mehr steckte, ahnten weder Rose noch Dominique und Alice schaffte es, die beiden mit überzeugender Stimme davon abzulenken.
 

„Das ich einmal solche Worte aus deinem Mund hören würde, Alice. Das passt gar nicht zu dir, aber ich finde es einleuchtend.“, meinte Dominique anerkennend und Rose nickte zustimmend. Doch irgendetwas war hier nicht richtig, das spürten sie beide.
 

„Denkst du nicht, du solltest Albus an diesen Überlegungen teilhaben lassen, wenn du vorhast dein Leben auch weiterhin mit ihm zu verbringen? Ich meine, sollte er dann nicht mitreden. Und wäre es nicht vielleicht leichter, einige Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Er könnte dir doch helfen. Er kennt dich wie kein Zweiter.“, fragte Rose schließlich nach einem kurzen Schweigen nach.
 

Alice senkte den Blick und spielte nervös mit den Fingern. „Ja. Und nein. Ach ich weiß doch auch nicht. Können wir bitte das Thema wechseln? Ich kann heute Abend nicht mehr über … ihn nachdenken.“
 

„Wie du willst. Aber wir kommen darauf zurück.“, lenkte Dominique für den Augenblick ein, da sie realisierte, dass es keinen Sinn hatte, heute Abend noch viele Gedanken an Alice‘ Zukunft mit oder ohne Albus Potter zu verschwenden.
 

„Reden wir lieber über Fred Weasley.“, schlug Alice mit einem kleinen, schelmischen Grinsen vor, und versuchte Albus für den Moment aus ihrem Kopf zu verbannen. „Ihr hattet wirklich keine Ahnung, dass er für dieses Schuljahr herkommen würde?“
 

„Wir hatten absolut keinen Schimmer. Du warst in der ersten Verwandlungsstunde ja nicht dabei, Alice. Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Tja, unser Freddie war schon immer für einen überraschenden Auftritt gut, nicht wahr, Dome?“
 

Dominique nickte kurz und lächelte dabei gezwungen. Das Fred nun Thema der Unterhaltung war, passte ihr ganz und gar nicht. Denn auch sie wollte, wie Alice, den restlichen Abend nutzen, sich von komplizierten Angelegenheiten abzulenken. Und Fred war nun einmal eine komplizierte Angelegenheit für sie.
 

„Jetzt wo ich drüber nachdenke - du hast dich ganz schön schnell aus dem Staub gemacht.“ Rose wandte sich ihrer blonden Cousine mit einem fragenden Blick zu. „Hast du überhaupt schon mit ihm gesprochen?“
 

Dominique versuchte, unschuldig auszusehen. „Hat sich noch nicht ergeben. Die Woche war wirklich stressig. Aber das Jahr ist ja noch lang, also werde ich schon noch die Zeit für ein Gespräch mit ihm finden.“ Und noch während sie die Worte aussprach, hoffte sie mit ganzem Herzen, dass dies nicht der Fall sein würde. Lieber würde sie ein ganzes Jahr lang vor ihm weglaufen, möge es auch noch so offensichtlich sein, bevor sie sich auf ein Gespräch mit ihm einließ.
 

Rose runzelte kurz die Stirn, dann zuckte sie mit den Schultern. „Wie auch immer.“, sagte sie, bevor sie in ihrer braunen Tasche wühlte und eine Flasche Holunderblütenwein hervorzauberte. „Lasst uns lieber darauf anstoßen, dass wir die erste Woche hinter uns gebracht haben.“
 

Doch die Begeisterung auf Dominiques und Alice‘ Gesicht blieb aus.
 

„Ich will heute wirklich nichts trinken.“, erklärte Erstere abwehrend und die Longbottom nickte zustimmend.
 

„Oh Leute, kommt schon! Ihr seid solche Spielverderber! Die hier habe ich extra für den heutigen Abend von meinem Dad stibitzt. Wisst ihr eigentlich, was für ein Risiko ich für euch eingegangen bin? Ihr seid es mir schuldig mit mir zu trinken. Also wirklich - “
 

„Merlin, Rose, von mir aus! Hör nur auf uns die Ohren vollzujammern.“ Dominique hob die Hände, in einer Geste die eindeutig besagte, dass sie sich geschlagen gab.
 

„Ich trinke heute wirklich nichts. Ich hab noch nicht mal was zum Abendbrot gegessen, innerhalb weniger Minuten wäre ich vollkommen raus und ich habe wirklich vor, den Tag ruhig ausklingen zu lassen. Nicht kotzend über dem Klo.“, wehrte Alice sich weiterhin und schnappte sich das für sie gedachte Glas vom Tisch, um Rose daran zu hindern, etwas einzuschenken. Mit einem Grummeln gab sich die rothaarige Weasley zufrieden.
 

Minuten später lehnten sich die Mädchen entspannt auf ihren jeweiligen Plätzen zurück, Dominique und Rose prosteten sich zu und für einen Moment war nur das Knistern des Feuers zu hören. Das angenehme Schweigen hielt an, bis Alice betont beiläufig fragte:
 

„Habt ihr die neuen Schuhe von Tabea Martins gesehen?“
 

Rose verschluckte sich beinahe an ihrem Wein, in ihrer Eile „Oh Merlin, diese fürchterlichen Schuhe!“ zu rufen.
 

Und mit diesen Worten war die erste Lästerrunde des neuen Schuljahres feierlich eröffnet.

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Mit gemächlichen Schritten lief Rose am nächsten Tag durch die zahlreichen Gänge der Schule. Sie hatte alle Zeit der Welt, schließlich war Wochenende und es gab keinen Grund, zu hetzen. Sie hatte soeben ihr Mittagessen beendet - alleine, da sie absolut keine Ahnung hatte, wo Alice und Dominique abgeblieben waren - und war nun auf dem Weg in die Bibliothek, um ihren Aufsatz für Kräuterkunde zu beginnen.
 

Mit einem gelösten Lächeln schaute sie aus dem einen oder anderen Fenster und genoss aus der Ferne die Sonnenstrahlen. Viele ihrer Mitschüler verbrachten ihren Nachmittag am Schwarzen See, doch sie wollte erst ihre Arbeiten hinter sich bringen.
 

Als sie die alte, staubige Bibliothek betrat, dachte sie zunächst, sie wäre alleine. Das würde sie nicht im Geringsten stören, denn es hieße nur, dass sie ihre absolute Ruhe hätte. Und dann würde sie noch schneller fertig werden. Unterbewusst hatte sie vermutet, dass Dominique vielleicht einen der Tische in Beschlag nahm, doch dem war nicht so. Stattdessen entdeckte sie die rabenschwarzen Haare ihres Cousins in einer der hinteren Ecken. Albus Potter in der Bibliothek - was war denn da los?
 

Augenblicklich steuerte Rose auf den Slytherin zu, der bei ihrer Ankunft müde den Kopf hob und dann genervt die Augen verdrehte.
 

„Rose.“
 

„Hallo Al! Es freut mich auch, dich zu sehen.“ Beleidigt rümpfte die Gryffindor die Nase.
 

Albus beachtete sie nicht weiter und legte schlicht den Kopf auf die Tischplatte. Ganz offensichtlich war er nicht hier, um irgendwelche Aufsätze zu schreiben, denn weder Pergamente, noch Feder und Tinte standen auf dem Tisch bereit. Nur ein ramponiertes Buch lag offen vor ihm - Quidditch im Wandel der Zeiten. Als hätte er das nicht schon tausendmal gelesen.
 

Ohne weiter auf Albus‘ miese Stimmung zu achten, setzte sich Rose zu ihm und platzierte ihre Tasche neben sich. Nach und nach packte sie ihre Arbeitsmaterialien aus und notierte ihren Namen sowie Thema auf eines der Pergamente, während sie auf ein anderes einen groben Plan für ihren bevorstehenden Aufsatz kritzelte.
 

„Ich werde nicht mit dir über Alice reden.“, meinte Albus da plötzlich und schaute ihr gleichgültig in die Augen. Nicht das es überhaupt ihr Plan gewesen wäre, über Alice zu reden. Zumindest vorerst nicht.
 

„Du sollst auch nicht mit mir über sie reden.“, begann Rose. „Du solltest mit ihr persönlich über eure Beziehung und dieses ganze Fiasko reden.“
 

„Das werde ich aber nicht.“, knurrte der Potter ungehalten und klappte sein Buch mit einem Ruck zu. „Ganz bestimmt nicht. Ich habe ihr nichts mehr zu sagen, okay? Das kannst du ihr gerne ausrichten.“
 

„Ich werde ihr überhaupt nichts ausrichten. Dein Verhalten ist wirklich lächerlich, Al. Denn ganz offensichtlich gibt es sehr viel, das du ihr gerne sagen möchtest. Und zunächst willst du wahrscheinlich wissen, warum es überhaupt so weit gekommen ist, was ich gut nachvollziehen kann. Nun, ich gebe dir einen Tipp - geh zu ihr und frag sie. Rede mit ihr. Ernsthaft, ihr könnt so ein kleines Missverständnis - “
 

Albus fiel ihr aufbrausend ins Wort. „Das war kein Missverständnis. Alice wollte eine Beziehungspause und ich hatte keine Lust auf so einen Schwachsinn. Also habe ich sie vor die Wahl gestellt und sie hat gezögert. Das sagt ja wohl alles, oder nicht? Es ist vorbei und je schneller ich mich damit abfinde, desto besser.“
 

„Das ist doch Unsinn! Du reagierst total über. Wie kannst du diese Beziehung nur so schnell aufgeben? Du bist ein Potter, du bist mein Cousin, das Weitermachen liegt dir im Blut. Du liebst dieses Mädchen über alles. Du musst kämpfen.“
 

Albus strich sich in einer rastlosen Geste die Haare aus den Augen. „Ich will aber nicht kämpfen, wenn Alice augenscheinlich kein Interesse mehr an dieser Beziehung hat.“
 

Rose konnte sich ein spöttisches Lachen nach dieser Aussage nicht verkneifen. „Alice bedeutet diese Beziehung alles, du Idiot. Sie weint sich seit zwei Tagen die Augen aus dem Kopf und natürlich gibt sie sich Mühe, das zu verbergen. Es geht ja auch niemanden etwas an. Du nimmst doch sowieso gar nichts wahr, weil du vor Wut und Schmerz einfach alles ausblendest. Sie liebt dich, Al!“
 

Weiter kamen sie in ihrem Gespräch nicht, denn die schrullige Bibliothekarin Miss Neatly eilte mit einem ungehaltenen Gesichtsausdruck auf Cousin und Cousine zu und baute sich zu voller Größe vor ihnen auf.
 

„Nun hören Sie mal!“, zischte sie ungehalten, die Augen zu Schlitzen verengt. „Was glauben Sie wohl, wo Sie sich hier befinden? Dies ist eine Bibliothek - ein Ort der Ruhe und des Wissens. Es gibt Schüler die hier lesen und lernen wollen. Wenn ich noch ein lautes Wort von Ihnen höre, bekommen Sie einen Monat lang Bibliotheksverbot.“ Sie rückte ihre Brille gerade und verschwand dann zurück zu ihrem Tisch im Eingangsbereich der Bibliothek, ohne auch nur ein Wort der Entschuldigung zuzulassen.
 

„Gruselige Alte!“, murrte Rose leise und sah Albus dann flehentlich an. „Denk über meine Worte nach. Ihr seid Alice und Albus. Ihr gehört einfach zusammen.“ Dann erhob sie sich, um in der Kräuterkunde-Sektion ein Buch über Dianthuskraut zu finden. Als sie zum Tisch zurückkehrte, war der Slytherin mitsamt seinem Buch verschwunden.

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Scorpius war alleine auf dem Weg zu Schwarzen See, nur mit Badehose und Shirt bekleidet und Handtuch in der Hand. Jonathan Nott und Samuel Crotch, seine gleichaltrigen Klassenkameraden aus Slytherin warteten dort schon auf ihn. Al hatte er den ganzen Tag über noch nicht gesehen, aber er war sich sicher, dass der Potter keine Lust auf einen fröhlichen Badenachmittag hatte. Wahrscheinlich hatte er sich irgendwo verkrochen, um seine Ruhe zu haben und Scorpius konnte es nachvollziehen. Al brauchte Zeit zum Nachdenken und Verarbeiten.
 

Er tat gerade seinen letzten Schritt aus dem Kerker heraus in die Eingangshalle, als Longbottom plötzlich vor ihm auftauchte. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen, schien sie sogar nach ihm gesucht zu haben. Dieses Mädchen würde ihn noch seinen letzten Nerv kosten! Was wollte sie den nun schon wieder?
 

Seit der peinlichen Umarmung hatte er sie nicht mehr von Nahem gesehen und schon gar nicht mit ihr geredet, doch ihre jetzige Anwesenheit ließ ihn vermuten, dass diese angenehme Zeit nun vorüber war. Ergeben ließ er die Schultern sinken.
 

„Was willst du, Longbottom? Ich werde dich keinesfalls noch einmal umarmen. Und solltest du jemals irgendjemandem davon erzählen - “ Er bekam nicht die Chance seine Drohung zu Ende zu formulieren, denn in Alice‘ Augen bildeten sich schon wieder Tränen. Bei Merlin, womit hatte er das verdient? „Also gut. Okay. Hör auf zu weinen. Bitte! Was brauchst du denn?“
 

Die Unterlippe der Gryffindor zitterte bedrohlich und er musste sich stark zusammenreißen, sie nicht einfach beiseite zu schieben und seinen Tag zu genießen; so wie er es geplant hatte. Stattdessen fasste er sie am Arm und zog sie hinter sich her tiefer in die Kerker. Wenn er sich schon mit ihr auseinandersetzten musste, dann wenigstens nicht vor der gesamten Schule.
 

„Ich vermisse Al so sehr.“, begann sie auch gleich los zu jammern und verbarg den Kopf in ihren Händen.
 

„Das tut mir Leid für dich, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich dir helfen soll.“ Scorpius versuchte einen mitfühlenden Klang in seine Stimme zu legen, doch das Ergebnis war kümmerlich. „Ich habe versucht mit ihm zu reden, doch sobald dein Name fällt schaltet er auf taub und haut ab. Ich kann ihn ja schlecht zwingen mir zuzuhören und ich will es auch nicht.“
 

Alice‘ Körper zitterte vor unterdrückten Schluchzern und Scorpius empfand einen Hauch von Abneigung gegen diese offene Zurschaustellung von Gefühlen. Lieber würde er vom Astronomieturm springen, als vor irgendeiner Person in dieser Welt zu weinen.
 

„Was soll ich denn bloß tun? Ich will ihn nur zurück. Er ist alles, was ich habe. Ich brauche ihn. Ich schaff das alles nicht ohne ihn, das ist mir jetzt klar.“ Scorpius hatte Mühe ihre undeutlich gesprochenen Worte zu entziffern, doch trotz allem ergaben sie kaum einen Sinn für ihn.
 

„Longbottom, jetzt mal ehrlich: Ich verstehe ja, dass du in Al … verliebt bist und ihn gerne als deinen Freund zurück möchtest. Aber du solltest dich von einem Jungen, sei es nun Al oder sonst wer, nicht so abhängig machen. Ich meine, du musst dein Leben auch alleine auf die Reihe kriegen.“
 

Endlich hob Alice den Kopf. Mit rotunterlaufenen Augen sah sie ihn an, ihre Wangen waren tränennass und ihre Haare zerzaust. „Ich kriege mein Leben alleine auf die Reihe. Dafür brauche ich Al nicht. Es geht dabei um viel mehr. Es geht nicht nur um mein Leben.“
 

„Sag mal, wovon redest du überhaupt?“
 

Nun schüttelte sie widerstrebend den Kopf. „Ach egal.“
 

„Okay, dann ist es egal. Von mir aus. Ich wollte sowieso nie etwas von deinen Problemen wissen und ich kann dir auch nicht helfen. Erwarte zukünftig nichts von mir, denn mit deinen vagen Aussagen kann niemand etwas anfangen. Warum heulst du dich eigentlich nicht bei Weasley und Weasley aus? Seit wann bin ich denn Hogwarts‘ Kummerkastentante?“ Genervt drängte sich Scorpius an der bebenden Schülerin vorbei und ging den Weg zurück, den sie eben gemeinsam gekommen waren.
 

„Ich kann diese Entscheidung nicht alleine treffen. Und ich weiß nicht, mit wem ich darüber reden könnte. Jetzt, wo Al weg ist. Ich dachte, du könntest mir helfen.“, rief sie ihm kläglich hinterher.
 

Der Slytherin hätte sich am liebsten selbst in den Allerwertesten getreten, als er, wie schon bei ihrer letzten Begegnung, erneut stehen blieb und sie anschaute. Mühsam beherrscht zog er eine Augenbraue hoch. „Um Himmels Willen, Longbottom, bei was soll ich dir denn helfen? Selbst wenn ich wollte; du drückst dich ja nicht klar aus. Soll ich vielleicht deine Gedanken lesen? Was für eine ach so wichtige Entscheidung musst du denn treffen - “
 

„Ich bin schwanger.“
 

Zunächst glaubte Scorpius, sich verhört zu haben. Danach hielt er ihre Worte für einen Scherz. Erst als er sah, wie sie sich erschrocken die Hand vor den Mund schlug und den Blick schweifen ließ, aus Angst, jemand könnte sie gehört haben, wurde ihm klar, dass sie es tatsächlich todernst meinte. Wow! Eine kleine Vorwarnung wäre nett gewesen.
 

Was sollte er darauf nun sagen? Gab es überhaupt etwas, das er sagen konnte? Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.
 

„Lass mich raten; ich bin der Erste, dem du das sagst?“, fragte er dann ruhig und kam wieder auf sie zu, damit sie sich nicht durch den gesamten Korridor hindurch anschreien mussten.
 

Alice nickte schweigend.
 

Fantastisch. Wirklich bezaubernd. Warum erzählte sie das nicht den unsäglichen Weasley-Cousinen? Oder Albus? Hatte er, Scorpius Malfoy, ihr jemals Anlass gegeben, ihn als Vertrauensperson zu Rate zu ziehen? Hätte er sich lieber von Anfang an von der gesamten Weasley-Potter-Bande ferngehalten, dann müsste er sich jetzt auch nicht mit dieser Situation auseinandersetzen.
 

„Ähm … und die Entscheidung die du treffen musst?“
 

„Ob ich das Kind behalte … oder nicht.“
 

Scorpius nickte knapp. Er wollte das nicht. Er wollte das alles hier nicht. Normalerweise sollte er jetzt am See liegen, mit Jonathan und Sam quatschen, baden gehen, sein junges Leben genießen. Noch dazu war das überhaupt nicht sein Problem. Nicht er konnte diese Entscheidung treffen. Er hatte gar nicht das Recht, sich einzumischen. Das hier war Al’s Freundin … mit seinem Kind. Er sollte jetzt an seiner Stelle stehen und mit Alice über die Alternativen sprechen.
 

„Alice“, begann Scorpius und benutzte mit Bedacht zum ersten Mal ihren Vornamen. „Dir ist doch klar, dass ich dir bei dieser Entscheidung nicht helfen kann, oder? Du musst mit Albus darüber reden. Und mit deinen Freundinnen. Mit deiner Familie. Und zuletzt musst du selbst wissen, was du tun willst.“
 

Die Tränen schienen mit jedem seiner Worte schneller über ihr Gesicht zu laufen. Zögerlich griff er nach ihrer schmalen Hand und drückte sie. Was konnte er sonst schon groß tun?
 

Während des anhaltenden Schweigens zwischen ihnen wurde Scorpius klar, warum Alice sich in den letzten Tagen so seltsam verhalten hatte. Das plötzliche Ende der Beziehung. Natürlich hatte sie nur Zeit gewollt. Zeit, um sich darüber klar zu werden, was sie wollte, wie ihre Zukunft aussehen sollte und inwieweit Albus in dieser integriert sein würde. Auch wenn es ihm widerstrebte, konnte er sie verstehen.
 

„Wie lange weißt du es schon?“, verlangte der Malfoy nach einer Weile zu wissen.
 

„Seit dem ersten Schultag.“, flüsterte Alice kaum hörbar. „Ich hab den Test zwei Tage zuvor gekauft.“
 

„Und wie weit?“
 

„Etwa sechs Wochen. Ich bin nicht ganz sicher.“
 

Scorpius nickte steif.
 

„Du musst es Albus sagen.“, erklärte er dann mit Nachdruck.
 

„Nein, das kann ich nicht. Noch nicht.“ Verzweifelt wischte sich die Gryffindor die Tränen vom Gesicht und sah dann mit großen Augen zu ihm auf. „Bitte, sag es ihm nicht. Ich werde es machen. Nur … gib mir noch ein kleines bisschen Zeit, mich selbst daran zu gewöhnen.“
 

Der Malfoy atmete deutlich hörbar aus. Natürlich, jetzt sollte er auch noch seinen besten Freund belügen. War diesem Mädchen eigentlich klar, was sie da von ihm verlangte?
 

„Von mir aus. Aber du solltest dich beeilen. Ich werde nicht ewig ein solches Geheimnis vor meinem besten Freund haben.“ Mit zusammengebissenen Zähnen machte Scorpius ihr dieses Zugeständnis. Es widerstrebte ihm zutiefst. „Und ich denke, du solltest einen Heiler aufsuchen. Fragen, ob der Test auch richtig lag. Dich beraten lassen. Keine Ahnung was man in solchen Fällen macht.“
 

„Ich will nicht zu Madam Espons. Sie würde es sofort meinem Dad sagen und dann … oh Merlin, ich will überhaupt nicht daran denken.“ Vollkommen aufgelöst ließ sank sie an seine Brust und benetzte mit frischen Tränen sein Shirt. Er nahm es kaum wahr.
 

„Dann geh zu dem Heiler in Hogsmead. Triff dich mit ihm zum Hogsmead-Wochenende. Du kannst bestimmt per Eule einen Termin ausmachen. Und er ist, im Gegensatz zu Madam Espons, zu Verschwiegenheit verpflichtet. Keiner wird etwas davon erfahren.“
 

Die Gryffindor nickte ohne ihren Kopf von seiner Brust zu lösen. Dann nuschelte sie: „Kommst du mit mir? Bitte?“
 

Und so unwillig er auch war, wie konnte er Alice in dieser Lage einen Gefallen abschlagen? Wie konnte er sie jetzt hängen lassen, wo er doch momentan der einzige war, dem sie vertraute? „Wenn du das willst.“, meinte er müde und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Was hatte er sich da eingebrockt?
 

Alice nickte erneut, diesmal heftiger. „Danke.“

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Dominique wusste nicht wirklich, was sie an diesem Samstagnachmittag mit sich anfangen sollte. Sie hatte den gesamten Vormittag mit ihren Hausaufgaben verbracht und nun nichts mehr zu tun. Sie hatte keine Ahnung wo Rose oder Alice steckten. Vielleicht sollte sie einfach zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors gehen und dort nach den beiden Fragen. Irgendjemand würde ihr sicherlich sagen können, wo die beiden sich aufhielten. Oder sie würde einfach alleine zum See gehen, ein bisschen baden und die Sonne genießen. Möglicherweise würde sie Holly oder Elias dort treffen.
 

Ein kleines Lächeln stahl sich auf das Gesicht der Blondine als sie an den Jungen mit den grünen Augen dachte. Seit der Zaubertränkestunde hatten sie zwar nicht mehr miteinander gesprochen, doch auf den Gängen hatte er ihr immer zugezwinkert und einmal im Vorbeigehen sogar nach ihrer Hand gegriffen. Mittlerweile konnte sie ihr erstes Date in Hogsmead gar nicht mehr erwarten, dass schon in drei Wochen vor der Tür stand. Nervös war sie trotz allem noch.
 

Unentschlossen saß Dominique auf der königsblauen Couch in ihrem Gemeinschaftsraum und sah ins Feuer. Sie sollte lieber nach Rose und Alice suchen. Dann könnte sie ja mit den beiden zum See gehen. Alleine war ja irgendwie auch blöd.
 

Sie flitzte nach oben in ihren Schlafsaal, zog sich ihren schwarzen Bikini und ein geblümtes Sommerkleid an und packte ein Handtuch und Sonnencreme in ihre Tasche bevor sie den Ravenclawturm verließ.
 

Da sich der Gryffindorturm auf derselben Etage befand, musste sie keine Treppen benutzen. Sie lief ihren gewohnten Weg und hoffte darauf, dass zufällig ein Gryffindor vor dem Porträt der Fetten Dame rumstromern würde und für sie nach Rose und Alice schauen konnte, da ihr selbst das ja nicht möglich war.
 

Sie war gerade um die letzte Ecke gebogen, als ihr Blick auf einen nur allzu bekannten Schwarzhaarigen fiel. Und damit war leider nicht Albus gemeint. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück und hielt die Luft an. Bitte hab mich nicht gesehen, dachte sie flehentlich und sah sich hastig nach einem Fluchtweg um. Doch sie kam nicht weit.
 

„Dominique?“
 

Verflucht! Sie zwang sich ihren Kopf zu heben und ihrem Cousin Fred in die Augen zu schauen. Für ein Lächeln reichte ihre Beherrschung nicht aus.
 

„Fred.“, erwiderte sie distanziert, aber nicht unhöflich.
 

Er schien sich aufrichtig zu freuen, sie zu sehen. Was absolut nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Noch einen Abend zuvor hatte sie diese Begegnung in die weiteste Ferne gewünscht. Wofür wollte Merlin sie bestrafen?
 

„Wie geht es dir? Wir haben uns noch gar nicht richtig gesehen.“ Trotz seiner Freunde gab es offensichtlich einen Teil in ihm, der verunsichert war. Die Ravenclaw durchschaute ihn sofort. Er hatte schon immer an seiner Unterlippe geknabbert, wenn ihm etwas unangenehm war. Nun, dann ging es ihr mit diesem Gefühl wenigstens nicht allein so.
 

„Es geht mir gut. Und ich muss jetzt auch wirklich weiter. Wir … sehen uns sicherlich nochmal. Irgendwann.“ Mit diesen Worten lief sie an ihm vorbei, ignorierte die kurze Berührung ihrer beider Arme und konzentrierte sich darauf, normal zu atmen. Es war alles gut. Sie hatte es schon überstanden.
 

„Jetzt warte doch mal.“ Freds aufgebrachte Stimme ließ sie abrupt innehalten. Er hätte es einfach lassen sollen. Er hätte sie einfach in Ruhe lassen und nie wieder ansprechen sollen. Das war er ihr schuldig!
 

„Was willst du von mir?“, fragte sie kühl und ohne sich umzudrehen.
 

„Mit dir reden.“, erklärte der Referendar mit bittender Stimme.
 

„Wir haben nichts zu bereden. Es sei denn du möchtest etwas zu meiner Verwandlungshausaufgabe sagen. Habe ich eines von Gamps Gesetzen der elementaren Transfiguration falsch beschrieben?“
 

Fred seufzte deutlich vernehmbar. „Jetzt lass den Scheiß, Dominique. Und dreh dich wenigstens zu mir um.“
 

Mit versteinerter Miene tat sie ihm Gefallen und verschränkte prompt die Arme vor der Brust. „Wie sie wünschen, Mr. Weasley. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“
 

Fred zog verärgert die Augenbrauen zusammen. „Weißt du, es wäre wirklich schön, wenn wir uns wie Erwachsene verhalten könnten. Ich weiß, dass du wütend auf mich bist - “
 

„Wie bitte? Du weißt überhaupt nichts, du bescheuerter Arsch!“ Sie biss sich fest auf die Zunge, um aus lauter Wut nicht noch mehr rausrutschen zu lassen. Er wollte gar nicht hören, was genau sie ihm zu sagen hatte. Und sowieso war ein vielbenutzter Korridor wie dieser nicht der richtige Platz für ein solches Gespräch. „Lass mich einfach in Ruhe. Du warst die letzten drei Jahre nicht da und jetzt kannst du mir auch gestohlen bleiben.“
 

Ohne einen weiteren Blick auf ihren Cousin stürmte sie davon. Fred blieb mit hängenden Schultern und verzweifeltem Blick zurück.

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Es war windstill auf dem Astronomieturm; eine seltene Begebenheit, die Rose sichtlich genoss. Mit ihrer üblichen Zigarette in der Hand überblickte sie das weite Schulgelände, doch diesmal zog es ihren Blick nicht zu den dutzenden Schülern, die ihre Freizeit am Schwarzen See verbrachten.
 

Ihr Blick hatte sich in der Natur verfangen und ihre Gedanken schweiften. Sie dachte über alles und nichts nach. Albus und Alice flatterten durch ihren Kopf, doch im nächsten Moment waren sie verschwunden und sie dachte stattdessen an weit weniger komplizierte Dinge. Dann hatte sie das Gesicht eines ihrer letzten „Dates“ vor den Augen, doch mit einem Blinzeln war es wieder verschwunden und der unangenehme Gefühl in ihrem Magen ebenso.
 

Eigentlich war doch alles gut so wie es war. Meistens zumindest. Sie schmiss ihre verglühte Zigarette vom Turm und drehte sich, um in ihrer Tasche eine neue zu suchen. Ihr blieb fast das Herz stehen, als Malfoy plötzlich vor ihr stand. Und Merlin, er sah wirklich schlecht aus. Das sie diesen Tag noch einmal erleben würde.
 

Ungerührt und ohne ein Zeichen der Wahrnehmung griff sie an ihm vorbei nach ihrer Tasche und kramte nach ihrer Schachtel Muggelzigaretten. Sekunden später nahm sie den ersten Zug. Himmlisch. Beinahe zumindest.
 

„Kannst du bitte woanders hinstarren? Das ist unhöflich.“, merkte sie nach einer Weile genervt an. Er zog sie mit seinen Blicken ja förmlich aus, sie musste nicht einmal zum ihm sehen, um das zu erkennen.
 

„Tu doch nicht so. Ich weiß, dass du Aufmerksamkeit genießt.“, spottete der Slytherin überheblich und lehnte sich dann neben sie an die Brüstung, ebenfalls mit einer Zigarette in der Hand.
 

„Ja, aber bestimmt nicht deine.“, höhnte Rose zurück.
 

Ein kurzes Schweigen von Seiten des Malfoys folgte. Dann:
 

„Schlaf mit mir.“
 

Die Weasley verschluckte sich, überrumpelt von dieser Aussage. „Entschuldigung?“
 

Was bildete sich dieser Junge eigentlich ein? Die Dreistigkeit verschlug ihr beinahe die Sprache. Hatte sie ihm nicht erst vor wenigen Tagen, genau hier, klar gemacht, dass sie nicht sein Betthäschen war? Sollte ihr irgendwann einmal der Zauberstab ausrutschen, konnte man sie beim besten Willen unmöglich für irgendetwas zur Verantwortung ziehen. Dieser Idiot verdiente es wohl kaum anders.
 

„Nun komm schon.“, drängte der Slytherin weiter auf sie ein. „Vor den Ferien hattest du auch noch kein Problem damit. Wir haben doch beide unseren Spaß dabei.“
 

Rose lächelte süffisant. „Das glaubst du vielleicht.“
 

Malfoy verzog das Gesicht und es bereitete ihr enorme Genugtuung. Sie ließ ihren Blick erneut über ihn streifen, diesmal aufmerksamer. Er sah wirklich mies aus. Sein Shirt war zerknittert und irgendwie nass, sein Gesicht wirkte angespannt und seine Haare waren ungewöhnlich zerwühlt, als wäre er in Gedanken oftmals mit seinen Händen durchgefahren.
 

„Was ist eigentlich mit dir passiert? Du siehst so runtergekommen aus. Hast du keine gebügelten Hemden mehr im Schrank?“, fragte sie und empfand von Wort zu Wort mehr Freude. Es war doch was Schönes, wenn ausgerechnet Malfoy ihr mal so viel Angriffsfläche lieferte.
 

„Merlin, Weasley, wenn du wüsstest was ich eben erfahren habe, würdest du nicht mehr lachen, das schwöre ich dir.“, fauchte Malfoy. Da hatte sie wohl einen Nerv getroffen. Der kleine Prinz konnte es offensichtlich nicht ertragen, wenn sein Aussehen nicht dem Ideal entsprach. „Was ist jetzt? Wir finden bestimmt ein freies Klassenzimmer in der Nähe.“
 

Rose schüttelte amüsiert den Kopf. „Mit diesem Auftritt könntest du mich ja fast zum Mitleidssex überreden.“
 

„Mir ist egal, aus welchem verdammten Grund du dich ausziehst, solange du es endlich tust.“
 

„Na na, das geht so aber nicht. Wie heißt das Zauberwort?“, zog die Gryffindor ihn weiter auf, wissend, dass sie mit seiner Geduld und Fassung spielte.
 

„Weasley, ich werde dich garantiert nicht um Sex anbetteln.“
 

Als würde er genau das nicht schon machen, seit er diesen Turm betreten hatte. Waschlappen. Sie schmiss auch ihre zweite Zigarette über die Brüstung und ging dann ohne ein weiteres Wort zur Tür.
 

Sie hörte Malfoy frustriert seufzen. „Also gut. Bitte, Weasley, schlaf mit mir.“, quetschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

Rose drehte sich gespielt überrascht um. „Aber Malfoy, das hättest du doch gar nicht mehr sagen müssen - ich habe nicht damit gerechnet. Eigentlich hast du mich mit deinem armseligen Auftritt doch schon vollkommen überzeugt. Warum glaubst du, bin ich zur Tür gegangen? Du willst es ja wohl kaum hier oben tun. Aber es war nett, das kleine Wörtchen aus deinem Mund zu hören. Nun komm, bevor ich es mir anders überlege.“
 

Sie war schon auf der Hälfte der Treppe, während er noch immer lautstark fluchend im Freien stand. Merlin, musste ja wirklich ein beschissener Tag für ihn sein. Dann wollte sie ihm nun wenigstens ein paar schöne Minuten schenken. War sie nicht ein warmherziger Mensch!

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tbc

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Danke für alle Kommentare und Favoriteneinträge! :)

Kapitel Fünf.

Es besser machen.
 

Kapitel Fünf.
 

Alice war an diesem Hogsmead-Wochenende alleine unterwegs und es fühlte sich schrecklich an, niemanden an ihrer Seite zu haben, der ihre Hand hielt oder vergnügt mit ihr redete. Es war eine Premiere für sie; nie zuvor hatte sie auch nur eine Minute alleine in diesem Dorf verbracht. Am liebsten würde sie auf der überfüllten Hauptstraße kehrt machen und zurück ins Schloss marschieren, doch in wenigen Minuten hatte sie ihren Termin bei Heilerin Wilma Cooper und ihr war bewusst, dass sie diesen nicht ausfallen lassen konnte.
 

Die Gryffindor hatte sich fest in ihren alten Mantel gehüllt und einen Schal umgelegt, denn der Oktober war in diesem Jahr windig und regnerisch angebrochen. Und genau dieses Wetter entsprach auch ihrer miserablen Stimmung. Wie so oft in letzter Zeit senkte sie den Kopf, um den Blicken ihrer Mitschüler auszuweichen. Seit das Ende ihrer Beziehung mit Albus in der Schule die Runde gemacht hatte und jeder, trotz ihrer Vertuschungsversuche, Alice‘ fürchterlichen Zustand bemerkt hatte, war sie Gesprächsthema Nummer Eins und wurde dauerhaft von Geflüster und Gestarre verfolgt. Es machte sie wahnsinnig.
 

Noch viel schlimmer war allerdings, dass sie seit der ungewollten Trennung kein vernünftiges Wort mehr mit Al gesprochen hatte. Sie hatte es zunächst versucht, doch der Slytherin war ihr immer erfolgreich aus dem Weg gegangen oder hatte sie mit einigen wütenden und verletzenden Worten verscheucht. Irgendwann hatte sie verzweifelt aufgegeben. Sie konnte Albus‘ kühle Abweisung nicht ertragen. Er fehlte ihr so sehr, dass sie ständig Schmerzen hatte. In keinem bestimmten Bereich ihres Körpers und auch nicht besonders stark, aber doch immer präsent. Der Gedanke, dass im selben Moment, in dem Albus ihr gegenüber seinen Hass ausdrückte, sein Kind in ihr heranwuchs, verursachte ihr Übelkeit. Doch davon wusste der Potter nichts.
 

Nie im Leben hätte sie gedacht, dass ausgerechnet Scorpius Malfoy in dieser schweren Zeit für sie da sein würde. Sie würde darüber lachen, wäre die Situation nicht so aussichtlos und ernst. Sie hätte sich an Rose und Dominique wenden sollen, doch stattdessen wendete sie sich an Albus‘ besten Freund. Sie wusste, dass sie ihn in eine schwierige Lage brachte, doch er beschwerte sich nicht einmal bei ihr und sie war ihm für seine Unterstützung unendlich dankbar. Es war nicht so, dass sie mitten auf den Korridoren redeten oder er sie in den Arm nahm, doch sie hatten sich in den vergangenen Wochen ab und zu getroffen und er hatte einfach nur zugehört, während sie ihr Herz ausschüttete. Letztendlich hatte er auch den Termin bei Heilerin Cooper ausgemacht, da Alice es einfach nicht fertig brachte, den blöden Brief zu schreiben und nach einem Termin zu bitten. Sie konnte kaum in Worte fassen wie dankbar sie dem Malfoy war.
 

Unruhig strich sich die Longbottom die Haare aus dem Gesicht und schaute dann auf ihre Armbanduhr. Sie hatte noch ein paar Minuten bis zu ihrem Termin und entschloss, ein wenig Schokolade und vor allem Erdbeerlutscher im Honigtopf zu kaufen. In letzter Zeit hatte sie ständig Hunger darauf. Also schob sie sich durch die zahlreichen Schüler in das kleine Geschäft und suchte ihre Sachen zusammen. Sie wollte gerade bezahlen, als sie Albus‘ schwarze Haare in der Menge entdeckte. In diesem Moment hob er den Kopf und sah ihr in die Augen. Alles in ihrem Körper zog sich unangenehm zusammen. Wenn er wüsste, wo sie jetzt hingehen würde. Wenn er nur wüsste, warum es zu dieser bescheuerten Trennung gekommen war. Wenn er ihr nur zuhören würde. Wenn sie ihm doch nur endlich alles erklären könnte. Es war einfach hoffnungslos. Sie legte eilig ein paar Sickel auf den Tresen und schnappte sich ihre Tüte, bevor sie Hals über Kopf zur Tür hinaustürmte.

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Wie gewohnt herrschte eine überaus gemütliche Stimmung in den Drei Besen. Ein Feuer brannte im Kamin, die warmen Getränke verbreiteten einen zuckersüßen Duft und das Lachen der Gäste entsprach auch Dominiques Stimmung. Die Blondine liebte dieses Lokal seit sie es zum ersten Mal betreten hatte. Es war dieser ganz besondere Charme der sie zu jedem Hogsmead-Besuch wieder hierherzog. Und heute teilte sie sich ihren Tisch mit Elias.
 

Ihr Herz klopfte mittlerweile wieder in seinem normalen Rhythmus. Als sie am Morgen an der Marmortreppe auf den Gryffindor gewartet hatte, gekleidet in einen engen schwarzen Rock und eine geblümte Bluse, kombiniert mit Mantel und Mütze, schien es ihr schier aus der Brust springen zu wollen. Doch Elias hatte sie schnell beruhigt und ihr die Panik genommen. Er hatte sie in Gespräche über Merlin und die Zauberwelt verwickelt und Dominique war einfach darauf eingegangen. Im Nachhinein fragte sie sich, warum sie sich so verrückt gemacht hatte.
 

Nun stand der 18-jährige an der Bar und bestellte die dritte Runde Butterbier. Nachdenklich sah sich Dominique währenddessen um. Wie erwartet entdeckte sie viele bekannte Gesichter, doch eigentlich nahm sie gar nicht wahr, was sie sah.
 

Im Kopf ging sie die vergangenen drei Stunden durch, die sie mit Elias verbracht hatte. Er war wirklich ein toller Junge - nett, zuvorkommend, witzig, erfrischend. Es kam ihr vor, als hätte sie die Zeit mit einem lange verschwundenen guten Freund verbracht. Und genau da lag das Problem. Sie biss sich unsicher auf die Unterlippe. Elias war ein Freund für sie, aber nicht mehr. Und wenn er später versuchen würde, ihre Hand zu halten oder sie zu küssen, dann würde sie das nicht wollen. Dominique wurde das Herz schwer. Unter keinen Umständen würde sie in Elias mehr als einen Freund sehen. Er sah zwar gut aus und wies genau die Qualitäten auf, die ein fester Freund ihrer Meinung nach mitbringen musste, aber sie fühlte absolut keine Schmetterlinge im Bauch. Und sie wusste, dass dieses Gefühl nicht bloß eine Erfindung war, denn immerhin hatte sie es selbst schon erlebt. Aber sie wollte Elias auch unter keinen Umständen abweisen und verletzen. Merlin, was sollte sie also tun?
 

„Hey, bist du noch da?“, riss die Stimme des Gryffindors sie schließlich aus ihren betrüblichen Gedanken.
 

Sie nickte schweigend und nahm ihr Butterbier entgegen, um einen Schluck zu trinken.
 

„Also, worüber sollen wir noch erzählen? Es kommt mir vor, als hätten wir schon jedes Thema abgedeckt.“, sagte Elias dann und lächelte sie verschmitzt an.
 

„Da könntest du Recht haben. Ich kenne inzwischen deine gesamte Lebensgeschichte.“, erwiderte Dominique grinsend.
 

„Und ich deine.“, stimmte Elias zu. „Also sollten wir das Reden für den Moment vielleicht sein lassen und zu anderen Aktivitäten übergehen.“ Er erhob sich unerwartet von seinem Stuhl, um sich neben ihr auf der Holzbank niederzulassen. Seine warmen braunen Augen blickten liebevoll auf sie hinab.
 

Dominique glaubte einen Moment, ihr Herz würde stehen bleiben. Er würde doch wohl nicht … ? Nicht jetzt schon. Es war zu früh. Sie war nicht bereit. Sie wollte das doch eigentlich gar nicht. Wie sollte sie denn nun reagieren? Sie war vollkommen überfordert, doch ihr blieb keine Zeit für weitere Überlegungen, denn im nächsten Moment lagen Elias‘ weiche Lippen auf ihren. Mit den Händen streichelte er sanft über ihre Wange und durch ihre langen Haare. Und sie tat nichts. Überhaupt nichts.
 

Als sich der Gryffindor nach einer Weile von ihr löste, war sie knallrot. Ihre Wangen schienen tatsächlich in Flammen zu stehen. Sie kam sich so bescheuert vor. Und auch Elias wirkte peinlich berührt.
 

„Entschuldige!“, murmelte er. „Ich dachte du willst das auch.“ Er kratzte sich verlegen im Nacken und sie wäre am liebsten im Erdboden versunken.
 

„Tut mir Leid, Elias. Wirklich. Aber ich kann das nicht.“ Die Ravenclaw senkte beschämt den Blick, stand dann hastig auf und warf dabei beinahe ihr Butterbier um. Sie musste hier weg. Sie hätte sich nie auf dieses Date einlassen sollen. Wie konnte sie nur glauben, dass so etwas einfach war? Das war es nämlich nicht, ganz gewiss nicht. Sie wollte Elias doch nicht verletzen oder beschämen aber genau das tat sie, indem sie ihn so abwies. Sie würde es in diesem Moment nicht ertragen können, in seine Augen zu schauen. Sie musste gehen.
 

Und als wäre diese ganze Situation nicht schon schlimm genug gewesen, begegnete sie in diesem Moment Freds blauen Augen. Er stand nur wenige Meter von ihrem Tisch entfernt, mit Donna Zabini an seiner Seite, die fröhlich auf ihn einredete. Dominique konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, doch alleine die Tatsache, dass er sich anmaßte, sie so anzusehen, machte sie wütend.
 

Sie kämpfte sich von ihrem Tisch und Elias weg, der versuchte sie mit Worten, die sie nicht hörte, zum Bleiben zu bewegen, bis sie letztendlich vor Fred zum Stehen kam.
 

„Und was schaust du mich so blöd an? Habe ich mich letztes Mal nicht deutlich ausgedrückt? Du sollst mich in Ruhe lassen, dazu zählt auch, dass du mich nicht dämlich anstarrst.“, fauchte sie und zog damit die Aufmerksamkeit der benachbarten Gäste auf sich. „Das ist doch alles deine Schuld. Vielen Dank dafür, wirklich! Hätte ich mich doch nur nie auf dich - !“ Sich der neugierigen Umgebung bewusst werdend, unterbrach sie sich selbst und schüttelte nur fassungslos den Kopf. „Vergiss es einfach.“ Und damit schob sie sich grob an ihrem Cousin vorbei, der ihr erneut nur sprachlos nachsehen konnte.
 

Erst als sie die Drei Besen verlassen hatte, zog Dominique ihren Mantel und ihre Mütze an und machte sich dann so schnell wie möglich auf den Rückweg zum Schloss.
 

Besser hätte sie dieses Date ja gar nicht zerstören können. Hätte sie doch bloß mit Elias geredet, anstatt einfach abzuhauen. Das war wirklich unfair ihm gegenüber. Er hätte sicherlich verstanden, dass sie für ihn nicht mehr als freundschaftliche Gefühle hegte und selbst wenn nicht, so hätte er wenigstens eine Erklärung und könnte sich damit abfinden. Was war sie nur für ein Mensch, ihn einfach so stehen zu lassen? Aber hinterher war man wohl immer schlauer.

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Rose zog sich ihren weichen Schal fester um den Hals, als sie den Eberkopf allein verließ und in Richtung Hauptstraßen davon ging. Merlin, wie sie diesen verdreckten, heruntergekommenen Laden verabscheute. Sie sollte wirklich ein paar Ansprüche haben. Warum ließ sie sich von den Typen immer wieder hier abschleppen?
 

Vor einer guten Stunde hatte Egon sie hierhergebracht und sie hatten in einer staubigen Nische rumgeknutscht, bis der Ravenclaw aus seiner Tasche schließlich einen Schlüssel für eins der Zimmer gezogen hatte. Rose musste stark an sich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Die Kerle könnten ja wenigstens so tun, als ob sie ehrliche Absichten hätten und nicht ganz so offensichtlich von vorneherein nur auf Sex aus wären.
 

Aber eigentlich war es ihr auch egal. Sie hatte Egon friedlich schlafend in dem düsteren Raum zurückgelassen und beschlossen, noch ein paar Federkiele bei Derwisch & Banges zu besorgen, bevor sie sich auf den Weg zurück nach Hogwarts machen würde.
 

Unruhig zupfte sie an ihrem kurzen Rock herum. Irgendetwas stimmte heute nicht. Normalerweise dachte sie im Nachhinein nie besonders viel über ihre besonderen „Dates“ nach. Vielleicht lag es daran, dass Dominique heute ihr erstes richtiges Date hatte und sie nicht leugnen konnte, dass sie ein wenig neidisch auf ihre Cousine war. Wann hatte sie zuletzt ein anständiges Date gehabt? Und wenn sie nun mal wieder ein ganz normales Date haben wollte, wer würde sich schon darauf einlassen geschweige denn überhaupt verstehen, dass es ihr einmal nicht um Sex ging? Nun, genau genommen würde niemand ernsthaft mit ihr ausgehen, denn letztendlich war sie wohl so etwas wie das Schulflittchen. Und mit diesem Mädchen ging man keine Beziehung ein. Warum kümmerte sie das überhaupt? Es war doch schon seit Jahren so.
 

Merlin, sie sollte an etwas anderes denken. Die Gryffindor atmete tief durch, bevor sie die Hauptstraße betrat und wie immer so tat, als hätte sie nicht gerade mit irgendeinem Kerl in irgendeinem Pub geschlafen.
 

Keiner nahm Notiz von ihr, was sie nicht sonderlich störte. Sie genoss die Ruhe, in der sie sich befand, obwohl um sie herum Dutzende Schüler redeten und riefen und lachten. Sie nahm es gar nicht wahr.
 

Vielleicht sollte sie etwas an ihrem Leben ändern, dachte sie, als sie den mit Regalen vollgestopften Allzweck-Laden betrat. Doch letztendlich waren das nur leere Ideen. Sie würde nie etwas ändern. Und eigentlich wollte sie das auch nicht, oder? Schließlich war sie gerne mit namenlosen Kerlen zusammen und schlief mit ihnen. Doch da war diese kleine Stimme in ihrem Kopf, die ihr sagte, dass sie vielleicht doch noch etwas anderes wollte. Mehr vom Leben. Mehr als bedeutungslosen Sex. Und zwar nicht, weil die Leute hinter ihrem Rücken über sie lästerten und sie den Typen nichts wert war. Einfach, weil sie von sich aus mehr erwartete.
 

Während sie die Regale überblickte und schließlich zu den Schreibartikeln kam, fragte sie sich, wann sich der Wunsch nach einer festen Beziehung in ihr geformt hatte. Oder bildete sie sich das alles nur ein? Vielleicht spielten ihre Hormone heute schlicht verrückt. Sie war Rose Weasley und sie wollte ganze sicher keine Beziehung mit Händchen halten und Besuchen bei Madam Puddifoot’s.
 

Kopfschüttelnd konzentrierte sie sich auf die Federkiele und kaufte letztendlich doch nur ein paar neue Fässchen Tinte. Ihre Mutter würde ihr zu Weihnachten wahrscheinlich sowieso eine neue Feder schenken; das tat sie jedes Jahr und Rose sparte dadurch Geld.
 

Auf ihrem Weg zum Schloss traf sie auf Adam, der mit ein paar Kumpels gerade auf dem Weg ins Dorf war. Als er sie erblickte, entschuldigte er sich bei seinen Freunden und gesellte sich zu ihr.
 

„Du siehst bedrückt aus, Rosie. Was ist los?“, hakte er misstrauisch nach und folgte ihr zurück zum Schloss.
 

„Adam, geh zurück zu deinen Freunden.“, verlangte die Weasley bestürzt und blieb stehen. Sie würde Adam garantiert nicht sein Hogsmead-Wochenende versauen, nur weil ihr Kopf ein wenig verrücktspielte.
 

„Erst, wenn du mir erzählst, was los ist.“ Stur verschränkte der Braunhaarige die Arme vor der Brust und tippte wartend mit dem Fuß auf den Boden.
 

„Es ist alles in Ordnung. Wir reden später, okay? Genieß den Tag.“
 

Adam wartete noch einen Moment, bis er einsah, dass es keinen Sinn hatte mit ihr zu streiten. Er seufzte.
 

„Von mir aus. Bis später dann. Und ich will alles wissen!“
 

Er war schon fast wieder bei seinen Freunden angelangt, als Rose‘ Stimme ihn noch einmal zurückhielt.
 

„Adam!“ Sie rannte ein paar Schritte auf ihn zu. „Nur eine Frage. Glaubst du, irgendein Junge würde mit mir ausgehen? Ich meine, richtig ausgehen. Ohne Sex beim ersten Date. Und auch nicht beim zweiten. Meinst du, irgendjemand würde das wollen? Mit mir?“ Die Fragen kullerten aus ihrem Mund, bevor sie wusste, was sie da überhaupt sagte.
 

Adam sah sie kurz überrascht an, bevor er zu ihr trat und sie in die Arme nahm. „Ach Rosie, aber natürlich. Wie kannst du nur daran zweifeln? Du bist so ein tolles Mädchen und viele Jungs sehen viel mehr in dir, als nur ein Objekt zur Befriedigung. Du machst es ihnen nur manchmal ein bisschen schwer.“
 

Rose legte hilflos den Kopf schief und sah ihrem Freund somit in die Augen.
 

„Glaubst du das wirklich? Oder sagst du das nur so?“
 

„Ich glaube das nicht nur, ich weiß es. Natürlich wird es immer Typen geben, die nur das Eine wollen. Aber es gibt auch anständige Jungs, so wie mich.“ Mit diesen Worten küsste er sie auf die Stirn und ließ sie schließlich vollends los. „Du musst ihnen nur eine Chance geben und ihnen sagen, was du willst und was du nicht willst. Und dann geben sie dir auch eine Chance.“
 

Rose wusste nicht wirklich, was sie mit diesem Rat anfangen sollte. Als sie alleine im Gemeinschaftsraum der Gryffindors ankommt, denkt sie immer noch darüber nach. Und sie hofft, dass Adam mit seinen Worten Recht hat. Denn auch wenn sie sich nicht sicher war, was sie im Augenblick wollte, so wusste sie doch, dass sie nicht für den Rest ihres Lebens nur das Mädchen für eine Nacht bleiben wollte.

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Als Alice kurz nach ihrem Besuch im Honigtopf allein die Praxis von Heilerin Cooper betrat, war ihr ganz flau im Magen. Sie warf einen ängstlichen Blick ins Wartezimmer und bemerkte sofort, dass Scorpius noch nicht da war. Er würde sie doch nicht sitzen lassen, oder? Nein, das konnte sie sich wirklich nicht vorstellen. Nicht, nachdem er in den letzten Wochen so für sie da gewesen war.
 

Mit zögerlichen Schritten ging sie den Korridor weiter hinab um sich an der Anmeldung zu melden. Eine blonde Hexe saß hinter dem großen Empfangstresen, laut ihres rosa Namensschildchens hieß sie Trixi.
 

„Hallo, was kann ich für Sie tun?“, fragte sie freundlich und mit einem einnehmenden Lächeln, wobei sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr strich.
 

„Mein Name ist Alice Longbottom. Ich habe einen Termin bei Heilerin Cooper.“, gab Alice an und die Blondine durchwühlte ein paar Zettel auf dem Tisch, bevor sie nickte.
 

„Ja, genau. Nehmen Sie noch einen Moment im Wartezimmer Platz, Miss Longbottom. Heilerin Cooper wird gleich für Sie Zeit haben.“ Trixi wies in Richtung des Zimmers, das Alice schon zuvor entdeckt hatte.
 

Noch drei weitere Frauen warteten in genanntem Raum, alle mit Begleitern. Sie schauten auf, als Alice eintrat. Die Gryffindor lächelte schüchtern und setzte sich dann in die hinterste Ecke. Ihr Blick glitt unauffällig über die anderen Anwesenden. An der Tür saß eine schwarzhaarige Frau, offensichtlich hochschwanger und ihr selig lächelnder Mann konnte seine Augen gar nicht von ihr lassen. Ob Albus sie irgendwann auch so angesehen hätte? So voller Liebe und Glück, während sie hochschwanger neben ihm sitzen und seine Hand halten würde? Alice schloss die Augen. Es brachte nichts, darüber nachzudenken, was Albus tun oder lassen würde, denn Tatsache war, dass Albus nicht mehr an ihrer Seite war.
 

Als sie hörte, dass eine weitere Person den Raum betrat, öffnete sie hoffnungsvoll die Augen. Und tatsächlich trat Scorpius ein. Er sah in seinem schwarzen Mantel und mit den unordentlichen blonden Haaren wirklich unverschämt gut aus. Unwillkürlich stand Alice auf.
 

„Ich bin so froh, dass du da bist.“, erklärte sie leise und umarmte ihn überschwänglich, bevor sie sich gemeinsam wieder hinsetzten. „Ich hatte schon Angst, dass du nicht kommen würdest. Oh Scorpius, ich bin so nervös.“
 

Der Malfoy griff etwas unsicher nach ihrer Hand und drückte sie. „Es wird schon alles gut werden, Longbo- Alice. Hör dir an was die Heilerin zu sagen hat und dann rede unbedingt mit Al bevor du irgendetwas entscheidest, was du später bereuen wirst.“
 

Alice sank ein wenig zusammen. „Ich kann nicht mit Albus reden. Er hört mir einfach nicht zu. Was soll ich denn tun? Ich kann ihn nicht zwingen und ich will auch nicht. Ich habe keine Kraft mehr.“
 

Scorpius sah sie streng an. „Du hast mir versprochen, dass du ihm alles erzählen wirst, sobald du bei der Heilerin warst. Du musst! Er hat ein Recht darauf, mit zu entscheiden, was ihr tun werdet. Es wird sich schon eine Gelegenheit ergeben und dann musst du sie auch nutzen, verstanden?“
 

Widerstrebend nickte die Gryffindor und verbarg dann ihren Kopf in ihren Händen, um zu verhindern, dass irgendjemand ihre Tränen sah. Nach einigen Augenblicken hatte sie ihre Beherrschung wiedererlangt und wartete nun darauf, dass die Heilerin sie aufrufen würde.
 

Zehn Minuten später saß sie neben Scorpius im bunt bemalten Sprechzimmer. Der Slytherin schien sich mindestens genauso unwohl zu fühlen wie sie, was Alice in jeder anderen Situation lustig gefunden hätte. Wann war Scorpius Malfoy schon mal etwas unangenehm? Vor ihnen stand ein großer, heller Holzschreibtisch und direkt dahinter saß eine brünette Hexe mit eleganter Brille und maßgeschneidertem Umhang.
 

„Hallo Alice, Hallo Scorpius. Ich darf euch beim Vornamen nennen?“, begann sie das Gespräch und lehnte sich in ihrem Stuhl ein wenig zurück, während sie ihre Patientin und deren Begleiter weiterhin musterte.
 

Alice nickte und Scorpius tat es ihr etwas widerstrebend gleich.
 

Dann finge die Heilerin an, verschiedenste Fragen zu stellen, von denen einige Alice erröten ließen, während sie andere nicht einmal beantworten konnte, weil sie einfach keine Ahnung hatte, was die Heilerin von ihr hören wollte. Die Longbottom hielt den Blick die meiste Zeit über gesenkt und auch bei der anschließenden Untersuchung konnte sie der Heilerin nicht in die Augen sehen.
 

„Nun, Alice, die Ergebnisse zeigen an, dass du dich in der neunten Schwangerschaftswoche befindest. Das Baby ist gesund und munter und scheint sich wirklich großartig zu entwickeln. Allerdings machst du mir etwas Sorgen.“ Heilerin Cooper sah sie über ihre Brille hinweg ernst an und Alice schaute endlich auf, um ihren Blick zu treffen. Scorpius neben ihr legte fragend den Kopf schief. „Ich vermute, du hast in den letzten Wochen einiges abgenommen, denn du bist wirklich sehr dünn, was nicht gerade normal für eine schwangere Frau ist. Außerdem nimmst du nicht genügend Vitamine zu dir. Offensichtlich hast du einige Probleme mit der Schwangerschaft klarzukommen. Das ist natürlich verständlich; du bist noch Schülerin und wie du sagtest hat sich dein Freund erst kürzlich von dir getrennt. Trotzdem solltest du darauf achten, regelmäßig und gesund zu Essen. Und du musst einen Weg finden, deinen Stress abzubauen, denn dieser könnte sich ansonsten negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken.“
 

Alice verschränkte die Hände in ihrem Schoß. Sie konnte keinen einzigen wirklich klaren Gedanken formen. Die Heilerin schien davon auszugehen, dass sie das Baby tatsächlich austragen wollte, doch Alice wurde sich von Minute zu Minute unsicherer, was das betraf. Sie würde das nicht schaffen, nie im Leben. Nicht mit aller Unterstützung der Welt. Noch dazu war sie ja offensichtlich eine Gefährdung für ihr eigenes Kind. Sie biss sich auf die Unterlippe, bevor sie entschlossen den Kopf hob.
 

„Können Sie mir sagen, was für andere Möglichkeiten es für mich gibt, Heilerin Cooper? Abgesehen von der, das Kind zu bekommen und zu behalten?“ Ihre Stimme klang fest, doch unter dem Tisch griff sie haltsuchend nach Scorpius‘ Hand.
 

Die brünette Frau legte nickend ihre Feder beiseite und begann dann fachlich und anschaulich über Adoptionen, Pflegefamilien und auch über Abtreibungen zu sprechen. Alice nahm jedes ihrer Worte auf und versuchte, all die gebotenen Informationen zu verarbeiten. Jedoch konnte sie keine der Möglichkeiten wirklich überzeugen. Jede schien in ihren Augen enorme Nachteile zu haben. Nachdem die Heilerin mit ihrem Vortrag geendet hatte, warf sie Alice einen Blick zu.
 

„Hast du nun noch Fragen?“
 

Die Gryffindor schluckte. „Wenn ich mich für die Abtreibung entscheiden sollte … wie lange hätte ich dafür noch Zeit?“
 

„Ein Schwangerschaftsabbruch kann nur bis zur zwölften Woche vorgenommen werden, deswegen müsstest du dich in den nächsten zwei Wochen entscheiden und dann schnellstmöglich einen Termin ausmachen.“
 

„In zwei Wochen schon?“ Alice hielt sich bestürzt die Hand vor den Mund und Heilerin Cooper warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Scorpius drückte ihre freie Hand fester.
 

„Du solltest dir jedoch wirklich im Klaren darüber sein, ob eine Abtreibung wirklich das Richtige für dich ist. Bedenke immer, das du dabei dein eigenes Kind tötest und du diese Entscheidung niemals rückgängig machen kannst.“
 

Alice nickte schwach. „Das waren alle meine Fragen.“
 

„Nun gut, dann sind wir für heute fertig. Ach, möchtest du eigentlich ein Bild?“
 

„Was für ein Bild?“, fragte Alice überrascht und in Gedanken noch bei der Abtreibung.
 

„Eines von deinem Baby natürlich.“ Die Heilerin lächelte freundlich und schwang ihren Zauberstab, mit dem sie Alice vor einiger Zeit noch untersucht hatte. Ein quadratisches Bild formte sich an der Spitze und flatterte dann vor Alice auf dem Tisch nieder. Zögerlich griff die Longbottom danach. Sie konnte nicht viel erkennen, doch die Heilerin erklärte ihr mit wenigen Worten, was genau sie da vor sich sah, was die hellen und dunklen Linien bedeuteten.
 

„Ich würde es gerne behalten.“, sagte Alice schließlich mit belegter Stimme und steckte das Stück Pergament in ihre Tasche. Sie blinzelte einige Male, um aufkommende Tränen aus ihren Augen zu verdrängen. „Vielen Dank.“ Sie schüttelte Heilerin Cooper zum Abschied die Hand, ebenso wie Scorpius und gemeinsam verließen die beiden Hogwarts-Schüler das Sprechzimmer.
 

Sie liefen zurück zur Hauptstraße, wo sie auf den Rest der Hogwarts-Schülerschaft trafen. Alice kümmerte sich nicht darum, was sie wohl denken mussten, wenn sie Scorpius und sie gemeinsam durch Hogsmead laufen sahen. Die Gryffindor war zu sehr damit beschäftigt nicht auf der Stelle zusammenzubrechen und den Tränen, die sie so verbissen zurückhielt, freien Lauf zu lassen.
 

„Ich gehe jetzt zurück zum Schloss.“, sagte sie schließlich, als sie bei den Drei Besen ankamen. „Danke, dass du mich begleitet hast. Ohne dich hätte ich das heute niemals geschafft.“
 

„Kein Problem. Versprich mir nur, dass du mit Albus redest, sobald es sich ergibt. Du weißt ja, was die Heilerin gesagt hat. Ihr habt nicht viel Zeit für diese eine Entscheidung.“
 

Alice schluckte und nickte dann. „Ja, ich weiß.“ Für einen Moment vergrub sie den Kopf an Scorpius‘ Brust, bevor sie mit gesenktem Kopf und den Händen in den Manteltaschen davonlief. Sie brauchte Zeit für sich, denn sie musste über viele Dinge gründlich nachdenken.

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Der Hogsmead-Ausflug war für Albus eine wirklich sehr willkommene Abwechslung. Die letzten Wochen, die er im Schloss verbracht hatte, waren die pure Hölle gewesen. Seit mit Alice Schluss war, hatte er sich gefühlt, als würde er jeden Moment ersticken, weil er sie immer und überall sehen musste. Und nun, hier im Dorf, konnte er erstmals wieder frei und unbeschwert atmen. Wie gut es tat, mal vom gewohnten Umfeld wegzukommen.
 

Natürlich schaffte er es trotz allem nicht, der Longbottom gänzlich aus dem Weg zu gehen. Erst vorhin hatte er sie im Honigtopf gesehen, was seiner guten Laune einen kleinen Dämpfer verpasst hatte. Doch dann war er mit seinen heutigen Begleitern, Jonathan und Samuel, in die Drei Besen eingekehrt und nach zwei Butterbieren und einigen Feuerwhiskeys waren alle Gedanken an die Gryffindor vergessen. Auch die Gesellschaft seiner Klassenkameradinnen aus Slytherin, Stella Parkinson, Anne Williams und Jules Zeller half ihm, ein ganz bestimmtes anderes Mädchen aus seinen Gedanken zu verbannen.
 

Und nun befand er sich in der Toilette des Lokals und versuchte krampfhaft, seinen Mageninhalt zu behalten. Er hatte gewusst, dass der letzte Feuerwhiskey zu viel des Guten gewesen war. Aber wann hielt er sich schon an Regeln und Grenzen, selbst wenn es die seines eigenen Körpers waren?
 

Ein wenig schwankend stand er vor dem Waschbecken und achtete darauf, nicht in den Spiegel zu schauen. Wahrscheinlich sah er furchtbar aus und er wollte seinen eigenen jämmerlichen Anblick im Moment nicht ertragen müssen. Stattdessen bespritzte er sich das Gesicht mit kühlem Wasser, bevor er zurück in den Schankraum ging und nach seiner Jacke griff.
 

„Ich schnapp‘ draußen ein bisschen frische Luft.“, verkündete er seinen Freunden und drängte sich dann an den Tischen und Stühlen vorbei, um zur Tür zu kommen.
 

Die Hauptstraße war noch immer bevölkert von Schülern und der Lärm, den sie verursachten, bereitete Albus Kopfschmerzen. Doch die frische Luft und der angenehme Wind waren ein Geschenk von Merlin persönlich. Er schloss die Augen für einen Moment, um das Drehen der Welt auszublenden. Als er sie wieder öffnete, erblickte er in einigen Metern Entfernung einen nur allzu bekannten blonden Haarschopf.
 

Albus runzelte die Stirn. Was machte Scorpius denn hier im Dorf? Er hatte doch am Morgen gesagt, dass er zu viele Hausaufgaben und keine Zeit für einen Ausflug hatte. Aber vielleicht hatte er ja mittlerweile alles erledigt und sich um entschieden. Der Potter wollte gerade auf seinen besten Freund zugehen, als er eine weitere bekannte Person entdeckte. Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen und ignorierte den jüngeren Schüler, der deswegen direkt in ihn hineinlief. Alice. Das war eindeutig Alice. Seine Alice. Er war fassungslos. Was hatte die Gryffindor denn mit Scorpius zu tun? Warum redete sie mit ihm, und dann auch noch auf diese offensichtlich vertraute Weise? Und warum, bei Merlin, umarmte sie ihn? Eigentlich konnten sich die beiden nicht ausstehen. Nicht im Mindesten. Und Albus wusste das ganz genau, denn er hatte über ein Jahr lang versucht, die beiden zu versöhnen.
 

Er konnte nichts gegen das ätzende Gefühl ausrichten, das begann in seinem Körper aufzusteigen. Er fühlte sich hintergangen, verraten, betrogen. Diese beiden … die wichtigsten Menschen in seinem verfluchten Leben. Was hatte das zu bedeuten? Ganz automatisch ballten sich die Hände des Potters zu Fäusten. War das der Grund für alles, was Alice damals auf den Ländereien zu ihm gesagt hatte? Das sie eine Pause wollte, Zeit zum Nachdenken brauchte? Hatte es irgendetwas mit Scorpius zu tun? Lag es vielleicht daran, dass sie sich in seinen besten Freund verliebt hatte? Oder noch schlimmer, hatte sie damals schon etwas mit Scorpius angefangen? Er wollte es sich gar nicht vorstellen. Die Augen zu Schlitzen verengt marschierte er auf seinen angeblichen besten Freund zu. Alice konnte er auf einmal nirgends mehr sehen. War sie gegangen? Eigentlich kümmerte es ihn in diesem Moment nicht. Seine ganze Wut galt plötzlich ganz und gar Scorpius, der seit seinem ersten Schuljahr sein bester Freund war. Scorpius, dem er immer alles erzählt hatte. Scorpius, dem er vertraut hatte. Scorpius, der ihn auf diese niederträchtige Weise verarscht hatte.
 

„Hey Al!“, grüßte ihn der blonde Slytherin, als Albus vor ihm zum Stehen kam.
 

„Vergiss es! Komm mir nicht so!“, rief der Potter wütend und strich sich die dunklen Haare unwirsch aus der Stirn.
 

„Was ist denn los mit dir? Hast du was getrunken?“, fragte Scorpius mit gerunzelter Stirn.
 

„Willst du mir nicht irgendetwas sagen? Was du hier mit Alice machst, zum Beispiel?“, stellte Albus patzig die Gegenfrage. Er biss die Zähne zusammen, um sich selbst davon abzuhalten, mehr zu sagen.
 

„Al, ich glaube du verstehst das gerade vollkommen falsch - “, setzte Scorpius an und hob abwehrend die Hände, um seinen Freund zu beruhigen.
 

„Ach, tu ich das, ja? Ich habe ganz genau gesehen, wie du mit ihr geredet und sie umarmt hast. Was bist du eigentlich für ein Freund?“, schrie Albus ihm entgegen.
 

Die beiden Slytherins nahmen nicht wahr, wie um sie herum die Schüler und Passanten anhielten und ihrem Wortgefecht zuhörten. Viel zu sehr waren sie damit beschäftigt, sich wütende Blicke zuzuwerfen.
 

„Du spinnst doch, Albus. Glaubst du vielleicht, ich hab was mit Alice?“
 

„Oh, mittlerweile ist sie Alice für dich? Das ist schön, wirklich.“
 

„Reg dich ab, Alter! Würdest du mir bitte zuhören? Es gibt für all das eine logische - “
 

„Eine logische Erklärung willst du sagen? Das glaube ich kaum. Du fickst meine Exfreundin. Wirklich sehr kameradschaftlich. Oder hast du vielleicht schon mit ihr geschlafen, als ich noch mit ihr zusammen war? Wundern würde es mich nicht.“
 

„Komm mal wieder runter, Al! Ich hab nichts mit Alice, hatte ich nie, kapiert? Was glaubst du denn, was für ein Freund ich bin?“
 

„Das kann ich dir sagen. Ein mieser, hinterhältiger, verräterischer Freund bist du. Das Allerletzte!“
 

Nach diesen Worten fiel der erste Schlag von Albus und schon nach wenigen Augenblicken wälzten sich die beiden Siebtklässler auf der gepflasterten Hauptstraße hin und her und prügelten wie Muggel wild aufeinander ein. Die Umstehenden pfiffen und feuerten die beiden Jungs an, doch niemand griff ein.
 

„Du bist so ein Bastard, Scorpius!“
 

„Was stimmt denn nicht mit dir? Wie kannst du glauben, dass ich dich so hintergehen würde?“
 

„Du hast Alice immer gehasst und jetzt läufst du mit ihr durch Hogsmead, redest mir ihr und umarmst sie auf offener Straße. Was würdest du vermuten? Nach was würde es für dich aussehen?“
 

In einem unaufmerksamen Moment von Albus gelang es Scorpius, die Oberhand im Kampf zu gewinnen. Mit einem gezielten Griff gelang es ihm, seinen Freund am Boden zu halten.
 

„Dein Problem ist, dass du nicht zuhörst, Al!“, begann der Malfoy schwer atmend und schaute seinem besten Freund vernichtend in die Augen. „Alice wollte so oft mit dir reden. Und du warst zu stolz, um sie auch nur ein Wort formulieren zu lassen. Also kam sie zu mir. Wir haben nur geredet und ich habe ihr bei einer wichtigen Sache geholfen, verstanden? Da war nichts zwischen uns, nicht mehr als eine zweckbedingte Freundschaft. Merlin, Al, ich wollte ihr nur helfen. Sie war völlig am Ende.“
 

„Ich war auch völlig am Ende, du Arsch!“, schrie Albus und strampelte mit seinen Beinen, um sich zu befreien.
 

„Geh und rede mit ihr. Gib ihr eine Chance alles zu erklären. Denn ich werde das nicht übernehmen. Das ist etwas, das ihr unter euch klären müsst!“
 

„Kein Wort werde ich mit der dummen Hure reden!“
 

„Al! Reg dich jetzt ab oder ich fluche dich zum Jupiter, hast du mich verstanden?“ Scorpius‘ Stimme hatte von einer Sekunde auf die nächste einen eisigen Klang angenommen. „Und rede nicht so über sie. Wenn du wüsstest, was sie gerade durchmacht! Ich erkenne dich überhaupt nicht wieder.“ Er stieß sich von Albus weg und erhob sich vom kalten Boden. „Ich geh zurück ins Schloss. Wenn du dich beruhigt hast, können wir ja vielleicht wie normale Menschen miteinander reden. Bis dahin brauchst du dich bei mir nicht blicken lassen!“
 

Vollkommen erledigt sah Albus sah dem Malfoy nach, der mit einem blauen Auge und blutender Unterlippe seinen Mantel zurechtzupfte und dann einfach wegging, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Ein leeres Gefühl breitete sich im Magen des Schwarzhaarigen aus und unter Schmerzen setzte er sich auf. Er fühlte Blut aus seiner Nase tropfen und sicherlich hatte er noch andere Verletzungen im Gesicht, deren er sich jetzt noch nicht bewusst war. Während er sich vollständig aufgerappelte warf er den Zuschauern einen herablassenden Blick zu. „Genug gegafft? Seid ihr jetzt glücklich? Wirklich schön, wenn man sich am Leiden anderer ergötzen kann, oder nicht?“
 

Mit schlurfenden Schritten drängte er sich an den Menschen vorbei und ging er ein paar Meter, bevor er sich nicht mehr halten konnte und sich hinter ein paar Büschen und Bäumen erbrach. Er konnte kaum glauben, was da eben passiert war. Er hatte sich mit seinem besten Freund geschlagen. Und das nur, weil er irgendetwas beobachtet hatte und daraus wahrscheinlich die falschesten aller falschen Schlüsse gezogen hatte. Müde rieb sich der Potter über die Augen und spürte einen Stich an seiner linken Schläfe. Merlin, was war er nur für ein Idiot? Natürlich würde Scorpius niemals etwas mit Alice anfangen. Das war wirklich absurd. Wahrscheinlich hatte er aufgrund des Alkohols vollkommen überreagiert. Er würde sich bei Scorpius entschuldigen müssen und er hoffte inständig, dass er in den letzten zwanzig Minuten nicht ihre gesamte Freundschaft zerstört hatte.
 

Tief seufzend und mit vor Reue gesenktem Kopf trat auch er den Rückweg zum Schloss an. Wer hätte gedacht, dass der Tag so enden würde?

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tbc
 

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Kapitel Sechs.

Es besser machen.
 

Kapitel Sechs.
 

Alice hatte die ganze Nacht über wach gelegen, die Vorhänge ihres Himmelbettes betrachtet und über den Besuch bei der Heilerin nachgegrübelt. Sie hatte wirklich versucht zu schlafen, denn erschöpft genug war sie, doch es hatte immer nur damit geendet, dass sie sich endlos in ihrem Bett hin und her wälzte.
 

Mrs. Coopers Worte schwirrten ununterbrochen durch ihren Kopf und hinterließen ein leeres Gefühl in ihrem Magen. Sie wusste, dass sie sich bald auf eine der Möglichkeiten festlegen musste. Doch sie hatte unendliche Angst, dass sie die falsche Entscheidung treffen und diese für den Rest ihres Lebens bereuen würde.
 

Nachdenklich setzte sie sich in ihrem Bett auf, faltete die Hände im Schoß und atmete tief durch. Wenn sie nicht einschlafen konnte, dann könnte sie die Zeit genauso gut nutzen, ihre Gedanken zu sortieren. Sie versuchte, logische und sachliche Argumente für jede der Optionen zu finden. Es gab so viele Gründe die entweder dafür und dagegen sprachen, und sie wollte jeden einzelnen bedenken, bevor sie ihre Entscheidung traf.
 

Es war für sie nicht wichtig, ob sie Albus mit einbezog oder nicht, egal, was Scorpius‘ Meinung dazu sein mochte. Letztendlich musste sie doch die Entscheidung treffen, mit der sie Leben konnte, oder nicht? Zwischen ihr und dem Potter war sowieso alles aus und vorbei. Und sie wusste ganz sicher, was sie nicht wollte - auf ihren Exfreund hören, der ihr nur Missachtung und Hass entgegenbrachte und wahrscheinlich einfach aus dem Bauch heraus irgendetwas sagen und darauf bestehen würde. Nein, das hier war ihre Sache, das hatte sie nun verstanden. Sie musste das ganz allein mit sich selbst ausmachen und mit niemandem sonst. Denn am Ende war sie auch nur sich selbst Rechenschaft schuldig, sollte sie den falschen Weg wählen.
 

Ihre Entscheidung stand nach unzähligen Stunden des Nachdenkens fest. Sie hatte alle Möglichkeiten bedacht, war im Kopf alles hundertmal durchgegangen und am Ende immer wieder zu der gleichen Lösung gekommen.
 

Nun, es war nicht die perfekte Lösung, doch Alice wusste, dass sie diese niemals finden würde. Nicht unter den gegebenen Umständen. Ihr Gefühl sagte ihr jedoch, dass es die beste Entscheidung wäre und daran glaubte sie ganz fest.
 

Der Morgen dämmerte schon, als die Gryffindor schließlich ihre Augen schloss und diesmal tatsächlich den ersehnten Schlaf fand. Sie hatte ihre Wahl getroffen, allein und ohne sich von irgendjemandem reinreden zu lassen, und allein zu wissen, was sie tun würde, beruhigte sie ungemein.
 

Am nächsten Tag würde sie Heilerin Cooper einen Brief schicken und vor allem würde sie mit Rose und Dominique sprechen. Es war Zeit, ihren Freundinnen die Wahrheit darüber zu sagen, was sie in den letzten Wochen so sehr beschäftigt hatte.

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In einem der grünen Sessel vor dem Feuer im Gemeinschaftsraum der Slytherins saß Scorpius. Er hatte die Arme hinter seinem Kopf verschränkt und starrte ausdruckslos ins Feuer, während seine Klassenkameraden an ihm vorbei und zum Frühstück in der Großen Halle gingen.
 

Der Malfoy hatte keinen Hunger und auch sonst nichts zu tun, also hatte er beschlossen, auf Albus zu warten. Die Ereignisse des gestrigen Tages hatten ihn aufgewühlt. Er hatte sich noch nie so schlimm mit Al gestritten und natürlich hatten sie sich auch noch nie geprügelt. Deswegen wollte er schnellstmöglich alles wieder ins Reine bringen, sich mit dem Potter aussprechen und dann wie gewohnt weitermachen. Er war seinem besten Freund nicht wirklich böse und er würde es niemals zulassen, dass die Geschichte mit Alice ihre gesamte Freundschaft zerstörte. Lieber würde er die Wahrheit sagen und damit die Gryffindor verraten, was natürlich nicht seine Absicht war. Aber andererseits - er würde tun, was er tun musste, um seine Freundschaft mit dem Potter zu retten.
 

Scorpius seufzte und wandte den Kopf nach rechts, als er eine Bewegung wahrnahm. Albus hatte sich in den Sessel neben ihn fallen lassen und sah ihn nun stumm musternd an.
 

„Du siehst scheiße aus!“, stellte der Schwarzhaarige dann fest und zog die Nase kraus.
 

Scorpius schnaubte. Natürlich, die Zeichen des Kampfes waren noch immer in seinem Gesicht zu sehen, doch Albus sah kein bisschen besser aus. „Du musst grade reden. Hast du dich heute schon im Spiegel angeschaut?“
 

„Um ehrlich zu sein, nein. Konnte meinen eigenen jämmerlichen Anblick nicht ertragen.“ Albus lehnte sich in seinem Sessel zurück und strich sich nervös die Haare aus der Stirn. „Hör mal, Scorp. Was da gestern passiert ist, das tut mir wirklich unendlich leid. Ich habe vollkommen überreagiert und mich absolut daneben benommen. Ich wünschte, ich könnte alles, was ich gesagt und getan habe, zurücknehmen. Ich hoffe wirklich, dass wir das einfach irgendwie vergessen und normal weitermachen können.“
 

Der blonde Slytherin musste sich zusammenreißen, nicht erleichtert aufzulachen. Er beließ es bei einem zufriedenen Grinsen. Das lief ja besser, als er es jemals erwartet hätte. Dieser bescheuerte Vorfall würde ihre Freundschaft also nicht belasten. Er klopfte seinem besten Freund auf die Schulter.
 

„Alles klar, Al. Ist schon vergessen.“
 

„Merlin sei Dank!“ Ein breites Lächeln breitete sich auf Albus‘ Gesicht aus. „Du bist echt der beste Freund den ich mir wünschen kann.“
 

„Das will ich hoffen“, erwiderte Scorpius trocken, doch unterschwellig amüsiert.
 

„Diese ganze Sache mit Alice - “, setzte Albus an, doch der Malfoy unterbrach ihn prompt.
 

„Hör mal zu, Kumpel, ich möchte mich nicht mit dir streiten, schon gar nicht wegen eines Mädchens. Aber du musst endlich mit Alice sprechen. Ich schwöre dir, wenn du es nicht machst, wirst du dir das nie verzeihen. Es geht um etwas wirklich Wichtiges.“
 

„Kannst du mir nicht einfach sagen, was los ist? Nimm es mir nicht übel, aber ich kann nicht mit ihr sprechen. Immer wenn ich sie sehe, ihr Lachen höre, sie allein schon in meiner Nähe spüre … es ist schrecklich, ich ertrage das nicht. Du weißt gar nicht, wie sehr ich sie vermisse, Scorp. Alles tut weh, weil sie nicht bei mir ist.“
 

Scorpius schaute seinen Freund ausdruckslos an. Wenn Albus nur wüsste, dass es Alice ganz genauso erging. Er wünschte sich, es ihm sagen zu können, doch das war nicht seine Aufgabe. Die beiden mussten das schon alleine auf die Reihe kriegen.
 

„Tut mir leid, aber ich kann das nicht. Es steht mir nicht zu, darüber zu sprechen, ich habe es Alice versprochen. Rede mit ihr und alles wird sich schon irgendwie fügen, da bin ich mir sicher.“
 

Albus sah ihn flehentlich und fragend zugleich an, gab sich dann jedoch geschlagen und nickte. „Vielleicht hast du Recht.“
 

„Wie immer“, stimmte Scorpius ihm übermütig zu. „Lass uns was essen gehen, das Frühstück ist gleich vorbei.“
 

Die Freunde erhoben sich und schlenderten auf die graue, ungeschmückte Steinmauer zu, die den Eingang zu den Räumlichkeiten der Slytherins darstellte.
 

„Dir ist doch klar, dass, wenn ich nüchtern gewesen wäre, ich dich fertig gemacht hätte, oder?“, merkte Albus ganz beiläufig an, doch das Grinsen in seinem Gesicht zeigte, wie sehr er von sich selbst überzeugt war.
 

Scorpius zog sarkastisch eine Augenbraue in die Höhe. „Na sicher, Potter, träum weiter!“

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Fred konnte Sonntage nicht ausstehen. Das Gefühl, dass am nächsten Tag wieder der übliche Stress auf ihn zukommen würde, drückte seine Laune immer gewaltig. So auch heute. Doch er würde einfach versuchen, das Beste daraus zu machen.
 

Er hatte sich dazu entschlossen, einen kleinen Rundgang durch die Schule zu machen, seine alten Lieblingsecken zu erkunden, vielleicht ein paar der jüngeren Schüler zu erschrecken. Natürlich wusste er, dass er als Referendar und angehender Lehrer verantwortungsvoll und pflichtbewusst zu sein hatte, doch manchmal kam er einfach nicht gegen seine jugendliche Tunichtgut-Seite an.
 

Gerade bog er in den Zauberkunstkorridor ab, die Hände in den Hosentaschen versteckt, als er eine bekannte Stimme seinen Namen rufen hörte. Grinsend drehte er sich zu Donna um, die mit wehenden blonden Haaren auf ihn zugelaufen kam.
 

„Guten Morgen“, grüßte er sie lächelnd und sie küsste ihm auf die Wange.
 

„Was machst du?“, fragte sie überschwänglich und folgte ihm.
 

„Nur ein bisschen rumschauen und an die alten Zeiten denken.“ Fred zuckte mit den Schultern.
 

Donna kicherte. „Merlin, du hörst dich ja an wie ein alter Mann. Mach dich mal locker, Weasley.“
 

Mit schief gelegtem Kopf musterte Fred sein Gegenüber. „Wieso hast du denn so gute Laune?“, hakte er skeptisch nach.
 

„Nur so. Naja, also Professor Landon lässt mich erstmals einen Klassensatz Aufsätze alleine korrigieren. Ich freu mich einfach darüber, dass er mir das zutraut.“ Das Lächeln auf ihren Lippen wurde, wenn möglich, noch breiter.
 

Der Schwarzhaarige hingegen seufzte unglücklich. „Ich wünschte, Professor Targin würde mir auch mal was zu tun geben. Ich glaube, sie hat keine Unze Vertrauen in mich. Meine Aufgabe ist es immer nur, ihr über die Schulter zu schauen. Aber was selbst machen - nein, bloß nicht.“
 

Donna warf ihm einen bedauernden Blick zu. „Kopf hoch, Freddie. Die Alte wird dich bald noch um deine Hilfe anbetteln und dann kannst du es ihr zeigen. Immerhin bildet sie dich aus, das heißt, dass sie dir auch etwas zu tun geben muss.“
 

Er nickte nur und hoffte, dass die ehemalige Slytherin-Schülerin Recht behalten würde.
 

„Tut mir Leid, dass ich davon angefangen habe. Na los, wie soll ich dich aufmuntern. Sag etwas und ich tue es. Hauptsache du schaust nicht mehr so traurig durch die Gegend.“ Donna blieb stehen und hielt ihn am Arm fest. „Ich würde alles machen, Freddie.“ Ein vielsagender Blick folgte ihren Worten.
 

Überrascht sah Fred ihr in die klaren blauen Augen. Meinte sie etwa das, was er glaubte, dass sie meinte?
 

„Ich mag dich, Weasley“, erklärte sie leise und bestätigte somit seine Vermutung. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Fred konnte ihren süßen Atem auf seinem Gesicht spüren. „Und ich sehe dich wirklich nicht gerne unglücklich.“ Und bevor Fred die Chance bekam, etwas zu erwidern oder gar Luft zu holen, spürte er ihre Lippen auf seinen.
 

Sie küsste viel leidenschaftlichen, als er es ihr je zugetraut hätte. Ganz automatisch umschloss er sie mit seinen Armen, während sie ihre Hände in seinem Nacken verschränkte und ihm somit noch näher kam.
 

Fred wusste nicht, wann er die Augen geschlossen hatte und er wusste nicht, wie lange der Kuss dauerte. Er wusste nicht einmal, ob es ihm gefiel. Aber er ließ es geschehen.
 

Als er sich nach einer schieren Ewigkeit von Donna löste, um Luft zu holen und die Augen wieder aufschlug, blieb ihm beinahe das Herz stehen.
 

Von all den Leuten, die in diesem Moment durch diesen Teil des Schlosses liefen, musste ausgerechnet sie diesen Korridor nutzen. Ausgerechnet sie musste ihn und Donna in dieser Situation entdecken. Es war, als wollte Merlin ihn bestrafen.
 

Dominiques Augen waren vor Schreck und Unglauben geweitet. Wäre Fred ihr etwas näher gewesen, so hätte er die Tränen sehen können, die sich in ihnen gebildet hatten. Sie sagte nichts, sah ihn einfach nur an, ihre Haltung ausdruckslos.
 

Etwas zu schnell und ungestüm löste der Weasley sich aus Donnas Umklammerung, wobei er den Blick nicht ein einziges Mal von seiner Cousine abwandte, die noch immer wie erstarrt einige Meter entfernt am Ende des Korridors stand.
 

„Es tut mir Leid“, durchbrach die Stimme der Zabini die unnatürliche Stille. Sie hatte das Mädchen hinter sich im Korridor nicht bemerkt. „Ich dachte, dass du es vielleicht auch willst.“
 

Fred hatte fast vergessen, dass sie noch da war. Zu sehr hatte er seine Aufmerksamkeit auf Dominique gerichtet. Er fühlte sich unheimlich schuldig Donna gegenüber. „Ja … nein. Mir tut es leid, Donna. Ich mag dich wirklich, aber nicht auf diese Weise. Weißt du, es gibt da dieses Mädchen - “ Er unterbrach sich selbst und hob erneut den Blick. Doch der Korridor war leer, Dominique war verschwunden.
 

„Oh“, war alles was Donna sagte. Ihre Wangen hatten sich rot gefärbt.
 

„Donna, es - “
 

Doch sie hob die Hand, um ihn zum Verstummen zu bringen. „Fred, es ist alles in Ordnung, okay? Es ist zwar das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Korb kriege“, sie lächelte ihn schwach an, “aber ich werde das schon überstehen und wir machen einfach weiter wie zuvor, ja?“
 

Fred zwang sich ebenfalls zu einem kurzen Grinsen, auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte. Er fühlte sich furchtbar, ihm war schlecht und er wollte Dominique suchen. Wollte endlich mit ihr Klartext reden und alles klären, was zwischen ihnen stand.
 

„In Ordnung“, stimmte er Donna zu.
 

Dann war die Referendarin weg und er stand alleine da, als wäre er an Ort und Stelle festgefroren und erstmals wurde ihm klar, wie groß der Fehler war, den er vor drei Jahren gemacht hatte.

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Dominique war es egal, das sie weinend durch die Korridore lief und die Blicke sämtlicher Mitschüler auf sich zog. Sie hörte das Geflüster, doch es kümmerte sie nicht. Alles was sie interessierte, war der fürchterliche Schmerz in ihrer Brust, der ihr wortwörtlich den Atem raubte.
 

Ohne weiter darüber nachzudenken riss sie die nächstbeste Tür auf, an der sie vorüberkam, und schloss sich in dem dahinterliegenden Klassenzimmer ein. Ihr Zauberstab fiel ihr aus der kraftlosen Hand und sie sank einfach auf dem Boden zusammen.
 

Verdammt. Verdammt. Verdammt. Sie verachtete sich für ihre Schwäche. Wie konnte es sie nach drei Jahren nur immer noch so treffen?
 

Die Ravenclaw versuchte ruhig zu atmen, das Schluchzen zu unterdrücken, die Tränen zum Versiegen zu bringen. Und sie hatte sich doch geschworen, nie wieder wegen ihm zu weinen, denn das war er ganz sicher nicht wert. Bis jetzt war ihr das gut gelungen, nicht ein einziges Mal war sie in diesem Schuljahr schwach geworden und hatte sich von ihren Gefühlen übermannen lassen.
 

Doch jetzt, jetzt war alles anders. Er hatte Donna Zabini geküsst. Sie bekam Schluckauf, als sie daran zurückdachte. Die beiden, eng umschlungen in diesem dämlichen Korridor. Wieder beschleunigte sich ihre Atmung. Merlin, sie musste sich beruhigen. Doch stattdessen drangen ihr nur weitere und lautere Schluchzer über die Lippen.
 

Und obwohl sie es sich das gesamte Jahr über so streng verboten hatte, konnte sie sich jetzt nicht gegen die Erinnerungen wehren, die uneingeladen wieder in ihrem Kopf auftauchten und sie überrumpelten.
 

Erinnerungen an all das, was vor drei Jahren gewesen war.

Erinnerungen an sie und Fred.
 

Redend. Lachend. Küssend.
 

Erinnerungen an ihre heimlichen Treffen in alten Klassenzimmern.

Erinnerungen an ihre Gefühle, an das Glück das sie empfunden hatte, wenn sie mit ihm zusammen war.

Erinnerungen an das erste Mal, dass sie mit Fred geschlafen hatte.
 

Sie verbarg ihren Kopf in den Händen. Wie hatte sie nur so dumm sein und sich auf ihn einlassen können? Wo sie ihm doch so offensichtlich nichts bedeutet hatte? Ganz abgesehen davon, dass sie Cousin und Cousine waren.
 

Merlin, sie war gerade einmal 15 Jahre alt gewesen, naiv und unsicher und verliebt. Wie hatte er sie so ausnutzen können? Ihre Schwäche für ihn?
 

Und von einem Tag auf den anderen war er einfach abgehauen. Nach Deutschland, an diese bescheuerte Universität. Ohne ein Wort zu ihr. Nicht einmal einen Brief hatte er ihr geschrieben. Gar nichts, in all den Jahren. Kein einziges Wort.
 

Dann besaß er die Frechheit, einfach hier aufzutauchen und ihr gegenüberzutreten als wäre nie etwas zwischen ihnen gewesen. Wahrscheinlich hatte er in all dieser Zeit nicht einmal daran gedacht, was er ihr angetan hatte. Es war ihm offensichtlich nicht einmal klar, wie sehr er sie verletzt und kaputt gemacht hatte.
 

So kaputt, dass sie seit ihm keinen Freund gehabt hatte. Sich keinem Jungen geöffnet hatte. Immer allein gewesen ist.
 

Verzweifelt trommelte Dominique mit ihren schmalen Fäusten auf den kalten, harten Steinboden ein. Wie sehr sie ihn hasste, ihn verabscheute. Sie konnte gar nicht in Worte fassen, wie gerne sie irgendwo wäre, irgendwo nur nicht hier, in diesem Schloss gefangen mit ihm.
 

Vollkommen erschöpft vom Weinen und Wüten blieb sie einfach auf dem Boden liegen und starrte an die Decke. Ihr tat alles weh, ihre Stimme war heiser, ihr Gesicht rot und feucht vom vielen Weinen.
 

Sie wollte nur einschlafen und nicht mehr über ihn nachdenken müssen. Alles vergessen. Wenn es einen Zaubertrank gäbe, der sie jeden Moment mit Fred für immer vergessen lassen würde - sie würde ihn ohne noch einmal darüber nachzudenken schlucken.
 

Und sie würde es nicht bereuen.

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Nervös lief Alice im Raum der Wünsche auf und ab und wartete auf die Ankunft ihrer Freundinnen. Sie hatte sich den gleichen Raum wie immer gewünscht - drei gemütliche, beige Kuschelsofas vor einem flackernden Feuer und eine große Schüssel mit Chips auf dem Couchtisch.
 

Als sie hört, wie sich die Tür öffnete, wirbelte sie herum. Dominique und Rose kamen auf sie zu, beide mit neugierigen Gesichtsausdrücken.
 

„Hey“, begrüßte Alice die Cousinen und schmiss sich dann auf eines der Sofas. „Ich hab euch heute den ganzen Tag nicht gesehen, deswegen habe ich euch die Eulen geschickt. Ich hab euch etwas erzählen.“
 

Rose nickte und setzte sich ebenfalls. „Ich war heute den ganzen Tag in der Bibliothek, musste noch die Aufsätze für Alte Runen und Zauberkunst schreiben. Bin zwischen drinnen eingeschlafen. Ihr könnt euch den Blick nicht vorstellen, mit dem mich Miss Neatly angesehen hat. Hab vielleicht aus Versehen auf eines der Bücher gesabbert, aber das ist ja nichts, was mich nicht wieder richten könnte.“
 

Die Mädchen lachten einen Moment über die Aussage der Weasley, bevor Dominique das Wort ergriff. „Ich war im Ravenclaw-Turm. Meine Schwester hat mir ein neues Buch geschickt und ich war hin und weg.“ Das war zumindest nicht vollkommen gelogen. Nach ihrem Zusammenbruch hatte sie sich in ihr Bett verkrochen und das Buch gelesen. Viel mitbekommen hatte sie jedoch nicht. „Aber das ist ja jetzt auch egal. Was hast du uns zu sagen, Alice?“
 

Die beiden Weasleys sahen sie mit großen Augen an und Alice rutschte unruhig auf ihrem Platz hin und her. „Niemand weiß etwas von dem, was ich euch jetzt erzählen werde. Und ich möchte, dass es auch so bleibt. Ihr müsst mir schwören, niemandem etwas zu sagen. Nicht einmal Albus. Könnt ihr mir diesen Gefallen tun?“
 

Unter dem ernsten Blick ihrer Freundin nickten die Cousinen und richteten sich auf ihren Plätzen auf. Beiden war bewusst, dass es hierbei nicht um eine Lappalie ging.
 

„Ich … ich bin schwanger.“
 

Bleierne Stille breitete sich über den gemütlichen Raum aus, nur das Flackern des Feuers war noch zu vernehmen. Rose öffnete den Mund, doch sie sagte nichts. Nach einer Weile fuhr Alice mit ihren Ausführungen fort.
 

„Der Grund, warum ich mit Albus Schluss gemacht habe, auch wenn das nie wirklich meine Absicht war, wie ihr wisst, war, dass ich mir darüber klar werden wollte, was ich mit dem Baby machen will. Ich wollte nicht eine dumme Entscheidung treffen, nur weil Albus mich vielleicht auf eine positive Weise beeinflusst, versteht ihr was ich meine? Ich wollte keine Entscheidung treffen, die auf meinen Gefühlen für Al beruht.“ Alice seufzte leise und bettete ein Kissen in ihren Schoß. „Gestern, während des Hogsmead-Ausflugs, war ich bei der Heilerin im Dorf. Ich habe mich bei ihr beraten lassen, über die Möglichkeiten die ich habe. Und ich habe mich entschieden, was ich machen werde.“
 

Rose schaute ihre Freundin mit großen Augen an. „Was hast du vor, Alice?“
 

Die Longbottom knetet das Kissen in ihrem Schoß unruhig, bevor sie leise antwortete: „Ich werde die Schwangerschaft abbrechen.“
 

Dominique sog überrumpelt Luft ein. Rose blieb regungslos.
 

„Ich weiß, dass ihr diese Entscheidung vielleicht nicht unterstützt, aber mal ehrlich, was bleiben mir denn für Optionen.“ Tränen der Hilflosigkeit stiegen Alice in die Augen. „Ich kann das Kind nicht bekommen und behalten und genauso wenig kann ich es nach der Geburt zur Adoption freigeben. Das würde ich niemals über mich bringen. Also würde ich es schlussendlich doch behalten. Rose, Dome, ihr kennt mich doch; ich bin ein chaotisches Mädchen, ich gebe mir keine Mühe in der Schule und habe keinen Plan vom Leben, keine Ahnung was ich in der Zukunft machen will. Ich kann kein Kind bekommen und großziehen. Ich habe nichts was ich ihm geben könnte.“
 

Auch Dominique fühlte die Tränen in ihren Augen brennen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie fürchterlich Alice sich fühlen musste. Mitfühlend beugte sie sich nach vorne und griff nach der Hand der Gryffindor.
 

„Alice“, murmelte sie eindringlich. „Du weißt, dass ich dich bei allem was du tust unterstützen werde. Aber bevor du irgendetwas machst, musst du mit Albus sprechen. Er ist der Vater des Kindes - er hat ein Recht darauf zu erfahren, das es existiert und ein Recht, zu entscheiden, was damit passieren wird.“
 

Doch die Longbottom schüttelte vehement den Kopf. „Auf keinen Fall. Meine Entscheidung steht. Ich habe gleich morgen früh einen Termin bei Heilerin Cooper. Ich werde Albus kein Wort sagen. Warum sollte ich ihn belasten, wenn es schon in 24 Stunden kein Kind mehr geben wird, über das er sich Gedanken machen muss?“
 

„Vielleicht hat sie Recht, Dome. Wenn Albus es nie erfährt, wird er sich nie schlecht oder schuldig fühlen. Die Lösung, die Alice gewählt hat, ist die Beste. Davon bin ich überzeugt“, klinkte sich Rose in das Gespräch ein.
 

Die Ravenclaw schaute ihre Freundinnen ungläubig an. „Wie könnt ihr so etwas sagen? Albus muss es erfahren. Wie könnt ihr denken, es ist besser, so etwas nicht zu wissen? Alice, du kannst nicht einfach handeln so wie du es für richtig hältst. Habt ihr eine Ahnung wie Al sich fühlen wird, wenn er es jemals rausfindet?“
 

„Aber dann ist es sowieso zu spät und er wird nichts mehr dagegen machen können“, argumentierte Alice hitzig.
 

„Und du glaubst, dann wird er sich in irgendeiner Weise besser fühlen? Soll ich dir etwas sagen, das wird er nicht! Es ist schrecklich, nicht zu wissen, warum Menschen Dinge tun. Warum sie Entscheidungen auf eigene Faust treffen und sie nicht mit dir absprechen. Er wird sich verraten fühlen und er wird dich dafür hassen, dass du ihm das Recht genommen hast, mit zu entscheiden“, rief Dominique aufgebracht. „Ich dachte du liebst ihn! Willst du das alles aufgeben? Jede Chance auf eine Zukunft mit ihm wäre verbaut, ist dir das nicht klar?“
 

Rose erhob sich von ihrem Platz und legte Dominique einen beruhigenden Arm auf die Schulter. Sie hatte das Gefühl, dass es hier bereits um viel mehr als nur um Alice und ihre Entscheidung ging, doch darüber konnte sie sich jetzt keine Gedanken machen.
 

„Dome, Alice wird es machen, wie sie es für richtig hält, okay? Es ist nicht unsere Aufgabe, ihr etwas vorzuschreiben. Die Situation ist schwierig genug und sie wird unsere Hilfe und Unterstützung morgen brauchen.“
 

Niedergeschlagen senkte Dominique den Blick. „In Ordnung“, flüsterte sie dann und ließ sich in die Kissen zurückfallen. „In Ordnung. Mach, was du für richtig hältst.“
 

Alice nickte. „Danke, Dome.“
 

Sie war froh, das Gespräch hinter sich zu haben. Nach dem morgigen Tag hätte sie es endlich geschafft. Sie würde sich keine Gedanken mehr um das Kind in ihrem Bauch machen müssen. Alles würde wieder seinen gewohnten Gang gehen und nach ein paar Wochen würde sie vergessen, dass dieses Baby überhaupt jemals existiert hatte.

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tbc

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Dankeschön für alle Kommentare und Favoriteneinträge! :)

Zu Meinungen zu diesem Kapitel wäre ich interessiert, ich bin nämlich ganz schön unzufrieden und mh.

Kapitel Sieben.

Es besser machen.
 

Kapitel Sieben.
 

Als Dominique aufwachte, wusste sie zunächst nicht, wo sie sich befand und auch nicht, warum sie nicht in ihrem Schlafsaal war. Der Raum, in dem sie sich befand, kam ihr nur sehr vage bekannt vor und die Müdigkeit war noch nicht weit genug gewichen, als das sie hätte klar denken können.
 

Doch als die Blondine schließlich ihre beiden besten Freundinnen neben sich wahrnahm, fiel ihr ein, wo sie war und auch warum. Mit einem Mal saß sie aufrecht auf ihrer bequemen Couch und strich sich nervös die Haare aus dem Gesicht.
 

Das schlechte Gewissen übermannte sie von einer Sekunde auf die andere. Sie konnte Alice unmöglich gehen und ihr Vorhaben in die Tat umsetzen lassen. Es war nicht fair. Albus verdiente zu wissen, was vor sich ging. Er verdiente ein Recht, mitzuentscheiden.
 

Mit gerunzelter Stirn und verschlungenen Händen blickte Dominique auf ihre dunkelhaarige Freundin. Wie hatte Alice sie nur in diese Sache mit reinziehen und von ihr Verschwiegenheit fordern können? Das widersprach ihrem gesamten Wesen. Sie log nicht gerne und schon gar nicht war sie unehrlich zu den Menschen, die ihr etwas bedeuteten. Nur ein Geheimnis hatte sie über all die Jahre behalten, aber darüber konnte sie jetzt wirklich nicht nachdenken.
 

Der Ravenclaw war bewusst, dass sie ihre Entscheidung schon längst getroffen hatte. Sie durfte keine Zeit verlieren. Etwas ungeschickt erhob sie sich von ihrem provisorischen Schlafplatz und richtete ihre Kleidung vom letzten Abend. Mit einem simplen Zauber sorgte sie dafür, dass ihre Haare in einen ordentlichen Dutt gebunden waren.
 

Sie wollte gerade den Raum verlassen, als eine schlaftrunkene Stimme sie zurückhielt. Mit zitternden Händen drehte sich Dominique zu ihrer Cousine um.
 

„Was hast du vor, Dome? Du hast Alice versprochen, das alles für dich zu behalten.“ Rose‘ Augen funkelten sie streng an.
 

„Ich habe nicht vor, Albus etwas zu sagen“, log Dominique sie an und spürte die Röte in ihre Wangen steigen, doch Rose schien es nicht wahrzunehmen. „Ich möchte nur nicht den Unterricht schwänzen und mich wegschleichen. Du weißt, dass ich das nicht tue.“ Und diese Worte waren keine Lüge. Es war einfach nicht ihre Art, unentschuldigt und ohne Grund zu Fehlen. „Sag Alice, dass ich ihr alles Gute wünsche und, dass schon alles gut werden wird. Ich sehe euch dann heute Abend.“
 

Und ohne Rose noch die Chance auf eine Erwiderung zu geben, verließ sie den Raum und schlug die Tür hinter sich zu.
 

Sie hielt einen Moment inne um tief durchzuatmen. Das was sie jetzt vorhatte, würde Alice ihr niemals verzeihen. Sie würde eine geliebte Freundin verlieren. War die Wahrheit das wert? War Alice‘ Weg am Ende vielleicht doch der Bessere? Der Leichtere für alle Beteiligten?
 

Aber nein, Dominique hatte ihre Wahl getroffen. Mit entschlossenen Schritten machte sie sich auf den Weg zu den Kerkern. Im Schloss herrschte schon Hektik und ihr fiel auf, dass sie keine Ahnung hatte, wie spät es eigentlich war. Wahrscheinlich war Albus schon längst in der Großen Halle und frühstückte.
 

Also änderte sie ihren Kurs und rannte zu ihrem neuen Ziel. Tatsächlich fand sie ihn fünf Minuten später neben Scorpius und anderen Freunden aus seinem Haus am Slytherintisch. Sie hielt sich zwar nicht gerne bei den Schlangen auf, aber darauf konnte sie nun wirklich keine Rücksicht nehmen.
 

„Albus!“, rief sie ihm schon aus zehn Metern Entfernung entgegen. Der Kopf des Potters schoss nach oben und er suchte die Menge nach ihr ab. Als er sie schließlich entdeckte winkte er etwas verdutzt zu.
 

Keuchend kam sie vor seinem Platz zum Stehen und drückte beide Hände in ihre linke Seite, um das aufkommende Seitenstechen zu verhindern.
 

„Ich darf dir das eigentlich nicht sagen und Alice wird mich dafür bis zum Ende aller Tage hassen und nie wieder mit mir reden, aber ich kann das einfach nicht für mich behalten. Es geht nicht. Es ist einfach nicht in Ordnung. Ich muss mit dir Reden. Komm mit, bitte!“
 

Sie wartete nicht auf seine Zustimmung, sondern eilte einfach wieder aus der Großen Halle hinaus, wo sie auf ihren Cousin wartete. Mit einem vollkommen verwunderten Gesichtsausdruck trat er schließlich neben sie. Unruhig lief sie einige Schritte hin und her, bevor sie sich ihm zuwandte und ihre Hände auf seine Schultern legte, um sich selbst zu beruhigen.
 

„Alice, es ist … sie hat einen Termin bei der Heilerin im Dorf. Ich sollte nichts sagen, aber ich kann nicht zulassen, dass du niemals etwas davon erfährst. Du hast doch ein Recht darauf.“ Kopfschüttelnd blickte sie ihrem Cousin in die grünen Augen.
 

Albus wirkte von Minute zu Minute verwirrter. „Dome, ich habe nicht die leiseste Ahnung wovon du sprichst. Nimm es mir nicht Übel, aber eigentlich ist es mir auch egal, was Alice macht. Wir sind nicht mehr zusammen und es geht mich nichts an wohin sie geht - "
 

„Herrje, Al“, fiel sie ihm aufgebracht ins Wort. „Es kann dir nicht egal sein und es geht dich etwas an, mehr als du jemals glauben würdest. Sie ist schwanger und sie will das Kind abtreiben lassen. Jetzt gleich.“ Sie flüsterte die letzten Worte und senkte dann beschämt den Kopf. Selten hatte sie sich so mies gefühlt. Merlin, sie hatte es Alice versprochen, aber was konnte sie tun? Es war einfach das Richtige.
 

Albus stand wie vor den Kopf gestoßen vor ihr. Einen Moment dachte Dominique, er würde vielleicht ohnmächtig werden oder irgendwie durchdrehen, irgendetwas eben. Das er aber gar kein Lebenszeichen mehr von sich gab, verunsicherte sie.
 

„Albus. Al, bitte! Ist alles okay?“ Ihre Stimme klang eindringlich und sie griff nach seinen kühlen Händen, um sie zu drücken. „Bitte sag etwas.“
 

Und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, schnappte der Slytherin aus seiner Trance.
 

„Bring mich sofort zu ihr.“ Das war alles was er sagte und seine Stimme klang nicht ein bisschen wie seine eigene.
 

Die Blondine zögerte nicht und zog ihn hinter sich her die Marmortreppen nach oben. Sie konnten keine Zeit mehr verlieren, sonst wären Alice und Rose verschwunden. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen sie beim Raum der Wünsche an und nach dem zweiten Sprint an diesem Morgen fühlte sich Dominique kurz vor dem Zusammenbruch.
 

Mit wackelnden Knien und der Angst vor der Wut und Enttäuschung ihrer Freundinnen schritt sie dreimal vor der kahlen Wand auf und ab, in Gedanken bei dem Raum den sie vor etwa zwanzig Minuten verlassen hatte. Doch als sich die Tür öffnete, war niemand mehr vorzufinden.
 

Verzweifelt schaute sie sich nach Albus um, der sie ausdruckslos und fassungslos zugleich ansah, falls das überhaupt möglich war.
 

„Ich muss nach Hogsmead. Wo genau sind sie hin, Dome?“, verlangte er dann mit hölzerner Stimme zu wissen.
 

„Zu Heilerin Cooper. Ihre Praxis liegt etwas abseits der Hauptstraße, aber sie ist nicht zu übersehen.“
 

Albus nickte knapp und dann rannte er los. Mit hängenden Schultern und klopfendem Herzen sah sie ihrem Cousin nach, ihr Atem ging noch immer schwer vom Rennen.

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Ohne Schwierigkeiten, schafften es Alice und Rose in den Geheimgang, der nach Hogsmead führte. Sie hatten sich für den Geheimgang durch den Buckel der alten Hexe im dritten Stock entschieden, denn keine der beiden Gryffindors hatte so früh am Morgen Lust, sich mit der Peitschenden Weide zu messen und die Möglichkeit, auf den Ländereien bei Tageslicht erwischt zu werden war noch dazu ziemlich hoch.
 

Rose hielt die ganze Zeit über Alice‘ Hand. Die Longbottom hatte den ganzen Morgen noch kein Wort gesprochen und auf jede Frage von Rose nur den Kopf genickt oder geschüttelt.
 

Sie erreichten nach einer guten halben Stunde den Lagerkeller des Honigtopfes und schlichen sich glücklicherweise vollkommen unerkannt aus dem Laden, der noch nicht einmal geöffnet hatte. Rose spürte Alice‘ Anspannung und wünschte, sie könnte ihrer Freundin irgendwie helfen. Aber was konnte sie schon sagen? Was brachten Alice jetzt schon leere Worte und Versprechungen?
 

Das gesamte Zaubererdorf war vollkommen ausgestorben und bot damit einen völlig anderen Anblick als am Samstag, wo sich beinahe die gesamte Schule hier herumgetrieben hatte. Alles war still und unberührt und weckte in beiden Mädchen ein beklemmendes Gefühl.
 

Auch in der Praxis von Heilerin Cooper war kaum jemand anzutreffen. Am Empfang saß, wie schon am Samstag, Trixi mit den blonden Haaren und den perfekt manikürten Fingernägeln. Sie lächelte freundlich.
 

„Guten Morgen“, grüßte sie und blickte dann auf ihre Unterlagen. „Alice Longbottom, richtig?“
 

Alice nickte zaghaft und bohrte dabei die Fingernägel ihrer rechten Hand in ihren linken Arm.
 

„Heilerin Cooper wartet schon auf dich. Deine Freundin kann dich gerne begleiten. Im Behandlungszimmer wird die Heilerin dir dann die ganze Prozedur erklären und in etwa einer Stunde kannst du schon wieder gehen.“
 

Ohne ein weiteres Wort betrat Alice das Zimmer, in dessen Richtung Trixi sie gelotst hatte. Rose ging dicht hinter ihr. Als die beiden Mädchen eintraten, erhob sich die brünette Heilerin und gab ihnen die Hand.
 

„Hallo Alice, es ist schön dich wieder zu sehen.“
 

Dieses Gefühl beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Die Longbottom fühlte sich schrecklich und am liebsten wäre sie schreiend zur Tür hinausgerannt, nur weg von hier. Doch sie zwang sich zu einem fürchterlichen Lächeln und ließ sich neben Rose auf einen Stuhl fallen.
 

„Wie ich sehe, hast du heute eine andere Begleitung mitgebracht“, fuhr die Heilerin unbeirrt fort.
 

„Ich bin Rose“, stellte sich die Rothaarige höflich vor, bevor sie Alice einen fragenden Blick zuwarf. Verdammt, dachte die Longbottom. Daran, dass Scorpius sie das letzte Mal hierhin begleitet hatte, hatte sie überhaupt nicht gedacht. Natürlich war Mrs. Cooper ein wenig verwirrt, doch Alice kümmerte sich nicht weiter darum. Eigentlich war es ihr sowieso alles vollkommen gleich; sie hatte momentan andere Probleme und so beschloss sie Rose‘ Blick einfach zu ignorieren. Sie würde jetzt nicht mit Scorpius beschäftigen, denn das würde sie an Albus erinnern und sie konnte jetzt unmöglich an den Potter denken. Nicht, wenn sie das hier reibungslos über die Bühne bringen wollte.
 

„Nun gut, ich werde dir also kurz erklären, was wir heute vorhaben. Dann musst du zwei Formulare unterschreiben und dann geht es los. Trixi hat dir sicherlich schon gesagt, dass wir nicht besonders lange brauchen werden?“ Alice nickte und verschränkte ihre Hände im Schoß.
 

Auch die Heilerin nickte und begann dann über das bevorstehende Verfahren zu erzählen. Alice verstand zum größten Teil überhaupt nichts, die ganzen Fachwörter verwirrten sie, doch am Ende war ihr klar, dass sie wohl irgendeinen Trank einnehmen musste, der etwa fünf Minuten brauchte, bis er zu wirken anfing. Und dann, eine viertel Stunde und einige Bauchkrämpfe später, wäre alles vorüber.
 

„Hast du noch Fragen, Alice? Ist dir irgendetwas unklar?“ In einer heftigen Bewegung schüttelte Alice den Kopf, wobei ihre braunen Haare haltlos um ihren Kopf flogen.
 

„Sehr gut. Dann unterschreibe doch bitte die beiden Formblätter, während ich den Trank besorgen gehe. Lies dir bitte alles genau durch!“
 

Die Longbottom musste sich sehr konzentrieren, den Inhalt der Worte auf den beiden Pergamentblättern nachzuvollziehen. Nach mehrmaligem Lesen wusste sie immer noch nicht genau, worum es ging, doch sie schnappte sich eine Feder und unterschrieb trotzdem. Dann nutzte sie die kurze Abwesenheit der Heilerin um ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Nur nicht hyperventilieren. Nicht durchdrehen. In weniger als einer Stunde war schon alles vorbei und sie konnte ihr Leben einfach weiterführen wie zuvor.
 

Rose griff wieder nach ihrer Hand und malte beruhigende Kreise auf ihren Handrücken. Im selben Moment öffnete sich die Tür und Mrs. Cooper kam mit einer kleinen Viole voll klarer, orangener Flüssigkeit zurück.

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Albus kaum noch einen klaren Gedanken. Sein Kopf schwirrte und alles schien sich immer mehr zu drehen. Dennoch rannte er so schnell, wie selten zuvor in seinem Leben. Es kam ihm vor, als würde er im Kreis rennen, denn der Geheimgang zum Keller des Honigtopfes wollte einfach kein Ende nehmen. Vielleicht war Merlin höchstpersönlich gegen ihn.
 

Er versuchte noch immer, mit dem, was Dominique ihm so unvermittelt gesagt hatte, umzugehen.
 

Noch viel mehr wollte er jedoch verstehen, wie Alice ihm das alles antun konnte. Was dachte sie sich dabei, ihn im Dunklen zu lassen und alle Entscheidungen selbst zu treffen? Wieso hatte sie denn bloß nicht mit ihm geredet?
 

Natürlich, weil er sich dagegen gewehrt hatte und ihr immer aus dem Weg gegangen war. War das alles hier im Endeffekt seine Schuld? Hatte er sie dazu getrieben? Hatte er ihr das Gefühl gegeben, dass ein Schwangerschaftsabbruch die einzige Möglichkeit war? Das er nicht für sie da sein würde? Das auf ihn kein Verlass sei?
 

Schnaufend wischte sich der Potter den Schweiß von der Stirn und Erleichterung durchströmte ihn, als er endlich den gewohnten Anstieg des Weges fühlte. Kurz darauf schob er die Bodenplatte beiseite und kletterte in den dunklen, unterirdischen Raum.
 

Er hielt eine Minute inne, um neue Energie zu sammeln. Noch dazu musste er aufpassen, nicht von den Besitzern des Ladens erwischt zu werden. Das würde ihm heute gerade noch fehlen.
 

Noch immer von Vorwürfen geplagt, schlich er sich ins Freie. Der frische Oktoberwind wehte ihm hart ins Gesicht und da er ohne Mantel losgegangen war, übermannte ihn die Kälte sogleich.
 

Er ließ sich nicht aufhalten, verfiel erneut in einen Sprint und hoffte sehnlichst, dass er nicht zu spät kommen würde. Das könnte er sich niemals verzeihen.

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Das Dominique die erste Unterrichtsstunde an diesem Morgen bei Professor Longbottom hatte, trug nicht dazu bei, dass sich ihr schlechtes Gewissen besserte. Immerhin hatte Alice die Augen ihres Vaters. Ob Albus wohl schon angekommen war und Alice sie mittlerweile in die tiefste Hölle fluchen wollte? Sie würde es verstehen. Noch nie zuvor hatte sie eine ihrer Freundin auf diese Weise enttäuscht und verraten. Doch was nützte es ihr jetzt noch, sich weiter Gedanken darüber zu machen? Es war zu spät, um noch irgendetwas rückgängig zu machen und selbst wenn sie es könnte, würde sie es nicht tun.
 

Also redete sie sich selbst ein, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte und erhob sich vom Ravenclawtisch. Sie hatte bis jetzt keinen Bissen hinunterbekommen und bezweifelte, dass sich das noch ändern würde. Stattdessen machte sie sich auf den Weg zu ihrem Turm, um sich endlich umzuziehen und ihre Bücher zu holen.
 

„Dominique!“
 

Oh Merlin, schoss es ihr durch den Kopf. Das hatte ihr ja gerade noch gefehlt. Sie machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen und ging stur geradeaus weiter. Nein, nein, nein! Sie konnte, wollte und sollte sich jetzt nicht mit Fred auseinandersetzen.
 

Das schien ihr bescheuerter Cousin jedoch anders zu sehen. Sie spürte, wie sich seine warme Hand um ihren Arm schloss und er sie überraschend sanft dazu bewegte, anzuhalten. Für einige Sekunden war sie zu geschockt von dem Gefühl seiner schmalen Finger auf ihrer Haut, bevor sie sich innerlich selbst ohrfeigte und von ihm losriss.
 

„Fass mich nicht an!“, spie sie ihm entgegen und nahm Abstand von ihm. In seinen blauen Augen blitzte etwas auf, das sie nicht deuten konnte und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann wollte sie es auch nicht. Je mehr Gedanken sie sich über Fred Arschloch Weasley machte, desto mehr würde das alles sie belasten. Verdrängung war in diesem Falle noch immer die beste Strategie.
 

„Können wir reden? Bitte?“
 

Sie verschränkte die Arme vor der Brust, was nicht zuletzt dazu diente, ihre zerknitterte Bluse zu verdecken. Bilder schossen ihr ungefragt in den Kopf. Bilder, von Fred und Donna, verschlungen in einer Umarmung. Und gleich darauf Bilder von ihr selbst und Fred, in genau derselben Position. Sie blinzelte heftig, in der Hoffnung, dass diese fürchterlichen Erinnerungen vor ihrem geistigen Auge verschwinden würden. Sie richtete ihre Wut auf Fred.
 

„Das kommt mir vor, wie ein Déjà-vu. Ich glaube, ich hatte dir schon beim letzten Mal klar gesagt, dass wir beide absolut nichts mehr miteinander zu besprechen haben. Du widerst mich an, Fred, und ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Nie wieder, verstehst du das?“
 

Der Schwarzhaarige verengte die Augen zu Schlitzen. „Nein, Dome, das verstehe ich nicht und ich akzeptiere es auch nicht. Du kannst nicht ewig vor diesem Gespräch wegrennen.“
 

Das brachte sie zu einem trockenen Lachen. „Oh, mit dem Wegrennen kennst du dich ja aus.“
 

Sie sah, wie er schwer schluckte und verspürte einen Hauch Genugtuung.
 

„Was ist nur mit dir passiert, Dome? Seit wann bist du so ein verbittertes, sarkastisches Mädchen?“, fragte er sie und sein Ton hätte Dominique beinahe schwach werden lassen. Wie konnte es sein, nach all dieser Zeit und all dem was passiert war, dass er noch immer eine solche Wirkung auf sie ausübte? Das was einfach nicht fair!
 

„Für gewöhnlich bin ich nicht so. Es scheint, als würde deine Gegenwart nur meine schlechtesten Seiten zum Vorschein bringen. Wie das bloß kommt?“
 

Fassungslos starrte Fred sie weiterhin an. Doch diesmal erwiderte er nichts auf ihre Bemerkung. Die blonde Ravenclaw hatte sich bereits zum Gehen umgewandt, als sie noch einmal innehielt. Sie seufzte kurz, bevor sie ihrem Cousin über die Schulter ins Gesicht sah.
 

„Ich verstehe es nur einfach nicht, weißt du. Egal wie ich es drehe und wende, ich sehe den Fehler nicht. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe; was wir falsch gemacht haben und warum es so gekommen ist. Aber ich habe es auch satt, mir darüber Gedanken zu machen. Ich muss wohl einfach über die Vergangenheit hinwegsehen und damit klarkommen, dass du ein Teil meines Lebens bist, ob ich das will oder nicht.“ Ihre Stimme hatte jegliche Kälte und allen Spott verloren. Sie klang besiegt, wofür sie sich selbst verachtete.
 

Als sie davon marschierte, war sie froh, dass Fred sie nicht noch einmal ansprach.

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Die Hand, in der Alice die Phiole mit dem Zaubertrank hielt, zitterte fürchterlich. Sie war immer noch davon überzeugt, dass Richtige zu tun, dennoch brachte sie diesen endgültigen Schritt einfach nicht über sich. Wenn ihr einfach irgendjemand diese Flüssigkeit einflössen würde, dann wäre das alles nur halb so schwer.
 

Heilerin Cooper hatte angeordnet, dass sich Alice auf eine Liege in der Ecke des Raumes legte, so lange der Trank wirkte. Rose hatte sich zu ihr ans Fußende gesetzt und den Blick aus dem naheliegenden Fenster gerichtet. Die Longbottom wusste, dass Rose angespannt war und sie war ihr so dankbar, dass sie das alles hier trotzdem mit ihr gemeinsam durchstand. Sie war Dominique nicht böse, dass sie sie nicht begleitet hatte. Es war einfach nicht ihre Art, im Unterricht zu fehlen und Alice wusste, dass sie trotzdem an sie dachte.
 

„Nimm den Trank einfach, sobald du dich dafür bereit fühlst. Ich gehe nach einer anderen Patientin sehen, aber ich bin gleich nebenan, also wenn du etwas brauchst, dann schick Rose zu Trixi oder mir.“ Die Heilerin drückte kurz Alice’ Schulter, bevor sie den Raum verließ.
 

Die beiden Gryffindors schwiegen und verharrten in ihren jeweiligen Positionen. Erst als Alice den Korken mit einem leisen Plopp aus der Phiole löste, schaute Rose sie wieder an. Ihr Blick war durchdringend.
 

„Ich vertraue darauf, dass du die richtige Entscheidung für dich getroffen hast, Alice. Und du weißt, ich unterstütze dich und stehe hinter dir. Aber wenn du Zweifel hast, wenn du dir nicht absolut und vollkommen sicher bist, dann musst du das nicht tun. Ich will nur, dass du weißt, dass du immer noch andere Möglichkeiten hast und das du alles schaffen kannst.“
 

Ein schwaches Lächeln erschien auf Alice‘ Gesicht. „Danke, Rose. Aber ich bin mir wirklich hundertprozentig sicher. Das ist die richtige Entscheidung. Ich wünschte nur, das alles würde anders ablaufen.“
 

Rose nickte mitfühlend und nahm ihre Freundin dann sanft in die Arme, darauf bedacht, das kleine Glasfläschchen nicht zu zerbrechen oder runterzuwerfen. Nach einem Kuss auf die Wange ihrer Freundin zog sich Rose wieder ans Fußende zurück.
 

Alice hob die Phiole langsam zu ihren Lippen, als die Tür mit einem lauten Knall aufflog. Erschrocken zuckte die Longbottom zusammen und ließ das Gefäß beinahe aus ihrer Hand fallen. Mit geweiteten Augen starrte sie auf die Figur im Türrahmen und spürte, wie ihr Herz ein paar entscheidende Tackte aussetzte.
 

„Was machst du hier, Albus?“, stellte Rose nach einem Augenblick dir Frage, die Alice selbst nicht über die Lippen brachte. Sie war zu sehr damit beschäftigt, das Atmen nicht zu vergessen.
 

„Dominique hat mir alles erzählt. Warum ich hier bin, dürfte wohl auf der Hand liegen“, erklärte der Potter und obwohl in seinen grünen Augen ein Sturm tobte, war seine Stimme ruhig.
 

Rose zappelte unruhig auf ihrem Platz und sagte schließlich, dass sie draußen warten würde. Die Tür schloss sich nach der Rothaarigen und Albus und Alice waren erstmals seit Wochen wieder alleine in einem Raum.
 

„Du hättest es mir sagen können, weißt du“, meinte Albus, während er ein paar Schritte auf die Liege zukam. Alice war heiß und kalt zugleich. Sie erkannte, dass seine Haare schweißnass waren und seine Brust sich schwer hob und senkte. Offensichtlich war er gerannt. „Ich war zwar ein dämlicher Idiot in den letzten Wochen, aber ich dachte, du würdest mich gut genug kennen um zu wissen, dass ich Verantwortung übernehmen und für dich da sein würde. Ich dachte, du wüsstest, dass du dich auf mich verlassen kannst.“ Ein enttäuschter Ausdruck trat in seine Augen und Alice konnte ihn nicht länger ansehen.
 

Stattdessen sprach sie zur Wand: „Das war ja der Grund, warum ich es dir nicht gesagt habe. Ich wollte nicht, dass du dich mir gegenüber verpflichtet fühlen musst und ich wusste, genau das würdest du.“
 

„Was wäre denn falsch daran, Alice?“
 

Mit Tränen in den Augen wandte sie sich wieder ihrem Ex-Freund zu, schaute jedoch auf den Boden. „Ich wollte nicht, dass du wieder mit mir zusammen kommst, nur weil du denkst, dass du das wegen dem Kind musst. Du bist mir nichts schuldig. Außerdem gibt es noch andere Gründe. Ich dachte, wenn ich das Kind abtreibe und dir nie davon erzähle, dann wirst du dich deswegen auch niemals schlecht fühlen. Ich wollte dich schützen, denn ich weiß, dass alles schwieriger wird, als ich mir jetzt vormache. Aber warum solltest du diesen Schmerz auch durchmachen müssen, wenn ich ihn ebenso gut alleine tragen kann? Und zuletzt hab ich vermutet, wenn du davon erfährst, dann rätst du mir, was ich tun soll. Aber ich wollte diese Entscheidung alleine treffen, sie sollte nicht von positiven oder negativen Gefühlen beeinflusst werden. Ich wollte das Richtige tun. Und ich glaube wirklich, dass dieser Weg der Beste für uns alle ist.“
 

Als Alice aufsah, war sie überrascht, dass auch in Albus‘ Augen Tränen zu sehen waren. Sie wusste, dass er sich zusammenriss.
 

„Es tut mir Leid, Al. Ich wollte dich nicht hintergehen. Wirklich nicht.“
 

„Und mir tut es leid, dass du bis jetzt alles alleine durchmachen musstest. Ich wünschte ich wäre für dich da gewesen und hätte dir irgendwie helfen können.“
 

Die Gryffindor spürte wie feucht ihre Wangen waren und realisierte erst dann, dass sie schon länger stumm weinte. Sie hielt das Fläschchen mit der orangenen Flüssigkeit vor ihre Augen und schluchzte leise.
 

„Weißt du, es hilft mir, dass du jetzt hier bist.“ Dann, nach einer Pause, fügte sie hinzu: „Meinst du nicht, dass es die beste Lösung wäre, wenn ich das Zeug hier einfach trinke und alles beende?“
 

In Albus‘ Gesicht lag ein Ausdruck tiefer Traurigkeit, der Alice beinahe erneut das Herz zerbrach. Doch er nickte. „Ich wünschte es wäre anders, aber was haben wir schon für eine Wahl. Wir sind noch lange nicht bereit, Eltern zu werden.“
 

„Das sehe ich auch so“, erwiderte Alice und schniefte leise. „Aber genau so wenig kann ich das Kind weggeben. Das würde ich niemals über mich bringen und letztendlich würde ich es doch behalten. Wie ich es drehe und wende, entweder ich unternehme diesen Schritt oder ich werde in sechs Monaten eine Mum, ob ich will oder nicht.“
 

„Du musst dich nicht rechtfertigen, Ali. Ich bin mit allem einverstanden, was du vorhast. Ich weiß, dass du das Richtige tun wirst.“
 

Er trat den letzten Schritt auf sie zu und nahm ihre Hand fest in seine eigene. Alice suchte in seinen Augen nach der letzten Bestätigung und Stärkung, die sie brauchte, bevor sie die Phiole ein letztes Mal hob, ansetzte und dann mit zwei Schlucken ausleerte. Sie ließ sich auf die harte Liege zurücksinken und wartete auf die Schmerzen. Sie weinte nun ohne Zurückhaltung und Albus schwieg mit zusammengepressten Lippen.
 

Als die Bauchschmerzen einsetzten, krümmte sie sich zusammen und versuchte, keine Geräusche von sich zu geben. Sie war Albus unendlich dankbar, dass er die ganze Zeit über an ihrer Seite blieb und sich schließlich sogar neben sie auf die Liege legte, um sie in den Armen zu halten. Sie schmiegte sich an ihn und sein typischer Geruch ließ sie für ein paar winzige Momente vergessen, dass er nicht mehr ihr Freund war und das sich trotz allem was hier gerade passierte, doch nichts an ihrer Situation ändern würde.
 

„Danke, Albus“, murmelte sie und als Antwort küsste er sie sanft auf die Stirn.
 

Und dann war es vorbei.

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tbc

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Dankeschön für alle Reviews und Favoriteneinträge! :)

Mich würde interessieren, ob ihr Alice' Entscheidung nachvollziehen könnt oder ob ihr euch eine andere gewünscht hättet?!

Kapitel Acht.

Es besser machen.
 

Kapitel Acht.
 

Rose hatte eine Weile im Wartezimmer von Heilerin Cooper gewartet und sich schließlich entschlossen, alleine zurück zum Schloss zu gehen. Alice und Albus hatten sich im Behandlungszimmer noch nicht lautstark angeschrien und keiner von beiden war blutend aus dem Raum gestolpert, was sie als gutes Zeichen wertete. Die beiden würden schon die richtige Entscheidung treffen, gemeinsam, so wie es sein sollte. Sie hatte hier nichts mehr verloren.
 

Mit hängenden Schultern machte sie sich auf den Weg zum Honigtopf und durch einen Desillusionierungszauber gelang es ihr, unbemerkt in den Geheimgang zu verschwinden und sich in Ruhe auf den Rückweg zu machen. Auch wenn sie ihre Freundin und ihren Cousin immer weiter hinter sich zurückließ konnte sie nicht verhindern, dass ihre Gedanken um die beiden kreisten. Sie wünschte, es stände in ihrer Macht, die Situation für die beiden zu vereinfachen. Denn Rose wusste, für was auch immer die beiden sich entscheiden würden, ihre Leben würden sich grundlegend verändern. Aber da mussten sie beiden wohl durch. Keiner konnte ihnen diese Last der Entscheidung und ihrer Folgen abnehmen.
 

Viel schneller als erwartet kam die Gryffindor schließlich am Ende des Gangs an und kletterte etwas mühsam aus dem Buckel der alten Hexe. Gerade hatte sich das Loch hinter ihr wieder geschlossen und sie ihren Umhang vom groben Schmutz befreit, als ausgerechnet Scorpius Malfoy um die Ecke bog. Mit vor der Brust verschränkten Armen und grimmigem Gesichtsausdruck kam er auch sogleich auf sie zugeeilt und tatsächlich war sie in diesem Moment froh, dass er ihr die Möglichkeit bot, an etwas anderes zu denken. Zumindest hatte sie das gedacht.
 

„Wo sind Albus und Alice?“, fragte er gerade heraus, ohne sich an einer Begrüßung aufzuhalten.
 

Rose zog die Augenbrauen zusammen. „Ich wüsste gerne, was dich das angeht, Malfoy?“
 

„Mehr als du vielleicht denkst. Sind sie bei Heilerin Cooper? Haben sie sich entschieden?“
 

Der Weasley wäre beinahe die Kinnlade heruntergefallen. Woher wusste denn Malfoy bitteschön von Alice? Immerhin hatte es Albus gerade erst an diesem Morgen erfahren! Und sowieso, woher kannte

Malfoy den Namen von Alice‘ Heilerin? Was hatte sie verpasst?
 

„Konnte Dome ihre Klappe wieder nicht halten?“, hakte sie schließlich misstrauisch nach.
 

„Wie kommst du denn jetzt auf Dominique?“ Malfoy schien verwirrt. Und sie war es auch.
 

„Woher weißt du von Alice?“, verlangte Rose dann frei heraus zu wissen.
 

Scorpius‘ Gesicht nahm einen selbstgefälligen Ausdruck an. „Sie hat es mir erzählt. Vor Wochen schon. Wir waren am Samstag gemeinsam bei Heilerin Cooper wegen eines Beratungsgespräches.“
 

„Wie bitte?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme eine Oktave nach oben rutschte. Das war doch nicht sein Ernst! „Wieso sollte Alice sich dir anvertrauen, bevor sie zu mir oder Dome kommt? Das ist wirklich absurd, Malfoy!“
 

Die Augen des Slytherins verengten sich zu Schlitzen. „Vielleicht hat sie euch einfach nicht genug vertraut? Sagtest du nicht gerade etwas von Dome, die ihre Klappe nicht halten kann?“ Er grinste süffisant.
 

Wut brach über Rose herein wie eine Welle eiskaltes Wasser. „Alice kann uns immer vertrauen und das weiß sie auch. Wer weiß aus welchem Grund sie zu dir kam, aber es lag bestimmt nicht an deinem großen Herzen. Und überhaupt, wenn du es schon so lange wusstest, warum musste Albus es dann heute Morgen von Dominique erfahren und ist gerade so im letzten Moment aufgetaucht, um mit Alice zu reden?“
 

Nun war es an Scorpius überrascht zu schauen und in diesem Augenblick ließ er sogar die Arme vor seiner Brust sinken. „Alice hat es Albus nicht persönlich gesagt? Aber sie hat mir versprochen, dass sie das machen würde. Sie hat versprochen, die Entscheidung nicht alleine zu treffen, sondern mit ihm.“
 

Rose‘ Stimme war kühl als sie antwortete. „Tja, da hat sie dich offensichtlich belogen.“
 

„Dieses Miststück!“
 

„Ach halt die Klappe, Malfoy. Kann doch keiner was dafür, dass du so leichtgläubig bist. Es war so klar, dass sie Albus kein Sterbenswörtchen sagen würde.“
 

Scorpius schüttelte kurz den Kopf, bevor er seinen Blick wieder auf sie fokussierte. „Wie auch immer. Zumindest muss ich mich jetzt nicht mehr mit ihr beschäftigen.“
 

Rose wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie war noch immer verärgert. Über Alice, die zu Malfoy statt zu ihr gekommen war; über Malfoy, der alles wusste und niemandem etwas gesagt hatte und über diese ganze Situation, die sie so hilflos machte. Und sie konnte dieses Gefühl nicht ausstehen. Sie brauchte Ablenkung und eine Gelegenheit, all ihre Gefühle herauszulassen.
 

„Malfoy, ich kann selbst nicht glauben, dass ich diese Worte sage, aber hast du eventuell Lust auf Sex?“
 

Scorpius sah sie mit gerümpfter Nase an, bevor er die Augen verdrehte und ruckartig nickte.
 

„Du hast es wirklich nötig, Weasley!“
 

Ein kühles Lächeln schlich sich über die Lippen der Gryffindor.
 

„Fick mich einfach, Malfoy!“

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Albus hatte sich schon gedacht, dass Rose nicht warten würde und es störte ihn nicht. Wahrscheinlich wollte sie ihm und Alice ein wenig Zeit allein geben, zum Reden. Und er war ihr dankbar dafür. Er hielt Alice‘ Hand, während die beiden die Praxis der Heilerin verließen und ein Stein fiel ihm vom Herzen, als die Tür hinter ihnen endlich ins Schloss fiel.
 

Ihm war fürchterlich schlecht und am liebsten hätte er sich an der nächsten Straßenecke übergeben, aber er riss sich zusammen. Seine Augen wanderten wieder und wieder besorgt über die Longbottom an seiner Seite. Seit Ewigkeiten hatte sie nichts mehr gesagt und langsam wurde er unsicher. Mrs. Cooper hatte ihm beim Verlassen des Untersuchungszimmers erklärt, dass sie eventuell eine Art Schock haben könnte. Er solle sich aber keine großen Gedanken machen, früher oder später würde sie wieder anfangen zu reden und ihre Umgebung wahrzunehmen. Doch der Potter konnte diese Tatsache nicht einfach hinnehmen. Alice‘ Abwesenheit beunruhigte ihn.
 

Er führte sie in Richtung Hauptstraße und dachte über irgendetwas nach, dass er ihr sagen konnte. Etwas, das sie zu einer Reaktion bringen würde.
 

„Alice?“, fragte er nach einer Weile, weil ihm nichts Besseres einfallen wollte. „Kannst du mir irgendetwas sagen? Kann ich irgendetwas tun? Brauchst du irgendetwas? Bitte, sag nur irgendetwas.“ Seine Stimme klang flehend, aber sie schien ihn überhaupt nicht zu hören.
 

Also liefen sie weiterhin schweigend die wenig bevölkerte Hauptstraße entlang. Der Slytherin fühlte einige Augenpaare auf sich und wusste, dass er sofort als der Sohn von Harry Potter erkannt wurde. Fantastisch. Das hatte ihm gerade noch gefehlt - gaffende Leute, die am liebsten sofort zur nächsten Zeitung laufen und ihre Beobachtungen mitteilen würden. Als würden während der Sommerferien nicht genügend Artikel über ihn in der Klatschpresse veröffentlicht werden. Doch diese Geschichte hier wäre anders - zum einen wäre sie zur Abwechslung mal wahr, zum anderen wäre sie wirklich vernichtend für Alice und für ihn. Er senkte den Kopf und zog Alice an den Rand der Straße, zu den Schaufenstern, um ihnen ein wenig Deckung zu garantieren.
 

Auf einmal blieb Alice stehen, was den Slytherin wieder aufschauen ließ. Ihr Blick war jedoch nicht auf ihn gerichtet, nicht einmal in seine Richtung. Sie starrte in das Schaufenster zu seiner linken. Dann ließ sie seine Hand los und stürmte in das Geschäft. Mit klopfendem Herzen stürzte Albus ihr hinterher und versuchte sie zwischen den zahlreichen Kleiderständern auszumachen. Er erblickte ihre unordentlichen, schwarzen Haare weiter hinten im Laden. Ohne auf die Worte der Verkäuferin einzugehen, lief er seiner Ex-Freundin hinterher.
 

„Alice!“, sagte er, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber sie reagiert nicht. In ihren Händen hielt sie ein rotes Kleid mit schwachem, weißem Blümchenmuster, dass sie ausdruckslos anstarrte. Normalerweise nicht ihr Kleidungsgeschmack, war alles was ihm durch den Kopf ging. Wie in Trance ließ Alice das Kleid fallen und griff nach einem weiteren Kleiderbügel, diesmal mit einem wirklich übergroßen, grünen T-Shirt. „Alice?“ Langsam begann der Potter durchzudrehen. Was stimmte nicht mit ihr? Hatte der Zaubertrank etwas mit ihrem Kopf angestellt? Was tat sie denn hier bloß?
 

Albus hängte das Kleid wieder an die Stang und bückte sich nach dem Shirt, als ihm plötzlich klar wurde, in welcher Abteilung sie sich befanden. Das Kleid sowie das Shirt - das war Umstandsmode. Sein Magen machte einen unangenehmen Purzelbaum und er wollte nur noch Alice packen und sie aus diesem Geschäft ziehen, weit weg von hier. Doch die Longbottom war verschwunden, als er sich zu ihr umdrehte. Panisch ließ er seinen Blick durch den weitläufigen Laden schweifen und lief dann durch die Reihen um Reihen voller Kleidung, bis er sie zu seiner großen Erleichterung entdeckte. Diesmal wusste er sofort, wo genau er sich befand. Um ihn herum hing nur Kleidung für Kinder, nein, nicht Kinder - Babys. Er schloss die Augen, atmete tief durch, versuchte sich selbst zu beruhigen. Warum, bei Merlin, tat sie sich selbst das an? Und ihm?
 

Alice stand vor einer Reihe blauer und grauer Strampler, mit verschiedenen Mustern und passenden Mützen und Lätzchen. Er wusste, dass er selbst das keine Sekunde länger aushalten würde. Seine Augen folgten Alice‘ Hand, die nahezu geistesabwesend über die verschiedenen Strampler streifte. Mit einer flüssigen Bewegung griff Albus danach und zog sie von den Babysachen weg und auch wenn sie sich wehrte, er ließ sie nicht los.
 

Ausgerechnet in diesem Moment kam die brünette Verkäuferin auf sie zu und strahlte sie freudig an.
 

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Suchen Sie die erste Kleidung für Ihr Baby? Wissen Sie denn schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird? Obwohl, so weit sind Sie wohl noch nicht, Ihrem Bauch nach zu urteilen. Aber vielleicht haben Sie ja ein Gefühl. Viele werdende Mütter haben so etwas immer im Gespür.“
 

Albus wusste, dass die Frau es nur freundlich meinte, doch am liebsten hätte er ihr das Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. Seine Gedanken fuhren Achterbahn und er spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Er musste jetzt hier raus, und Alice ebenso.
 

„Wir brauchen keine Hilfe. Danke“, erklärte er kurz angebunden und zog die Gryffindor, die noch immer gelähmt und emotionslos einfach nur neben ihm stand, nahezu gewaltsam mit sich. Sie stäubte sich nicht.
 

„Oh, sind Sie nicht Albus Potter?“, vernahm er noch die Stimme der Verkäuferin hinter sich, bevor die Ladentür hinter ihnen zuschlug und die eisige Luft ihm ins Gesicht schlug.
 

„Warum hast du das getan, Alice?“, schrie er aufgebracht und bereute es im gleichen Moment. Doch seine Gefühle überrollten ihn einfach. Sein Herz schmerzte bei jedem Schlag, hämmerte brutal gegen seine Brust und machte ihm das Atmen schwer.
 

Alice sah ihn endlich an, wirklich an. Sie öffnete den Mund, als wollte sie irgendetwas sagen. Aus einem Instinkt heraus hielt der Potter ihr die Hand vor die geöffneten Lippen, was sich im nächsten Moment als die richtige Entscheidung herausstellte, denn Alice wollte nichts sagen. Sie schrie, durch seine Hand zum Glück nur gedämpft, doch trotz allem laut genug um die Aufmerksamkeit einiger Passanten auf sich zu ziehen. Sie schrie und schrie und schrie.
 

Albus musste kein Heiler sein um zu wissen, dass sie einen Nervenzusammenbruch hatte. Nach dem Schreien begann sie herzzerreißend zu schluchzen und er zog sie wortlos in seine Arme. Sie wehrte sich zunächst mit Händen und Füßen, schlug ihn, um von ihm wegzukommen, aber er hielt sie fest. Denn er war überzeugt, dass sie genau das jetzt brauchte - Halt und Sicherheit. Und es war seine Aufgabe, ihr dies zu geben.
 

Sie sank kraftlos in seinen Armen zusammen und ohne große Schwierigkeiten hob er sie hoch und trug sie von der starrenden Menge weg, die sich um sie gebildet hatte. Ohnehin hatten sie schon zu viel Interesse auf sich gezogen. Albus hoffte, dass niemand wirklich wusste was passiert war und plapperte. Wenn seine Eltern hiervon erfahren würden … oder noch schlimmer, Neville.
 

Er brachte Alice zum Eberkopf und verlangte ein Zimmer. Und dort verbrachten sie die nächsten Stunden, gemeinsam auf dem Bett. Die Longbottom hatte ihren Kopf in den Kissen vergraben und zitterte, aber kein Laut war von ihr zu hören. Albus hingegen saß gegen die Rückwand des muffigen Betts gelehnt und starrte an die ausgeblichene, rissige Tapete an der gegenüberliegenden Wand, während er sich darüber klar wurde, was er alles verloren hatte. Doch er vergoss keine Träne.

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Rose gab sich keine Mühe, die Falten aus ihrer Bluse zu streichen und knöpfte sie stattdessen lieber mit geübten Fingern zu. Sie war müde, genervt, enttäuscht von sich selbst und noch dazu emotional ausgelaugt. Das Malfoy an einem der alten Schulpulte ihr gegenüber lehnte und seine Krawatte lässig festzog, hob ihre Stimmung nicht gerade.
 

„Kannst du vielleicht wo anders hinschauen?“, blaffte sie ihn an und strich sich mit fahrigen Fingern die Haare von der Stirn. Merlin, hätte sie einen blöderen Zeitpunkt für Sex mit Malfoy finden können? Als hätte sie nicht schon genug im Kopf, jetzt musste sie sich auch noch schlecht fühlen, sich ihm so billig angeboten zu haben.
 

Ein widerliches Grinsen zog sich über das Gesicht des Slytherins. „Du musst vor mir nichts verstecken, Darling. Ich kenne dich in- und auswendig. Kein Grund sich zu zieren.“
 

Rose hob in einer frustrierten Geste die Fäuste in die Luft und schrie innerlich auf, bevor sie die Arme wieder sinken ließ. Sie sollte Malfoy nicht schlagen, auch wenn er es verdient hatte. Letztendlich war sie an dieser Situation schuld, sie wollte ihn. Und er hatte das Angebot nur angenommen.
 

„Kannst du nicht einfach gehen? Ich kann deine Visage nicht mehr ertragen. Schlimm genug, dass ich schon wieder mit dir geschlafen habe.“ Kopfschüttelnd schlüpfte sie in ihre flachen Schuhe und seufzte leise.
 

„Komm schon, es hat dir genauso gefallen wie mir“, spottete er fröhlich weiter, ohne sich vom Fleck zu bewegen.
 

Sie richtete sich auf und bemerkte, wie sie die Nerven verlor. Tränen stiegen ihr in die Augen, ohne, dass sie es verhindern konnte und beschämt biss sie sich auf die Lippen. Kaum zu glauben, dass sie jetzt auch noch vor ihm heulte.
 

„Ich bitte dich, Scorpius, lass mich endlich allein. Meine beste Freundin hat gerade die schwerste Entscheidung ihres Lebens getroffen, ebenso wie mein Cousin. Ich fühle mich furchtbar, weil ich währenddessen mit dir geschlafen habe, um das alles zu vergessen. Und ich weiß, dass ich den beiden nicht helfen kann - egal, was ich sage oder tue, nichts wird ihnen wirklich helfen. Ich möchte ihnen diese Last abnehmen, aber das steht nicht in meiner Macht. Ich kann sie nicht vergessen lassen. Ich kann nur für sie da sein, auch wenn das niemals reichen wird. Wenn ich mir nur vorstelle, was Alice in diesem Moment durchmachen muss. Merlin, ich bin die schlechtestes Freundin aller Zeiten. Warum ist sie nicht zu mir gekommen? Warum hat sie mir nicht vertraut? Ich verstehe es nicht. Etwas muss sie an mir zweifeln lassen haben und ich komme nicht darauf, was ich falsch gemacht haben könnte. Aber das habe ich offensichtlich, denn sie kam zu dir und nicht zu mir.“
 

Und plötzlich begann Rose zu haltlos zu weinen, die Tränen liefen ungebremst über ihr Gesicht und tropften auf ihre Bluse. Sie sank auf dem Boden zusammen und verbarg den Kopf in den Händen. Sie konnte nicht sagen, warum sie ausgerechnet dem Malfoy ihr Herz ausgeschüttet hatte, aber es musste daran liegen, dass er in diesem Moment da war. Zu ihrer Überraschung lachte er nicht über sie, er ließ auch keinen herablassenden Kommentar über seine Lippen kommen. Stattdessen und zu ihrem Erstaunen setzte er sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter.
 

„Du solltest dir nicht solche Gedanken machen, Rose. Es ist nicht deine Aufgabe, Alice und Albus diese Entscheidung oder die Folgen eben jener abzunehmen. Keiner erwartet das von dir, schon gar nicht Alice. Sei einfach für sie da, wenn sie reden will und tröste sie, wenn sie weint. Du bist keine schlechte Freundin und Alice hatte sicherlich gute Gründe, warum sie nicht direkt zu dir kam. Aber ich weiß, dass sie dir hundertprozentig vertraut. Sonst hätte sie dir nicht von ihrem Plan erzählt, den du so einfach hättest aufhalten und verhindern können. Du hast dich ihrem Willen gefügt, Albus nichts verraten und du warst bei ihr. Du bist eine gute Freundin.“
 

Überrascht von seinen sanften Worten ließ die Gryffindor schließlich ihre Hände sinken. Ihre blauen Augen waren rot und glasig vom Weinen.
 

„Denkst du das wirklich?“, fragte sie unsicher und mit heißerer Stimme.
 

Scorpius nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. „Ja.“
 

Kraftlos ließ sich Rose gegen die Brust des Malfoys sinken, ohne Recht zu wissen was sie eigentlich tat, und nuschelte in sein Hemd: „Ich würde Alice diese Last so gerne abnehmen, wenn ich nur könnte.“
 

Unbewusst streichelte Scorpius über ihren Kopf und ließ seine andere Hand in beruhigenden Kreisen über ihren Rücken fahren. „Und genau das macht dich zu einer so guten Freundin.“

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Wäre Albus nicht bei ihr, wäre sie nie wieder zurück ins Schloss gegangen, darüber war sich Alice sicher. Wäre Albus in diesem Moment nicht hier, an ihrer Seite, und würde ihre Hand halten, dann wäre sie verloren. Alles was sie in diesem Augenblick fertig brachte war, sich an die Hand des Potters zu klammern und sich von ihm den Weg zum Schloss leiten zu lassen. Sie hätte niemals hierhin zurückgefunden - nicht, weil sie nicht könnte, sondern weil sie niemals hierhin zurückgehen wollen würde. Aber Albus würde nicht zulassen, dass sie sich drückte und ihr Leben wegwarf und irgendwo in ihrer Trauer versank. Er würde dafür sorgen, dass sie weitermachte. Und das alles, obwohl sie nicht einmal mehr zusammen waren. Sie wäre ihm dankbar dafür, wäre es ihr möglich in dieser Situation etwas anderes als Selbsthass und Trauer zu empfinden.
 

„Wir sind gleich da“, wisperte Albus und zog sie ein wenig näher zu sich. Sie hatten sich auf dem Rückweg für den Geheimgang durch die Heulende Hütte entschieden, da sich im Honigtopf noch immer Kunden und Verkäufer herumtrieben und sie ohne Tarnumhang keine Chance hatten, in den Keller und zum Geheimgang zu gelangen. Normalerweise empfand Alice die dunklen, erdigen Wände als erdrückend, doch heute kamen sie ihr vor wie ein Gefängnis, dass sie verdient hatte.
 

Seit Stunden hatte sie kein Wort mehr gesagt, doch Albus hatte auch nicht darauf bestanden. Entweder hatte er geredet oder sie hatten gemeinsam geschwiegen. Die Zeit im Eberkopf hatte sie genutzt, um einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen und sie wusste, dass sie es zumindest bis zu ihrem Schlafsaal schaffen würde, ohne vorher zusammenzubrechen.
 

Am Ende des Geheimgangs benutzte Albus wie üblich seinen Zauberstab, um die Peitschende Weide zur Ruhe zu bringen und gemeinsam machten sie sich den kleinen, grünen Hügel hinauf auf den Weg zum Schloss. Die Dämmerung brach langsam herein und offensichtlich war es schon Zeit, fürs Abendessen - nicht, dass sie an diesem Tag noch irgendetwas runterkriegen würde.
 

„Bist du soweit okay? Schaffst du es bis zum Turm?“, fragte Albus sie leise, als sie sich den großen Eichenholztüren näherten. In der Eingangshalle brannten wie üblich die Fackeln und verbreiteten ein gemütliches Licht. Die Longbottom zitterte bei diesem Anblick, doch sie nickte auf Albus‘ Frage hin zustimmend.
 

Vor der weißen Marmortreppe kamen die beiden zum Stehen. Alice öffnete den Mund, um nun endlich doch etwas zu sagen. Sie wollte Albus danken, für alles, was er am heutigen Tage für sie gemacht hatte. Doch eine Stimme hinter ihr ließ sie stattdessen erschrocken zusammenzucken.
 

„Alice, da bist du ja wieder.“ Dominique kam mit wehenden blonden Haaren auf sie zu, in ihrem Gesicht stand ein Ausdruck tiefster Reue geschrieben und sie hatte ihre Hände wie beim Gebet vor der Brust verschränkt. „Bitte gib mir nur zwei Minuten. Ich weiß, dass du unheimlich sauer auf mich bist und mich jetzt wahrscheinlich für immer hassen wirst, aber ich konnte Albus diese ganze Sache einfach nicht verheimlichen. Ich hätte es niemals mit meinem Gewissen vereinbaren können und früher oder später wäre mir alles herausgeplatzt und dann wäre alles vielleicht nur noch viel schlimmer gewesen. Es tut mir unendlich leid, aber andererseits auch nicht. Ich hoffe, du kannst mich irgendwann verstehen und mir vielleicht verzeihen.“ Mit gesenktem Blick wollte sich die Ravenclaw schon wieder umdrehen und ihren Cousin mit ihrer Freundin alleine lassen, als Alice‘ Hand an ihrem Arm sie zurückhielt. Überrascht blieb sie stehen.
 

„Mach dir keine Gedanken, Dome. Ich bin dir, ehrlich gesagt, unheimlich dankbar, dass du Al alles verraten hast. Wenn er heute nicht da gewesen wäre, dann weiß ich nicht, wo ich gelandet wäre.“ Alice sah sie kurz an, bevor ihr Blick zu Albus wanderte. „Danke für alles!“, fügte sie nur an ihn gerichtet im Flüsterton hinzu und nahm ihn in die Arme. Albus küsste sie sanft auf die Wange, bevor er sich schweigend von beiden Mädchen verabschiedete.
 

Die Longbottom sah ihm nach, bis er auf der Treppe zu den Kerkern verschwunden war und wandte sich dann wieder ihrer Freundin zu. „Ich bin dir wirklich nicht böse“, versicherte sie ihr erneut und nahm sie dann ebenfalls in die Arme. Dominique drückte sie fest an sich.
 

„Und, habt ihr euch noch umentschieden oder seid ihr bei deiner Entscheidung geblieben?“, fragte die Weasley mit gedämpfter Stimme in Alice‘ Ohr und spürte im selben Moment, wie diese sich versteifte.
 

„Wir sind bei meiner Entscheidung geblieben. Wir haben es beide für das Beste gehalten“, sagte sie nach einer Weile mit brechender Stimme und legte ihre Stirn auf Dominiques Schulter ab.
 

Auch Dominiques Körper spannte sich bei diesen Worten an. „Das alles tut mir so unendlich leid. Wenn du irgendetwas brauchst, reden oder weinen willst - ich bin immer für dich da, ja? Du kannst immer zu mir kommen, Ali!“
 

Alice schniefte ein paar Mal und murmelte ein leises „Danke“, bevor sie sich schließlich von ihrer Freundin löste und allein den Rückweg zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors antrat.
 

Dominique sah ihr mit Tränen in den Augen nach und wünschte sich einen Ort für sich allein, an dem sie in Ruhe und ungestört weinen könnte. Sie wusste nicht einmal, was genau sie fühlte, aber es ging ihr nicht gut damit. Doch statt sich zu verkriechen atmete sie tief durch, setzte ein gezwungenes Lächeln auf ihre Lippen und marschierte in die Große Halle um am Abendessen teilzunehmen, auch wenn sie nicht vorhatte, etwas zu essen.

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Mit bedächtigen Schritten trat Scorpius an diesem Abend den Rückweg zu seinem Schlafsaal in den Kerkern an. In seinem Kopf drehte sich alles. Er konnte sich nicht erklären, was da eben zwischen ihm und Rose geschehen war. Wieso hatte er sie getröstet, wieso hatte sie es zugelassen? Wie war es ihnen gelungen, freundliche und beruhigende Worte auszutauschen und vollständig auf Beleidigungen zu verzichten? Wie hatten sie es geschafft, einfach in stiller Eintracht dazusitzen? Und die Frage, die ihn am meisten beschäftigte - warum, bei Slytherin, hatte ihm das gefallen?
 

Der Malfoy rümpfte die Nase und versuchte, das rothaarige Mädchen aus seinen Gedanken zu verbannen. Jetzt hatte er andere Sorgen. Albus hatte er seit dem Morgen nicht mehr gesehen und er musste wissen, wie es ihm ging, wie Alice und er sich entschieden hatten. Unruhig murmelte er der kalten, grauen Steinwand vor sich das Passwort zu und betrat den grünlich beleuchteten Gemeinschaftsraum. Im Kamin prasselte wie immer ein Feuer und an den Tischen saßen vereinzelt Schüler, tief über Hausaufgaben und Lehrbücher gebeugt. Scorpius beachtete sie nicht weiter - schon mit einem Blick hatte er erkannt, dass Albus nicht hier war. Ohne auf Jonathan und Samuel zu achten, die ihn zu sich winkten, marschierte er den schmalen Gang zu den Schlafsälen der Jungen entlang und öffnete bald darauf die Tür, die zum Gemach der Siebtklässler führte.
 

Albus lag auf seinem Bett, den Kopf tief in sein Kissen vergraben. Sein Körper zitterte und Scorpius musste kein Genie sein, um zu wissen, dass er weinte. Leise schloss er die Tür hinter sich und versiegelte sie mit einem einfachen Zauber. Jonathan und Sam mussten jetzt wirklich nicht hier reinplatzen.
 

Der Potter sah beim Geräusch der Tür auf und wischte sich hastig übers Gesicht. Als er Scorpius erkannte, setzte er sich weiter auf und blickte ihn stumm an. Dann öffnete er den Mund. Scorpius wusste nicht, was er sagen wollte, doch er unterbrach ihn.
 

„Ich wusste über alles Bescheid. Keine Ahnung, ob Alice es dir inzwischen erzählt hat, es ist ja jetzt auch nicht mehr wichtig. Aber ich wusste Bescheid, länger als Rose und Dominique. Alice kam schon vor Wochen zu mir und hat mir alles erzählt. Ich habe ihr versprochen nichts zu sagen und sie hat mir im Gegenzug geschworen, mit dir zu reden. Rose hat mir schon gesagt, dass sie das nicht getan hat. Al, es tut mir wirklich leid, ich hätte dich nicht anlügen sollen, aber ich habe wirklich geglaubt, dass sie zu dir kommen würde und ich wollte ihr diese Chance geben. Ich wollte mich nicht mehr einmischen, als nötig, aber wahrscheinlich habe ich das schon. Entschuldigung!“
 

Überraschung spiegelte sich auf den Zügen des schwarzhaarigen Jungens wieder.
 

„Du hast Bescheid gewusst?“, fragte er mit kratziger Stimme und schüttelte im gleichen Moment den Kopf. „Ist mir egal. Es ist alles egal. Scheiß drauf, dann wusste eben jeder außer mir davon - das ändert auch nichts. Es ist einfach alles egal. Verdammt, verdammt, verdammt.“
 

Ohne Scorpius noch einmal anzusehen, ließ Albus sich wieder auf sein Bett fallen und klammerte sein Kissen fester an sich. Sein Körper wurde von erstickten Schluchzern geschüttelt und mit zögerlichen Schritten ging Scorpius auf seinen Freund zu und setzte sich neben ihn auf das weiche Himmelbett.
 

„Wir haben das Kind umgebracht. Kannst du das glauben, Scorpius? Wir haben unser eigenes Baby getötet!“, drang Albus‘ erstickte Stimme aus dem Gewühl hervor, in das er seinen Kopf gesteckt hatte.
 

Scorpius wusste nicht, was er erwartet hatte. Einerseits war ihm von vorneherein bewusst gewesen, dass weder Albus noch Alice bereit für ein Kind waren. Andererseits hätte er nie wirklich erwartet, dass sie diesen Weg wählen würden. Dafür waren sie beide Menschen, die zu schnell und zu sehr liebten. Hilflos drückte er Albus‘ Schulter.
 

„Es tut mir so leid, Albus.“ Mehr brachte er nicht über die Lippen. Was sollte er sonst auch sagen? Was würden Albus diese leeren Worte schon nutzen? Sie würden ihm nicht helfen, dass alles zu verarbeiten oder zu vergessen. „Ich wünschte ich könnte etwas tun oder sagen, dass dir helfen wird, aber ich wüsste nicht, was“, sprach er aus, was ihm durch den Kopf ging und er erinnerte sich an die Worte, die Rose ihm vor gar nicht langer Zeit gesagt hatte.
 

„Ich habe alles verloren - Alice und unser Kind. Scorpius, ich weiß überhaupt nicht wie ich weitermachen soll. Alles fühlt sich so sinnlos an. Wofür lebe ich eigentlich?“
 

Scorpius‘ Griff an der Schulter des Potters verstärkte sich. „Sag so etwas nicht, Al. Hörst du, sag das nicht noch einmal! Es gibt tausend Gründe, für die du leben solltest. Du solltest weitermachen, um Alice wieder zurück zu gewinnen, du solltestest weitermachen, um deinen Schulabschluss zu schaffen und deinen Traumberuf zu finden. Du solltest weitermachen um eines Tages zu heiraten und glücklich alt zu werden. Ja, ihr habt dieses Kind aufgegeben und es ist nur menschlich, darum zu trauern. Aber du kannst jetzt nicht aufgeben. Du musst weitermachen, für deine Familie, deine Freunde, für Alice und für zukünftige Kinder. Kinder, denen du das beste Leben bieten und die du mehr lieben wirst, als je etwas zuvor. Auch wenn es sich wie das schlimmste Klischee anhört, es wird wieder bessere Tage geben. Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen, für euch, und auch wenn du es jetzt nicht glauben magst - auch Alice und du, auch ihr beide, zählt. Niemand hätte von euch verlangt, euch für dieses Baby zu opfern, eure Leben zu opfern. Auch ihr beide seid wichtig, auch ihre beide musstest das Beste für euch tun.“
 

Albus erwiderte nichts auf diese Worte. Er weinte weiterhin stumm in sein Kissen, während Scorpius neben ihm saß, seine Schulter drückte und tröstliche Worte flüsterte. Erst als sich seine Atmung verlangsamte und gleichmäßiger wurde, war Scorpius sich sicher, dass er eingeschlafen war. Er erhob sich vorsichtig, um seinen Freund nicht zu wecken und ließ sich mit tausenden Gedanken im Kopf in sein eigenes Bett fallen. Erst Stunden später fand er die Ruhe und den Frieden, um ebenfalls im Schlaf zu versinken.

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tbc

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Dankeschön wie immer für alle Favoriteneinträge und Reviews! :)

Kapitel Neun.

Es besser machen.
 

Kapitel Neun.
 

„Kennst du dieses Gefühl, wenn alles plötzlich durcheinander kommt und du keine Kontrolle mehr hast und nur noch hilflos dastehst und beobachtest, wie dein gesamtes Leben falsch verläuft, ganz anders als du es geplant und dir jemals vorgestellt hattest?“
 

Mit zitternden Händen entzündete sich Rose eine Zigarette, während sie ihren Blick auf Adam fokussierte, der lässig an der Brüstung des Astronomieturms lehnte und die Kälte in der Novemberluft nicht zu spüren schien.
 

Er zuckte mit den Schultern. „Jeder fühlt sich mal so, oder nicht?“
 

„Sag du es mir! Und sag mir, wie ich das Kommando wiederbekomme! Momentan ist alles so verwirrend und es macht mich ganz krank! Ich mache mich krank!“
 

„Wenn dein Leben nicht mehr so verläuft, wie du es gerne möchtest, dann musst du ändern, wie du es lebst. Ist doch einfach, oder nicht?“
 

Rose lachte leise und schüttelte den Kopf, was dazu führte, dass sich ihre roten Haare aus dem unordentlichen Dutt lösten, den sie am Morgen zusammengesteckt hatte. Sie ignorierte die Strähnen, die ihr wild ins Gesicht fielen, und antwortete: „Ich glaube nicht, dass das so einfach ist, wie du es sagst. Wusste gar nicht, dass du so ein philosophischer Typ bist.“
 

Adam streckte ihr die Zunge raus, woraufhin sie ihn neckend in die Seite stieß. Dann steckte sie ihm die halb gerauchte Zigarette zwischen die Lippen und begann, ihre Haare erneut zu ordnen.
 

„Aber irgendwie hast du Recht. Weißt du, ich sollte wirklich ein paare grundlegende Sachen in meinem Leben ändern. In letzter Zeit halte ich es mit mir selbst kaum noch aus. Ich kann mich selbst nicht mehr ausstehen und bitte, wie ist das denn überhaupt möglich - ich bin fantastisch!“
 

Adam starrte sie gespielt überrascht und mit offenem Mund an. „Weasley, ich wusste nicht, das du so selbstverliebt bist!“
 

„Oh bitte, kennst du mich denn gar nicht?“, erwiderte Rose mit einem zufriedenen Grinsen. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck eindringlich. „Jetzt mal ernsthaft; ich sollte etwas ändern, oder? Ich kann ja nicht ewig dieses naive, unzufriedene und leicht zu habende Mädchen sein. Ich meine, wir machen im Frühling unseren Abschluss, es wird Zeit, dass ich erwachsen werde und lerne, mich verantwortungsbewusst benehme. Das Problem ist: ich weiß wirklich nicht, wie das gehen soll.“
 

Mit gerümpfter Nase klaute sie sich ihre Zigarette zurück und nahm einen tiefen Zug. Mit geschlossenen Augen atmete sie aus.
 

„Rose“, begann Adam neben ihr und seine Stimme klang aufrichtig, „du machst es dir selbst so schwer. Du bist doch schon längst der Mensch, der du sein willst. Du versteckst dich nur hinter deinem kindischen Verhalten, hinter dieser Maske, warum auch immer.“
 

„Glaubst du das tatsächlich? Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr, wer ich eigentlich bin und welcher Teil von mir eine Maske ist. Tagsüber bin ich das brave, gut erzogene Mädchen, das perfekte Noten schreibt und keine Regeln bricht, abends betrinke ich mich und schlafe mit irgendwelchen dahergelaufenen Typen und nachts frage ich mich, was ich eigentlich mit meinem Leben anstelle. Adam, wer bin ich? Wer bin ich?“ Rose öffnete ihre Augen und starrte an die gegenüberliegende Wand, ihr Gesicht war ausdruckslos.
 

Adam legte seinen Arm um ihre Schulter, zog sie ein Stück näher und legte sein Kinn auf ihren Kopf, bevor er zu sprechen begann: „Ach Rosie! In meinen Augen bist du ein wundervolles Mädchen, nett und intelligent, das gerne Spaß hat und das Leben genießt. Du machst dir viel zu viele Gedanken! Lass einfach mal los und denk nicht über jeden Schritt und jedes Wort und jedes Lächeln nach. Denk nicht darüber nach, welche Rolle du in diesem Moment spielen willst und musst. Und mit der Zeit wirst du schon herausfinden, wer du bist und was du willst. Vertrau mir!“
 

Rose presste ihre Lippen zusammen und nickte steif, bevor sie sich in Adams Griff drehte und ihr Gesicht in seiner Schulter vergrub.
 

„Okay“, flüsterte sie, „ich werde es versuchen. Ich vertraue dir!“

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Dominique hatte sich an diesem Morgen entschieden, mit Alice am Gryffindortisch zu frühstücken. Rose war nicht anwesend, doch das störte sie nicht weiter, denn Alice hatte sie zur Begrüßung angelächelt und es war seit Wochen einer der ersten ernst gemeinten, fröhlichen Gesichtsausdrücke.
 

„Wie geht es dir?“, fragte Dominique wie jeden Tag seit Alice‘ Termin bei Heilerin Cooper mit besorgtem Gesichtsausdruck. Und Alice antwortete immer mit einem viel zu großen, viel zu falschen Grinsen: „Gut!“ Dominique wünschte, sie würde das nicht machen.
 

Doch heute zuckte Alice mit den Schultern und meinte leise: „Es wird besser.“
 

Dominique nickte. „Ja, du siehst auch besser aus. Das freut mich für dich, wirklich, Alice!“ Sie drückte der Hand ihrer Freundin, bevor sie sich eine Schale Müsli nahm und großzügig Milch drüber schüttete.
 

Sie versanken in Schweigen, was Dominique nur Recht war. Sie war zu müde um viele Worte zu formulieren und sowieso hatte sie nichts zu sagen.
 

Das laute Flügelrauschen über ihr verriet ihr, dass die Post eintraf. Sie hob nicht den Kopf, wohlwissend, dass nichts für sie dabei sein würde. Immerhin stand Weihnachten schon bald vor der Tür und sie hatte mit ihrer Familie bereits alles nötige abgeklärt. Die wenigen Wochen bis zum Widersehen würde sie schon noch ohne Briefe aushalten.
 

Sie hatte sowieso nichts zu berichten, außer den üblichen Beschwerden über den Unterricht und der Versicherung, dass es all ihren Cousins und Cousinen, sowie ihrem Bruder gut erging. Und all das, was sie sich gerne von der Seele geredet hätte, konnte sie niemandem sagen. Und sie hatte es satt, alles für sich zu behalten, doch sie konnte Alice und Al nicht in den Rücken fallen und beginnen von ihrem toten Baby zu erzählen und wie sehr es ihr im Herzen wehtat, dass alles so gekommen war und genauso wenig konnte sie irgendjemandem ihre Geschichte aufbürden, sie mit ihren doofen Gefühlen für Fred belasten. Vergangene Gefühle, meinte sie natürlich. Denn jetzt empfand sie nichts anderes als Abscheu für ihren Cousin. Und wieso dachte sie eigentlich schon wieder über ihn nach? Jeder ihrer Gedanken schien sie momentan, über noch so verwundene Bahnen, auf Fred zu stoßen und sie wollte sich vor Wut und Machtlosigkeit die Haare ausreißen.
 

Sie wurde aus ihren wirbelnden Tagträumen gerissen, als eine große, dunkle Eule vor ihr landete und ihr auffordernd ein dürres Bein entgegenstreckte. Dominique kannte diesen Vogel nicht, aber entfernte das Pergamentstück trotzdem. Verwirrt schaute sie auf das Papier, auf welchem in sauberen Buchstaben ihr Name geschrieben war, keine Adresse. Demzufolge wurde der Brief wohl von innerhalb des Schlosses geschickt. Merkwürdig. Die Eule legte den Kopf schief und es wirkte wie eine kleine Verbeugung, bevor sie die Flügel spannte, dabei überraschenderweise keine Trinkkelche umstieß, und davonflog. Dominique folgte ihr mit ihrem Blick, bis sie sie zwischen den hunderten anderen Vögeln in der Luft nicht mehr ausmachen konnte.
 

„Wer schreibt denn?“, fragte Alice von ihrem Platz gegenüber von Dominique und man musste es ihr wirklich zugutehalten, dass sie endlich versuchte wieder aktiv am Leben teilzunehmen.
 

„Keine Ahnung, wir werden sehen“, gestand die Ravenclaw lächelnd und faltete das Pergament in ihrer Hand auseinander.
 

Dominique,
 

wie du sicherlich bemerkt hast, habe ich mich in den letzten Wochen von dir ferngehalten, so wie du es von mir verlangt hast. Ich hoffe es geht dir besser so und du bist glücklicher mit dieser Situation. Ich weiß, dass du nichts von mir wissen willst und ich verstehe deinen Standpunkt, glaub mir, aber es liegt so viel zwischen uns und das macht mich wirklich verrückt. Ich habe lange über deine letzten Worte an mich nachgedacht. Was wir falsch gemacht haben, was du falsch gemacht hast, warum alles so gekommen ist … Und ich habe alle Antworten, die du willst. Ich bin bereit die jede deiner Fragen zu beantworten. Aber ganz sicher nicht in einem Brief oder in einem Gespräch auf dem Korridor zwischen deinen Mitschülern und meinen Kollegen. Komm heute Abend nach dem Essen in mein Büro, dort können wir ungestört reden und ich werde dir alles erklären, wenn du das möchtest. Gib mir eine Chance!
 

Fred
 

Dominiques Finger verkrampften sich um das Blatt in ihren Händen und sie hielt für einen Moment die Luft an, um das Schwindelgefühl in ihrem Kopf zu vertreiben. Was bei Merlin bezweckte Fred damit? Warum machte er es ihr schwer ihn einfach gehen zu lassen, ihn zu vergessen?
 

Ihre Augen glitten wie von selbst zur Stirnseite der Halle. Am Lehrertisch konnte sie sofort die bekannten Gesichtszüge ihres Cousins ausmachen. Fred schaute in ihre Richtung. Seine Augen wirkten unsicher, nicht, dass sie das in dieser Entfernung wirklich erkennen könnte. Aber es war ganz offensichtlich, dass er sich auf die Unterlippe biss. Oh Merlin! Bevor sie wusste, was sie tat, senkte Dominique einen Kopf zu einem verstohlenen Nicken und sofort hellte sich das Gesicht des Referendars auf.
 

„Dome? Von wem ist denn der Brief nun?“ Alice‘ sanfte Stimme riss sie in die Wirklichkeit zurück. In die richtige Wirklichkeit. Sie drehte sich auf ihrem Platz und wandte sich wieder ihrer Freundin zu, blinkte einige Male kurz hintereinander und ließ dann ohne Vorwarnung den Kopf auf den Tisch fallen.
 

Was zur Hölle? Hatte sie Fred gerade eben zugesagt? War sie von allen guten Geistern verlassen? Seine Lippen waren schuld - er hätte nicht darauf rumbeißen sollen. Er hatte sie manipuliert und oh nein, worauf hatte sie sich da gerade eben eingelassen?
 

Sie hatte ein ungutes Gefühl. Das alles hier würde enden wie das letzte Mal. Fred würde davongehen ohne sich umzuschauen und sie würde zurückbleiben, allein und verletzt und am Ende. Das konnte sie nicht zulassen. Heute Abend würden sie alles klären und dann würde sie davongehen, ohne sich noch einmal umzuschauen. Ende der Geschichte.
 

Als wäre das alles so einfach.

___
 

Alice verabschiedete Dominique an der Marmortreppe. Die Blondine machte sich auf zu ihrer ersten Stunde am Montagmorgen, Kräuterkunde. Alice hatte dieses Fach abgewählt, sobald es möglich war. Keinesfalls wollte sie eine Stunde länger als nötig von ihrem Vater unterrichtet werden und die schrägen Blicke ihrer Klassenkameraden ertragen.
 

Sie beschloss ihre Freistunde möglichst weit weg von den Ländereien zu verbringen. Sie sollte in die Bibliothek gehen und ihren Aufsatz für Verwandlung schreiben, aber wann erledigte sie schon Hausaufgaben. Nur wegen den Vorkommnissen der letzten Wochen hatte sich ihr Wesen ja nicht um 360° gewendet.
 

Obwohl sie sich natürlich geändert hatte. In vielerlei Hinsicht und auch in Bezug auf ihre Einstellung zur Schule. Sie war in den letzten Wochen, seit dem Termin, um genau zu sein, viel öfter im Unterricht gewesen.
 

Vielleicht hatte ihr diese ganze Situation die Augen geöffnet, wenigstens ein kleines bisschen. Sie hatte verstanden, dass sie nicht ewig in dieser wohlbehüteten Schule sitzen und ihr Leben vor sich hin leben würde. Irgendwann musste sie beginnen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und dazu musste sie einige Grundlagen schaffen. Dazu zählte nun einmal, so sehr es Alice auch widerstrebte das zuzugeben, ein halbwegs anständiger Schulabschluss. Ihre ZAGs hatte sie total verhauen, dass konnte man nicht schön reden. Doch sie wollte wenigstens ein paar UTZe schaffen. Sie war ja nicht vollkommen auf den Kopf gefallen und es sollte nicht zu schwer sein in den Fächern, die sie interessierten, einige gute Noten zu erzielen.
 

Aber Verwandlung lag ihr nun einmal nicht, das hatte sie schon in der ersten Klasse begriffen. Also musste sie ihre Zeit auch nicht mit einem Aufsatz verbringen, für den ihr Professor Targin sowieso nur ein T geben würde.
 

Etwas ziellos streifte sie durch die leeren Korridore der Schule, ihr Blick glitt wieder und wieder zu den Fenstern und sie fragte sich, wann endlich der erste Schnee fallen würde. Immerhin hatte der Dezember schon begonnen und sie freute sich schon darauf, aus der Schule herauszukommen und Weihnachten mit ihrer Familie zu verbringen. Natürlich, sie verstand sich nicht immer gut mit ihrem Vater, doch zu ihrer Mutter hatte sie ein tadelloses Verhältnis und sie vermisste sie, auch wenn sie das nicht zugeben würde.
 

Wie gerne würde sie mit ihr reden, über all die Geschehnisse der letzten Wochen. Doch so sehr ihre Mutter sie auch verstand, Alice wusste, dass sie ihr ihre Handlungen nicht schnell verzeihen würde. Erst ließ sie sich schwängern und dann stand sie nicht einmal dafür gerade und nahm den leichtesten Ausweg. Ja, Alice wusste, was ihre Mutter sagen würde. Und sie könnte sie verstehen, denn sie dachte ja tagtäglich dasselbe über sich. Doch sie würde es nicht ertragen, zu hören wie feige und selbstsüchtig sie tatsächlich war.
 

Alice blieb an einem der Fenster stehen und starrte über das große Gelände der Schule. In der Ferne konnte sie die Gewächshäuser erkennen und sie fragte sich, was ihr Vater ihren Klassenkameraden wohl in diesem Moment beibrachte. Ob Rose wie immer gespielt interessiert Notizen machen würde und ob Albus sich einen Spaß daraus machen würde, die Pflanzen zu verzaubern, nur um ihren Vater zu verärgern.
 

Albus. Das war so eine Sache. Alice wusste nicht mehr weiter, was ihn betraf. In den letzten Wochen war er zu ihrem besten Freund geworden, erkundigte sich täglich nach ihrem Befinden und an ihren schlechten Tagen lag er stundenlang mit ihr im Raum der Wünsche auf dem Boden ohne etwas zu sagen, einfach nur, um bei ihr zu sein. Und sie war ihm so dankbar für alles, was er tat, dass sie es nicht einmal in Worte fassen konnte.
 

Sie wusste, dass er sich schuldig fühlte und sie erklärte ihm wieder und wieder, dass er sich nicht so fühlen solle, dass es nicht seine Schuld war, dass es so weit gekommen war. Und so dachte sie wirklich. Albus war für nichts verantwortlich zu machen. Sie allein hatte diese ganze Situation so fürchterlich erschwert und sowieso hätte sie aufpassen müssen. Dann wäre es gar nicht erst zu diesem ganzen Drama gekommen.
 

Und Albus und sie wären noch zusammen und glücklich und sorglos und frei.
 

Die Gryffindor seufzte leise. Wie sehr wünschte sie sich diese Zeiten zurück, als noch nicht all diese Schuld und Trauer auf ihren Schultern gelastet hatte. Wie sehr wünschte sie sich Albus zurück, ihren Albus, ihren Freund Albus, mit dem sie stundenlang küssend am Seeufer gelegen und Händchen gehalten hatte. Albus, mit dem sie sich mitten in der Nacht aus dem Schloss geschlichen hatte. Albus, mit dem sie immer zufrieden gewesen ist.
 

Zwei starke Arme schlossen sich unerwartet um ihren Körper und sie zuckte von der Berührung zurück, ein kleiner Schrei kam ihr über die Lippen und in Windeseile wirbelte sie zu der Person herum, die sie so plötzlich aus ihren Träumereien gerissen hatte.
 

„Albus, verdammt!“
 

Der Slytherin grinste sie verschmitzt an. „Warum so schreckhaft, Ali? Worüber hast du nachgedacht?“
 

Alice konnte nichts gegen die Röte tun, die ihr in die Wangen stieg. Als würde sie ihm sagen, dass er in diesem Augenblick ihrer Gedanken beherrscht hatte.
 

„So über dies und das. Was machst du hier? Du schwänzt doch nicht etwa den überaus lehrreichen Unterricht meines Vaters?“
 

Albus legte den Kopf schief und blinkte sie unschuldig an.
 

„Ist dir klar, dass er der Schulleiter dieser Institution ist? Er könnte dich wirklich schwer bestrafen“, erklärte ihm Alice gespielt ernst und wedelte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand vor seinen Augen herum.
 

Der Potter lachte sein herzliches Lachen und Alice konnte nicht anders als ihn anzulächeln.
 

„Ich hatte keine Lust noch mehr über die bösen, bösen Giftbüsche zu lernen. Also wirklich, ich habe sowieso nicht vor, besonders viel Zeit in Afrika und Asien zu verbringen und da dieses Gestrüpp hauptsächlich dort vor sich hin wuchert, kann es mir ja egal sein“, ließ er sich schließlich doch noch zu einer Erläuterung seiner Motive herab.
 

„Ah, ich verstehe. Du solltest wirklich anfangen die Schule ein bisschen ernster zu nehmen“, erwiderte Alice und gab sich Mühe, nicht über eigenen Worte zu lachen.
 

„Und das sagt mir das Mädchen, das am Montagmorgen durch die Korridore streift, anstatt im Unterricht zu sitzen.“
 

„Hey, ich habe eine Freistunde. Im Gegensatz zu dir steht es mir frei, zu machen was ich will.“
 

Albus schaute sie abschätzend an und zuckte schlicht mit den Schultern. „Was soll’s, ich muss noch meinen Alte Runen Aufsatz schreiben, den ich im Übrigen in der nächsten Stunde brauche. Also habe ich einen guten Grund den Vortrag über Kampfbüsche, oder was auch immer, zu verpassen. Außerdem gibt mir Scorpius seine Notizen. Und jetzt genug von Kräuterkunde. Lust mir in der Bibliothek Gesellschaft zu leisten?“
 

Alice strich sich mit der Hand durch die Haare und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. Sie sollte wirklich nicht mehr Zeit als nötig mit Albus verbringen. Sie beide hatten den schlimmsten Teil überstanden, zumindest hoffte sie das, und es war Zeit, wieder Abstand zu gewinnen. Andererseits würde Albus ihr Herz ein weiteres Mal brechen. Und sie war sich nicht sicher, ob sie das wirklich überstehen würde.
 

Sie musste sich endlich klar machen, dass zwischen ihnen nichts mehr war. Nur eine schöne Vergangenheit mit einem schmerzhaften Ende. Es würde nie wieder so werden, wie zuvor. Albus wollte sie nicht mehr so, wie früher. Sie war jetzt seine Freundin, eine unter vielen. Sie war nicht mehr sein Mädchen. Und sie musste es akzeptieren und sich nicht in irgendwelche Traumwelten flüchten, in denen es vielleicht noch eine Zukunft für sie gab. Denn die gab es ganz sicher nicht.
 

„Ich glaube nicht, dass du dann wirklich viel von deinem Aufsatz schaffen würdest. Ich muss sowieso zurück in den Gemeinschaftsraum und ein bisschen was für Astronomie vorbereiten, meine Sternenkarte etwas ausschmücken, du weißt schon“, wehrte sie seine Einladung ab und grinste breit um zu verbergen, wie gerne sie mit ihm gehen würde.
 

Albus‘ Gesichtsausdruck verdüsterte sich kaum merklich, doch er kaschierte es mit einem schiefen Lächeln. „Okay, wahrscheinlich hast du Recht. Dann ein anderes Mal!“ Er trat einen Schritt zurück und erst in dieser Sekunde wurde Alice klar, wie nahe sie sich eigentlich gewesen waren. Mit jedem anderen wäre ihr diese Nähe unangenehm gewesen, doch mit Albus war es so natürlich, dass sie es nicht einmal bemerkt hatte. Es wäre viel eher seltsam gewesen, wenn er weiter von ihr entfernt gestanden hätte.
 

Die Gryffindor wollte gerade den Mund öffnen, um eine Verabschiedung zu formulieren, als Albus erneut das Wort ergriff. „Da gab es, um ehrlich zu sein, noch etwas, über das ich mit dir sprechen wollte“, begann er etwas verlegen und kratzte sich im Nacken. „Ich hoffe es ist nicht, du weißt schon, unsensibel, darüber mit dir zu sprechen. Aber ich wollte deine ehrliche Meinung, du kannst sagen, was du willst - ich bin nicht beleidigt oder, ähm, sauer oder so, okay?“
 

Das Lächeln verschwand langsam aus Alice‘ Gesicht und Verwirrung spiegelte sich in ihren Augen wieder. „Raus mit der Sprache, Al. Worum geht’s?“, fragte sie, enthusiastisch und vorsichtig zugleich.
 

„Also Stella, ähm, du kennst Stella Parkinson? Also ja, ähm, sie hat mich gefragt, ob ich mit ihr ausgehen will. Und, ähm, ich habe irgendwie ja gesagt … Aber, ich meine, wenn du das doof findest oder zu früh, ich weiß auch nicht, dann kann ich auch absagen. Das macht mir nichts aus, wirklich. Also, ähm, naja, was sagst du dazu?“ Albus hatte den Blick gesenkt und seine Wangen waren ganz eindeutig rot, so wie Alice‘ Minuten zuvor.
 

„Oh, also, das macht mir nichts aus, keine Sorge.“ Und sobald diese Worte über ihre Lippen geschlüpft waren, hätte sie sich am liebsten selbst geschlagen. Was zur Hölle? Natürlich machte es ihr etwas aus! Wie konnte es nicht? Nach allem was passiert war, brauchte Albus nicht einmal einen Monat um eine neue Tusse anzuschleppen?
 

Aber sie sprach nichts von all dem aus und schenkte ihrem Exfreund stattdessen ein falsches, erfreutes Lächeln, während sie innerlich aus voller Seele schrie.
 

Albus wirkte überrascht von ihrer direkten Zustimmung und mit diesem Gefühl war er nicht allein. Was hatte sie sich gedacht, so einfach ihre Erlaubnis zu geben, nach der er so offensichtlich fragte. Hätte sie auch nur einen kleinen Zweifel gezeigt, hätte Albus jegliche Pläne sofort fallen gelassen. Und sie hatte jedes Recht, Einwand zu erheben. Es war schließlich nicht einmal einen Monat her, dass sie ihr Kind getötet hatten. Und gerade einmal zwei, seitdem sie ihre Beziehung beendet hatten. Zwei verdammte Monate. Merlin, sie hatte jeden Grund, ihn noch länger für sich zu beanspruchen.
 

„Es macht dir wirklich nichts aus? Alice, ich schwöre, wenn es dir nicht passt, dann - “
 

Doch Alice fiel ihm ohne zu Zögern ins Wort. „Es ist in Ordnung, Al. Wirklich. Du hast keinen Grund dich wegen mir zurückzuhalten. Wenn du Stella magst, dann solltest du mit ihr ausgehen.“ Und während sie das sagte, hatte sie das Gefühl, noch nie in ihrem Leben eine größere Lüge erzählt zu haben.
 

Albus nickte, noch immer etwas zaghaft, bevor er ihr sein atemberaubendes Lächeln zeigte. „Danke, Ali!“ Er nahm sie für einen kurzen Moment in die Arme, bevor er sich wieder von ihr entfernte. „Jetzt muss ich aber wirklich los, wenn ich die Pergamentrolle noch vollbekommen will.“ Und schon war er um die nächste Ecke verschwunden.
 

Alice drehte sich wieder zum Fenster um, machte keine Anstalten sich in Richtung ihres Gemeinschaftsraumes zu bewegen und war sich ebenso sicher, dass sie heute keinen Fuß mehr in einen Klassenraum setzen würde. Vielleicht sollte sie sich lieber hier und jetzt aus dem Fenster schmeißen. Und da hatte sie gerade gedacht, dass es von nun an bergauf gehen würde.

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Erschöpft und mit dem dringenden Bedürfnis nach einer Zigarette betrat Rose am Montagabend nach dem Essen ihren Schlafsaal, der, wie sie heimlich gehofft hatte, leer war.
 

Seufzend warf sie ihre Schultasche auf den Boden neben ihrem Bett, löste den Knoten ihrer Krawatte und schälte sich langsam aus ihrer Schuluniform. Wie sie dieses lästige Ding hasste. Sie beschloss sich am nächsten Morgen zu duschen und schlüpfte sofort in ihr dünnes Nachthemd, bevor sie ihre Tasche auf der Suche nach Zigaretten durchwühlte.
 

Das plötzliche Öffnen der Badezimmertür verpasste ihr beinahe einen Herzinfarkt.
 

„Alice! Um Merlins Willen, ich dachte niemand wäre hier. Wie siehst du denn aus? Was ist passiert?“ Sofort erhob sich Rose von ihrer Position am Boden und ging auf ihre Freundin zu, welche sie nach ihrem ersten Schrecken genauer zu betrachten begann.
 

Alice war blass, hatte rotgeränderte Augen und ungekämmte, wirre Haare. Ein Anblick, an welchen sich Rose in den letzten Wochen durchaus gewöhnt hatte. Allerdings hatte sie gedacht, dass es Alice besser gehen würde. In den letzten vier Tagen hatte sie nicht einmal geweint, hatte keinen Zusammenbruch gehabt und sogar ab und an mal gelächelt. Rose hatte wirklich gehofft, dass die schlimmste Phase überstanden sei.
 

Offensichtlich lag sie damit falsch.
 

Ohne sich zurückzuhalten, fiel Alice ihr um den Hals und begann herzzerreißend zu schluchzen. Ihre Tränen durchweichten Rose‘ Nachthemd innerhalb weniger Minuten.
 

Sie hatte keine Ahnung, was Alice so aus der Fassung gebracht hatte. Sie hatte keine Ahnung, welche Worte sie nutzen sollte, um sie zu beruhigen. Sie wusste nur, dass Alice sich an ihren Hals klammerte wie eine Ertrinkende und offensichtlich völlig am Ende war.
 

Es brauchte viel gutes Zureden von Rose um die Longbottom endlich dazu zu bringen, zu erzählen, was vorgefallen war. Rose erfuhr von Albus und Stella und ihre Hände zitterten, weil sie so wütend auf ihren Cousin war. Was hatte er denn erwartet, was Alice sagen würde? Nein vielleicht? Als würde sie das machen. Dieser Idiot!
 

„Oh Alice, hör auf zu Weinen. Shh, es wird alles wieder gut, Kleine.“ Rose beschäftigte ihre Hände damit, durch die Haare und über den Rücken ihrer Freundin zu streichen, auch wenn sie ihre Handfläche gerne mit Albus‘ Wange kollidieren lassen würde.
 

Rose fühlte sich furchtbar. Wenn sie schon nichts in ihrem eigenen Leben auf die Reihe bekam, sollten wenigstens ihre Freundinnen glücklich sein, aber das waren sie offensichtlich nicht. Aber sie würde dafür sorgen. Das war immerhin ihre Aufgabe als Freundin - sich darum zu kümmern, dass ihre Freundinnen lachten und Spaß am Leben hatten und zufrieden waren. Und offensichtlich hatte sie in letzter Zeit bei dieser Aufgabe ziemlich versagt. Aber das würde sich ändern lassen.
 

Wenn sie ihr Leben schon umkrempelte, dann richtig. Ihre Freundinnen sollten bei ihr endlich wieder an erster Stelle kommen und alles andere danach. Sie hatte es satt, dass sich Alice schlecht fühlte, obwohl sie die richtigen Entscheidungen getroffen hatte und sie wollte, dass Dominique endlich einen anständigen Jungen kennen lernte und sich Hals über Kopf verliebte und die Welt durch eine rosarote Brille sah. Das hatten die beiden verdient, verdammt! Und dann, dann würde Rose sich durch ihre eigene Gefühlswelt kämpfen und endlich herausfinden, was sie wollte und wer ihr geben konnte, was sie brauchte. Und sie würde sich mit Scorpius Malfoy beschäftigen, der neben ihren ganzen Unsicherheiten permanent für noch mehr Chaos in ihrem Kopf zu sorgen schien.
 

„Ich liebe ihn immer noch. Ich dachte wirklich für einen Moment, ich wäre über ihn hinweg. Ich war zufrieden damit, nur seine Freundin zu sein. Aber das reicht mir nicht. Ich will ihn ganz für mich, so wie früher. Ich möchte mit ihm wieder glücklich werden, Rose“, nuschelte Alice nach einer Weile des Schweigens. Sie hatte ihren Kopf noch immer an Rose‘ Schulter gelehnt, ihre Stimme klang müde, doch ihre Tränen waren versiegt.
 

„Ich weiß“, erwiderte Rose leise, denn natürlich wusste sie das. Sie hatte es immer gewusst. Albus und Alice waren füreinander geschaffen, in diesem Universum und auch in jedem anderen, jedem Vergangenen und Zukünftigen. „Ihr bekommt das schon wieder hin. Albus wird einsehen, was er an dir hatte und er wird schneller zu dir zurückkommen, als das du blinken kannst. Versprochen!“

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Langsam begann Dominique an ihrer eigenen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln. Irgendwas musste ihrem Kopf zugestoßen sein. War sie vielleicht darauf gefallen, ohne es zu bemerken? Sie konnte doch unmöglich aus freiem Willen und mit klarem Verstand in diesem Moment hier stehen. Im Korridor vor Freds Büro. Mit der Intention, dieses auch zu betreten. Nein, das war verrückt!
 

Doch trotzdem ballte sich ihre Hand zur Faust, hob sich und klopfte sanft gegen die harte Eichenholztür. Merlin, was tat sie hier? Sie machte einen hastigen Schritt zurück und schaute mit schnell klopfendem Herzen nach links und rechts. Der Gang war leer, nicht, dass das wichtig wäre. Sie fühlte sich nur mit einem Mal so in die Enge getrieben und sie war sich sicher, dass ihre Handflächen feucht wurden.
 

Die Tür öffnete sich schwungvoll und Fred stand vor ihr, mit einem teils zaghaften, teils freudigen Grinsen auf den Lippen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
 

„Hallo Dome, komm rein“, begrüßte er sie höflich und jeder ihrer Instinkte schrie ihr entgegen, wegzulaufen. So schnell und so weit wie möglich. Das alles hier würde nicht gut enden, es konnte gar nicht gut enden. Sie würde sich von Fred um den Finger wickeln lassen, sie würde ihm verzeihen und dann? Dann würde alles wieder werden, wie es vor über drei Jahren war. Sie würden wieder Cousin und Cousine sein, nicht mehr und nicht weniger. Und sie war sich nicht sicher, ob sie für das „nicht mehr“ schon bereit war.
 

Trotzdem führten ihre wackeligen Beine Dominique in das Büro des Referendars. Ihre Augen weiteten sich überrascht, als er sie in ein angrenzendes Zimmer leitete, weg von den Akten, Pergamentstapeln und üblichen Büroartikeln. Das kleine Wohnzimmer war überraschend gemütlich eingerichtet, in warmen Farben gehalten und mit dickem, beigem Teppich ausgelegt. Im Kamin prasselte ein Feuer, an den Wänden sorgten Kerzenhalter für weitere Beleuchtung.
 

„Es ist schön hier“, bemerkte sie leise und ließ sich auf das etwas abgenutzt wirkende Sofa fallen. Es war überraschend bequem und sie widerstand dem Drang, sich zurücksinken zu lassen und die Augen zu schließen.
 

„Tja, ich habe mein Bestes gegeben. Den anderen hat es auch gut gefallen.“
 

„Welchen anderen?“, fragte Dominique verwirrt nach.
 

Fred zog die Augenbrauen nach oben. „Deinen Cousins und Cousinen, Alice, Scorpius. Sie waren alle hier. Nur du hast dich bis jetzt geweigert.”
 

Dominique richtete sich schlagartig auf ihrem Platz auf, die Augen zu Schlitzen verengt. „Ich kann auch sofort gehen, wenn dir das lieber ist.“
 

Ihr Cousin seufzte hörbar auf, bevor er in einer entschuldigenden Geste seine Hände in die Luft hob.
 

„Du weißt ganz genau, warum ich nicht hier war und dir zu deinem ach-so-tollen neuen Job gratuliert habe“, sagte sie kühl und strich sich eine Strähne ihres blonden Haares hinters Ohr. „Weißt du was ich mich schon die gesamte Zeit über frage: Hast du einmal nachgerechnet? Ich meine, es muss dir doch klar gewesen sein, dass ich noch hier sein würde? War es dir schlicht egal oder hast du mich einfach nur total vergessen, in den letzten drei Jahren, während du dein perfektes Leben in Deutschland gelebt hast?“
 

Fred schüttelte ratlos den Kopf und ließ sich in einen nahestehenden Sessel fallen. „Kein Small-Talk also? Wir kommen gleich zur Fragerunde? Ich habe dir noch nicht einmal was zu trinken anbieten können. Möchtest du etwas? Wasser, Kürbissaft, Tee?“
 

Es dauerte einen Augenblick, bis Dominique verstand wovon Fred sprach und sie wurde rot. Natürlich, sie hatte nicht vor, besonders viel Zeit in seiner Gesellschaft zu verbringen, aber sie konnte wenigstens versuchen, höflich zu sein. „Tee, bitte“, erwiderte sie leise und ließ sich nun doch vollkommen in das Sofa zurücksinken.
 

Mit einem kurzen Nicken verschwand Fred in einen angrenzenden Raum, der wohl eine Art Küche darstellte. Dominique nutzte seine Abwesenheit, um tief durchzuatmen und sich selbst zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn, diesem ganzen Gespräch unhöflich und feindselig gegenüberzutreten. Fred würde ihre Fragen beantworten, dass hatte er versprochen. Und dann würde sie gehen. Kein Grund für zusätzliche Belastungen in Form von Streitereien.
 

Fred kehrte mit zwei bunten Teetassen ins Zimmer zurück und reichte Dominique eine. Sie dankte ihm mit einem kleinen Lächeln und nippte vorsichtig. Das warme Getränk schien ihr schnell klopfendes Herz zu beruhigen und half ihr, klare Gedanken zu fassen. Doch was sie als nächstes sagen sollte, wusste sie trotzdem nicht.
 

„Ich habe dir versprochen, alle deine Fragen zu beantworten und ich werde dieses Versprechen halten. Also fange ich am besten gleich mit der ersten an.“ Fred räusperte sich und stellte die Tasse auf dem kleinen Couchtisch ab, um die Hände verschränken zu können. „Natürlich war es mir klar, dass du noch hier zur Schule gehen würdest. Ich habe zwar nicht viel Kontakt zu unserer Familie gehalten, aber ich hätte schon mitbekommen, wenn du plötzlich die Schule gewechselt oder abgebrochen hättest. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht wirklich darüber nachgedacht, was das für uns bedeuten könnte. Ich habe mich gefreut, eine Chance zu bekommen, hierhin zurückzukehren. Es tut mir leid, ich hätte auf dich Rücksicht nehmen müssen.“ Er neigte den Kopf zur Seite und symbolisierte ihr, dass seine Rede hiermit beendet sei.
 

Dominique biss sich auf die Unterlippe und nickte. Überzeugt war sie von der Antwort nicht, aber sie würde sie akzeptieren. „In Ordnung.“
 

Und es lagen ihr hunderte weitere Fragen auf der Zunge, doch sie war zu verängstigt, sie zu stellen. Seit Monaten und Jahren brannte sie auf eine Gelegenheit, Fred all jene ins Gesicht zu schreien und jetzt war sie nicht in der Lage, sie auszusprechen. Sie atmete tief durch, nahm noch einen Schluck Tee und schaute Fred dann wieder in die Augen. „Warum hast du dich nicht verabschiedet? Warum bist du ohne ein einziges Wort abgehauen?“
 

„Wow, die schweren Fragen gleich zu Beginn.“
 

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Antworte einfach, Fred!“
 

„Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und ich habe mich nicht getraut.“ Er zuckte unsicher mit den Schultern und senkte den Blick.
 

Dominique wartete einige Sekunden, doch ihr wurde schnell klar, dass sie nichts weiter zu hören bekäme. „Das ist alles? Das ist deine Rechtfertigung?“, hakte sie fassungslos nach.
 

„Ja.“
 

„Verdammt noch mal, Fred. Du bist mir mehr als das schuldig! Es ist nicht getan mit diesen zwei feigen Gründen. Hast du einmal darüber nachgedacht, wie ich mich fühle? Wie es mir ging nachdem du einfach abgehauen war und ich es von deinen Eltern erfahren hatte?“, rief sie ihm aufgebracht entgegen.
 

„Ja, natürlich! Verdammt, Dome, was glaubst du denn?“ Freds Stimme klang nicht weniger aufgebracht als ihre eigene. „Ich habe ständig darüber nachgedacht, was ich getan hatte. Und es tut mir unendlich leid, dass ich abgehauen bin ohne mich zu verabschieden. Das war nicht fair und ja, es war feige. Aber ich kann es nicht mehr ändern, auch wenn ich es will.“
 

„Ist dir klar, dass ich niemals normal weitermachen konnte? Du hast mir nie eine Chance gegeben. Es war, als würde ich immer noch zu dir gehören, die ganze Zeit über, obwohl das natürlich nie der Fall war. Aber du hast mich nicht gehen lassen, du warst ungerecht. Du hast mich nie weggeschickt, du hast nie gesagt, dass du mich nicht mehr willst. Du hast die Sache zwischen uns nie wirklich beendet. Du bist nur gegangen und hast einen Teil von mir mit dir genommen und du hast dir nie die Mühe gemacht, ihn mir zurückzugeben. Und ich weiß, dass das unheimlich klischeehaft klingt, aber es ist die Wahrheit. Ich konnte nicht loslassen, weil du mich nie losgelassen hast. Nicht wirklich zumindest. Wenn du mir wenigstens einen Brief geschrieben hättest, mir in ein paar Sätzen erklärt hättest, dass alles, was jemals zwischen uns existierte, nicht mehr besteht, dann hätte ich abschließen können. Aber du hast mir diese Möglichkeit niemals gegeben und das war egoistisch von dir. Und du schuldest mir das. Ich verlange das von dir. Damit ich endlich wieder anfangen kann, mein Leben zu leben und einem anderen Jungen mein Herz schenken kann. Verstehst du, ich brauche diesen Abschluss!“
 

Dominique konnte nicht erklären, woher die Tränen in ihren Augen plötzlich kamen. Mit zitternden Fingern trocknete sie ihre Wangen und senkte beschämt den Blick. Sie konnte nicht länger in Freds blaue Augen schauen, wenn sie nicht vollkommen die Beherrschung verlieren wollte. Auch wenn es nicht das Schlimmste gewesen wäre - denn es tat so unendlich gut, ihm das alles endlich zu sagen und das rauszulassen, was sie über drei Jahre lang niemandem hatte erzählen können. Es war so befreiend, dass es sie selbst erschreckte.
 

„Ich wusste nicht, dass es für dich so ist.“ Die Stimme ihres Cousins klang belegt. Als würde es ihm wirklich etwas ausmachen, dass es ihr die ganzen Jahre über so ergangen war.
 

„Ich weiß“, erwiderte sie mit rauer, tränenerstickter Stimme. „Und ich weiß, dass du nicht wolltest, dass es so kommt. Natürlich ist mir klar, dass du niemals so für mich empfunden hast, wie ich für dich, aber du wolltest auch nicht, dass es mir schlecht geht. Ich weiß das, Fred.“ Langsam ausatmend hob sie den Kopf und schenkte ihrem Cousin das erste aufrichtige Lächeln sein Jahren. Und auch wenn es wackelig und von Traurigkeit geprägt war, war es wunderschön.
 

Fred starrte sie mit großen Augen an. „Wie kommst du denn darauf, dass ich niemals so empfunden habe, wie du?“ Er klang ernsthaft erstaunt.
 

„Oh ich bitte dich, Fred. Es ist in Ordnung. Ich habe dich offensichtlich vergöttert, verdammt, ich habe dich wirklich geliebt. Und ja, ich weiß, dass du mir deine Liebe ebenfalls gestanden hast und ich war fünfzehn und naiv und ich habe dir geglaubt. Ich bin drüber weg, ich weiß, dass du mich nicht geliebt hast und es ist okay.“
 

Fred hatte sich aus seinem Sessel erhoben und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. Ihre Worte hingen in der Luft und sie wagte nicht, mehr zu sagen. Etwas schien Fred zu beschäftigen und sie wollte ihm die Zeit geben, es zu verarbeiten. Abrupt blieb er jedoch nur Sekunden später vor ihr stehen. Sein Blick bohrte sich in ihren und er schien wirklich aufgewühlt.
 

„Ich habe niemals gelogen, wenn ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe.“
 

Und diese Worte waren wirklich das letzte, womit Dominique gerechnet hätte. Sie zogen ihr den Boden unter den Füßen weg, denn sie hatte jede ihrer Annahmen und Begründungen für jede von Freds Handlungen auf diese Tatsache gestützt. Auf die Tatsache, dass sie ihm niemals besonders viel bedeutet hatte. Sie schluckte schwer, bevor sie ihre nächste Frage formulierte:
 

„Wann hast du damit aufgehört? Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht?“ Ihre Worte klangen schwach und verzweifelt und sie wünschte, sie hätte die Kraft, sich stärker auszudrücken.
 

„Ich habe niemals gesagt, dass ich irgendwann aufgehört habe, dich zu lieben.“

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tbc

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Vielen Dank an alle Favoriteneinträge und Kommentare! :)

Kapitel Zehn.

Es besser machen.
 

Kapitel Zehn.
 

Mit müden Schritten schleppte sich Rose am Dienstagmorgen die vielen Treppen vom Gryffindorturm zur Großen Halle herunter. Es war zu früh für ihren Geschmack, wie jeden Morgen. Aber ihr Hunger hatte sie aus dem Bett getrieben, denn sie würde den Schultag unmöglich überstehen, wenn sie erst zur Mittagspause etwas zu essen bekommen würde. Und außerdem verlangte jede ihrer Zellen nach Kaffee.
 

Sie drängelte sich an Schülerscharen vorbei und die breite Marmortreppe hinunter in die Eingangshalle. Der Lärm, den ihre Mitschüler erzeugten, widerstrebte ihr und sie wünschte, sie könnte sich einfach sofort auf dem Astronomieturm verkriechen, mit einer Zigarette und einem ganzen Krug heißen Kaffee. Aber offensichtlich stand diese Option nicht zur Auswahl. Wie konnten all diese Menschen so früh am Morgen nur schon wach genug sein, einen solchen Krach zu veranstalten? War es zu viel verlangt, sich in normaler Lautstärke zu verständigen?
 

Rose verdrehte die Augen, hielt sich die Hand vor den Mund um ausgiebig zu Gähnen und widerstand der Versuchung, sich über die müden Augen zu reiben, weil sie somit ihr Make-up verschmieren würde.
 

Sie war nur wenige Schritte von den großen Holztüren der Halle entfernt, als eine Stimme ihren Namen rief. Sie wägte die Möglichkeit ab, einfach so zu tun, als hätte sie nichts gehört (was bei all dem Trubel kein Wunder gewesen wäre), doch eine schwere Hand auf ihrer Schulter ließ sie in ihren Bewegungen stoppen.
 

Rose rümpfte die Nase, bevor sie die Hand mit einer schlichten Geste von ihrer Position auf ihrer Schulter entfernte. Es war viel zu früh für Körperkontakt, also wirklich! Missgelaunt drehte sich um.
 

Vor ihr stand Glenn Morison, ein Ravenclawschüler aus ihrem Jahrgang. Er war ihr keineswegs unbekannt, sie hatten schon das eine oder andere Date hinter sich. Eigentlich war er ein umgänglicher Junge und schlecht sah er auch nicht aus, mit schwarzen Haaren und ziemlich durchdringenden, blauen Augen.
 

„Hey Glenn“, grüßte sie ihn und gab sich nicht besonders viel Mühe, Enthusiasmus in ihre Stimme zu legen. Immerhin hatte sie erst einen Tag zuvor beschlossen, nicht jede ihrer Handlungen bis ins kleinste Detail zu überdenken und nicht mehr so zu handeln, wie es jeder von ihr erwartete.
 

„Wie geht’s dir?“, fragte er höflich nach. Als würde ihn die Antwort überhaupt interessieren! Rose hatte eine ziemlich genaue Ahnung, warum er sie ansprach.
 

„Sei mir nicht böse, aber was willst du, Glenn?“, fragte sie frei heraus.
 

Zu sagen der Junge schaute überrascht, wäre übertrieben, jedoch fehlte es ihm plötzlich an Gelassenheit und er räusperte sich, bevor er weitersprach: „Weißt du, ich habe über unser letztes Treffen nachgedacht, welches ja nun schon eine Weile her ist. Hast du nicht mal Lust, wieder im Ravenclawturm bei mir vorbeizuschauen?“
 

Als hätte sie es nicht geahnt. Rose öffnete den Mund, ihre Antwort im Kopf bereits fertig formuliert, als sie sich um entschied. Sie wollte einen Neustart und genau hier sollte sie beginnen. „Tut mir leid, aber nein. Sei mir nicht böse, Glenn, aber ich habe kein Interesse mehr an dieser Art Verabredungen.“ Sie schenkte dem verdutzen Ravenclaw ein schmales Lächeln, bevor sie auf dem Absatz kehrt machte und in die Halle marschierte.
 

Sie hatte gerade erst ihren Platz am Gryffindortisch eingenommen, als sie das erste Geflüster in ihrer Umgebung wahrnahm.
 

„Was, das hat sie gesagt?“
 

„Nein, das glaube ich nicht!“
 

„Wenn ich es euch doch sage, genau so hat sie es formuliert.“
 

„Das passt gar nicht zu ihr.“
 

Rose schaute demonstrativ in die Richtung der vier Sechstklässlerinnen, welche so ausgelassen über sie redeten, als säße sie nicht nur wenige Meter von ihnen entfernt. Drei von ihnen hatten den Anstand, rot zu werden und den Blick zu senken, während die vierte ihrem Blick kühl begegnete, als würde sie damit irgendeinen Standpunkt vertreten wollen. Rose zog eine Augenbraue nach oben und lächelte sie herablassend an, bevor sie sich ihrem Frühstück zuwandte und sich ein Brötchen aus einem nahestehenden Brotkorb nahm.
 

Sie wusste nicht, warum ihre Abfuhr an Glenn so einen Aufruhr heraufbeschwor. Es stand ihr ja wohl frei, auszugehen mit wem sie wollte. Oder zu machen, was sie wollte. Was interessierte es ihre Mitschüler überhaupt, was sie in ihrer Freizeit tat und mit wem? Das war schließlich ihr Leben und sie lebte es nicht, um den Anforderungen und Erwartungen anderer gerecht zu werden.
 

Kopfschüttelnd griff sie nach der Marmelade, ignorierte die neugierigen Blicke, die immer wieder über sie streiften und wartet geduldig darauf, dass Alice und Dominique ihr Gesellschaft leisten würden.

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Das gute Aussehen war Dominique in die Wiege gelegt worden. So formulierte es Rose zumindest immer, wenn sie die Blondine nach einer Partynacht am Frühstückstisch antraf, frisch und munter wie die aufgehende Sonne. Dominique selbst war da von jeher anderer Meinung. Und der heutige Morgen bewies dies eindeutig.
 

Sie hatte fürchterliche, dunkle Augenringe, weil sie die ganze Nacht nicht eine Sekunde geschlafen hatte. Ihre Haut war unnatürlich blass und ihre sonst nahezu schimmernden Haare wirkten glanzlos und stumpf. Sie sah krank aus und fühlte sich auch so; übernächtigt, schwach und lustlos.
 

Mit hängenden Schultern nahm sie den längsten und umständlichsten Weg in die Große Halle, um am Frühstück teilzunehmen. Vorher wollte sie jedoch so wenigen Menschen wie möglich begegnen, um wenigstens eine Chance zu haben ihre wirbelnden Gedanken zu ordnen, was sich schon bald als hoffnungslos herausstellte. Sie war völlig fertig und nach dem Grund dafür musste man nicht erst fragen.
 

Fred Weasley.
 

Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Seine Worte schienen wie ein Mantra durch ihren Kopf zu laufen. Ich habe niemals gesagt, dass ich irgendwann aufgehört habe, dich zu lieben. Was wollte er ihr damit mitteilen? Etwa, dass er in sie verliebt war? Noch immer? Nach drei verdammten Jahren, in denen er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sich bei ihr zu melden? Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein!
 

Sie war wütend. So unheimlich wütend. Was dachte er sich eigentlich dabei hier aufzutauchen als wäre überhaupt nichts dabei, ihr gesamtes Leben auf den Kopf zu stellen und sie dann mit einem solchen Statement vollkommen aus der Fassung zu bringen und jeden Rest ihres Verstandes zu überfordern?
 

Nun, sie hatte vielleicht nicht unbedingt angebracht reagiert. Sie hätte ihm eventuell eine Chance geben sollen, sich zu erklären, anstatt einfach wegzurennen. Das war es nämlich, was sie getan hatte: sie hatte ihn etwa eine Minute lang stumm angestarrt, als wäre er die leibhaftige Erscheinung Merlins, dann war sie aufgesprungen und ohne ein weiteres Wort aus seiner kleinen Wohnung gestürmt. Ein etwas unüberlegter Abgang, wie ihr im Nachhinein bewusste wurde, denn so würde sie ganz offensichtlich keine befriedigenden Antworten auf alle ihre neuen Fragen erhalten. Aber sie wollte auch nicht zurückkehren.
 

Also hatte sie die gesamte Nacht im leeren Gemeinschaftsraum des Ravenclawturmes verbracht und den Hauselfen still beim Aufräumen zugesehen. Die kleinen Wesen schienen reichlich verwirrt aufgrund ihrer Anwesenheit, aber sie sprachen sie nicht an und Dominique war es einerlei.
 

Somit wäre nun auch ihr katastrophales Aussehen erklärt. Dominique kannte keine Schönheitszauber und sie hatte sowieso keine Nerven dazu, sie fehlerfrei anzuwenden und was war schon dabei, wenn sie einmal keine makellose Haut und keine perfekte Frisur zur Schau trug?
 

Sie war kurz davor, in einen vielgenutzten Korridor einzutreten als sie innehielt. Reiß dich zusammen, sagte sie sich selbst und biss dabei demonstrativ die Zähne zusammen. Jedoch ging ihr jeglicher Funken neu gewonnene Gelassenheit verloren, als sie daran dachte, dass einer ihrer Lehrer ihr quasi seine Liebe gestanden hatte. Denn das hatte Fred doch, oder nicht? Und genau da waren wieder die Gedanken, die sie nicht ordnen konnte, weil sie nicht wusste was Freds Worte bedeuteten und was sie damit anfangen sollte und wie sie selbst fühlte konnte sie auch nicht sagen und eigentlich wusste sie überhaupt nichts mehr. Alles drehte sich.
 

Dominique gab auf. Ohne ihre miserable Stimmung verbergen zu können machte sie sich auf den Weg zur Großen Halle, vermied jeglichen Blickkontakt und ließ sich nach, wie es ihr vorkam, einer unendliche langen Reise neben Rose am Gryffindortisch wieder.
 

„Du siehst schrecklich aus“, war der einzige Kommentar ihrer Cousine, die gleich darauf genüsslich in ihr Brötchen biss. „Hätte nicht gedacht, dass das möglich ist - bei deinen Genen.“
 

Dominique machte sich nicht die Mühe einer Antwort, geschweige denn eines Zeichens das sie Rose‘ Worte vernommen hatte. Sie nahm sich eine Tasse und schenkte sich randvoll Kaffee ein, den sie schwarz und heiß trank, was ihr die Tränen in die Augen trieb. Aber vielleicht war das auch die Hilflosigkeit, die sie in diesem Moment verspürte.

___
 

Scorpius konnte sich nie genug darüber beklagen, wie ausgesprochen sinnlos es war, Astronomie am helllichten Tage zu unterrichten. Er hatte bis jetzt noch nicht verstanden, warum er mehre Stunden in der Woche in einem abgedunkelten Klassenraum verbringen musste, wenn er doch eigentlich in der Nacht den Sternenhimmel betrachten sollte. Aber das galt bloß als freiwillige Arbeit, wozu ihnen einmal in der Woche die Chance gegeben wurde. Ansonsten wurde mehr Wert auf die Theorie der Sternenkunde gelegt, die nun einmal im Klassenraum besprochen wurde. Die Praxis war zweitrangig und Scorpius würde nie darüber hinwegkommen. Er würde es nicht zugeben, aber für Astronomie hatte er eine heimliche Schwäche.
 

Doch heute hatte er ausgesprochen gute Laune als er den Klassenraum am nördlichen Ende des Schlosses verließ. Ihm waren einige interessante Gerüchte zu Ohren gekommen und er beschleunigte seine Schritte, um so schnell wie möglich zum VGDDK-Klassenzimmer zu kommen. Heute hatte er einen bestimmten Platzwunsch und er musste pünktlich ankommen, um diesen in die Tat umsetzen zu können.
 

Er bog gerade um die letzte Ecke als Professor Angelini aus dem Raum trat und den bereits wartenden Schülern somit Eintritt gewährte. Scorpius drängte sich an seinen Klassenkameraden vorbei und folgte den roten Haaren einer ganz bestimmten Weasley, die sich einen Platz in der letzten Reihe aussuchte. Er zögerte nicht, als er den Stuhl neben ihrem zu sich zog und sich mit einem zufriedenen Lächeln niederließ.
 

Rose‘ Kopf zuckte zu ihm und ihre Augen verengten sich sofort zu schmalen Schlitzen. „Was zur Hölle, Malfoy? Verschwinde hier!“ Ihre Stimme war unnachgiebig und kalt.
 

Das Grinsen auf seinen Lippen wurde nur noch breiter, seine weißen Zähne wurden deutlich sichtbar. „Jemand scheint heute schlechte Laune zu haben. Wie sieht’s aus, denkst du ein bisschen Zeit mit mir könnte deine Stimmung heben. Heute Abend im Raum der Wünsche?“
 

Rose lachte humorlos auf. „Oh clever, Malfoy. Ich sehe, du hast das Gerede über mich vernommen? Dann dürftest du ja bemerkt haben, dass ich dem bedeutungslosen Sex abgeschworen habe. Und jetzt verschwinde!“
 

Der Slytherin zog seine Lehrbücher aus der Tasche und platzierte sie säuberlich auf seinem Tisch, bevor er sich wieder seiner Gesprächspartnerin zuwandte. „Wie lange hast du vor, dieses Spielchen zu spielen?“
 

„Was meinst du?“, fragte Rose und zog verwirrt ihre Stirn in Falten.
 

„Komm schon, Weasley. Ich kenne dich, du kennst dich. Glaubst du wirklich, du kannst an dieser neuen, selbsterschaffenen Regel auch nur einen Tag festhalten? Du brauchst Sex wie die Luft zum Atmen! Und was willst du eigentlich damit bezwecken? Wem willst du etwas beweisen? Dir selbst vielleicht? Glaub mir, den Ruf als Flittchen wirst du nicht mehr los solange du durch dieses Schloss wanderst!“
 

Vielleicht hätte er es kommen sehen sollen. Seine Worte waren wirklich nicht die charmantesten und mal ehrlich, dass hier war immer noch Rose Weasley. Trotzdem traf ihn der Schlag ins Gesicht unerwartete und hart, und seine Wange brannte so sehr, dass es ihm für einen kurzen Moment die Tränen in die Augen trieb. Mit zusammengepressten Lippen hob er den Kopf, um Rose‘ Blick zu treffen.
 

Jedoch hatte er etwas anderes erwartet, als er in ihre blauen Augen sah. Er hatte mit Wut, Empörung, ja sogar Hass gerechnet. Das würde auch zu ihren Handlungen passen. Mit diesem verletzten Ausdruck hatte er jedoch nicht gerechnet, und auch nicht mit den Tränen, die ihre Augen glasig machten, die sie jedoch nicht über ihre Wangen laufen ließ. Sie blinkte einige Male schnell hintereinander, bevor sie nach ihrer Tasche griff und ohne eine Erklärung den Raum verließ, obwohl Professor Angelini in eben diesem Moment die Stunde eröffnet hatte.
 

„Miss Weasley!“, rief die Professorin ihrer Schülerin überrascht nach, doch erhielt weder eine Antwort noch sonst irgendeine Reaktion.
 

Scorpius wusste nicht, was er denken sollte. Er starrte stumm auf die Tür, die nach Rose ins Schloss gefallen war und fasste seinen Entschluss ziemlich unüberlegt. Er sprang auf, warf sich seine Tasche über die Schulter und nahm seine Bücher unter den Arm, bevor er ebenfalls den Raum verließ.
 

„Also ich muss doch sehr bitten! Mr. Malfoy, kommen Sie sofort zurück! Mr. Malfoy!“
 

Er schmiss die Tür zu, um die Stimme der Professorin zu dämpfen und sprintete den Gang entlang auf der Suche nach diesen, ihm allzu bekannten, roten Haaren. „Rose?“, rief er, leise genug, um keine ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch er erhielt keine Antwort.
 

Leise fluchend schloss er für eine Sekunde die Augen. Was hatte ihn nur dazu gebracht, diese Worte auszusprechen? Natürlich, er hatte sie schocken, sie provozieren wollen. Er hatte eine bissige Reaktion von ihr erwartet oder vielleicht sogar ein höhnisches Lachen. Doch es war nie seine Absicht gewesen, sie zu verletzten, sie zum Weinen zu bringen. Und Merlin, seit wann interessierte ihn das denn? Sie war nur eine verfluchte Gryffindor, niemand von Belang! Es war ja nicht so, als hätte er nicht die Wahrheit gesagt. Ihr wurde doch sicherlich nicht erst jetzt klar, dass sie genau diesen Ruf hatte, oder? Unmöglich!
 

Er atmete tief durch und versuchte es erneut. „Rose?“ Mit leisen Schritten bog er um die Ecke und beinahe wäre ihm die Tür zu seiner linken nicht aufgefallen, die nur einen winzigen Spalt breit offen stand.
 

Ohne zu zögern betrat er den Raum, sicher dass er die Weasley hier finden würde. Und er behielt Recht. Der verlassene Klassenraum wirkte düster und verstaubt, war offensichtlich schon länger nicht mehr benutzt worden. Rose saß an einem der Tische an der Wandreihe, ganz hinten in der Ecke, und schien mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Sie hatte das Gesicht in den Händen verborgen und ihr Körper zitterte. Sie schluchzte leise auf und schien seine Anwesenheit entweder nicht bemerkt zu haben oder hatte beschlossen, ihn zu ignorieren.
 

Scorpius trat unsicher von einem Fuß auf den anderen, bevor er seine Sachen auf dem nächstbesten Tisch ablegte und mit vorsichtigen Schritten auf Rose zuging. Merlin, weinende Menschen waren ihm wirklich unsympathisch! Er konnte einfach nichts mit ihnen anfangen. Sie waren zu verzweifelt, verletzlich, hilflos und schwach, konnten nicht mal anständige Worte formulieren. Normalerweise würde er die Flucht ergreifen. Wenn er nur an Longbottom dachte, die schluchzend in seinen Armen gehangen hatte und wie sehr er sich irgendwo anders hin gewünscht hatte. Es war ihm wirklich hoch anzurechnen, dass er nicht einfach davon gerannt war. Albus war wirklich der einzige Mensch, den er freiwillig tröstete, und das es dazu kam hat Jahre gedauert.
 

Jedoch hatte er nicht das Gefühl, jetzt einfach weggehen zu können. Und wirklich, Rose gab ihm jede Chance. Er könnte umdrehen und rennen und sie würde nicht anders von ihm denken. Sie erwartete nichts von ihm. Doch irgendetwas schien sie in ihm auszulösen. Er konnte nicht gehen, denn er erwartete von sich selbst, hier zu bleiben und sie zu beruhigen, ob sie das wollte oder nicht. Bei Slytherin, wie war es denn dazu gekommen?
 

Scorpius verstand sich selbst nicht mehr, als er sich erneut auf dem Platz neben Rose niederließ. Sie zuckte zusammen, als er ihr eine Hand auf den Rücken legte und begann, langsam und geduldig im Kreis zu streicheln. Was war denn nur in ihn gefahren? Er wollte seine Hand wegreißen, doch etwas ließ ihn mit seinen Bewegungen fortfahren. Vielleicht war es der Blick, mit welchem Rose in diesem Moment zu ihm aufsah.
 

„Es tut mir leid!“ Der Satz verließ seinen Mund, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte. Doch letztendlich waren es die richtigen Worte, also sollte er nicht bereuen, sie gesagt zu haben.
 

Rose nickte nur, mit bebenden Lippen und großen, glänzenden Augen. Sie wirkte so unschuldig und verletzbar, dass Scorpius sie in seine Arme schließen und nie wieder loslassen wollte. Anscheinend war er übergeschnappt!
 

„Jeder denkt so über mich, oder nicht? Nur hatte bis jetzt noch niemand den Mut, es mir ins Gesicht zu sagen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so wehtun würde.“ Rose‘ formulierte ihre Worte leise und stockend, doch Scorpius nahm jedes wahr wie einen Schlag in seine Magengrube.
 

Was sollte er darauf erwidern?
 

„Es tut mir leid“, wiederholte er seine vorherigen Worte und kam sich unheimlich dumm vor.
 

„Ich hätte nie gedacht, dass es so werden würde“, erklärte Rose und sie räusperte sich, um ihrer Stimme mehr Stärke zu verleihen. „Als ich mit elf Jahren das erste Mal einen Fuß in dieses Schloss gesetzt habe, war es nicht mein Ziel gewesen, so zu werden, wie ich heute bin. Ich hatte nicht geplant, das Flittchen für jedermann zu werden. Doch nach der Sache … ich … es war es eine Art Selbstschutz, weißt du? Ich dachte einfach, wenn ich niemanden mehr nah genug an mich heranlasse und jedem das selbstbewusste, unverwundbare Mädchen vorspiele, wird mir so etwas nie wieder passieren. Ich lag vollkommen falsch und jetzt ist alles noch viel schlimmer!“
 

Sie brach erneut in Tränen aus und Scorpius zog sie sanft in seine Arme, während ihre Worte noch in seinem Kopf herumwirbelten. Er hatte Mühe ihren Gedankengängen zu folgen. Von welcher Sache sprach sie denn jetzt? Gab es so etwas wie einen Auslöser, einen Grund, warum sie heute dieses Mädchen war? Scorpius hatte erwartete, dass sie einfach von Natur aus offen und kontaktfreudig war, gerne Sex hatte, was auch immer. Ihm war beim besten Willen nie in den Sinn gekommen, dass mehr hinter Rose‘ Verhalten stecken könnte. Plötzlich fühlte er sich dumm und ignorant, nicht darüber nachzudenken, was das Mädchen in seinen Armen dazu veranlasst haben könnte, ihren Körper jedem Jungen als Spielwiese darzubieten.
 

Scorpius saß still, während Rose ihren Kopf auf seiner Schulter abgelegt hatte und leise weinte. Ihre Schluchzer waren verstummt und er glaubte, dass dies zumindest teilweise mit der Tatsache zu tun hatte, dass e ihr die gesamte Zeit über den Rücken gestreichelt hatte. Erst als Rose sich langsam von ihm löste und ihre Augen und Wangen trocknete, erlaubte er sich die Frage zu stellen, die seit ihrer kleinen Ansprache auf seiner Zunge gelegen hatte.
 

„Von welcher Sache hast du geredet? Warum musstest du dich selbst schützen?“ Vielleicht hätte er das ganze Thema nicht so frei heraus angehen sollen. Rose nahm ruckartig Abstand von ihm und verknotete in einer nervösen Geste ihre Hände.
 

„Vergiss einfach, dass ich das gesagt habe“, sagte sie abweisend.
 

„Das ist schwierig, nachdem du mir erklärt hast, dass tatsächlich mehr in dir steckt als nur das oberflächliche und leichtzuhabende Mädchen, dass du jedem vorgegaukelt hast!“ Scorpius schlug den falschen Ton an, das war ihm klar, aber irgendetwas an Rose schien ihn dauerhaft zu provozieren.
 

Rose schnaubte höhnisch. „Als würdest du dich für mein wahres Ich interessieren. Du hast dich entschuldigt, ich habe dir vergeben, du brauchst nicht mehr hier zu sitzen und Interesse und Mitleid vorzutäuschen. Geh einfach!“
 

Scorpius hob beide Hände in einer abwehrenden Geste nach oben. „Okay, wenn du nicht mit mir sprechen willst, werde ich mit Albus reden. Oder vielleicht wissen ja Alice und Dominique mehr?“ Er wusste, dass es eine hinterhältige Taktik war, so eine Reaktion von Rose zu erzwingen, aber er war ja nicht vollkommen umsonst in Slytherin gelandet.
 

Der Gesichtsausdruck der Weasley wandelte sich schlagartig. Ihre grimmige, abweisende Fassade war gewichen und plötzlich wirkte sie in die Enge getrieben. „Nein!“ Ihre Stimme klang flehentlich.
 

„Dann erzähl mir von dieser Sache.“
 

„Ich kann nicht!“
 

„Natürlich kannst du! Du willst nur nicht. Du hast die Wahl Rose.“
 

Scorpius hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beharrte stur auf seiner Forderung. Rose hatte selbst mit dieser ganzen Sache begonnen. Hätte sie nie etwas gesagt, hätte er nie verlangt, mehr zu erfahren. Er war nun einmal wissbegierig und besonders dann, wenn es um Rose Weasley ging, etwas, dass er sich selbst nicht wirklich erklären konnte.
 

Rose seufzte tief, bevor sie in einer aufgebenden Geste den Kopf senkte.
 

„In Ordnung, ich werde dir alles erzählen. Aber nicht heute.“ Sie schaute auf ihre Uhr und stand dann auf. „Ich gehe zum Mittagessen. Triff mich morgen Abend im Raum der Wünsche und ich erzähl dir die Geschichte. Und falls das für dich alles ein Scherz sein sollte und du vorhast, mich danach in der ganzen Schule bloßzustellen oder was auch immer - nur zu, mir ist es egal.“
 

Es war die Art, in der sie sie Worte aussprach - so vollkommen unbeteiligt und uninteressiert - die Scorpius davon überzeugte, dass, egal was sie ihm erzählen würde, er es für sich behalten würde. Was war nur mit der Rose geschehen, mit der er vor wenigen Wochen noch unnötige kleine Streitereien heraufbeschworen hatte und die jederzeit, wenn auch nach einigem Überreden, für einen Blow Job zu haben gewesen war? Er hatte das Gefühl, sich viel mehr in den Fall Rose Weasley zu verstricken, als gut für ihn war.

___
 

Albus hätte sich einen dickeren Mantel anziehen sollen. Der Wind war eisig kalt und der graue Himmel versprach nicht einen einzigen Strahl Sonnenschein, um ihn zu Wärmen. Aber was hatte er Ende November auch anderes erwartet?
 

Das Mädchen an seiner Seite trug nicht dazu bei, dass er sich besser fühlte. Stella Parkinson war nett, wirklich, und außerdem überdurchschnittlich hübsch. Ihre schwarzen Haare hatte sie mit einem Haarband unordentlich fixiert, ihre braunen Augen mit viel dunkler Schminke umrandet und die Piercings an ihrer Nase und über ihrem Mund passten zu ihr, als hätte Merlin persönlich sie für sie ausgewählt. Ihr gesamtes Aussehen und Auftreten brachte einen Charme mit sich, den Albus sehr an ihr schätzte.
 

Seit der ersten Klasse waren die beiden gute Freunde gewesen und niemals mehr. Albus hatte sich auch nie auf diese Weise zu ihr hingezogen gefühlt. Und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Was also machte er hier?
 

Er versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren, die sie an ihn richtete, aber es fiel ihm unendlich schwer. Seine Gedanken fokussierten sich wieder und wieder auf die Hand, die er mit ihrer verschränkt hielt. Es fühlte sich nicht schlecht an, sie hatte weiche Haut und zierliche Finger. Und doch konnte er immer nur an ein anderes Mädchen mit schwarzen Haaren und zarten Händen denken.
 

Dabei machte er das alles doch nur, damit es für ihn leichter wurde. Er unterdrückte ein unzufriedenes Seufzen und richtete seinen Blick auf den, in der Ferne liegenden, schwarzen See. Schon bald würde seine Oberfläche zugefroren sein und den Schülern die Möglichkeit zum Eislaufen bieten.
 

Als er Alice gestern um die Erlaubnis gebeten hatte, mit Stella auszugehen, hatte er insgeheim gehofft, dass sie etwas dagegen haben würde. Doch ihre Worte hatten ihm alles gesagt, was er wissen musste. Es macht mir nichts aus. Es störte sie nicht, es kümmerte sie nicht, es war ihr egal. Alice war fertig mit ihm und dass das alles vorrangig seine Schuld war, machte das Gefühl der Leere und Einsamkeit nicht weniger drückend. Natürlich, damals, bevor er von dem Baby gewusst hatte, da hatte er mit ihr Schluss gemacht. Und für einen kurzen, dummen Moment hatte er gehofft, dass nach der Abtreibung alles wieder so werden würde, wie es einmal war. Zumindest halbwegs. Doch Alice hatte weitergemacht und nur er hing noch immer ihrer gemeinsamen Zeit nach. Was war er für ein Trottel!
 

Alles was Alice jetzt von ihm wollte, war Freundschaft. Und genau das würde er ihr geben. Er würde für sie da sein, wann immer sie ihn brauchte. Aber um dazu in der Lage sein zu können, musste er jeglichen Gedanken an Alice in einer mehr als freundschaftlichen Hinsicht aus seinem Kopf verbannen.
 

Und genau deswegen verbrachte Albus diesen Nachmittag mit Stella. Es war nicht fürchterlich oder unerträglich. Er empfand nur nicht einmal annähernd etwas mehr als Freundschaft für sie. Es war ironisch - Alice‘ und Stellas Rollen sollten vertauscht sein.
 

Dennoch, mit dem größeren Ziel im Kopf - nämlich Alice‘ bester Freund zu werden - fiel es ihm viel leichter, sich auf Stella einzulassen. Und als Stella ihm sagte, wie sehr sie ihn mochte, log er ohne Probleme zurück, dass er genauso für sie empfand und als sie ihn dann küsste, ließ er sich einfach darauf ein und küsste sie zurück und als sie ihn dann fragte, ob er nun ihr Freund war, bejahte er es mit einem falschen Grinsen und küsste sie erneut auf den Mund.
 

Als an diesem Abend, während des Essens in der großen Halle, der erste Schnee zu fallen begann und alle Schüler wie verzaubert an die Decke schauten, um den Flocken mit den Augen zu folgen, nahm Stella seine Hand und küsste ihn glücklich auf den Mund.
 

Und Albus konnte nicht anders, als an den ersten Schnee im letzten Jahr zu denken, und daran, wie er mit Alice mitten in der Nacht durchs Schloss und auf die Ländereien geschlichen war, wo sie die Schneekristalle mit ihren Zungen gefangen und sich danach überschwänglich geküsst hatten, woraufhin sie beide auf dem Boden gelandet waren und später in nassen Sachen in das Bad der Vertrauensschüler eingebrochen sind und dort ...
 

So sehr er auch versuchte, Stellas Kuss zu genießen, wusste er doch, dass er so etwas wie mit Alice niemals mit ihr erleben würde. Und wenn nicht mit ihr, dann hoffte er doch sehnlichst, irgendwann ein Mädchen zu finden, dass er so lieben würde, wie er Alice in diesem Moment liebte.

___
 

Dominique wusste nicht, was in sie gefahren war. Der hinter ihr liegende Tag war mit Abstand der fürchterlichste ihres Lebens gewesen. Sie hatte nicht eine Minute Ruhe vor ihren eigenen Gedanken gehabt und es war das erste Mal überhaupt, dass sie sich fragte, ob es nicht ein Nachteil war, in Ravenclaw zu landen, weil man automatisch alles doppelt und dreifach hinterfragt und analysiert. Sie hatte das Gefühl, verrückt zu werden.
 

Noch dazu hatte sie ein ausgesprochen schlechtes Gewissen. Sie hatte die letzte Stunde geschwänzt. Nicht ohne Grund natürlich, sondern wegen Fred. Niemand konnte ernsthaft von ihr verlangen, sich in einem Raum mit ihm aufzuhalten. Nicht nach der letzten Nacht, nicht nach seinen Worten. Oh Merlin, ihr Lehrer hatte ihr tatsächlich seine Liebe gestanden! Das war auf so vielen Ebenen falsch, dass ihr für einen Moment entfiel, dass er auch noch ihr Cousin war.
 

Ja, und nach diesem schrecklichen Tag, den sie damit verbringen musste, Alice und Rose keinen Anlass zu geben, skeptisch zu werden, stand sie nun hier. Vor seiner Tür. Genau wie am Abend zuvor.
 

Aber diesmal hatte sie einen Plan!
 

Diesmal würde sie alles richtig machen. Diesmal würde sie ihm keine Chance geben, mit ihrem Kopf zu spielen und sie mit Worten und Taten zu verwirren. Diesmal würde sie reden und ihm eindeutig die Meinung sagen und dann, dann würde sie wirklich gehen und sich nie wieder zu ihm umdrehen und weiterleben, als wäre Fred Weasley für sie nie mehr als nur einer unter vielen Cousins gewesen.
 

Mit zusammengepressten Lippen klopfte sie an die Tür. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. Eine abweisende Körperstellung konnte in dieser Situation nicht schaden, oder?
 

Fred öffnete die Tür halbnackt. Er trug nur eine tiefsitzende Jeans und sonst - nichts. Das hatte Dominique in ihren Plan natürlich nicht einbezogen. Ihr Atem stockte für eine Sekunde und sie versuchte krampfhaft, sich zu sammeln und ihren Blick in sein Gesicht zu lenken.
 

Fred starrte sie an, ein Ausdruck zwischen Kuriosität und Unbehagen war auf seinem Gesicht zu sehen. Gerade wollte er den Mund öffnen, wahrscheinlich um zu fragen, was sie hier wollte, als Dominique ihre Fassung wiedererlangte.
 

„Begrüßt du so alle deine Schüler?“, fragte sie ihn gleichgültig und drängte sich, ohne seine Erlaubnis, an ihm vorbei und in sein Wohnzimmer. „Nicht besonders professionell, wenn du mich fragst“, setzte sie hinzu.
 

Fred war ihr gefolgt und stand nun etwas unschlüssig im Türrahmen. Er war überrascht und unvorbereitet und genau diese Tatsache würde sie nutzen.
 

„Was machst du hier?“
 

„Keine Angst, ich werde nicht lange stören. Ich wollte nur unser Gespräch von gestern zu Ende bringen, damit wir uns danach nie mehr unterhalten müssen, okay?“
 

Der Referendar sah sie ungläubig an. „Nein, das ist nicht okay“, erwiderte er mit Nachdruck. „Was stimmt denn nicht mit dir, Dome? Gestern rennst du ohne ein Wort einfach weg und heute verlangst du von mir, dass ich nie wieder mit dir rede? Das alles habe ich nicht damit bezweckt, als ich dir den Brief geschrieben habe.“
 

Dominique sah ihn abschätzend an. „Was genau hast du dir denn vorgestellt, Fred? Das du mir deine bezaubernde, kleine Geschichte erzählst, in welcher du mir ein oder zwei Mal deine Liebe gestehst und dann … hast du gedacht, dann ist alles wieder okay zwischen uns und wie spielen bis zum Rest unserer Tage Cousin und Cousine? Oder willst du vorher vielleicht nochmal mit mir schlafen? Was genau hast du dir von alldem hier erwartet?“ Sie hatte nicht vorgehabt, ihre Worte so verletzend zu formulieren, doch sie konnte sich nicht davon abhalten.
 

„Hörst du dir eigentlich selbst zu? Glaubst du vielleicht, ich habe gestern gelogen und dir aus Spaß erzählt, dass ich dich immer noch liebe? Denn genau das tue ich, okay? Ich liebe dich!“
 

Diese Worte erneut zu vernehmen, ließ Dominique ihren Blick senken. Sie kämpfte erbittert gegen die Röte in ihren Wangen. Er meint es nicht ernst, sagte sie sich selbst und ihrem viel zu schnell klopfendem Herzen. Wer weiß, was er bezweckte, aber sie würde sich nicht noch einmal auf ihn einlassen. Nein, das konnte sie nicht. Sie atmete tief durch und hob den Kopf.
 

„Das ergibt keinen Sinn“, sagte sie und bewunderte sich selbst für die Ruhe, die in ihrer Stimme lag.
 

„Wieso nicht?“, fragte Fred hilflos und trat einen Schritt auf sie zu.
 

„Verdammt, Fred, weil du gegangen bist! Du bist abgehauen, okay? Wenn du mich geliebt hättest, dann wärst du bei mir geblieben!“
 

„Ich weiß. Ich weiß, Dome!“, rief er ihr entgegen und kam direkt vor ihr zum Stehen. „Das war ein riesiger Fehler und es tut mir unendlich leid!“
 

„Aber das erklärt immer noch nicht, warum du gegangen bist. Es gibt keinen Grund. Alles was du mir hier erzählst ist schön und gut, aber was war der Grund, Fred? Warum bist du von einem Tag auf den anderen einfach geflohen, wenn du mich angeblich geliebt hast?“
 

„Liegt das denn nicht auf der Hand?“
 

„Nein, natürlich liegt es nicht auf der Hand. Merlin, Fred, du hast mein Herz gebrochen. Jetzt nenn‘ mir wenigstens einen anständigen Grund dafür. Das habe ich verdient!“
 

Dominique hatte nicht realisiert, dass sie beide angefangen hatten, zu schreien. Normalerweise legte sie bei einer Unterhaltung Wert auf eine angemessene Gesprächslautstärke, doch Fred alle ihre Gefühle ins Gesicht zu schreien, fühlte sich so unglaublich gut an.
 

„Ich wollte dich schützen, Dome!“
 

„Wovon redest du? Vor was wolltest du mich beschützen? Es ging mir gut, es ging uns gut. Ich, für meinen Teil, war glücklich und zufrieden, bis du alles kaputt gemacht hast.“
 

„Merlin, Dome, du warst 15 Jahre alt. Du warst fast noch ein Kind und du warst so unschuldig. Ich wollte dich vor der Welt beschützen, ist das nicht klar? Weißt du, was die Leute gesagt hätten, was unsere Familien gesagt hätten, wenn sie von uns erfahren hätten? Wir wären niemals akzeptiert worden und vielleicht hätte man uns sogar den Umgang verboten. Unsere Beziehung wäre daran zerbrochen, du wärst daran zerbrochen. Denkst du vielleicht, dass ich das mit meinem Gewissen hätte vereinbaren können? Es war einfacher zu gehen, verstehst du? Wir hätten nicht ewig ein Geheimnis aus unserer Beziehung machen können, früher oder später hätte uns irgendjemand erwischt und egal wie oft ich über das alles nachgedacht und es in meinem Kopf durchgespielt habe, am Ende warst immer du die geschädigte, verstehst du? Am Ende hast immer du alles abbekommen - von unseren Familien, deinen Mitschülern. Ich war mit der Schule fertig, ich hätte überall und jederzeit neu anfangen können, aber du? Du warst gefangen und du hättest jeden Tag gelitten. Hast du geglaubt, dass ich das für dich gewollt habe?“
 

„Ich habe trotzdem gelitten“, flüsterte Dominique, bevor sie sich sprachlos aus Sofa setzte. Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, als wollte sie sich selbst umarmen. Unbewusst begann sie auf ihrer Unterlippe herumzubeißen. Und während all dem legte sie besondere Aufmerksamkeit darauf, Freds Blick nicht zu begegnen.
 

„Ich weiß“, wisperte Fred zurück. Er ließ sich vorsichtig neben ihr wieder, seine Wärme so unheimlich nah, dass sie sich am liebsten an ihn gekuschelt hätte. „Aber das habe ich nicht gewollte, Dome. Ich wollte doch nur, dass du glücklich wirst und ich habe gedacht, dass ich dir das ermögliche, indem ich gehe! Und es gab einen Grund, warum ich mich nicht verabschiedet habe: egal, ob ich persönlich mit dir gesprochen oder dir einen Brief geschrieben hätte - du hättest gewusst, dass etwas mit meiner erlogenen Erklärung nicht stimmt und du hättest mich gezwungen, dir alles zu erklären und ich hätte dir alles gesagt, weil ich dir nie wiederstehen konnte und dann wäre ich geblieben, weil du das von mir verlangt hättest. Und genau das konnte und wollte ich nicht riskieren. Ich dachte, wenn du glaubst, dass ich dich nicht mehr will, würdest du mich auch vergessen und weitermachen und einen Jungen für dich finden, der dich wirklich verdient und der dich glücklich machen kann und mit dem du nicht verwandt bist.“ Er lachte leise und freudlos.
 

Dominique wendete den Kopf. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, was das blau nur noch strahlender erscheinen ließ. Ihre Wangen waren rot und ihre Lippen wirkten so weich und süß, dass Fred die Hände zu Fäusten ballen musste, um sich nicht nach vorne zu lehnen und sie zu küssen.
 

„Du liebst mich?“, wiederholte Dominique die Frage, die sie schon einmal gestellt hatte. Und obwohl es erst Minuten her war, kam es beiden vor, wie eine Ewigkeit.
 

Alles schien sich geändert haben, ganz plötzlich, durch Freds Erklärung. Und Dominique wollte nichts mehr über seine Gründe wissen und sie wollte ihn nicht anschreien, weil es nicht seine Aufgabe gewesen war, sie zu schützen und sie wollte ihm nicht danken, dass er es trotzdem getan hatte. Nicht jetzt. Alles, was sie in diesem Augenblick wissen wollte, war, dass Fred so empfand, wie er sagte.
 

Sie wollte wissen, ob er so fühlte wie sie.
 

„Ja!“
 

Und mehr Bestätigung brauchte sie nicht, als sie sich nach vorne lehnte und ihre Lippen vereinigte. Ihre Augen schlossen sich, sobald sie Fred berührte und ihre Hände fanden ganz automatisch den Weg in seine dunklen Haare.
 

Der Kuss fühlte sich an wie vor drei Jahren, so, als hätte sich in all dieser Zeit überhaupt nichts geändert. Freds Lippen bewegten sich noch immer so sanft auf ihren, wie damals. Und seine Zunge strich noch immer genauso zärtlich und vorsichtig über ihre Unterlippe, um sie dazu zu bewegen, ihren Mund für ihn zu öffnen, wie damals. Und er schmeckte noch immer nach Zitrone und Früchtetee und Leben, wie damals.
 

Und als er mit seinen Händen über ihren Körper strich, ließ sie ihn gewähren. Und als er sie auszog und erkundete, sie küsste und streichelte und ihr sagte, wie wunderschön sie sei, gab sie sich ihm einfach hin und dachte nicht darüber nach, dass sie keine Ahnung hatte, was sie hier eigentlich tat und dass sie gegen jeden ihrer Vorsätze verstieß und dass er immer noch ihr Herz in seinen Händen hielt und sie, wenn er sie wieder verlassen sollte, erneut am Ende sein würde und dass sie sich so verletzlich machte, indem sie ihm noch eine Chance gab.
 

Nein, darüber dachte sie nicht nach, als Fred langsam in sie eindrang und sie seinen Namen flüsterte, wieder und wieder, hilflos und überglücklich zugleich, und sich alles so neu anfühlte, und so gut. Und als Fred ihre Hände miteinander verschränkte und ihr so nah kam, wie noch nie jemand, außer ihm selbst, zuvor, dachte sie auch nicht daran, dass das alles viel zu schnell ging, sondern nur, wie gut es sich anfühlte, Fred endlich wieder so nah zu sein können.

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tbc
 

Danke für alle Favoriteneinträge und Kommentare! :)

Kapitel Elf.

Es besser machen.
 

Kapitel Elf.
 

Noch bevor Dominique an diesem Morgen die Augen öffnete, wusste sie, dass sie sich nicht in ihrem Schlafsaal befand. Der warme Körper, der dicht an sie gepresst lag, hätte sie eventuell aus der Fassung bringen sollen und ebenso die Tatsache, dass sie ganz offensichtlich nackt war.
 

Doch alles, was Dominique fühlte, war Ruhe, Zufriedenheit und Glück. Widerwillig öffnete sie die Augen und blickte direkt in Freds schlafendes Gesicht. Seine Züge waren entspannt und er wirkte unheimlich jung. Wenn sie ihn so sah, würde sie niemals vermuten, dass er tatsächlich dabei war, Lehrer zu werden und in naher Zukunft dazu befugt war, Kinder zu erziehen und unterrichten. Der Gedanke ließ sie lächeln. Fred, der Lehrer. Wer hätte das gedacht?
 

„Ich könnte mich daran gewöhnen, so aufzuwachen“, brummelte Fred, als er langsam seine müden Augen öffnete und ihrem faszinierten Blick begegnete. Sie wusste nicht, wie lange sie ihn stumm angestarrt hatte.
 

Dominique erwiderte nichts, aber nickte zustimmend und rutschte näher an seinen warmen Körper. Sie verbarg ihren Kopf an seiner Brust und fürchtete sich vor dem Moment, in dem das wahre Leben sie einholen würde.
 

„Geht es dir gut?“, flüsterte Fred ihr ins Ohr und eine Gänsehaut breitete sich über ihren Körper aus.
 

„Besser als gut“, murmelte sie zurück und nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: „Es wird von jetzt an nicht einfacher für uns, nicht wahr? Irgendetwas wird immer zwischen uns stehen und wir werden immer gezwungen sein, unsere Beziehung zu verheimlichen. Wir werden nie anständig zusammen sein können, habe ich nicht recht?“ Sie seufzte unzufrieden.
 

Fred richtete sich ein wenig auf und zog Dominique näher zu sich, hob ihr Kinn an und zwang sie somit, ihm in die Augen zu sehen. „Schon so ernste Gedanken so früh am Morgen?“
 

Die Ravenclaw verdrehte die Augen. „Du kennst mich.“
 

„Ich liebe dich.“
 

Sie wusste nicht, warum ihr diese Worte noch immer die Röte ins Gesicht trieben. Es war nicht das erste Mal, dass sie sie vernahm und trotzdem fing ihr Herz immer wieder an, schnell zu schlagen und ihr Mund wurde jedes Mal wieder trocken und sie fühlte sich so glücklich und erfüllt und vollständig.
 

„Ich liebe dich auch“, erwiderte sie leise und Freds Augen hätten in diesem Moment nicht heller strahlen können. Er drückte seine Lippen auf ihre und sie schlang nur zu bereitwillig ihre Arme um seinen Hals, um ihm so nah wie möglich zu sein.
 

Ein lautes Klopfen an der Tür ließ die beiden zusammenzucken. Dominique löste sich von Fred und schaute ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Er deutete lautlos auf das angrenzende Badezimmer und schnappte sich die nächstbesten Klamotten vom Boden, während Dominique mit ihrem Outfit von gestern ins Bad verschwand.
 

Vollständig angezogen öffnete Fred nur Sekunden später die Tür.
 

„Guten Morgen, Mr. Weasley“, begrüßte ihn Professor Targin, die schon zu dieser frühen Stunde makellos angezogen war und ihre dunklen Haare wie immer streng zurückgesteckt hatte. Fred verachtete ihr unerbittliches Auftreten.
 

„Guten Morgen, Professor. Wie kann ich Ihnen helfen?“, begrüßte Fred seine Vorgesetzte bemüht freundlich und unbekümmert, um sie nicht skeptisch werden zu lassen.
 

„Sie wollten gestern Abend eigentlich in meinem Büro vorbeikommen, um die korrigierten Aufsätze der Drittklässler abzugeben. Aber wenn Sie sich nicht an einfach Termine halten können, dann war es offensichtlich falsch von mir, Ihnen eine solche Aufgabe anzuvertrauen“, erklärte Targin mit unnachgiebiger Stimme und auch ihr Gesichtsausdruck zeigte kein Zeichen der Wärme.
 

Fred trat sich innerlich selbst gegens Schienbein. Er war so ein Trottel! Die Aufsätze hatte er schon längst fertig berichtigt, doch Dominiques plötzliches Auftauchen hatte alle anderen Gedanken aus seinem Kopf vertrieben und er hatte die alte Targin vollkommen vergessen.
 

„Verzeihung, Professor, mir ist vollkommen entfallen, dass ich die Aufsätze vorbeibringen sollte! Ich habe sie direkt hier.“ Fred entfernte sich von der Tür und kehrte mit einem Stapel ordentlich sortierter Pergamentpapiere zurück. „Nächstes Mal halte ich mich an alle Absprachen, das war ein einmaliges Versehen!“, versprach er mit flehentlicher Stimme.
 

Professor Targin hatte ihm zum ersten Mal eine wichtige Aufgabe anvertraut und natürlich hatte er gleich wieder jedes bisschen Vertrauen, das sie in ihn hatte, verloren. Verdammt!
 

„Nun, wir werden sehen, ob es ein nächstes Mal geben wird. Wir sehen uns dann zur zweiten Stunde.“ Sie klammerte sich an die Pergamente und stolzierte den Korridor entlang und um die Ecke, ohne Fred eines weiteren Blickes zu würdigen.
 

Verärgert schmiss er dir Tür zu und fluchte leise vor sich hin. Eine andere Tür öffnete sich vorsichtig und Dominique trat vollkommen bekleidet ins Wohnzimmer.
 

„Das ist alles meine Schuld. Es tut mir so leid, Fred“, erklärte sie und biss sich unglücklich auf die Unterlippe.
 

Freds blaue Augen begegneten ihren und sein Gesichtsausdruck wurde sofort sanfter. „Natürlich ist es nicht deine schuld! Mach dir keine Sorgen, Dome.“ Er kam auf sie zu und nahm sie in die Arme, vergrub seine Nase in ihren Haaren und ließ sich von ihrem vertrauten Duft beruhigen.
 

„Ich hätte nicht so unerwartet kommen und deine ganzen Pläne durcheinander bringen sollen.“
 

„Ich bin unendlich froh, dass du gekommen bist. Ich würde die Zeit um nichts in der Welt zurückdrehen und nun hör auf, dir Gedanken zu machen! Es waren doch nur ein paar blöde Aufsätze.“ Fred schenkte ihr ein ehrliches Lächeln und sie nickte, wenn auch nicht vollkommen überzeugt.
 

„Es ist wohl das Beste, wenn ich jetzt zurück in den Ravenclawturm gehe, wenn ich noch was vom Frühstück abbekommen will“, meinte sie nach einer Weile und löste sich widerstrebend aus Freds Armen.
 

„Okay“, stimmte er zu, aber ließ ihre Hand nicht los. „Wann sehen wir uns wieder?“
 

Dominique schaute zu Boden. „Ich weiß nicht. Ich denke, wir sollten uns nicht zu oft sehen. Du weißt, wie schnell jeder hier misstrauisch wird und wie unerwartet Geheimnisse aufgedeckt werden. Ich will nicht riskieren, dass du deine Stelle als Referendar verlierst!“
 

„Und ich will nicht, dass du von der Schule fliegst, weil du deinen Lehrer verführst“, erklärte Fred und zwinkerte ihr zu.
 

Ein unangebrachtes Lachen fand den Weg über ihre Lippen. „Du Spinner!“ Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn verlangend auf den Mund, löste sich jedoch, bevor sie sich zu sehr in ihm verlieren konnte.
 

„Freitag. Freitag können wir uns sehen“, wisperte sie und verließ, mit einem letzten Grinsen in Freds Richtung, die kleine Wohnung, jedoch nicht, ohne zu überprüfen, ob der Korridor vor der Tür leer war.
 

Die Realität hatte sie schnell eingeholt, aber sie würde ihr Bestes geben, sie noch ein bisschen länger zu verdrängen.

___
 

Vielleicht waren die Kopfschmerzen ein Zeichen gewesen. Vielleicht hätte sie einfach in ihrem Bett bleiben und die Decke über sich ziehen sollen, um sich von der Welt abzuschirmen. Wirklich, sie hätte einfach nicht aufstehen sollen. Merlin persönlich hatte ihr eine Warnung geschickt, da war sie sich sicher.
 

Aber natürlich hatte sie sich dennoch aus dem Bett bewegt und saß nun, wie die vorbildliche Schülerin, die sie eigentlich gar nicht war, im Muggelkundeunterricht. Warum tat sie sich das eigentlich an?
 

Gelangweilt kritzelte Alice auf ihrem leeren Pergament herum. Sie konnte sich nicht erinnern in dieser Klasse jemals auch nur ein Wort notiert zu haben. Rose neben ihr schien sich am heutigen Tag auch nicht besonders für das Gebrabbel von Professor Rensa zu interessieren. Sie starrte auf die Tafel, doch Alice bezweifelte, dass ihre Freundin wirklich etwas sah. Es wirkte mehr so, als würde sie einfach nur in die Ferne sehen und Alice hatte nicht vor, sie aus ihrem Tagtraum zu reißen.
 

Mit einem dumpfen Geräusch ließ Alice ihren Kopf auf die Tischplatte fallen und schloss die Augen. Dann würde sie eben noch ein wenig Schlaf nachholen. Professor Rensa war das schon von ihr gewohnt. Sie existierten seit jeher in friedlicher, einvernehmlicher Ignoranz: Alice interessierte sich nicht für die Muggel, Professor Rensa interessierte sich nicht für Alice und alles war gut.
 

Rose weckte sie zwei Stunden später, indem sie sanft an ihrer Schulter schüttelte. „Aufgewacht, Schlafmütze! Ich kann nicht glauben, dass du damit immer noch durchkommst. Und jetzt hast du auch noch zwei Freistunden - das ist so unfair!“
 

Alice lächelte ihre Freundin gewinnend an und sammelte in Windeseile ihre Sachen zusammen. Die beiden Mädchen verließen den Raum und Rose wandte sich nach rechts, um zur Eingangshalle und darüber hinaus auf die Ländereien zu gelangen.
 

„Nichts gegen deinen Vater, aber ich hasse Kräuterkunde“, sagte Rose und ein leidender Ausdruck trat in ihr Gesicht.
 

„Ich fühle mit dir“, erwiderte Alice. „Ich komme noch mit in die Eingangshalle, mal sehen ob ich in der Großen Halle schon was zu essen abstauben kann. Und dann werde ich mir bei Madam Espons einen Trank gegen meine doofen Kopfschmerzen besorgen.“
 

Rose warf ihr einen mitleidigen Blick zu und die beiden Mädchen verfielen bald darauf in belangloses Geplänkel. In der Eingangshalle angekommen trafen die beiden Mädchen auf Albus und Scorpius.
 

„Hey“, grüßte Rose fröhlich.
 

„Worauf wartet ihr?“, fragte Alice und sah auf die Uhr. Viel Zeit hatten die drei nicht mehr, um noch pünktlich zu den Gewächshäusern zu kommen. Und ihr Vater würde besonders Albus sicherlich nur zu gerne Nachsitzen verordnen.
 

Albus öffnete gerade den Mund und verräterische Röte stieg in seine Wangen, doch Alice‘ Frage beantwortete sich Sekunden später von allein. Ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen erschien an Albus‘ Seite und griff ohne zu zögern nach seiner Hand.
 

„Ich hab dich vermisst“, flüsterte sie, für alle vernehmbar, in Albus‘ Ohr, bevor sie ihre Lippen auf seine presste. Erst nach diesem kleinen Begrüßungsritual nahm sie die Umstehenden zur Kenntnis.
 

„Hey Leute“, warf sie, breit grinsend, in die Runde und als ihre Augen auf Alice landeten, trat sie einen Schritt näher zu Albus, falls das überhaupt möglich war. Sie stand bereits beinahe auf seinen Füßen. Und überhaupt, was wollte sie damit bezwecken?
 

Rose warf ihrem Cousin einen ungläubigen Blick zu und machte sich nicht die Mühe, Stella Parkinson als Neuankömmling in ihrer Runde anzuerkennen. Sie presste die Lippen zusammen und stolzierte davon. Nun, das war eindeutig.
 

Alice hatte das Gefühl, dass sie ähnlich reagieren sollte, schließlich war es wirklich taktlos von Stella und Albus, ihre Zuneigung so offensichtlich vor ihr auszudrücken. Und sie hatte den Verdacht, dass die Parkinson es mehr als nur absichtlich tat.
 

Jedoch war sie zu keiner Reaktion in der Lage. Sie stand nur wie festgefroren an Ort und Stelle, hörte ihr Blut in ihren Ohren rauschen, ihr Herz wild schlagen, ihr Herz brechen. Nun, zumindest kam es ihr so vor.
 

Scorpius warf Albus einen belustigten Blick zu. „Nun, das ist peinlich“, sagte er und dehnte das letzte Wort genüsslich, bevor er Rose aus dem Schloss folgte.
 

Alice erwachte daraufhin langsam aus ihrer Starre und zwang ein Lächeln in ihr Gesicht, aber da ihre Mundwinkel sich absolut nicht bewegen ließen, begnügte sie sich mit den Worten: „Ihr solltet los, sonst kommt ihr noch zu spät!“ Es waren nicht die glücklichsten Worte, aber wie sollte sie schon angemessen reagieren? Und immerhin hatte ihre Stimme den gespielt unbekümmerten Ton, auf den sie abgezielt hatte.
 

Albus nickte etwas ruckartig und schob Stella von sich. „Geh doch schon mal vor, ich wollte Alice noch kurz etwas ... zu den Zauberkunst-Hausaufgaben fragen.“
 

Es war offensichtlich, dass Stella ihm die Ausrede nicht abkaufte, aber nach einem giftigen Blick in Alice‘ Richtung ging sie dennoch.
 

Der Potter setzte an, etwas zu sagen, doch Alice ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ihr seid wirklich ein süßes Pärchen. Ich freu mich, dass du jemanden gefunden hast, der dich glücklich macht.“ Wow, das war ohne Zweifel die größte Lüge, die sie jemals erzählt hatte und in letzter Zeit hatte sie wahrlich oft die Wahrheit verschwiegen!
 

Vielleicht bildete Alice es sich ein, aber Albus schienen ihre Worte nicht zu befriedigen. Doch er bedankte sich kleinlaut und vertrieb die kleine Unsicherheit aus ihren Gedanken. Etwas unschlüssig trat sie von einem Bein aufs andere, bis das laute Klingeln der Schulglocke sie zusammenzucken ließ.
 

„Oh, du musst gehen. Los, du weißt doch, wie gerne mein Dad dir Nachsitzen aufbrummt.“ Sie schubste ihn leicht in Richtung der großen Eichenholztüren und er grinste sie schräg an, was nicht dazu beitrug, dass sich ihr Herzschlag verlangsamte.
 

Als er endlich außer Sicht war, ließ Alice sich erschöpft gegen die nächste Wand sinken und vergrub den Kopf in den Händen. Sie fühlte sich elend. Sie wollte nicht weinen, sie hatte es so satt, aber sie wusste, dass sie die Tränen nicht zurückhalten konnte.
 

Wann hatte ihr Leben begonnen, so konstant bergab zu verlaufen? Was hatte Merlin gegen sie, dass er sie so leiden ließ? Und wann bitte würde diese fürchterliche Tortur endlich enden?
 

Alles ging ihr nur noch auf die Nerven!
 

Sie musste hier raus, weg aus dem Schloss, endlich wieder locker werden, weit entfernt von all den Personen und Erinnerungen, die sie immer und immer wieder nach unten zogen und ihr keine Chance gaben, endlich nach vorne zu schauen und mit hoch erhobenem Kopf weiterzumachen.
 

Ihr Entschluss war schnell gefallen. Sie tastet ihre Taschen ab, überprüfte, ob sie ihren Zauberstab und Geld bei sich trug, bevor sie sich zum Raum der Wünsche aufmachte.
 

Schnell genug hatte sie herausgefunden, wie sich der Geheimgang zum Eberkopf materialisierte. Ihr Vater hätte ihr niemals die ganzen Geschichten von seinem letzten Jahr als Schüler an dieser Schule erzählen sollen, von all den Regelbrüchen, die er begangen hatte, und ganz sicher nicht von den Besonderheiten dieses Raumes, in der Hoffnung, sie würde sich nicht daran erinnern. Denn genau das tat sie.
 

Alice hatte sich noch nie mehr nach einem Feuerwhsikey gesehnt. Sie hatte schon oft genug getrunken, auch stärkere Sachen als Butterbier und Honigmet, doch immer nur, weil es der Moment anbot und weil es ihr ein gutes Gefühl verschaffte. Noch nie war sie mit dem Vorsatz losgezogen, sich den härtesten Alkohol zu besorgen und sich mitten in der Woche so zu betrinken, dass sie vergessen würde, was in den letzten, miserablen Monaten ihres Lebens geschehen war.
 

Und welcher Platz eignete sich besser für maßloses betrinken als der Eberkopf? Kaum Leute. Niemand würde Fragen stellen. Keiner würde sie belästigen. Sie konnte einfach in Ruhe Glas um Glas des brennenden Getränkes ihre Kehle herunterrinnen lassen und langsam vergessen, was Wirklichkeit und Traum war.
 

Es war nicht ihr bester Plan, er war nicht einmal ansatzweise gut, aber in diesem Moment erschien er ihr tröstlich und zumindest ausreichend.
 

Mehr erwartet sie nicht.

___
 

Rose wusste nicht, warum sie sich jemals auf dieses Treffen eingelassen hatte. Alles in ihr sträubte sich dagegen, Scorpius die Geschichte zu erzählen, die seit dem gestrigen Gespräch dauerhaft durch ihren Kopf flatterte.
 

Sie hatte die Vergangenheit längst begraben, hatte damit abgeschlossen und dachte nicht mehr daran. Wirklich, sie konnte nicht sagen, wann sie zuletzt einen Gedanken an … ihn und diese ganze Sache verschwendet hatte.
 

Aber wenn sie die gesamte Geschichte erneut erzählen würde, dann würde sie jegliche Barrikade, die sie gegen ihre eigene Vergangenheit errichtete hatte, einreißen. Und sie müsste von vorne beginnen.
 

Mit ausdruckslosen Augen saß sie auf einem der herbeigewünschten Sofas im Raum der Wünsche und starrte ins flackernde Feuer. Das Abendessen hatte sie ausfallen lassen, um früher hierher zu kommen.
 

Sie hatte gehofft, ihr würde im Laufe des Tages oder wenigstens jetzt, in den letzten Minuten, eine andere Geschichte einfallen, die sie dem Malfoy auftischen konnte. Irgendetwas halbwegs glaubhaftes, nur eben nicht die verdammte Wahrheit. Aber ihr wollte nichts einfallen.
 

Das Öffnen der Tür ließ sie herumwirbeln und ihre Augen landeten auf Scorpius. Er stand lässig mitten im Raum, die Hände in den Taschen vergraben, mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Er sah gut aus.
 

Rose rümpfte unwillig die Nase und drehte sich wieder zum Feuer herum. Sie verschränkte ihre Hände im Schoß und wusste nicht wirklich, was sie sagen sollte. Er erwartete ja wohl nicht, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete, während er einfach so rumstand, jeden Augenblick bereit, wieder abzuhauen.
 

Doch Scorpius hatte nicht vor, stehen zu bleiben. Er ließ sich ohne ein weiteres Wort neben Rose auf dem kuscheligen Sofa nieder, welches plötzlich viel kleiner wirkte. Sein, ihr warum auch immer, vertrauter Geruch stieg ihr sofort in die Nase.
 

„Also …“, begann sie, nicht wirklich in der Absicht, viel mehr zu sagen.
 

Scorpius‘ Blick bohrte sich in ihren Kopf, bis sie nicht anders konnte, als sich ihm frontal zuzuwenden.
 

„Also“, erwiderte er, als er endlich ihren Augen begegnen konnte, und nickte auffordernd.
 

Rose seufzte laut, bevor sie klarstellte, was ihr notwendig erschien. „Hör mal, wenn das alles hier nur ein Spiel für dich ist … ich weiß, ich habe gestern gesagt, dass es mir egal ist und dass du die Geschichte jedem erzählen kannst, aber … ich weiß auch nicht, okay? Wahrscheinlich hältst du mich für … verrückt und überempfindlich und gestört, wenn ich dir alles erzählt habe, aber … aber diese Geschichte ist zu einem großen Teil dafür verantwortlich, wie ich heute bin … und für das, was ich mache. Obwohl ich nie wirklich daran denke … für mich war es einfach nicht schön und ich würde gerne alles … irgendwie einfach vergessen, weißt du? Und ich will dir das alles wirklich nicht erzählen, aber ich habe viel mehr Angst davor, dass du zu Alice oder Dominique gehst … wir reden nicht darüber und ich will nicht, dass sie sich … um mich sorgen oder was auch immer. Also werde ich dir alles erzählen, aber glaube mir, ich mache das nicht freiwillig. Und ich weiß, dass ich dir nichts bedeute und du jedes meiner Worte nur zu gerne gegen mich verwendest, aber ich … ich bitte dich wirklich, diese Geschichte einfach auf sich beruhen zu lassen und mit niemandem darüber zu sprechen. Und ... okay, das war alles, was ich vorerst sagen wollte. Denke ich.“
 

Sie atmete langsam aus, versuchte ihr Herz zu beruhigen, das sich während ihrer kurzen Rede überschlagen hatte. Oh Merlin, sie hasste diese gesamte Situation und sie fühlte sich wirklich nicht wohl dabei, die ganze Sache wieder auszubreiten. Schon gar nicht vor einer Person, der sie so wenig vertraute.
 

Scorpius wollte den Mund öffnen - Rose wusste nicht, was er ihr zu sagen hatte, welche blöden Kommentare er anbringen wollte, und es war ihr auch egal. Sie hielt ihre Hand in die Luft und er blieb dankenswerterweise stumm.
 

„Gut, dann mal sehen … wo fange ich an. Okay, es war während des dritten Schuljahres, am Ende, um genau zu sein. Ich war ziemlich naiv und unendlich unerfahren. Da war dieser Typ, Phill, er war ein Gryffindor im Abschlussjahr und er sah gut aus und war charmant und witzig und natürlich war ich total in ihn verknallt.“ Rose konnte nichts gegen die Röte tun, die langsam in ihre Wangen kroch. „Jedenfalls hat er ziemlich schnell kapiert, dass ich ihm immer mit Herzchenaugen nachsehe und Merlin, ich war dreizehn und quasi noch ein Kind und natürlich wusste ich nichts darüber, wie ich meine lächerliche Verliebtheit vor ihm verbergen sollte. Er hat dann angefangen, mit mir zu sprechen, immer regelmäßiger, und er hat mich behandelt, als wäre ich in seinem Alter und nicht eine besonders unreife, kindische Drittklässlerin. Und ich war ihm so dankbar dafür, dass er mir das Gefühl gab, mehr zu sein. Ich habe seine Aufmerksamkeit so sehr genossen.“
 

Scorpius hörte ihr zu und machte nicht den Eindruck, als wollte er sie unterbrechen. Rose wusste nicht, ob sie weitererzählen würde, wenn er es tun würde. Sie wollte das alles so schnell wie möglich hinter sich bringen.
 

„Irgendwann sind wir zusammen nach Hogsmead gegangen und in einer verlassenen Seitenstraße hat er hat meine Hand genommen und … naja, es kam, wie es kommen musste. Er hat mir gesagt, wie toll und schön und bewundernswert ich bin, wie sehr er mich mag. Das typische Bla-Bla. Und ich war so verknallt in ihn, so geblendet von seinen hübschen Worten, dass ich nichts dagegen hatte, als er mich küsst. Es hat mir nicht wirklich gefallen, aber ich wollte so gerne erwachsen und reif wirken, dass ich nichts gesagt und ihm einfach vertraut habe. Im Laufe der nächsten Woche hat er sich immer wieder mit mir getroffen, nur heimlich natürlich. Ich habe mir nichts dabei gedacht, aber natürlich … im Nachhinein, naja, was soll‘s.“
 

Sie zuckte mit den Schultern und versank für eine Minute in Gedanken. Erst als sich Scorpius leise räusperte, begann sie weiter zu sprechen. Sie hielt ihre Augen fest geschlossen.
 

„Ich war eigentlich nicht dumm und ich hätte es besser wissen sollen, aber um ganz ehrlich zu sein, dass tat ich wirklich nicht. Ich wusste nicht, dass alles, was er mit mir tat, unnormal war. Ich wusste nicht, dass er es geheim hielt, weil es quasi verboten war, dass ein 18-jähriger mit einer 13-jährigen die Dinge machte, die er mit mir machte. Auch wenn ich mich oft unwohl gefühlt habe, ich habe mich so nach seiner Nähe und nach seinen Worten gesehnt, dass ich alles andere einfach hingenommen habe.“
 

Rose schüttelt kurz den Kopf und atmete tief durch. „Die meiste Zeit über hatte ich keine Ahnung, was genau er eigentlich mit mir machte. Das küssen wunderte mich nicht. Ich wusste, dass Menschen sich küssen, wenn sie sich gerne haben und natürlich ging ich davon aus, dass er mich aufrichtig mochte. Als er begann, mich anzufassen und …“
 

Sie hörte abrupt auf zu sprechen. Sie wagte es nicht, den Blick zu heben und Scorpius‘ Augen zu begegnen. Mit trockener Kehle versuchte sie ihre Gedanken zu sammeln und ihre Geschichte zu Ende zu bringen. Warum stellte sie sich eigentlich so an? Es war ja nicht das erste Mal, dass sie über diese Zeit mit Phill sprach. Alice und Dominique wussten davon … es hatte sie viel Überwindung gekostet, ihren besten Freundinnen die gesamte Wahrheit zu erzählen und sie hatte die beiden schwören lassen, nie wieder davon zu reden. Rose wollte nur vergessen und warum, um Himmels Willen, interessierte es Scorpius überhaupt, was sie zu dem Menschen machte, der sie heute war?
 

Letztendlich fand sie den Mut, trotzig ihren Kopf zu heben. Sie hatte sich damit abgefunden, dem Spott des Slytherins zu begegnen. Natürlich, etwas anderes hatte sie auch nicht verdient. Sie war ein dummes, einfältiges Mädchen gewesen, dass sich von einem älteren Typen in jeder Hinsicht hatte benutzen lassen?
 

Was sie sah, überraschte sie jedoch. Scorpius‘ Gesichtsausdruck war nicht länger gleichgültig, wie zu Beginn. Auch wirkte er nicht schadenfroh oder belustigt. In seinen Augen spiegelte sich ernstes Entsetzen wieder. Und irgendwie machte es genau dieser Anblick noch schlimmer für Rose.
 

„Du musst mich nicht so anschauen, okay? Ich brauche kein Mitleid, nicht von dir und auch von niemandem sonst. Er hat mich nicht vergewaltigt, falls du das glaubst. Er hat nichts gegen meinen Willen getan. Er hat mich ausgenutzt, okay? Das war alles. Ich war ein hilfloses, leicht verwirrtes und naives Mädchen. Ich wusste nicht, was er tat und habe es einfach über mich ergehen lassen. Mein erstes Mal war nicht besonders schön, wie du dir vielleicht denken kannst. Aber er hat mir nichts getan, okay? Er hat mir nicht wehgetan, nicht auf diese Weise zumindest. Es war meine Schuld. Ich wollte unbedingt erwachsen sein und genau so hat er mich behandelt. Ich habe bekommen, was ich wollte.“ Rose atmete heftig ein und aus und ballte ihre Hände zu Fäusten.
 

„Unsere kleine Beziehung ging etwa drei Wochen. Er hat mit mir geschlafen, mich ansonsten nicht wirklich beachtet und dann war das Schuljahr vorbei und er war weg und hat sich nie wieder bei mir gemeldet. Und das hat wehgetan. Ich dachte wirklich ihm liegt etwas an mir. Später sah ich ein, was für ein bescheuertes Ding ich gewesen bin und ich habe Alice und Dome. Er hat mein Herz gebrochen und vielleicht kommt es dir lächerlich vor, dass ich sage, dass ich mit 13 Jahren verliebt war, aber genau so war es. Und seitdem ging es bergab, okay?“
 

Wieder machte die Weasley eine Pause. Sie sank schweigend in die Kissen zurück und richtete ihren verschwommenen Blick auf das Feuer. Sie weinte nicht, sie hatte sich schon vor Ewigkeiten verboten, wegen dieser Sache Tränen zu vergießen. Es war nichts, nichts worüber sie sich aufregen müsste. Nichts, was sie überhaupt noch beschäftigen sollte. Es war einfach nur Nichts.
 

„Ich bin mit verschiedenen Jungen ausgegangen - Jungen in meinem Alter. Und ich habe schnell gemerkt, was sie wollen. Nicht mich, nein.“ Ein ironisches Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Sex. Sex. Sex. Sie wollten alle nur das eine. Es war so klischeehaft. Nachdem was mit Phill geschehen war, habe ich ewig keinen Typen mehr an mich heran gelassen. Ich bin nur wieder und wieder verletzt und abgeschoben worden, weil ich nicht sofort beim ersten Date die Beine breit gemacht habe. Und irgendwann habe ich gedacht: Hey, was soll‘s? Dann schlaf mit ihm, vielleicht schenkt er dir dann ein wenig mehr Aufmerksamkeit. Aber das ist vollkommen nach hinten losgegangen. Ich habe die Kontrolle verloren und plötzlich sah in mir jeder nur noch das kleine Flittchen vom Dienst. Immer gut für eine Nummer zwischendurch. Und dann habe ich einfach aufgegeben und den Kerlen gegeben, was sie wollten. Ich habe mich geweigert, mich auf irgendjemanden emotional einzulassen. Es war so einfach, mit ihnen schlafen und sie dann vergessen. Ich will nicht lügen, ich habe es genossen. Es hat mir Spaß gemacht. Und so bin ich ja schließlich auch bei dir gelandet.“
 

Rose beendete ihre Rede mit einem schiefen Blick in Scorpius‘ Richtung. Ihre Stimme hatte schon längst jegliche Fröhlichkeit verloren und sie fühlte sich ausgelaugt und leer. Sie schwor sich selbst, dass diese Geschichte von nun für sich behalten würde. Nie wieder würde ihr so ein Ausrutscher passieren, nie wieder würde sie diese „Sache“ auch nur erwähnen. Das alles hatte sich ab heute ein für alle Mal erledigt.
 

„Ich weiß nicht, was es dir bringt mehr über meine Vergangenheit zu wissen. Aber wie auch immer, ich hoffe es stört dich jetzt nicht mehr, dass ich keine Lust habe, weiterhin mit jedem Typen, der eine Anfrage stellt, ins Bett springe“, erklärte sie mit sarkastischem Unterton. „Es hört sich in deinen Ohren vielleicht blöd an, aber ich würde wirklich gerne jemanden kennen lernen, dem ich ein wenig mehr bedeute. Der mehr in mir sieht, als eine Sexgelegenheit.“
 

Mit diesen abschließenden Worten erhob sie sich von dem Sofa und strich ihren Rock glatt. Scorpius hatte noch immer kein Wort geäußert und sie hatte keine Lust zu warten, bis er sich einen herablassenden Kommentar einfallen lassen hat.
 

Unerwartet schloss sich seine Hand um ihr Handgelenk und zog sie zurück. Von der Bewegung überrascht, fiel sie direkt neben ihn auf das Zweiersofa. Sein warmer Körper war ihr viel zu nah.
 

„Hast du jemandem außerhalb von Alice und Dominique jemals davon erzählt? Ist dir klar, dass dieser Phill sich strafbar gemacht hat, indem er mit dir geschlafen hat? Du hättest ihn ins Gefängnis bringen können! Das kannst du immer noch.“ Scorpius‘ Stimme klang sanft und so ungewohnt verständnisvoll in Rose‘ Ohren, dass sie vor dem Slytherin zurückzuckte.
 

„Ich habe niemandem sonst davon erzählt und das werde ich auch nicht. Und du wirst auch niemandem etwas davon sagen. Es ist mir egal, was damals passiert ist. Natürlich, es ist eine scheiß Situation für mich und ja, es hat mich verwirrt und zu einem fürchterlichen Menschen gemacht, aber es ist egal, okay? Ich habe gelernt, damit zu leben und ich weigere mich, dieser Sache mehr Bedeutung zuzumessen, okay? Ich habe damit abgeschlossen, Scorpius! Und sowieso, das kann dir doch vollkommen egal sein. Was kümmert es dich, wer mir einmal mein Herz gebrochen hat?“
 

„Du bist kein fürchterlicher Mensch, Rose, und du solltest nicht so von dir denken! Es ist nicht deine Schuld, was damals passiert ist“, erwiderte Scorpius mit Nachdruck.
 

„Ach nein?“, fragte Rose bitter zurück. „Wessen Schuld ist es dann?“
 

Der Blick in den Augen des Slytherins verhärtete sich. „Es ist die Schuld dieses Jungen. Rose, du warst 13 Jahre alt! Du hast selbst gesagt, dass du nicht wusstest, was er eigentlich mit dir macht. Vielleicht hat er dich nicht dazu gezwungen, mit ihm zu schlafen, aber du hast es auch sicherlich nicht aus freiem Willen heraus getan.“
 

„Ich bitte dich, Scorpius, vergiss es einfach. Ich will nicht mehr darüber reden, sondern es einfach vergessen. Behalt es einfach für dich!“ Rose hatte sich erneut von dem kleinen Sofa erhoben. Diesmal schritt sie mit energischen Schritten auf die Tür zu und schaute sich nicht um, bevor sie den Raum verließ und Scorpius allein zurückließ.
 

Mit schnell klopfendem Herzen schloss der Malfoy seine Augen. Er hatte viel erwartet, viel vermutet, doch nicht eine solche Geschichte. Er hatte unbedingt wissen wollen, was Rose zu dem Mädchen gemacht hatte, das sie heute war, doch jetzt, wo er wusste, was dieser Junge mit ihr gemacht hatte … ihm war schlecht und er war fassungslos. Es kostete ihn viel Kraft seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten.
 

Plötzlich fühlte Scorpius schlecht für jedes Mal, dass er mit Rose geschlafen hatte und er kam sich keinen Deut besser vor als dieser Phill. Hätte er das alles früher gewusst, dann hätte er es nie so weit kommen lassen … er hätte sich niemals auf Rose eingelassen - zumindest nicht auf diese Weise.

___
 

Das Glas in Alice‘ Händen zitterte. Die Gedanken in ihrem Kopf wirbelten rasend schnell durcheinander. Vor ihren Augen erschien alles verschwommen, verworren und doch … so einfach.
 

Sie wusste, dass sie bereits mehr als genug getrunken hatte. Sie sollte aufhören, ihr Glas wegstellen und sich einen Weg zurück ins Schloss suchen. Sie sollte in ihr Bett gehen, einschlafen und … verdammt, sie sollte endlich ihren Mund halten.
 

Doch die Worte glitten ihr so spielerisch von den Lippen, zwar genuschelt, aber klar genug zu entziffern und Merlin, es tat so gut, endlich jemandem von dieser ganzen Geschichte zu erzählen.
 

Von Albus und ihren Gefühlen für ihn und von dem Baby, dass sie so kaltherzig umgebracht hatten und von Stella und von allem, was momentan schief lief. Es war so leicht, sich diesem fremden Jungen gegenüber zu öffnen, wohlwissend, dass er weder sie kannte, noch Albus, noch ihre Freunde und Familien. Er würde sie nicht komisch behandeln.
 

Und genau das hatte sie doch die ganze Zeit über gewollt - das irgendjemand ihr zuhört ohne ihr besorgte, entschuldigende oder bemitleidende Blicke zuzuwerfen. Ohne, dass dieser jemand im Herzen darüber entschied, was für ein fürchterlich egoistischer Mensch Alice doch war.
 

Ben … genau, dass war sein Name. Ben. Ja, Ben war nett und freundlich und er hörte ihr zu und er war so aufmerksam und noch dazu bezahlte Ben ihre Getränke. Ben verurteilte sie nicht.
 

Alice lächelte den dunkelhaarigen Jungen wackelig an und beendete ihre Geschichte. Sie wusste nicht, wie lange sie erzählt hatte. Vielleicht langweilte sich Ben zu Tode, aber es war ihr egal. Er lächelte sie konstant an und seine Finger malten sanfte Kreise auf ihre kleine Hand, die verkrampft auf dem schmutzigen Tisch zwischen ihnen lag.
 

Und wirklich, sie hätte es besser wissen sollen.
 

Das wurde ihr klar, als sie am nächsten Morgen allein und nackt in einem der heruntergekommenen Zimmer im Eberkopf aufwachte, mit stechenden Kopfschmerzen und großen Erinnerungslücken was den vergangenen Abend betraf.
 

Entmutigt ließ sie sich zurück in die Kissen sinken, zog die dünne Decke fest um ihren entblößten Körper und hielt die heißen Tränen zurück.
 

Was stellte sie nur mit ihrem Leben an?

___
 

--- DER TAGESPROPHET ---

Donnerstag, der 08. Dezember 2023
 

Skandal an der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei
 

Wie eine sichere Quelle erst vor wenigen Stunden exklusiv und, wohlbemerkt, auch unerwartet aufdeckte, umgibt den Hogwarts-Schüler Albus Severus Potter (17), Sohn des großen Harry Potters, und dessen Ex-Freundin Alice Longbottom (17, ebenfalls Schülerin), Tochter des Schulleiters der genannten Schule, Professor Neville Longbottom, ein düsteres und wohlbehütetes Geheimnis.
 

Ob jenes schreckliche Mysterium zur Trennung des Paares führte? Daran besteht kein Zweifel, erklärt unsere Quelle und beruft sich dabei auf ein persönliches Gespräch mit niemand Geringerem als einer der beteiligten Personen.
 

Sie fragen sich, was zwei Schüler unter der Aufsicht von Eltern und Lehrern schon groß anzustellen vermögen? Gerade zwei junge Menschen, die unter dem Einfluss großer Vorbilder der Zauberergemeinschaft stehen? Machen Sie sich auf eine erschütternde Geschichte gefasst!
 

Nach dem ausführlichen Bericht der Quelle, deren Name wir hier nicht nennen werden, und einigen nachprüfenden Recherchen durch unsere Reporter in den letzten Stunden, ist es uns gelungen, die gesamte skandalöse Geschichte aufzudecken und wir sind nun in der Lage, Ihnen diese druckfrisch zu präsentieren:
 

Albus Potter beendete die Beziehung zu seiner langjährigen Freundin Alice Longbottom offensichtlich, nachdem er erfahren hatte, dass diese ein Kind von ihm erwartete. Kenntnis über ihre Schwangerschaft erlangte Alice während der ersten Wochen zurück an der Schule, demzufolge waren die beiden Schüler wohl während der Sommerferien unvorsichtig gewesen.
 

Das hilfesuchende Mädchen erzählte ihrem Freund von dem Baby, woraufhin dieser die Beziehung umgehend beendete und sie mit dem Problem alleine ließ. Was Harry Potter wohl dazu sagt, einen so verantwortungslosen Jungen aufgezogen zu haben?
 

Natürlich fühlte sich Alice ohne Unterstützung nicht dazu in der Lage, das Kind auszutragen und großzuziehen. In ihrer Verzweiflung ließ das Mädchen im Zaubererdorf Hogsmead, nahe der Schuleinrichtung, eine Abtreibung vornehmen. Heilerin Wilma Cooper (47), welche eben jene vornahm, stand für ein Interview nicht zur Verfügung. Völlig am Ende irrte Alice nach der Prozedur anschließend durch das Dorf und traf in einem der Geschäfte zufällig auf den Potter.
 

Laut Cecil Bruns (24), die an diesem Nachmittag arbeitete, kam es zwischen den beiden ehemaligen Verliebten zu einem lautstarken Streit mitten auf der Hauptstraße. „Das Mädchen war völlig durcheinander, sie weinte und schrie. Er war so unsensibel, da haben mir wirklich die Worte gefehlt. Ich wusste nicht, ob ich eingreifen sollte, doch noch bevor ich etwas sagen konnte, waren die beiden um die nächste Ecke verschwunden“, erklärte die Verkäuferin betroffen. „Sie tat mir ja so leid! Dem Jungen hätte ich gerne die Ohren lang gezogen, sie so zu behandeln, also wirklich! Jetzt, wo ich weiß, worum es genau ging … ich bin wirklich fassungslos.“
 

Eine Quelle innerhalb des Schlosses, die anonym bleiben möchte, beobachtete, dass Albus und Alice am Tag des Vorfalls erst spät und in erschöpftem Zustand in die Schule zurückkehrten. In den folgenden Wochen wirkte die Gryffindor dauerhaft gestresst und wurde oft mit Tränen in den Augen auf einer der Toiletten gesichtet. Der Potter hingegen hatte sich eine neue Frau angelacht - Stella Parkinson (18), eine weitere Klassenkameradin. Bleibt zu hoffen, dass er sich besser um sie kümmert, als um seine Verflossene!
 

Für alle diejenigen, die sich gefragt haben, warum das Traumpaar so plötzlich getrennte Wege ging, ist hier die Antwort.
 

Natürlich stehen weiterhin offene Fragen im Raum: Wie konnte diese gesamte Geschichte den Eltern und Vertrauten des Paares entgehen, ganz zu schweigen von all den Mitschülern und besonders Lehrern? Warum hat Albus seine junge Freundin so rücksichtlos im Stich gelassen? Und sollte man nicht ernsthafte Schritte unternehmen, um solche Vorkommnisse an der Schule in Zukunft zu verhindern? Sollte man die Schüler nicht eventuell besser belehren und aufklären? Vielleicht auf getrennte Gemeinschaftsräume und strengere Kontrollen beharren?
 

Falls jemand diese Fragen beantwortet, dann erfahren Sie es selbstverständlich zuerst hier bei uns. Wir halten Sie über alle neuen Erkenntnisse in diesem Fall auf dem Laufenden!
 

Deborah Ann Parker für den Tagespropheten

Kapitel Zwölf.

Es besser machen.
 

Kapitel Zwölf.
 

Obwohl Albus am Donnerstagmorgen eine Freistunde hatte, wachte er wie üblich pünktlich zur ersten Stunde auf. Nach einigem hin und her wälzen in seinem Bett stellte er fest, dass es ihm unmöglich war, wieder einzuschlafen und so beschloss er, nach einer kurzen Dusche alleine zum Frühstück zu gehen und anschließend seinem Zaubertränke-Aufsatz den letzten Schliff zu verpassen. Um diese Uhrzeit hätte er in der Bibliothek immerhin noch seine Ruhe und vielleicht würde er sogar ein A schaffen, wenn er die letzten Absätze noch einmal überarbeitete.
 

Als er seinen Weg aus den Kerkern in die Große Halle machte, konnte er sich nicht gegen das Gefühl wehren, sich beobachtet zu fühlen. Entweder er wurde paranoid oder seine Mitschüler redeten tatsächlich über ihn und zeigten mehr als offensichtlich mit ihren Fingern in seine Richtung. Was bei Merlin war denn jetzt wieder los?
 

Er beschloss, seine verwirrten Gedanken zu ignorieren und lief unbeschwert durch die nahezu vollbesetzte Große Halle, um sich einen Platz am Slytherintisch zu suchen. Einen Moment lang befürchtete er, der einzige Siebtklässler zu sein, der um diese Uhrzeit bereits wach war, - jeder nutzte nur allzu gerne die Gelegenheit, eine Stunde länger zu schlafen - doch zu seiner Erleichterung entdeckte er am hinteren Ende des Tisches Stella und ihre Freundinnen Jules und Anne.
 

Lächelnd lief er auf die Parkinson zu, auch wenn gleichzeitig ein seltsames Gefühl von ihm Besitz ergriff. Er kam mit Stella wirklich gut aus; sie war lustig und freundlich, fröhlich, aufmerksam und liebevoll. Sie war perfekt und er wusste, dass sie über beide Ohren in ihn verknallt war. Und er würde ihre Gefühle so gerne erwidern. Aber er konnte es einfach nicht, denn sie war nicht Alice. Und solange sein dummes Herz beschloss, an seiner Exfreundin zu hängen, würde er nie so für Stella fühlen können, wie sie es verdiente.
 

Und trotzdem würde er sein Bestes geben, seine langjährige gute Freundin glücklich zu machen. Stella blickte ihn mit großen, braunen Augen an, als er sich neben ihr niederließ, ein Gesichtsausdruck den er normalerweise nicht von ihr kannte.
 

„Guten Morgen“, begrüßte er sie gut gelaunt und küsste sie sanft auf die Lippen, bevor er Jules und Anne zunickte.
 

„Guten Morgen, Al - hör mal, ich weiß nicht, ob du es schon gesehen hast … heute war so ein Artikel in -“, doch weiter kam sie nicht. Mit halboffenem Mund und gerunzelter Stirn schaute sie an Albus vorbei, was ihn dazu bewog, den Kopf zu drehen.
 

Zu seiner eigenen Überraschung sah er sich plötzlich seiner Schwester gegenüber. Lily stand mit zusammengezogenen Augenbrauen und verschränkten Armen vor ihm. Normalerweise besuchte sie ihn nicht am Slytherintisch - sie selbst war eine Ravenclaw im zweiten Jahr und hielt sich für gewöhnlich an ihre kleinen Freunde. Mit Albus verbrachte sie während der Schulwochen nicht besonders viel Zeit.
 

„Hey Lily“, sagte Albus und bemühte sich, die Aussage nicht wie eine Frage zu klingen lassen.
 

„Wir müssen reden“, erklärte sie und erst jetzt erkannte er unter ihrer strengen Fassade, die sie so gerne vorspielte, Unsicherheit und kindliches Unwissen in ihren Augen aufblitzen, etwas, das viel eher zu ihren zwölf Jahren passte.
 

„Klar. Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?“, hakte er sofort besorgt nach und erhob sich langsam von seinem Stuhl, um auf sie zuzugehen. Doch Lily wich vor ihm zurück.
 

„Sag mir bitte, dass nicht wahr ist, was in der Zeitung steht!“ Ihre Stimme klang hilflos und auf einmal stand die Verzweiflung ganz unverhüllt in ihrem Gesicht.
 

„Ich weiß nicht, wovon du redest, Lily. Aber wenn es wieder um Dad geht … du kannst nicht immer alles glauben, was der Tagesprophet schreibt, das weißt du -“
 

„Es geht nicht um Dad, Al! Es geht um dich. Hast du es denn noch nicht gesehen?“ Fassungslos griff Lily nach der nächsten Ausgabe des Propheten, die auf dem Slytherintisch lag und welche Stella gehörte. Die Slytherin hatte keine Einwände und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Albus.
 

„Nein, ich habe heute noch nichts gelesen.“ Verdutzt nahm Albus die Zeitung entgegen. Auf der Titelseite erkannte er ein großes Foto von sich selbst und eines von Alice direkt neben seinem, was ihn nichts Gutes ahnen ließ. Nervös ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken und begann, sich den langen Artikel durchzulesen.
 

Von Sekunde zu Sekunde wurde sein Herzschlag schneller und er hatte Mühe, seine Atmung unter Kontrolle zu halten. Er konnte nicht verstehen, was er da las. Er konnte es nicht verarbeiten und all die Worte verursachten ihm Kopfschmerzen.
 

Wie zur Hölle konnten diese schleimigen Reporter das alles herausbekommen haben? Niemand hatte davon gewusst, außer seinen engsten Freunden. Keine dieser Personen würde Alice und ihn so verraten, niemand würde ihnen das antun - besonders Alice ging es doch schon schlecht genug und sie hatte gerade angefangen, sich besser zu fühlen. Wer würde jegliches bisschen Normalität, das sie sich in den letzten Wochen wieder aufgebaut hatten, so unsensibel zerstören?
 

Es kümmerte ihn nicht, dass er in dem Artikel als das absolut größte Arschloch hingestellt wurde. Auch nicht, dass mittlerweile offensichtlich die gesamte Schule und Zauberergemeinschaft Großbritanniens Bescheid wusste.
 

Um ehrlich zu sein, wusste Albus nicht, was er fühlen sollte, als er am Ende der Seite angekommen war und die Zeitung schlaff in seinen Händen hing. Ratlos sah er zu seiner Schwester auf, die mit tieftraurigen Augen auf ihn herabsah. Er hatte sich selten so schäbig gefühlt. Was musste sie jetzt wohl über ihn denken? Was mussten seine Eltern denken, nachdem sie diesen Artikel gelesen hatten? Und seine Großeltern?
 

Seine Hände zitterten als er die Zeitung achtlos zu Boden fallen ließ. Er weigerte sich, einem weiteren Blick seiner Mitschüler zu begegnen. Jetzt wusste er auch, dass er es sich nicht eingebildet hatte, als er dachte, dass jeder ihn anstarrte. Denn jeder starrte ihn tatsächlich an, und aus gutem Grund.
 

Albus spürte, wie ihm heiß und kalt zugleich wurde und er stand abrupt auf. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, besonders zu Lily, die ihn mittlerweile nahezu entsetzt ansah, so, als hätte sein viel zu langes Schweigen schon jede Antwort geliefert, die sie gebraucht hatte.
 

„Albus“, vernahm er Stellas Stimme, leise und schwach, doch er antwortete nicht. Er hätte sowieso nicht gewusst, was er sagen sollte. Noch dazu würde wahrscheinlich die ganze Halle diesem Gespräch zuhören und daran hatte er, bei Merlin, kein Interesse!
 

Stattdessen marschierte er auf die Tür der Großen Halle zu. Beinahe hätte er nicht bemerkt, wie Professor Longbottom sich am Lehrertisch erhob, ein Exemplar der verdammten Zeitung auch in seiner Hand. Sein Blick sprach Bände und Albus hatte sich noch nie so eingeschüchtert von dem Mann gefühlt, den er seit seiner Geburt kannte.
 

„Albus!“ Seine Stimme klang ruhig und beherrscht, doch dem Potter entging der drohende Unterton nicht. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass tatsächlich die gesamte Halle schwieg. Es wäre ihm ansonsten nie möglich gewesen, Neville sprechen zu hören.
 

Für einen Augenblick blieb Albus stehen, willens, sich seinem Schicksal zu ergeben. Neville hatte jedes Recht, ihn auf die qualvollste Art und Weise zu ermorden, denn laut dem Artikel hatte er nichts anderes verdient, nach dem, was er seiner Tochter angetan hatte. Albus hätte es verstanden, wirklich!
 

Im Bruchteil einer Sekunde entschied er sich jedoch um. Er war nicht bereit, so jung zu sterben. Er musste Alice finden, sicherstellen, dass er ihr gut ging und erst dann würde er sich, gemeinsam mit ihr, ihrem Vater stellen.
 

Ohne einen Blick zurück flüchtete er aus der Großen Halle und ließ seine starrenden Mitschüler, seine bestürzte Schwester, perplexe Lehrer und einen wütenden Professor Longbottom hinter sich zurück.

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„Dome!“, rief Rose quer durch den Kerker, als sie die silberblonden Haare ihrer Cousine in der Menge von Schülern entdeckte. Mit schnellen Schritten bahnte sie sich einen Weg zur Tür des Zaubertränke-Klassenzimmers, neben welcher Dominique bereits stand und wartete. „Ich muss mit dir reden. Ich habe etwas Dummes gemacht.“
 

Dominique strich sich mit zusammengezogenen Augenbrauen die Haare hinters Ohr und griff dann nach Rose‘ Hand um sie von der Schülermenge wegzuziehen. In einer entfernten Nische hielten die Cousinen inne.
 

„Was hast du angestellt?“, kam die Ravenclaw sofort auf den Punkt.
 

Rose atmete tief durch, bevor sie in einem einzigen Atemzug ausstieß: „Ich habe Malfoy von der Sache mit Phill erzählt.“
 

„Wie bitte?“, rief Dominique lauter als beabsichtigt und schlug sich gleich darauf die Hand vor den Mund. Mit geweiteten Augen starrte sie die Gryffindor an, bevor sie die Hand vor ihrem Gesicht langsam sinken ließ. „Sag mal bist du von allen guten Geistern verlassen? Warum hast du das gemacht? Hat er dich verhext? Hat er dir Veritaserum eingeflößt? Du weißt, dass wir ihn deswegen bei Professor Longbottom zur Rechenschaft ziehen könnten, es ist verboten -“
 

„Dome, halt mal die Luft an!“, unterbrach Rose ihren Wortschwall. „Ich habe es ihm freiwillig erzählt.“
 

Diese Aussage trug nicht dazu bei, dass sich der verwirrte Ausdruck auf Dominiques Gesicht verflüchtigte. Stattdessen wirkte sie von Sekunde zu Sekunde ungläubiger. „Wieso?“, war letztendlich alles, was sie sagen konnte.
 

„Mir ist bei einem Gespräch vor zwei Tagen etwas Blödes rausgerutscht und natürlich hat er es sofort mitbekommen und wollte die Geschichte dahinter erfahren. Ich habe mich geweigert ihm etwas zu sagen, aber er wollte Alice und dich danach fragen und ich hatte Panik und wollte nicht, dass dieses ganze Thema wieder zwischen uns aufkommt, also hab ich ihm gesagt er soll mich im Raum der Wünsche treffen und ich habe ihm einfach alles erzählt. Oh Merlin, Dome, ich habe ihm alles erzählt. Und jetzt spreche ich doch mit dir darüber, was bedeutet, dass das ganze Thema trotzdem wieder aktuell ist und ... verdammt, ich könnte durchdrehen.“ Etwas härter als notwendig fuhr sich Rose durch die roten Locken und ließ anschließend den Kopf hängen.
 

„Meinst du, er wird irgendjemandem davon erzählen?“, fragte Dominique nach einem kurzen Schweigen, doch bevor Rose antworten konnte, schallte das Klingeln zum Unterricht durch den Kerker.
 

Mit eiligen Schritten liefen die beiden Mädchen zum Klassenraum und ließen sich - ihr spätes Eintreten glücklicherweise unbemerkt - in der letzten Reihe nieder.
 

„Ich denke nicht, dass er jemandem davon erzählen wird. Seine Reaktion hat mich, um ehrlich zu sein, überrascht. Er hat richtig entsetzt gewirkt und hatte so einen seltsamen Ausdruck in seinen Augen, ich kann es nicht wirklich beschreiben“, flüsterte Rose schließlich ihre Antwort, während sie fein-säuberlich die Stichpunkte von der Tafel abschrieb.
 

„Mh“, erwiderte Dominique nachdenklich. Auch sie hatte eine Feder in der Hand, doch war zu tief in Gedanken um ans Schreiben zu denken.
 

Plötzlich warf jemand eine Ausgabe des Tagespropheten auf den Tisch der Schülerinnen. Rose öffnete bereits empört den Mund, doch schloss ihn wieder, als sie sich Scorpius gegenüber sah, der sich gleich darauf in der Reihe vor ihnen niederließ. Professor Manteca schien sich nicht dafür zu interessieren.
 

„Was soll das?“, fragte Dominique mit gerunzelter Stirn.
 

„Habt ihr das gesehen?“, stellte Scorpius die Gegenfrage und machte sich nicht die Mühe seine Stimme zu senken.
 

„Was?“
 

Der Malfoy verdrehte die Augen und deutete dann auf die Titelseite. Wenn Rose es nicht besser wüsste, würde sie sagen, dass Sorge in seinem Blick lag.
 

Sie wendete ihre Aufmerksamkeit der Zeitung zu und strich die Titelseite glatt. Sofort fielen ihr die Bilder ihres Cousins und ihrer besten Freundin in die Augen. Ihr Magen zog sich unangenehm zusammen und sie ahnte nichts Gutes.
 

Gemeinsam mit Dominique überflog sie den Artikel, der unter den Bildern zu finden war und von Sekunde zu Sekunde fiel ihr das Schlucken schwerer.
 

„Wie haben sie das rausbekommen?“, wollte Dominique fassungslos wissen und schob die Zeitung angewidert von sich.
 

„Und wie konnten sie eine solche Geschichte so gewissenlos veröffentlichen?“, setzte Rose hinzu und verbarg den Kopf in den Händen.
 

„Ich habe keine Ahnung. Habt ihr Alice heute schon gesehen?“ Scorpius knüllte das Exemplar des Propheten zusammen und schmiss es achtlos in Richtung des Mülleimers.
 

Beide Mädchen schüttelten den Kopf. „Was ist mit Albus? Hast du ihn gesehen?“, hakte Rose nach. Diesmal schüttelte der Slytherin den Kopf.
 

„Verdammt, Ginny und Harry werden komplett durchdrehen. Es wundert mich, dass Gin noch nicht hier ist und die Schule auf der Suche nach ihrem Sohn auseinandernimmt“, meinte Rose.
 

„Oh Merlin, Neville wird Albus mit bloßen Händen erwürgen“, setzte Dominique mit schwacher Stimme hinzu.
 

„Ich hoffe Alice und Al haben eine gute Erklärung für ihre Eltern bereit.“
 

„Sie brauchen keine Erklärung. Sie müssen nur die Wahrheit erzählen, bei Merlin. Sie haben diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen und noch dazu ist die Hälfte des Artikels vollkommen erlogen. Wir müssen nur hoffen, dass Neville und Ginny die beiden zu Wort kommen lassen, bevor die Situation eskaliert.“
 

Rose biss sich unglücklich auf der Unterlippe herum. Ihre eigenen Probleme kamen ihr plötzlich so kindisch vor. Wieso passierten eigentlich immer Alice und Albus diese schrecklichen Dinge? Konnten sie nicht endlich ihre Ruhe finden? Wie sollten sie denn jemals mit dieser Sache abschließen, wenn niemand ihnen je eine Chance dazu gab?
 

Es war wirklich nur ein positiver Aspekt, den Rose aus diesem Chaos gewann - Scorpius hatte sie nicht erneut auf die Sache mit Phill abgesprochen und sobald sich um Alice und Albus alles beruhigt hatte, hatte er vielleicht schon vergessen, was sie ihm erzählt hatte. Sie konnte ja noch hoffen.

___
 

Es dauerte eine Weile bis Alice es schaffte, ihre Tränen zu stoppen und das knarrende, unbequeme Bett im Eberkopf zu verlassen. Sie lief langsam durch das heruntergekommene Zimmer, sammelte ihre Kleidung zusammen und zog sich langsam an. Sie sehnte sich nach einer heißen Dusche, doch dieser Luxus stand ihr in diesem Gasthaus nicht zur Verfügung.
 

Ihr Kopf schmerzte und ihre Körper brannte an den Stellen, die der Mann - Dan oder Ben - letzte Nacht berührt hatte. Sie fühlte sich fürchterlich, mal wieder, und fragte sich, ob sie sich jemals wieder anders, besser, fühlen würde.
 

Alles in ihr weigerte sich dagegen, wieder zurück in die Schule zu gehen. Lieber wollte sie hier bleiben, in diesem schmutzigen Raum, bis zum Ende ihrer Tage. Jeder Schritt, jeder Atemzug, jeder Gedanke, jeder Herzschlag fühlte sich an, wie schwerste, körperliche Arbeit und sie war es so leid, in jeder Sekunde ihres Daseins so hart kämpfen zu müssen.
 

Es war nicht das erste Mal, dass sie sich fragte, was sie mit ihrem Leben anstellte.
 

Aber eines wurde Alice langsam klar. Sie musste aufhören, sich selbst noch mehr zu zerstören, musste aufhören, sich selbst noch mehr Schaden zuzufügen. Sie musste sich endlich wieder fangen und einen neu beginnen. Alles, was sie herunterzog, musste sie endgültig zurücklassen. Dazu zählten Albus und das Baby, welches sie niemals treffen würde. Sie musste beginnen, die Schule ernst zu nehmen und sich auf ihren Abschluss konzentrieren und wenn sie das alles geschafft hatte, dann würde sie gehen - so schnell und so weit weg wie möglich und ohne einen Blick zurück.
 

Der Gedanke gab ihr Kraft. Es waren nur noch einige Monate bis zu den Examen und danach war sie frei - frei, zu gehen wohin sie wollte; frei, zu treffen wen sie wollte; frei, zu machen was sie wollte. Ein richtiger Neustart, ein neues Leben.
 

Sie warf einen letzten Blick umher und achtete darauf, nichts zu vergessen, bevor sie das Zimmer verließ und sich leise zum Geheimgang schlich. Das ganze Haus war still und niemand bemerkte, dass sie durch das Porträt verschwand.
 

Im Raum der Wünsche zögerte sie nicht lange und trat mit Nachdruck aus dem Raum. Schluss mit dem verstecken und verkriechen und allein sein und trauern. Das Leben musste weitergehen!
 

Natürlich hatte sie nicht mit den Blicken gerechnet, die auf ihr lagen, sobald sie die spärlich gefüllten Korridore durchschritt. Einige ihrer Mitschüler zeigten ganz ungehemmt mit den Fingern auf sie, während die andere sie mit einer Mischung aus Mitleid und Hohn ansahen. Alice wusste nicht, was sie davon halten sollte und es versetzte ihrem Entschluss, alles Schlechte hinter sich zurückzulassen, einen gewaltigen Dämpfer.
 

Sie eilte so schnell sie konnte zum Gemeinschaftsraum und unter die Dusche und war wenig später bereit, frisch und munter zum Arithmantik-Unterricht zu gehen. Sie hatte keine Lust, aber der Wille zählte und außerdem hatte sie schon die Zaubertränke-Doppelstunde verpasst.
 

Die dritte Stunde an diesem Morgen hatte soeben geendet und Schüler strömten aus allen Räumen und durch alle Gänge. Alice spürte wieder all die Aufmerksamkeit auf sich und duckte ihren Kopf, um allen Blicken und dem Getuschel auszuweichen. Sie konnte sich nicht erklären, was schon wieder passiert war. Hatte etwa jemand von ihrem kleinen Ausrutscher im Eberkopf erfahren? Ihre Wangen wurden rot bei dem Gedanken.
 

„Alice!“
 

Die laute Stimme durchschnitt all das Geplapper und Gekicher und ließ sie erschrocken zusammenzucken. Sie hob vorsichtig den Blick und sah Albus, der sich durch die Schülermengen quetschte und auf sie zukam.
 

„Albus“, sagte sie ruhig zur Begrüßung, als er vor ihr zum Stehen kam.
 

Seine grünen Augen musterten ihr Gesicht, schienen nach irgendetwas zu suchen und es nicht zu finden. „Du hast es noch nicht gesehen?“, fragte er dann und sie sah ihn bloß mit gerunzelter Stirn an.
 

Albus strich sich seufzend mit der Hand durch die Haare und griff dann nach ihrem Arm, um sie von der Menge weg und in einen ruhigeren Teil der Schule zu ziehen.
 

„Was ist denn los, Al?“, hakte Alice plötzlich mit einem schlechten Gefühl im Magen nach. Sie konnte die Blicke noch immer im Nacken fühlen.
 

„Verdammt, Alice, ich habe dich den ganzen Morgen gesucht. Hast du den Tagespropheten noch nicht gesehen? Ich hatte schon Angst, dass du dir wegen diesem blöden Artikel irgendwas antust.“ Kopfschüttelnd wühlte Albus in seiner braunen Ledertasche und holte kurz darauf eine Ausgabe des aktuellen Propheten in der Hand. „Lass uns hier reingehen.“ Mit wenig Anstrengung schob er sie in das verlassene Mädchenklo von Myrte und drückte ihr gleich darauf die gelbliche Zeitung in die Hand.
 

Alice schaute Albus noch einen Moment verwirrt an, vollkommen durcheinander von seinen Handlungen, bevor sie den Blick senkte und die Titelseite überflog, die sie in den Händen hielt. Ihre Augen weiteten sich mit jedem Satz ein wenig mehr und als sie den letzten Punkt erreichte, sah sie angstvoll zu ihrem Exfreund auf, wohlwissen, dass das alles ihre Schuld war. Sie war so eine Idiotin.
 

„Ich -“, begann sie, doch eigentlich hatte sie keine Ahnung was sie sagen wollte. Ihre Lippen bebten und ihre Knie fühlten sich seltsam wackelig an.
 

„Es tut mir so leid, Alice. Ich weiß nicht, wie sie das herausbekommen konnten.“
 

„Ich“, fing Alice erneut an und schloss für einige Sekunden die Augen. Dann fuhr sie mit leiser Stimme fort: „Das ist meine Schuld, denke ich.“
 

Albus legte fragend den Kopf schief, aber sagte nichts, was Alice als Zeichen deutete, zu erklären.
 

„Letzte Nacht, da war ich im Eberkopf. Ich habe mich so schrecklich gefühlt, weil -“ Sie pausierte kurz und entschloss sich dann, einfach die Wahrheit zu sagen. „Ich habe mich furchtbar gefühlt, nachdem ich dich mit Stella gesehen habe und mir wurde erneut klar, wie sehr ich dich vermisse und wie sehr ich dich immer noch liebe und es hat so weh getan, dich mit deiner neuen Freundin zu sehen, glücklich und zufrieden, während ich noch immer jeden Tag mit dieser ganzen Situation kämpfe.“ Sie spürte wie Albus sich regte, ohne ihn anzusehen, und wusste, dass er sie unterbrechen wollte, aber sie hob die Hand und er blieb stumm. „Also bin ich einfach abgehauen, ich brauchte Luft und Platz und Abstand und im Eberkopf habe ich mir einen Feuerwhsikey nach dem anderen bestellt und irgendwann war alles leichter zu ertragen. Und dann war da dieser Typ, Ben oder so, und er hat sich zu mir gesetzt und er hat mir einige Drinks ausgegeben und irgendwann habe ich angefangen zu erzählen. Ich habe ihm alles erzähle, Albus, wirklich alles und ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht und es hat sich gut angefühlt, es jemandem zu sagen, den ich nicht jeden Tag sehen muss. Jemandem, der mir keine mitleidigen Blicke zuwirft und keine leeren, angeblich tröstlichen Worte spricht.“ Alice wagte es nicht, Albus in die Augen zu schauen. Sie fixierte ihren Blick in einen der zersprungenen Spiegel über den Waschbecken. „Ich wusste nicht, dass er die Geschichte an den Propheten verkaufen würde und ehrlich gesagt habe ich nicht einen Augenblick darüber nachgedacht, was wirklich dumm von mir war. Aber er war so nett und ich war wirklich betrunken und dann hat er mich geküsst und für den Moment hat es sich gut angefühlt. Wir sind in eines der Zimmer gegangen und -“ Sie konnte nicht weitersprechen, als Tränen in ihre Augen stiegen und das Atmen schwerer wurde. Sie versuchte ihre Fassung zu behalten. „Ich habe mit ihm geschlafen und heute Morgen war er fort und ich war so angewidert von mir selbst und jetzt hältst du mich für ein dummes Flittchen, was ich vollkommen nachvollziehen kann, aber ich würde gerne die Zeit zurückdrehen und alles ändern und ... ich weiß auch nicht. Ich dachte, dass es endlich besser werden würde - heute früh hatte ich mir so fest vorgenommen nach vorne zu schauen und alles Vergangene hinter mir zurückzulassen, aber jetzt ist diese ganze Sache wieder aufgewühlt worden und warum können wir nicht endlich unsere Ruhe haben, Albus? Ich habe keine Kraft mehr, andauernd mit diesem Thema konfrontiert zu werden.“
 

Alice‘ Worte verliefen sich und Schweigen breitete sich über den Raum aus.
 

Als sie sich endlich traute, Albus‘ Blick zu begegnen, konnte sie die verschiedensten Emotionen deuten. Er sah verletzt aus, enttäuscht und verärgert, aber auch ein wenig hoffnungsvoll.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete Albus den Mund, seine Stimme klang rau: „Hast du auch all die Lügen über mich erzählt? Hast du mich absichtlich so verachtenswerten dargestellt?“
 

Alice schüttelte sofort den Kopf. „Nein, Al, nein! Ich habe nicht ein schlechtes Wort über dich gesagt, dass musst du mir glauben. Ich würde nie so geringschätzig von dir sprechen, das schwöre ich! Ich habe keine Ahnung, warum du in diesem Artikel so schlecht dargestellt wirst, aber ich habe nichts dergleichen gesagt!“
 

Albus nickte langsam und nachdenklich und aus irgendeinem Grund wurde Alice in diesem Moment klar, dass sie dabei war, ihre Arithmantik-Stunde zu verpassen. Manchmal schien es ihr, als wollte Merlin persönlich sie vom Unterricht abhalten.
 

„Ich habe nicht mit der Situation abgeschlossen, weißt du, auch wenn es vielleicht so wirken mag“, sagte Albus dann und sie fokussierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. „Ich denke jeden Tag über alles nach, was in den letzten Monaten passiert ist. Über uns, über das Baby und über alles, was schief gelaufen ist und was anders hätte verlaufen können … und ich glaube, dass ich niemals wieder ein Mädchen so lieben werde wie dich in diesem Augenblick liebe und dieser Gedanke macht mir Angst.“
 

Alice öffnete den Mund und schloss ihn wieder, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte und sich nicht sicher war, ob sie überhaupt Worte formulieren konnte. Ihr fielen jedoch verschiedene Dinge ein, die sie tun wollte - am liebsten, sich in Albus‘ Arme werfen und ihn nie wieder loslassen.
 

Das laute Gluckern einer Toilette im hinteren Teil des Badezimmers ließ die beiden Schüler zusammenzucken und die geladene Stimmung zwischen ihnen verflog.
 

„Ich denke wenn wir uns beeilen, kriegen wir vielleicht noch den Rest der Stunde mit“, sagte Albus und seine Stimme klang noch immer kratzig, irgendwie angeschlagen.
 

„Ja, ähm, wir sehen uns dann beim Mittagessen?“ Ohne eine Antwort auf ihre Frage abzuwarten, schob sie sich an Albus‘ warmen Körper vorbei, drückte ihm den Tagespropheten in die Hand, den sie noch immer hielt, und verließ die Toiletten.
 

Sie rannte durch die Korridore, die nun vollkommen verlassen waren, und wusste nicht, ob sie vor Nervosität eine Panik-Attacke oder vor Freude einen Lach-Anfall kriegen sollte. Albus liebte sie, er liebte sie noch immer, er liebte sie und sie liebte ihn und auch wenn alles gerade kompliziert war und er eine Freundin hatte und sie noch über so viele Dinge reden mussten und der Zeitungsartikel noch in aller Mund war und ihre Eltern sie höchstwahrscheinlich enterben würden - alles sah plötzlich so viel hoffungsvoller aus und sie fühlte sich erstmals seit langem wieder optimistisch und sie hatte kein Verlangen, an Ort und Stelle in Tränen auszubrechen und nicht einmal die schrägen Blicke ihrer Mitschüler und die Ermahnung ihres Arithmantik-Professors konnten ihre euphorische Laune trüben.
 

Vielleicht ging es jetzt endlich wieder bergauf, so wie sie es schon seit langem hoffte.

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Rose hatte das Pausenklingeln überhört, weil sie in der Bibliothek gesessen und ihren Muggelkunde-Aufsatz geschrieben hatte. Wenn sie sich konzentrierte, wirklich konzentrierte und es nicht nur vortäuschte, dann kam es schon mal vor, dass sie Dinge überhörte oder Personen übersah. Sie sah erst von ihrer Pergamentrolle auf, als sie das letzte Wort zu ihrer Zufriedenheit geschrieben hatte und als sie dann auf die Uhr sah, wurde ihr bewusst, dass sie bereits die Hälfte der Mittagspause verpasst hatte.
 

Sie packte hastig ihre Unterlagen und Arbeitsmaterialien zusammen und stürmte aus der Bibliothek. Ihr Magen knurrte und sie lief noch ein bisschen schneller. Sie hatte wirklich kein Interesse daran, das Essen zu verpassen und hungrig zum Verwandlungs-Unterricht zu gehen.
 

In der Eingangshalle konnte sie bereits die köstlichen Düfte wahrnehmen, die aus der Großen Halle drangen und sie war kurz davor, die Tür zu öffnen, als eine Stimme sie zurückhielt. Rose war kurz davor wütend los zu fluchen, denn warum, um Merlins Willen, wurde sie immer in der Eingangshalle aufgehalten?
 

„Ja?“, fragte sie kurz angebunden und drehte sich zu dem Jungen um, der ihren Namen gesprochen hatte.
 

„Hey“, sagte er und Rose konnte ihm keinen Namen zuordnen, obwohl sie sich fast sicher war, dass er ein Sechstklässler aus Ravenclaw war. Nicht, dass er wie ein Sechzehnjähriger aussehen würde - er war groß und muskulös gebaut, hatte dunkle, ernste Augen und ganz allgemein das Auftreten eines Erwachsenen.
 

„Hallo“, erwiderte Rose und musste sich davon abhalten, einfach weiterzugehen. Sie wollte noch was vom Essen abbekommen und wurde ungeduldig. Sie rutschte ihre schwere Schultasche auf ihrer Schulter zurecht und richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf ihr Gegenüber.
 

„Hast du an dem Hogsmead-Wochenende vor Weihnachten schon was vor?“, wollte der Junge wissen und fuhr sich mit einer Hand lässig durch die Haare.
 

Rose hob eine einzelne Augenbraue, wohlwissend worauf dieses Gespräch hinauslief. Sie hatte kein Problem damit erneut zu demonstrieren, dass sie keine Lust mehr auf diese „Dates“ hatte.
 

„Nein“, sagte sie schlicht, was der Wahrheit entsprach.
 

„Gehen wir zusammen?“, fragte der Ravenclaw, dessen Name Rose immer noch nicht eingefallen war. Er wirkte von sich selbst überzeugt und wenn Rose eines hasste, dann waren es Typen, die so vollkommen von sich eingenommen waren.
 

Sie grinste zuckersüß als sie mit einem klaren „Nein“ antwortete. Ein kleiner Dämpfer würde seinem Ego sicherlich nicht schaden.
 

Der Junge sah sie für einen Moment mit verhärteten Gesichtszügen an, bevor er wieder in ein leichtes Lächeln verfiel. „Komm schon, Rosie, wir beide wären das schönste Pärchen an diesem Nachmittag. Jeder würde sich nach uns umdrehen.“
 

Rose rümpfte die Nase. „Und warum genau sollte ich wollen, dass sich jeder nach mir umdreht? Noch dazu kenne ich nicht einmal deinen Namen, also bevor du ein Mädchen um eine Verabredung bittest, solltest du dich vielleicht wenigstens vorstellen.“
 

„Andrew“, stellte sich der Junge mit zusammengebissenen Zähnen vor und seine freundliche Fassade verschwand auf einen Schlag. „Es sollte mich nicht wundern, dass du nicht mehr weißt, wie ich heiße, bei der Menge an Typen, mit denen du rumgevögelt hast. Vielleicht sollte ich deiner Erinnerung auf die Sprünge helfen - letztes Schuljahr, im März diesen Jahres, sind wir schon einmal zusammen nach Hogsmead gegangen.“
 

Rose spürte die Wut in ihrem Magen sprudeln. „Das ist wirklich eine reizende, kleine Geschichte, aber wenn ich mich an jeden Idioten erinnern würde, mit dem ich im letzten Jahr ausgegangen bin, dann müsst ich mich leider aufhängen - anders könnte ich all diese Enttäuschungen nämlich nicht verarbeiten. Und wenn wir uns schon einmal getroffen haben und ich dich vergessen habe, dann warst du es offensichtlich nicht wert, das man sich deiner erinnert.“ Sie strich sich eine Strähne roter Haare hinters Ohr und drehte sich dann auf dem Absatz um.
 

Sie hatte es so satt. Sich nicht mehr auf jeden Typen einzulassen war wirklich die beste Entscheidung, die sie seit einiger Zeit getroffen hatte.
 

Eine feste Hand um ihren Unterarm hielt sie vom weg gehen ab.
 

„Lass mich los!“, fauchte sie ohne ihren Kopf zu wenden.
 

„Ich lasse mich nicht einfach so abschütteln. Stell dich nicht so an und komm mit mir ins Dorf.“
 

„Nein“, sagte Rose mit Nachdruck und versuchte ihr Handgelenk aus dem harten Griff zu befreien. Andrew ließ nicht locker.
 

„Seit wann stellst du dich so an? Du hattest doch sonst kein Problem damit, die Beine breit zu machen! Ich bettle hier bestimmt nicht ewig rum.“
 

Mit zu Schlitzen verengten Augen wirbelte Rose zu dem Ravenclaw herum. „Jetzt pass mal gut auf, du Möchtegern-Casanova. Ich geh nicht mit dir nach Hogsmead, verstanden? Nicht heute, nicht morgen und nicht in einem Jahrhundert. Und wenn du nicht auf der Stelle meinen Arm loslässt, dann wirst du dir wünschen nie geboren worden zu sein!“
 

Andrew wirkte nicht einmal ansatzweise eingeschüchtert. „Was willst du denn machen, hm?“, fragte er spöttisch und sein Griff wurde schmerzhaft eng.
 

„Ist dir klar mit wem du dich hier anlegst, du Spinner?“, fauchte Rose und ihre Stimme klang eiskalt. Sie wollte es nicht zugeben, aber Andrew jagte ihr Angst ein. Sie wusste, dass sie nur um Hilfe rufen musste und im Nu wären unzählige Schüler und Lehrer hier, aber sie weigerte sich, diesem Psychopathen diese Genugtuung zu gönnen.
 

„Wenn du keine Lust hast, dich so kurz vor Weihnachten zu treffen, dann können wir unser Techtelmechtel auch auf jetzt verlegen. Ich bin da kompromissbereit“, erwiderte Andrew und schien gar nicht mitzubekommen, wie sehr er sie bedrängte. Wahrscheinlich hielt er das alles noch für Spaß.
 

„Sag mal tickst du noch ganz richtig? Lass mich endlich gehen!“ Roses Stimme wirkte plötzlich ganz erstickt, denn langsam wurde ihr diese ganze Situation zu viel. Sie wollte gerade tief Luft holen um nach Hilfe zu rufen, als ein sehr bekannter, hellblonder Schopf Haare in ihrem Blickfeld auftauchte und sie atmete automatisch erleichtert aus.
 

Scorpius schien die Lage sofort richtig zu deuten. „Lass sie los, Peters!“, sagte er mit einem gefährlichen Unterton in seiner ruhigen Stimme und trat näher zu Rose. „Augenblicklich“, fügte er dann hinzu, als Andrew nur weiterhin arrogant lächelte.
 

Rose wendete ihren Körper ganz automatisch Scorpius zu und der Slytherin musterte sie mit einem seiner nicht-deutbaren Gesichtsausdrücke. Dann wendete er seine Aufmerksamkeit wieder Andrew zu und Sekunden später war der Ravenclaw gegen die nächste Wand gepresst, sein grober Griff um Roses Arm endlich verschwunden.
 

„Hörst du schlecht oder was?“, knurrte Scorpius und Andrew sah auf einmal nervös zu ihm auf. „Wenn ich dich noch einmal in ihrer Nähe sehe, dann haben wir zwei ein nettes Gespräch mit dem Schulleiter - den würde es sicherlich interessieren, wie du mit den weiblichen Schülern dieser Schule umgehst. Und dann treffen wir zwei uns noch einmal allein, aber ich verspreche dir, geredet wird dann nicht, ist das klar?“ Mit einem letzten, verachtenden Blick stieß Scorpius den jüngeren Schüler auf den Boden.
 

Rose stand immer noch erstarrt und verängstigt an Ort und Stelle, warf sich jedoch in Scorpius‘ Arme sobald Andrew sich aufgerappelt hatte und abgehauen war.
 

„Danke“, murmelte sie mit belegter Stimme und versuchte ihr schnell schlagendes Herz zu beruhigen.
 

„Kein Problem“, sagte Scorpius schlicht und strich ihr geistesabwesend über den Rücken. „Nächstes Mal lässt du es aber bitte nicht so weit kommen. Ruf lieber um Hilfe, wenn dir ein Typ zu nahe kommt.“ Die Sorge in Scorpius‘ Worten rührte Rose.
 

„Ja“, stimmte sie ihm nur zu und löste sich dann langsam von ihm. Sie atmete tief durch um ihre Beherrschung wiederzuerlangen, dann lächelte sie schräg, als sich die Türen der Großen Halle öffneten und Schüler herauszuströmen begannen. „Ich schätze das war‘s dann wohl mit meinem Mittagessen.“
 

Scorpius grinste in seiner gewohnten Art und trat einen Schritt zurück. „Du kannst die Kalorien ruhig sparen, dein Körper wird’s dir danken.“
 

„Haha, Malfoy“, sagte Rose trocken, doch konnte das breiter werdende Lächeln auf ihren Lippen nicht unterdrücken. „Na los, gehen wir zu Zauberkunst.“
 

Und wenn es eine ungewohnte Sicht war, Scorpius Malfoy und Rose Weasley friedlich erzählend auf dem Weg zum Unterricht zu erleben, dann sagte niemand etwas.

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Albus blieb mit Bedacht länger beim Mittagessen sitzen, als er es für gewöhnlich tun würde, denn er ahnte schon, dass er heute keine Unterrichtsstunde mehr besuchen würde. Es überraschte ihn, dass seine Mutter noch nicht ihren Auftritt einer hysterischen Banshee hingelegt hatte, aber das würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Er lag richtig mit seiner Vermutung.
 

Es waren nur noch eine Handvoll Schüler in der Halle verteilt und Albus saß entspannt in seinem Stuhl zurückgelehnt als Ginny Potter durch das Eichenportal schritt. Ihre roten Haare waren zu einem lockeren Zopf gebunden und sie trug Jeans und eine weiße Bluse. Ihre Augen waren vor Wut zusammengekniffen und sie brauchte keine Sekunde um ihn zu entdecken.
 

„Albus Severus Potter!“, rief sie und Albus verschränkte aus Reflex die Arme vor der Brust, wenn immer sie in diesem Ton mit ihm sprach. Er nahm kaum wahr, dass sein Vater ebenfalls gekommen war.
 

„Mum, Dad“, grüßte er seine Eltern und wusste von da an nicht mehr, was er zu erwarten hatte.
 

Er hatte Alice seit dem Gespräch im Klo der Maulenden Myrte nicht mehr gesehen, zum Mittagessen war sie gar nicht erst gekommen und Albus vermutete, dass Neville sie direkt nach ihrer Arithmantik-Stunde in sein Büro geschleift hatte. Er hatte das Gefühl, dass auch sein Weg auch dorthin führen würde. Es wäre ihm jedoch lieber gewesen, wenn er nicht von Alice getrennt worden wäre - zusammen war es leichter, über dieses ganze Thema zu sprechen.
 

Ginny warf einen mörderischen Blick auf die neugierigen Schüler, die beim Klang ihrer Stimme zurück in die Halle gekommen waren und in Windeseile war die Halle leer - abgesehen von Albus, Ginny und Harry, der die große Tür sorgfältig hinter den letzten Personen schloss. Es behagte Albus ganz und gar nicht in einem so großen Raum allein mit seinen Eltern zu sein.
 

Harry schien nicht halb so aufgebracht zu sein, wie Ginny. Er setzte sich in einen der Stühle nahe Albus, schaute ihn aber nicht an. Beide Männer richteten den Blick auf Ginny, die auf und ab lief, den Blick schweifen ließ und nach den richtigen Worten zu suchen schien.
 

„Als ich am heutigen Morgen gegen neun Uhr die Zeitung in die Hand nahm, sprang mir direkt auf der Titelseite ein Bild meiner Sohnes und seiner Freundin ins Auge“, begann sie schließlich in einem lockeren Plauderton. „Ich stellte überrascht meinen Kaffee beiseite und das war wahrscheinlich auch besser so, denn was ich anschließend über meinen jüngsten Sohn und seine Exfreundin - wie mir der Tagesprophete übrigens so freundlich berichtete, da mein kleiner Liebling es ja offensichtlich nicht als notwendig erachtete seiner Mutter diese Details mitzuteilen - lesen sollte, machte mich, gelinde gesagt, überaus wütend.“
 

Ginny wandte sich abrupt zu Albus um, stemmte die Hände auf den Slytherintisch und schaute ihm in die Augen. „Hast du uns vielleicht etwas zu sagen?“, rief sie erbarmungslos und ihre Stimme schallte laut durch die Halle. „Denn ich würde durchaus gerne erfahren, ob ich wirklich einen Jungen großgezogen habe, der seine Freundin verlässt, weil er sie geschwängert hat und sie in ihrer hilflosen Lage so vollkommen verantwortungslos allein lässt.“
 

Albus schrumpfte unter dem gnadenlosen Blick seiner Mutter zusammen und senkte den Kopf. „Es ist nicht so gewesen, wie es der Tagesprophete dargestellt hat, Mum“, sagte er und hatte Mühe das Zittern aus seiner Stimme zu verbannen. „Du kannst Alice fragen. Wir haben uns zwar getrennt, doch das war bevor ich von dem Baby wusste und es gab einen anderen Grund dafür.“
 

Ginny öffnete erneut den Mund und Albus ahnte, dass das Geschrei noch lange nicht vorbei war. Er war jetzt schon ausgelaugt von diesem Verhör. Harry unterbrach seine Frau jedoch bevor sie weitere Vorwürfe aussprechen konnte.
 

„Ich denke, wir sollten dieses Gespräch in Nevilles Büro verlegen. Albus und Alice können uns dort dann die ganze Geschichte von Anfang an erzählen und danach können wir unsere Urteile fällen, in Ordnung, Ginny-Liebling?“
 

Es erstaunte Albus immer wieder, wie es sein Vater mit so wenigen Worten schaffte, seine Mutter vollkommen zu beruhigen. Er wünschte er hätte dieses Talent. Ginnys Wut schien, für den Augenblick, in Luft zu verpuffen und sie nickte.
 

„Okay“, stimmte sie zu, seufzte leise und richtete sich wieder auf. Sie schaute Albus nicht an, griff nur nach Harrys Hand.
 

Albus trottete seinen Eltern hinterher und versuchte die Kälte, die seine Mutter und die Enttäuschung, die sein Vater ausstrahlte, nicht an sich heranzulassen. Vielleicht hatte er es verdient, so behandelt zu werden, doch es machte sein Herz schwer.
 

Nicht einmal der Gedanke daran, dass Alice ihm gesagt hatte, dass sie ihn noch liebte, konnte ihn fröhlich stimmen.

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tbc
 

Vielen Dank für alle Favoriteneinträge und Kommentare! :)

Kapitel Dreizehn.

Es besser machen.
 

Kapitel Dreizehn.
 

In Nevilles Schulleiterbüro herrschte eisige Stille. Alice schaute ihrem Vater nicht in die Augen. Sie hatte sich in einem der Stühle vor dem großen Mahagoni-Schreibtisch niedergelassen, die Knie an die Brust gezogen und ihren Kopf zwischen ihren Armen versteckt. Sie wollte nur weg von hier, so weit und so schnell wie möglich. Die letzte Stunde hatte sie damit verbracht ihrem Vater die ganze Geschichte zu erzählen, jedes verdammte Detail. Und sie hatte versucht ihn davon zu überzeugen, dass alles, was der Tagesprophete geschrieben hatte, nicht der Wahrheit entsprach. Zumindest nicht der Teil über Albus.
 

Natürlich hatte Neville nicht zugehört. Alice war wütend und verzweifelt und sie wusste nicht, wie sie ihm klar machen sollte, dass Albus kein schlechter Mensch war, dass sie kein schlechter Mensch war und das die Entscheidung, die sie letztendlich gemeinsam getroffen hatten, die einzig richtige gewesen war.
 

Alice wollte soeben erneut den Mund öffnen, erneut versuchen, ihren Vater zu besänftigen, als die Tür aufflog und Ginny Potter, gefolgt von ihrem Mann und ihrem zu Boden schauenden Sohn eintraten. Neville erhob sich nahezu automatisch von seinem Lehnsessel und seine Finger zuckten, als wollte er am liebsten nach seinem Zauberstab greifen und Albus ins Jenseits fluchen.
 

Sobald Albus aufschaute und ihrem Blick begegnete legte sich ein sanftes Lächeln auf Alice Lippen. Sie löste sich aus ihrer starren Position und eilte an Albus‘ Seite, griff nach seiner Hand und zog ihn in zum Kamin. Abseits von den Eltern, die sie trotz allem mit zusammengekniffenen Augen beobachteten, fielen sie sich in die Arme. Alice traten die Tränen in die Augen, wenn sie an die Situation dachte, in der sie in diesem Moment feststeckten.
 

Die ganze Schule, ja die ganze Zauberwelt von Großbritannien wusste nun über die Ereignisse der letzten Monate Bescheid und Alice war selten so wütend und enttäuscht von sich selbst gewesen. Das alles war ihre Schuld. Alles hätte perfekt sein können, alles war endlich besser geworden und es hatte nicht mehr so wehgetan über das Baby nachzudenken - und natürlich musste sie alles ruinieren. Sie war ein verdammter Vollidiot.
 

Neville räusperte sich schließlich und im gleichen Moment erglühten die Flammen im Kamin grün und Alice‘ Mutter, Hannah, trat hervor. Sie hatte die dunkelblonden Haare zu einem festen Knoten geflochten und ihre blauen Augen waren rot umrahmt. Alice‘ Herz sank ihr in die Hose.
 

Hannah bedachte die beiden Jugendlichen mit einem kurzen, ausdruckslosen Blick, bevor sie an die Seite ihres Mannes eilte. Ginny und Harry reichte sie mit einem schwachen Lächeln die Hand.
 

Neville räusperte sich erneut, jetzt wo alle Beteiligten versammelt waren, und ergriff schließlich das Wort. „Nun“, seine Stimme klang rau, „ich weiß nicht recht, wo ich beginnen soll. Wir alle haben an diesem Morgen den Artikel im Tagespropheten gelesen und ich denke, es gibt einiges was wir besprechen sollten.“ Der Schulleiter verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Nach einem solchen Vorfall sollten wir Maßnahmen ergreifen, ähnliches zu verhindern. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich unheimlich enttäuscht bin - von dir, Alice, weil du so unreif gehandelt hast. Besonders aber von dir, Albus, weil du dich so verantwortungslos aus der Affäre gezogen hast -“
 

Alice fiel ihrem Vater mit gehobener Stimme ins Wort. „Ich habe dir bereits gesagt, dass Albus keine Schuld trifft, Dad!“ Sie strich sich die dunklen Haare aus der Stirn und warf einen aufgebrachten Blick in die Runde. „Der Artikel im Tagespropheten war verlogen und falsch - zumindest jeder Teil, der Albus betraf. Warum hörst du mir nicht zu?“
 

Neville wollte erneut ansetzen, doch in diesem Moment öffnete Harry den Mund: „Ich denke, wir sollten Alice und Albus die Chance geben, alles zu erklären, bevor wir sie verurteilen. Neville, wir beide wissen doch bestens, das der Tagesprophete nicht immer ausschließlich die Wahrheit schreibt.“ Dann wandte er den Blick zu den beiden Schülern, die noch immer mit verschränkten Händen am Kamin standen. „Es ist also wahr, dass du schwanger bist, Alice?“, fragte er dann und seine Stimme war ruhig.
 

Alice schluckte schwer. Bis jetzt hatte nur ihr Vater die gesamte Geschichte gehört - auch wenn er ihr offensichtlich kein Wort glaubte - und sie wollte nicht sehen, wie ihre Mutter, Ginny oder Harry auf die Wahrheit reagierten.
 

„Ich war schwanger, ja“, sagte sie leise und sah wie ihre Mutter die Hände vor den Mund hob. Ginnys braune Augen sahen sie durchdringlich an. „Ich war … ich meine, der Artikel war nicht vollkommen falsch … ich -“ Sie unterbrach sich selbst und wendete den Kopf, um ihr Gesicht in Albus‘ Brust zu verbergen.
 

Als wäre es das Natürlichste auf der Welt, führte Albus Alice‘ gestammelte Worte weiter: „Die Fakten des Artikels stimmen größtenteils, mal davon abgesehen, dass ich nicht ganz so fürchterlich bin, wie ich dargestellt werde.“ Neville hob an dieser Stelle eine Augenbraue, doch die Erwachsenen ließen ihn fortfahren. „Alice hat in der ersten Schulwoche herausgefunden, dass sie schwanger ist. Dann - ähm - wir haben uns gestritten, weil sie eine Beziehungspause wollte, was ich nicht nachvollziehen konnte. Sie hat mir nicht gesagt, dass sie schwanger ist und alles war ein großes Missverständnis und wir waren beide stur und unnachgiebig und ja, dann haben wir Schluss gemacht.“ Albus atmete hörbar ein und aus. „Wir haben eine ganze Weile nicht miteinander gesprochen, ich bin ihr aus dem Weg gegangen und habe ihr keine Chance gegeben - ich weiß natürlich, dass das meine Schuld ist. Aber ich war verletzt und fassungslos und … nun ja, ich wollte einfach Abstand. Ich erfuhr erst von dem Baby, als es fast zu spät war. Dominique hat mir gesagt, dass Alice einen Termin bei der Heilerin im Dorf hat, Mrs. Cooper, und das sie … das sie die Schwangerschaft abbrechen will.“
 

An dieser Stelle folgte ein kurzes Schweigen und Albus fuhr sich über die Augen, um jeglichen Anschein von Tränen aus seinem Gesicht zu wischen. Alice atmete unregelmäßig in seinen Schulpullover und Albus war sich sicher, dass sie leise weinte.
 

„Ich bin so schnell wie möglich ins Dorf gelaufen und kam gerade rechtzeitig. Alice hatte noch nichts … gemacht … und wir haben geredet, anständig geredet. Und wir kamen zu der Meinung, dass es das Beste für uns sei, das Kind … nicht zu bekommen.“
 

Hannah hatte sich auf einen der Stühle sinken lassen und den Kopf in den Händen vergraben, während Ginny sich an Harrys Hand klammerte. Ihre Augen waren glasig. Nur Neville schien noch immer unwillig, die nun schon zweifach gehörte Geschichte zu akzeptieren.
 

„Wieso habt ihr das getan?“, fragte Hannah schließlich mit belegter Stimme.
 

Albus war bereit, ihr zu antworten, doch Alice kam ihm zuvor. Sie nuschelte etwas schwer verständlich in Albus‘ Schulter: „Mum, schau uns doch an! Albus und ich, wir sind naiv und jung und dumm. Wir sind noch lange nicht bereit, Eltern zu werden. Wir haben es ja nicht einmal geschafft, ordentlich über unsere Beziehung zu reden. Noch dazu sind wir beide kaum im Stande, regelmäßig den Unterricht zu besuchen. Was hätten wir denn mit einem Kind gemacht? Was für eine Zukunft hätte das Baby mit uns als Eltern?“
 

„Aber Alice, ihr wärt doch nicht allein gewesen. Ich verstehe dich nicht!“
 

Alice lachte bitter und hob endlich ihren Kopf. Ihr Gesicht war feucht von Tränen. „Ach, das wäre die Lösung gewesen? Albus und ich, wir hätten unser Kind an euch abgeschoben, wären ab und zu vorbeigekommen und hätten ein bisschen Vater, Mutter, Kind gespielt? Mum, kannst du nicht verstehen, dass wir genau das nicht wollten. Das wäre eine furchtbare Situation für uns alle, auch für das Baby. Wir wären die schlimmsten Eltern aller Zeiten gewesen und wer weiß was aus dem Kind geworden wäre, wenn man es wirklich in unsere Hände gelegt und unserer Verantwortung überlassen hätte?“
 

Hannah schaute ihrer Tochter verständnislos in die Augen. „Alice, es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Adoption, zum Beispiel.“
 

Doch Alice schüttelte nur hilflos den Kopf. „Hättest du dein Kind weggeben können, nachdem du es neun Monate in dir getragen hast? Nachdem du es unter Schmerzen geboren hast? Hättest du das gekonnt?“ Frische Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wangen und tropften von ihrem Kinn auf ihr dunkles Oberteil.
 

„Es wäre besser gewesen, leichter gewesen, als dieses unschuldige Wesen umzubringen!“ Und vielleicht meinte sie es nicht so, doch Hannahs Stimme klang vorwurfsvoll, anklagend.
 

Ein ersticktes Schluchzen fiel von Alice‘ Lippen und ihre Knie zitterten so sehr, dass Albus Sorgen hatte, sie würde fallen. Er zog sie in seine Arme und streichelte ihr beruhigend über den Rücken, während er seine eigene Trauer unterdrückte. Er konzentrierte sich stattdessen auf die Wut, die sich in seinem Magen ausbreitete. Wieso konnte niemand verstehen, aus welchen Gründen Alice und er diese Entscheidung getroffen hatten? Warum hatte niemand auch nur einen Funken Verständnis?
 

„Glaubt ihr vielleicht, dass es uns leicht gefallen ist, so zu handeln?“, brach es schließlich aus ihm hervor, seine Stimme laut und ärgerlich. „Denkt ihr, dass wir einfach den einfachsten Ausweg gewählt haben? Das wir dabei nicht gefühlt haben? Verdammt, ihr habe doch keine Ahnung! Könnt ihr euch auch nur annähernd vorstellen, wir schwer dieser Schritt war? Wie sehr es unsere Herzen gebrochen hat unser eigenes Kind zu töten und dann so zu tun, als hätte es niemals existiert? Glaubt ihr vielleicht, wir haben diese ganze Sache mit einem Schulterzucken hingenommen und unsere Leben einfach weitergelebt, keinen Gedanken mehr daran verschwendet? Haltet ihr uns für so herzlos und kalt? Ich kann nur sagen, wenn ihr so denkt, dann liegt ihr verdammt nochmal falsch! Weder Alice, noch ich werden dieses Baby jemals vergessen. Wir werden diese Schuld für den Rest unseres Lebens mit uns tragen. Und es wird immer diesen Teil von uns geben, den wir, egal wie sehr wir es vielleicht auch wollen, niemals zurückbekommen. Ich meine, verdammt, das war unser Kind!“ Und wenn Albus‘ Stimme in diesem Augenblich brach, dann musste davon niemand außerhalb dieses Büros erfahren. „Und so sehr wir uns auch für diese Entscheidung verachten und so sehr es auch wehtut, wir wissen, dass es die richtige war. Und ja, vielleicht denkt ihr anders, vielleicht denkt jeder anders, aber Alice und ich haben getan, was wir als das Beste für alle Beteiligten betrachtet haben. Und in diesem Fall waren die Beteiligten nur Alice, das Baby und ich - niemand sonst, keine helfenden Familienmitglieder oder beistehende Freunde. Es ging um uns. Und es mag vielleicht egoistisch klingen, aber auch Alice und ich haben ein Recht darauf, unsere Leben weiterzuleben. Ich meine, scheiße ja, wir haben es ziemlich verkackt - komplett versagt, wirklich - aber wir haben das Recht auf eine zweite Chance. Unsere Zukunft sollte nicht von einem Fehler definiert sein, den wir in unserer Jugend begangen haben. Und so schmerzhaft es auch ist, es so zu benennen - dieses Kind war ein Fehler, wäre ein Fehler gewesen. Alice und ich, wir können noch einmal von vorne beginnen, und wer weiß, vielleicht heiraten wir irgendwann und bekommen andere Kinder, geplante Kinder, denen wir alles geben können, alles bieten können, für die wir Zeit und Geduld und Kraft haben. Und Liebe, unendlich viel Liebe. Und ja, wir hätten auch dieses Kind geliebt, aber ansonsten haben wir nicht, absolut nichts zu bieten … und auch wenn es ein schöner Gedanke ist, ein Kind kann nicht von Luft und Liebe leben! Ihr müsst nicht verstehen, aus welchen Gründen wir gehandelt haben, aber diese Entscheidung lag bei uns und wir haben sie so getroffen, wie wir es als bestes empfunden haben.“
 

Bleierne Stille legte sich über das kreisrunde Büro und der Himmel vor den Fenstern wurde dunkler und dunkler und Schnee begann zu fallen und Alice hatte ihre Hand so fest um Albus‘ Hand geschlossen, dass ihre Knöchel weiß wurden.
 

Es war Ginny, die schließlich langsam nickte. Sie schaute Albus und Alice eindringlich an und ihr Blick wurde sanft und verständnisvoll und Albus fiel ein Stein vom Herzen als sie auf ihn zukam und ihn in die Arme nahm.
 

„Mum, hasst du mich jetzt?“, erklang Alice wackelige Stimme neben Albus und nur Sekunden später eilte Hannah auf ihre Tochter zu.
 

„Natürlich nicht, Liebling. Ich würde dich niemals hassen, nie-nie-mals. Ich liebe dich so sehr.“
 

„Ich liebe dich auch“, flüstere Alice gebrochen und schniefte einige Male.
 

Und natürlich war das erst der Anfang, es gab noch viel zu besprechen und Strafpredigten warteten darauf, gehalten zu werden, aber in diesem Moment waren Alice und Albus einfach nur erleichtert, dass ihre Eltern zumindest nachvollziehen konnten, warum sie diesen Schritt gegangen waren. Es war noch nicht alles in Ordnung, noch lange nicht, aber immerhin ging es bergauf.

___
 

Dominique hatte sich nach der letzten Stunde des Tages von Rose getrennt um sich zurück in den Ravenclawturm zu begeben. Sie wollte für den nächsten VGDDK-Test lernen und vielleicht ein Buch lesen, bis es Zeit fürs Abendessen war. Sie hatte Albus seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen und Alice noch gar nicht und sie wusste nicht, ob sie sich Sorgen machen sollte. Ihr waren einige Gerüchte zu Ohren gekommen, das Tante Ginny und Onkel Harry in der Großen Halle aufgeschlagen waren und Dominique war sicher, dass sich alles klären würde, und das ihre Freundin und ihrem Cousin dann endlich eine Chance gegeben wurde, alles geschehene zu verarbeiten.
 

Sie war in ihren Gedanken versunken und ging im Geiste die Punkte durch, die Professor Angelini am nächsten Montag abfragen würde, als sich eine Hand um ihren Unterarm schloss und sie in eine dunkle Nische gezerrt wurde. Dominique wollte schreien, aus Schreck und Angst, doch eine Hand legte sich blitzschnell über ihren Mund und sie fiel atemlos mit ihrem Rücken voran gegen einen männlichen Oberkörper.
 

Wahrscheinlich hätte sie gestrampelt und um sich getreten, ihren Angreifer gebissen und gekratzt, wenn ihr in diesem Augenblick nicht der allzu vertraute Geruch Freds in die Nase gestiegen wäre. Sie ließ sich gegen seine Brust zurücksinken und wartete darauf, dass er seine Hände lösen und sie freilassen würde - was er Sekunden später tat.
 

Dominique wirbelte um ihre eigene Achse, die Stirn verärgert gerunzelt und mit gefährlich blitzenden Augen. „Sag mal hast du sie noch alle?“, rief sie fassungslos und ihr Herz schlug noch immer rasend schnell in ihrer Brust.
 

Fred hielt sich einen Finger vor die Lippen und natürlich, sie musste sich ruhig verhalten. Es wäre wirklich viel Erklärungsarbeit notwendig, wenn jemand sie in diesem Moment erwischen würde - in einer abgelegenen, dunklen Nische. Auch wenn sie Cousin und Cousine waren, Fred war hauptsächlich ihr Lehrer und diese Situation wirkte alles andere als unschuldig.
 

„Wenn du mich wieder loswerden willst, dann musst du es nur sagen“, fauchte sie, anstatt weiterzuschreien. „Kein Grund mein Herz zum Stillstand zu bringen, also wirklich Frederick!“
 

Dominiques Augen gewöhnten sich langsam an die plötzliche Dunkelheit, weshalb sie den Gesichtsausdruck ihres Cousins wahrnehmen konnte - er wirkte empört und gleichzeitig überaus amüsiert. „Ich heiße nicht Frederick, wie du sehr wohl weißt!“, beschwerte er sich und verzog seinen Mund zu einem Schmollen. Dominique bekam das übermächtige Verlangen, ihn zu küssen bis sie keine Luft mehr bekam. „Und noch dazu will ich dich nicht loswerden. Du bleibst bei mir, für immer und ewig!“
 

Und ja, dieser Spruch war abgedroschen und klischeehaft und verdammt kitschig, aber Dominiques Wangen verfärbten sich dennoch rot und sie lächelte Fred strahlend an.
 

„Du bist bescheuert“, erklärte sie dann und bemühte sich, eine ernste Miene zu machen.
 

„Du liebst mich trotzdem“, war Freds einfache Erwiderung und bevor Dominique eine schlagfertige Antwort präsentieren konnte, zog er sie an sich und drückte seine Lippen auf ihre. Dominique war sich sicher, dass sie davon niemals genug bekommen würde - von Freds Küssen, von dem Gefühl seiner schmalen Lippen auf ihren und von den Schmetterlingen, die ihren Bauch zu infiltrieren schienen. Sie seufzte leise und schlang ihre Arme um Freds Hals, vergrub ihre Finger in seinen Haaren und ließ sich von dem angenehmen Gefühl treiben, welches sie ergriff.
 

„Das stimmt wohl. Auch wenn ich nicht weiß, warum“, sagte sie schließlich, atemlos, nachdem sie sich voneinander gelöst hatten. Ihre Hände fuhren noch immer durch Freds dunkles Haar.
 

Fred streckte die Zunge raus, und wirklich, eine solch kindische Geste sollte keine Wirkung auf Dominique haben. Doch sie konnte nicht anders, als kurze Küsse auf seine Wangen und seine Mundwinkel zu drücken.
 

„Es gibt viele gute Gründe mich zu lieben“, erklärte Fred dann überzeugt.
 

„Hauptsächlich Mitleid.“
 

Fred schnaubte gespielt verärgert. „Na hast du heute gute Laune“, meinte er sarkastisch.
 

„Ist eben noch besser geworden, du wirst es kaum glauben.“
 

„Du hast dich ziemlich verändert, weißt du das? Seit damals. Du warst immer so … zurückhaltend und freundlich und du hättest niemals so geredet wie in diesem Moment.“ Fred überlegte kurz. „Ich glaube ich habe dich damals mehr geliebt.“
 

Und für einen kurzen Augenblick wurde Dominiques Herz schwer. Fred lachte leise und charmant. „Das war ein Spaß, Dome, keine Sorge. Ich mag diese neue Seite an dir - frech und vorlaut. Du bist die perfekte Frau für mich.“
 

Dominique rümpfte die Nase. „Du bist ein gefühlsdusseliger Spinner!“, gab sie prompt zurück.
 

„Danke!“
 

„Das war kein Kompliment.“
 

„Sei endlich still und küss mich!“
 

Sie kicherte und lehnte sich vor, um Freds Wunsch nachzukommen, spürte schon seinen warmen Atem auf ihren Lippen, als das Getrappel von Füßen sie zusammenzucken ließ.
 

Und wie ein Faustschlag ins Gesicht wurde ihr plötzlich klar, wo sie sich befanden und welches Risiko sie eingegangen waren, sich hier so öffentlich, schlecht versteckt herumzutreiben. Wie hatten sie so einfältig handeln können? Dominique wollte sich selbst ohrfeigen. Jeder hätte sie hier erwischen können, küssend und Liebeserklärungen austauschend, und wie hätten sie sich da jemals herausgeredet?
 

Sie trat hastig von Fred zurück, löste ihre Arme von ihm, brachte einen sicheren Abstand zwischen ihre Körper und zog hektisch an ihrer Uniform, um jede noch so kleine Unregelmäßigkeit auszubessern. Mit einer Hand fuhr sie sich über die Lippen, als könnte jemand auf ihnen lesen, dass Fred sie geküsst hatte.
 

Die Schritte verstummten im Hintergrund und sie waren wieder ganz und gar allein, doch die heiterte Stimmung war wie weggeblasen. Fred biss besorgt auf seiner Unterlippe herum, während Dominique mit ihren Fingern spielte. Sie konnte seinen Augen nicht begegnen und auf einmal kam ihr alles so kompliziert und unfair vor.
 

Sie wollte da draußen sein, mit Fred, wollte seine Hand halten und durch die Gänge laufen und mit ihm lachen und ihn küssen, ohne sich verstecken zu müssen.
 

„Das war knapp.“ Fred brach das Schweigen und seine Stimme klang heiser.
 

Dominique nickte zustimmend. „Also kein Rumtreiben mehr in den Korridoren“, beschloss sie dann leise. „Wenn wir uns sehen, dann in deinen Räumlichkeiten. Ansonsten keine Blicke, keine Berührungen, keine Wortwechsel. Am besten wir gehen uns einfach aus dem Weg?“ Sie formulierte ihren Vorschlag wie eine Frage.
 

Diesmal war es an Fred zu nicken. „Ja, das wäre wohl das Beste.“
 

Dominique seufzte leise und trat ein paar weitere Schritte zurück. „Wir sehen uns“, sagte sie zum Abschied, drehte sich um und lief zum Ravenclawturm, so, wie sie es vor Freds unerwarteter Attacke geplant hatte. Nur nach lernen war ihr jetzt nicht mehr zumute. Sie konnte nicht verstehen, wie irgendjemand Gefallen an heimlichen, verbotenen Beziehungen finden konnte - sie fand es fürchterlich deprimierend, ihre Liebe nicht offen zeigen zu dürfen.

___
 

Das Gespräch in Nevilles Büro fand, zu Albus‘ Überraschung, ein ziemlich schnelles Ende. Nachdem Alice und er ihre Gründe für die Abtreibung vorgetragen hatten schien die drückende Stimmung sich ein wenig zu lockern - nicht, dass es dadurch eine schöne Situation geworden wäre. Der ganze Anlass war schlicht und ergreifend kompliziert und Albus hatte von Anfang an gewusst, dass an diesem Tag niemand mit einem fröhlichen Lachen auf den Lippen den Raum verlassen würde.
 

Albus war froh, dass seine Eltern ihn verstanden. Ginnys Blick lastete nicht mehr enttäuscht auf ihm und Harry schenkt ihm den einen oder anderen aufmunternden Blick und es hätte alles viel schlimmer kommen können. Seine Mutter hätte komplett ausrasten können, sein Vater hätte ihn enterben können und Albus hätte beide Reaktionen verstanden.
 

Letztendlich waren Alice und er schuld daran, dass es so gekommen war. Es hätte in erster Linie niemals zur Zeugung des Babys hätte kommen sollen, wie es ihnen die Eltern eindrücklich erklärten.
 

Albus wäre am liebsten im Boden versunken, als Neville und Harry mit ihm über sicheren Sex sprachen, wobei Neville ähnlich entsetzt und peinlich berührt schaute, wie Albus selbst. Harry hingegen schien es mit Humor zu nehmen. Albus warf hin und wieder Blicke zu Alice, die mit Ginny und Hannah in einer anderen Ecke des Zimmers stand und ein ähnliches Gespräch über sich ergehen lassen musste. Ihre Wangen waren knallrot und Albus würde über ihren verschreckten Blick lachen, wenn er sich nicht ähnlich fühlen würde.
 

Es war nicht gelogen, wenn er sagte, dass er vorerst gut auf Sex verzichten konnte. Er könnte nicht einmal seine Hose öffnen ohne Nevilles und Harrys Gesichter vor seinem geistigen Auge zu sehen. Das war es wahrscheinlich sowieso, worauf die beiden Männer es abzielten. Dieses Aufklärungsgespräch war die Strafe für Alice‘ und seinen Fehler. Sie hatten immerhin bewiesen, dass sie beide beim ersten Gespräch dieser Art nicht ausreichend aufmerksam gewesen sind.
 

Es wurde noch über die anderen, im Artikel benannten Punkte gesprochen - wie zum Beispiel der Streit vor dem Laden, welcher gar keiner gewesen war, sondern viel mehr ein Nervenzusammenbruch. Hannah sah aus als wollte sie ihre Tochter nie wieder loslassen, als sie davon erfuhr. In ihren Augen hatten erneut die Tränen geschimmert.
 

Kurz nach fünf Uhr durften die beiden Schüler schließlich gehen. Harry, Ginny und Hannah waren nach einem übertrieben tränenreichen Abschied durch den Kamin nach Hause gefloht und Neville warf seinen beiden Schützlingen einen letzten, strengen aber auch vergebenden Blick zu, bevor er sie aus dem Büro scheuchte.
 

Albus nahm Alice Hand und zog sie die Wendeltreppe hinunter und in den nächsten Raum, dessen Tür nicht verschlossen war.
 

„Also“, begann er und ließ sich gegen einen der Tisch in der ersten Reihe sinken. Sein Körper entspannt sich das erste Mal seit Stunden und er war froh, den prüfenden Blicken endlich entkommen zu sein.
 

„Ja“, sagte Alice mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen und setzte sich auf das Lehrerpult.
 

„Ich hoffe wir müssen nie wieder so ein Gespräch über uns ergehen lassen.“
 

Alice kicherte. „Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder Sex haben werde“, gestand sie mit ernsten Augen.
 

Albus verzog den Mund zu einem Schmollen. „Sag so was nicht! Als könntest du meinem Adonis-Körper lange widerstehen.“
 

Und diese Worte hätten nicht so schwer in der Luft liegen sollen, wie sie es jetzt taten. Eigentlich sollte Alice lachen und Albus dann an sich ziehen und ihn küssen, bis sie beide nach Luft schnappen würden. Albus sollte sie gespielt arrogant anschauen und dann, nach einem weiteren, weniger hitzigen Kuss leise, verliebte Worte in ihre Haare murmeln.
 

Aber irgendwie war es plötzlich nicht mehr so simpel, wie es noch vor einigen Monaten gewesen wäre. Ja, Albus liebte sie und verdammt, sie liebte Albus, doch es schienen noch immer Welten zwischen ihnen zu liegen.
 

„Was … wie … Was machen wir jetzt? Wie geht es weiter … mit uns?“, fragte Alice zögerlich und schwang ihre Beine hin und her. Sie sah Albus nicht wirklich an.
 

„Ich mache mit Stella Schluss und dann … dann können wir es noch einmal miteinander versuchen … ich meine, wenn du das willst?“
 

Vielleicht hätte es ihm nicht so leicht fallen sollen, so über das Ende seiner Beziehung mit Stella zu sprechen. Doch andererseits hatte Albus vom ersten Moment an gewusst, dass, wenn Alice ihn wieder haben wollen würde, er nicht den Bruchteil einer Sekunde zögern und jedes andere Mädchen ohne zu Blinzeln stehenlassen würde. Vielleicht hatte es immer zu diesem Punkt geführt, vielleicht waren sie immer auf diesen Moment zugesteuert - denn letztendlich gab es doch schon seit Tag eins immer nur Alice für ihn. Albus und Alice, Alice und Albus, es war das Natürlichste auf der Welt. Er kannte es nicht anders. Vielleicht war es immer so geplant gewesen.
 

„Ja, natürlich. Natürlich will ich das, Al“, erklärte Alice ihm ohne nachzudenken.
 

Ein breites Lächeln legte sich auf Albus‘ Lippen und Alice sah nicht weniger zufrieden aus.
 

„Dann wäre das ja geklärt.“
 

„Ja“, stimmte Alice etwas atemlos zu.
 

„Ich würde dich jetzt so gerne küssen. Aber … es wäre nicht richtig.“ Albus sah seiner zukünftigen Freundin lange in die Augen und las Verständnis in ihnen. „Diesmal machen wir es richtig, ja? Ich werde dich nicht küssen, solange ich noch eine Freundin habe. Das wäre der falsche Start. Diesmal, diesmal muss es funktionieren. Ich kann dich nicht noch einmal verlieren, Alice. Ich liebe dich so sehr und ich will jeden Tag mit dir verbringen, bis zum Ende meines Lebens. Das meine ich ernst.“
 

Alice hüpfte sanft von ihrem Platz auf dem Tisch und trat auf Albus zu. In ihrem Blick lag so viel Liebe und Zuversicht, dass Albus das Gefühl hatte, sein Atem würde stoppen. Sie legte eine schmale Hand auf seine Wange und Albus lehnte sich in die Berührung. „Ich liebe dich“, sagte sie aufrichtig und nach all seinen Worten klang es nach viel zu wenig, aber es war alles, was er hören wollte und sein Lächeln hätte nicht mehr strahlen können. „Ich liebe dich“, wiederholte Alice, leiser, und küsste ihn dann auf die Wange, nahe seinem Mundwinkel. Aber sie berührte seine Lippen nicht. „Ich kann unseren Neuanfang kaum erwarten.“
 

Mit einem letzten, erwartungsvollen Blick in seine Richtung drehte sie sich dann um und verließ den Raum. Albus sank weiter gegen den Tisch in seinem Rücken zurück und schloss die Augen. Ja, auch er konnte es kaum erwarten, Alice wieder für sich zu haben, mit ihr durch die Gänge zu streifen und ihre Hand zu halten. Er freute sich auf jeden Kuss, jede Berührung, jedes Wort, dass er mit ihr teilen konnte. Doch vorher musste er noch etwas abschließen.
 

Ja, diesmal würden sie es richtig machen. Und diesmal würde es halten.

___
 

Rose tastete noch einmal die Taschen ihres Wintermantels nach ihrer Zigarettenschachtel ab und stellte schließlich fest, dass sie sie tatsächlich in ihrem Schlafsaal vergessen haben musst. Sie seufzte verärgert. Das war wirklich typisch.
 

Es war sowieso eine bescheuerte Idee gewesen, das Schloss zu verlassen. Wieso hatte sie eigentlich gedacht, es wäre schön vor dem Abendessen noch einen Spaziergang über die Ländereien zu machen? Wirklich, manchmal konnte Rose sich selbst nicht verstehen.
 

Sie vergrub die Hände tief in den Taschen, um sie vor der Kälte zu schützen, und überlegte einen Augenblick einfach umzudrehen und einen Sessel vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum zu beanspruchen. Andererseits war sie jetzt schon hier und bis zum Abendessen dauerte es nicht mehr lange, also konnte sie die halbe Stunde genauso gut an der frischen Luft verbringen.
 

Eine Zigarette wäre nur wirklich schön gewesen, dachte sie schmollend als sie sich ihren Weg durch den Schnee bahnte. Sie hatte kein Ziel, wollte einfach nur ein bisschen umherwandern und den fallenden Schnee genießen.
 

Rose mochte den Winter und sie liebte Weihnachten und sie konnte es kaum erwarten, in den Fuchsbau zurückzukehren und mit der ganzen Familie zu feiern. Vielleicht war sie nicht immer das aufgeschlossene, fleißige Mädchen, das sie ihren Verwandten vorspielte, aber ihre gute Laune zu Weihnachten musste sie noch nie vortäuschen.
 

In der Ferne konnte sie einen bekannten Schopf blonder Haare ausmachen, oder war das der Schnee, der ihr einen Streich spielte? Nachdenklich lief sie auf die Person zu, die am Seeufer stand und sobald sie das orange glimmen einer brennenden Zigarette erkennen konnte, zweifelte sie nicht mehr daran, dass es tatsächlich Scorpius Malfoy war.
 

„Krieg ich eine?“, fragte Rose ohne Einleitung, als sie neben dem Slytherin ankam. Er wandte ihr langsam den Kopf zu und stieß eine Wolke Rauch aus. Dann hob er eine fragende Augenbraue.
 

„Eine Zigarette, Malfoy“, erklärte Rose ihre vorherige Frage und hielt dann erwartungsvoll die Hand auf.
 

„Und was bekomme ich dafür?“, fragte Scorpius und nahm einen neuen Zug. Rose sah etwas sehnsüchtig auf das Ende seiner Zigarette, bevor sie den Blick hob. Scorpius grinste sie süffisant an. Sie schnaubte.
 

„Wirklich, Malfoy? Ich habe dir genug sexuelle Gefallen getan. Du müsstest mir eine ganze Badewanne mit Zigaretten füllen, um dafür zu bezahlen“, sagte sie ungeduldig und griff dann in die Taschen seines Mantels, um die Schachtel seiner Zigaretten zu finden.
 

Scorpius öffnete den Mund und es wirkte, als würde er sich im letzten Moment auf die Lippen beißen, um nichts zu sagen. Wahrscheinlich wäre es eine sexuelle Anspielung gewesen, vor allem wenn man bedachte, dass Roses Hände in diesem Moment suchend seinen Körper abfuhren. Er entschied sich um.
 

„Weißt du, Rose, seit du mir von Phill erzählt hast, fühle ich mich immer unbehaglich, wenn ich an dich denke, und daran, was ich alles mit dir gemacht habe.“
 

Rose schluckte schwer und sah dann in Scorpius‘ graue Augen, die aussahen, wie der Himmel in eben jenem Moment. „Dafür gibt es keinen Grund. Du kannst ja nichts für das, was damals passiert ist“, sagte sie dann leise und ihre Hände ließen von Scorpius‘ Körper ab.
 

Scorpius zuckte etwas unschlüssig mit den Schultern. „Ich denke trotzdem, dass ich dich irgendwie benutzt habe. Was ja auch irgendwie der Wahrheit entspricht. Ich dachte immer, dass du es aus den gleichen Gründen machst, wie ich - weil du Lust und Spaß daran hast.“ Er steckte eine Hand in die Innenseite seines Mantels und holte eine Schachtel hervor, die er Rose in die Hand drückte. „Aber jetzt, jetzt ist irgendwie alles anders. Ich habe das Gefühl, deine Verletzlichkeit ausgenutzt zu haben, deine Unsicherheit. Was weiß ich, ich beschäftige mich nicht oft mit meinen Gefühlen. Es fühlt sich nur komisch an.“
 

Seine Worte veranlassten Rose dazu, den Blick zu senken. Sie nahm sich eine Zigarette und entzündete sie mit ihrem Zauberstab. Nach einem tiefen Zug erwiderte sie: „Ich wollte nie, dass du dich so fühlst. Du kannst mir glauben, ich habe genossen, was wir miteinander getrieben haben. Du bist vielleicht ein unausstehliches Arschloch, aber du hast dich immer gut um mich gekümmert, dich immer um mich bemüht, wenn wir zusammen waren. Im Gegensatz zu einem Großteil der anderen Typen hast du immer darauf geachtet, dass ich auch meinen Spaß habe. Ich hatte immer eine genau so gute Zeit wie du, also gibt es wirklich keinen Grund für dich, ein schlechtes Gewissen zu haben.“
 

Es blieb für eine Weile still und Rose rauchte ihre Zigarette zu Ende. Malfoy nahm ihr die Schachtel aus den Händen und entzündete sich selbst und auch ihr ungefragt eine weitere. Sie nahm sie ihm dankend ab.
 

„Du denkst also über mich nach, ja? Und über die bösen Sachen, die wir miteinander gemacht haben?“, fragte sie dann selbstgefällig und konnte das Grinsen nicht aus ihrem Gesicht verbannen. Sie hörte Scorpius schnauben. „Oh komm schon, Malfoy, du kannst es ruhig zugeben. Denkst du an mich wenn du abends ganz allein in deinem Bett liegst, ja?“
 

Als sie in Scorpius‘ Gesicht sah, wirkte er verstimmt. Rose wartet auf einen schlagfertigen Spruch, aber es kam keiner, was sie als seltsam empfand. Scorpius hatte immer eine dumme Erwiderung auf den Lippen.
 

„Das muss dir nicht peinlich sein, Malfoy. Ich bin nun mal nur schwer zu vergessen. Mein Körper ist ein verdammter Traum. Und jetzt, wo ich mich tugendhaft bis zu meiner Hochzeit aufspare, muss ich ihn vielen, vielen jungen Männern vorenthalten. Es ist wirklich nicht leicht“, erklärte sie gespielt ernst und seufzte zur Verdeutlichung hin und wieder schwer.
 

Endlich reagierte Scorpius. Er schmiss seine aufgerauchte Zigarette in den Schnee und sah sie dann augenrollend an. „Du willst bis zu deiner Hochzeit mit niemandem schlafen? Das schaffst du doch nie im Leben.“
 

Rose grinste schief. „Ja, wahrscheinlich hast du Recht.“ Sie inhalierte erneut das Nikotin. „Aber ich warte zumindest, bis ich jemanden finde, der mehr in mir sieht, als nur einen One-Night-Stand. Vielleicht finde ich endlich mal einen richtigen Freund, der mich schätzt und … naja, in meiner Altersklasse ist“, fügte sie dann überlegend hinzu.
 

Sie ließ ihre Zigarette in den Schnee fallen und ging dann ein paar Schritte mehr auf den See zu.
 

„Ich würde ja irgendetwas Mitfühlendes sagen, aber du kennst mich, das ist nicht mein Ding.“
 

Rose verdrehte die Augen, so wie er kurz zuvor. „Ich will kein Mitleid, wirklich Malfoy, du kennst mich offensichtlich überhaupt nicht.“
 

Scorpius trat neben sie und legte ihr einen Arm um die Schulter. Rose wollte vor der Berührung zurückweichen, aber eigentlich störte sie sich nicht daran. Sie lächelte leicht.
 

„Wenn du irgendwann Sehnsucht nach gutem Sex hast, dann kannst du dich immer an mich wenden. Ich meine, du weißt, bevor du deinen Prinz Charming oder wen auch immer findest.“ Er zwinkerte ihr zu und zog sie dann mit sich zurück in Richtung Schloss.
 

„Danke für das großzügige Angebot, Malfoy“, erklärte Rose sarkastisch, aber sie musste trotzdem lachen. „Merlin, weißt du wie viel Zeit wir heute schon miteinander verbracht haben? Ich denke, ich gewöhne mich langsam an dich und deinen unausstehlichen Charakter und ich weiß nicht, ob das etwas Gutes ist.“
 

Auch Scorpius lachte leise vor sich hin und den Rest des Weges verbrachten sie damit, über die anstehenden Weihnachtsferien zu sprechen. Scorpius würde über die Feiertage, wie schon im Jahr davor, bei den Potters wohnen. Seine eigenen Eltern verbrachten die Weihnachtstage mit Scorpius‘ Großeltern väterlicherseits, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte und sich prinzipiell weigerte, zu besuchen, und natürlich hatte Albus, großherzig wie er war, sofort gehandelt und Scorpius zu einem Weihnachtsfest im Fuchsbau eingeladen. Rose stellte überrascht fest, dass es sie diese Tatsache weit weniger störte, als noch im Jahr zuvor.
 

Und erst, als sie in diesem Abend in ihrem Himmelbett lag, mit geschlossenen Vorhängen und der festen Absicht zu schlafen, fiel ihr auf, dass Scorpius erst in der Großen Halle seinen Arm von seiner Position um ihre Schulter entfernt hatte, als sie auf ihre jeweiligen Haustische zusteuerten. Rose konnte sich nicht erklären, warum sie ihn nicht schon viel eher abgeschüttelt hatte und auch wusste sie nicht, warum sie in überhaupt mehr als einen Gedanken an Scorpius Malfoy verschwendete.

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Als Albus an diesem Abend aus der Bibliothek zurückkehrte, war er einfach nur ausgelaugt. Er hatte seinen Verwandlungsaufsatz zu Ende geschrieben und dabei schwer versucht die Blicke zu ignorieren, die auf ihm lasteten. Der Artikel würde noch Wochen für Gesprächsstoff sorgen, davon war Albus überzeugt. Die Aussicht verdüsterte seine gute Laune.
 

Im Gemeinschaftsraum kam Stella auf ihn zugelaufen und drückte ihm zur Begrüßung einen sanften Kuss auf die Lippen.
 

„Können wir reden?“, fragte sie dann leise und ohne eine Antwort abzuwarten zog sie ihn in eine dunkle Ecke des Raumes, weit entfernt vom Feuer und den anderen Schülern, die munter vor sich hin erzählten oder an ihren Hausaufgaben arbeiteten.
 

Stella ließ sich in einen grünen Lehnsessel sinken und sah mit großen Augen zu ihm auf. „Es ist nur … der Artikel. Ich habe dich den ganzen Tag nicht mehr gesehen, aber ich denke wir sollten … ja, darüber reden.“
 

Albus seufzte leise. „Ich weiß nicht was du hören willst.“
 

„Die Wahrheit, offensichtlich“, gab Stella zurück.
 

„Um ehrlich zu sein, will ich nicht darüber reden. Das ist eine Sache zwischen mir und Alice und der Tagesprophete hat sich schon viel zu sehr in die ganze Angelegenheit reingehängt und wirklich, außer uns beiden geht das alles niemanden etwas an.“ Albus wollte seine Stimme nicht erheben, aber er hatte sich heute schon Stunden mit dem Artikel beschäftigt und außerdem konnte er schon wieder Blicke auf sich spüren. Er wollte nur noch ins Bett.
 

„Albus“, begann Stella dann und ihr Ton wurde kühler, „diese ganze Sache geht mich auch etwas an. Ich bin deine Freundin, ich habe ein Recht zu erfahren, was die Wahrheit ist.“
 

Albus stellte seine Schultasche ab und wandte sich von Stella ab, um der Gruppe Fünftklässlerinnen, die ihn beobachteten, einen wütenden Blick zuzuwerfen. Als er Stella wieder ansah, wirkte sie ungeduldig.
 

„Um ehrlich zu sein, ich denke darüber sollten wir reden.“ Und wirklich, er hatte nicht geplant, noch heute Abend mit ihr Schluss zu machen, aber diese Situation bot sich an und er sollte sie wirklich nicht noch länger an der Nase herumführen.
 

„Worüber?“, fragte sie unsicher nach.
 

„Darüber, das du meine Freundin bist.“ Albus atmete tief durch und schaute dann stur auf einen Punkt nahe Stellas Schulter. Und ja, vielleicht war er ein Feigling, weil er ihr nicht in die Augen schauen konnte, wenn er mit ihr Schluss machte - aber aus eben solchen Gründen war er kein Gryffindor geworden. „Es tut mir leid, Stella, aber ich denke nicht, dass das mit uns funktioniert.“
 

Stella holte hörbar Luft. „Was meinst du damit?“
 

Albus biss sich auf die Unterlippe und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Stella“, sagte er dann vorsichtig und sah ihr endlich in die Augen. „Du bist seit Ewigkeiten meine beste Freundin und ich schätze dich sehr und ich verbringe gerne meine Zeit mit dir, wirklich. Aber … aber mehr ist da nicht, ja? Ich liebe dich nicht. Und es fühlt sich nicht richtig an, diese Beziehung fortzusetzen und dir Gefühle vorzuspielen, die ich nicht empfinde. Ich dachte, dass ich mich vielleicht in dich verlieben kann, aber … um ehrlich zu sein, hat es für mich immer nur Alice gegeben. Und ich weiß, dass ich mich dir gegenüber nicht fair verhalten habe. Das tut mir aufrichtig leid.“
 

Stellas Gesicht hatte einen undeutbaren Ausdruck angenommen. Als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme verärgert und resigniert zugleich: „Ich hätte wissen müssen, dass ich gegen Longbottom niemals eine Chance habe. Sie ist das einzige Mädchen, das du jemals wahrnimmst. Es war dumm von mir zu glauben, dass du auch nur annähernd solche Gefühle für mich entwickeln könntest.“ Sie schloss für eine Sekunde die Augen und wischte sich mit der Hand eine einzelne Träne von der Wange. Dann lachte sie leise und ein bisschen erstickt. „Ich hoffe, dass ihr beiden das wieder hinbekommt. Auch wenn es weh tut. Aber letztendlich bist du auch mein bester Freund und … was soll ich sagen, ich wünsche dir nur das Beste. Und wenn das nun einmal Alice Longbottom ist, dann von mir aus.“
 

Albus nahm sie wortlos in die Arme und drückte sie fest an sich. Sein Herz zog sich kurz und schmerzhaft zusammen, denn Stella war wirklich eine gute Person. Er konnte sich glücklich schätzen, dass sie trotz allem noch seine Freundin sein wollte.
 

„Es tut mir wirklich leid, Stella“, murmelte er ihr ins Ohr und Stella klopfte ihm zur Erwiderung nur leicht auf die Schulter. Dann löste sie sich aus seinen Armen.
 

„Kannst du mir trotzdem noch einen Gefallen tun?“, fragte sie mit einem schwachen Lächeln.
 

Albus nickte, unsicher.
 

„Warte bis nach den Weihnachtsferien, bevor ihr eure Wiedervereinigung bekanntgebt. Damit ich nicht gar so dumm dastehe, als das Mädchen, dass versucht hat, Albus Potters neue Freundin zu sein, obwohl doch jeder wusste, dass er immer nur Augen für Alice Longbottom hatte.“
 

Albus grinste schief und entschuldigend. „Natürlich, Stella“, stimmte er ihrer Bitte ohne weiteres zu.
 

Das war das Mindeste, was er für sie tun konnte. Er war froh, dass sie es ihm so einfach machte, und wen störte es schon, ob er eine Woche mehr oder weniger Alice‘ Hand in der Öffentlichkeit halten konnte? Sie hatten die Weihnachtsferien, ganze zwei Wochen in denen sie tun und lassen konnten, was sie wollten. Und dann, dann würde er mit ihr zusammen nach Hogwarts zurückkehren und allen zeigen, dass sie gemeinsam stark waren und alles überwinden konnten, jedes Hindernis, dass man ihnen in den Weg stellte.
 

An diesem Abend ging Albus mit einem Lächeln ins Bett. Er spürte, dass es jetzt endlich wieder besser werden würde und er dachte, dass es auch verdammt noch einmal Zeit wurde, für ein bisschen Spaß und Freude in seinem Leben nach den letzten Wochen.

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tbc
 

Vielen lieben Dank fürs Lesen, für alle Favoriteneinträge und die Kommentare! :)

Kapitel Vierzehn.

Es besser machen.
 

Kapitel Vierzehn.
 

Rose zog ihren Wintermantel enger um sich und versteckte ihr Gesicht so tief wie möglich in ihrem Schal, um der eisigen Luft und den unendlich vielen Schneeflocken, die sie umgaben, bestmöglich auszuweichen. Sie warf einen letzten, langen Blick zurück auf Schloss Hogwarts, dass von Hogsmead aus in seiner vollen Pracht zu bewundern war, bevor sie sich stillschweigend verabschiedete und in den Hogwarts-Express stieg.
 

Sie freute sich auf Weihnachten, freute sich auf ihre Familie und den Abstand von all ihren Klassenkameraden, die sie Tag für Tag umgaben. Doch wie immer wenn sie in den Zug stieg um zurück nach London zu fahren konnte sie nicht leugnen, wie sehr ihr das Schloss fehlen würde.
 

Nach einigem Umschauen fand sie Dominique in einem der Abteile am Ende des Zuges. Adam saß bei ihr, ebenso wie eine ihrer Klassenkameradinnen aus Ravenclaw - Holly, wenn Rose sich nicht irrte.
 

„Hey“, grüßte sie aufgeschlossen, als sie sich auf den freien Platz am Fenster sinken ließ. Adam zerwuschelte ihr prompt die Haare, was Rose mit einem gezielten Schlag auf seinen rechten Arm quittierte.
 

„Hexe“, fluchte der Gryffindor, aber das fröhliche Grinsen wich nicht von seinen Lippen.
 

Dominique legte das Buch beiseite, in welchem sie zuvor aufmerksam geblättert hatte. „Wo warst du so lange?“, fragte sie. „Ich dachte schon, du hast dir ein anderes Abteil gesucht und lässt uns hängen.“
 

„Musste auf dem Weg noch ein Buch für Zauberkunst aus der Bibliothek holen, für den riesigen Aufsatz den Professor Landon erwartet.“ Rose verdrehte die Augen und ließ das Thema dann auf sich beruhen.
 

Das sie in der Bibliothek war, war nicht gelogen. Doch das war nicht der Grund, warum sie so spät gekommen war. Scorpius Malfoy war ihr unterwegs begegnet und die beiden waren, aus welchen unglaublichen Gründen auch immer, in einem Gespräch hängen geblieben, das erst unterbrochen wurde, als Albus über den gesamten Bahnsteig hinweg Scorpius‘ Namen gerufen hatte.
 

Rose konnte sich selbst nicht beantworten, was sich so plötzlich zwischen ihnen verändert hatte. Noch vor zwei Monaten hätte sie niemals ein Wort mehr als notwendig mit Scorpius gewechselt, und jetzt fiel es ihr so leicht, den Mund zu öffnen und mit ihm eine Diskussion über Quidditch zu beginnen oder ihm zu raten, was er Albus zu Weihnachten schenken sollte. Wenn sie es nicht besser wüsste würde sie fast denken, dass sie sich auf dem Weg befanden Freunde zu werden.
 

Wenn das nicht das lächerlichste war, das sie jemals gehört hatte - ein Malfoy und eine Weasley, Freunde. Doch andererseits, genauso unwahrscheinlich war es doch gewesen, dass zwischen einem Potter und einem Malfoy jemals eine Freundschaft entsteht - doch der beste Beweis, dass, nur weil etwas ungewöhnlich war, es trotzdem sein konnte, lag direkt vor ihren Augen. Scorpius und Albus waren seit ihren ersten Hogwartstagen die besten Freunde die man sich vorstellen konnte.
 

Leise seufzend ließ sich Rose in ihren Sitz zurücksinken. Sie schloss die Augen, aber spürte mehr als deutlich den Blick, der auf ihr lag. Dominique musterte sie mit diesem kritischen Ausdruck, den Rose schon allzu oft beobachtet hatte. Es fiel ihr leicht, ihre Cousine zu ignorieren.
 

Rose wusste nicht wie lange sie vor sich hingedöst hatte, als das Öffnen und Schließen der Abteiltür sie aufschreckte. Adam und Holly waren nicht mehr da.
 

„Die beiden hatten keine Lust auf den Süßigkeitenwagen zu warten und sind ihm schon mal entgegengelaufen“, erklärte Dominique, ohne das Rose nachfragen musste. Sie hatte schon wieder ein Buch in ihrem Schoß liegen und blickte kaum auf. „Aber umso besser. Dann kannst du mir jetzt erzählen, was dich beschäftigt und warum du diesen verträumten Gesichtsausdruck aufgelegt hast. Nimm’s mir nicht übel Rosie, aber es ist ein wenig verstörend dich so ruhig und zufrieden zu erleben.“
 

„Wie bitte? Ich habe keinen verträumten Ausdruck in meinem Gesicht!“, meinte Rose aufgebracht und war kurz davor in ihrer Tasche nach einem Handspiegel zu wühlen, um zu sehen, wie ihr Gesicht tatsächlich aussah.
 

Mit einem Schlag klappte Dominique ihr Buch zu, welches dem Titel nach eine Vertiefung in die Zaubereigeschichte bot - als müsste man da noch viel tiefer gehen. Rose war mehr als froh, dass diese einschläfernden Stunden hinter ihr lagen.
 

„Komm schon, Rose, du bist nicht so spät gekommen, weil du so lange in der Bibliothek gewesen bist. Das kannst du vielleicht allen anderen erzählen, aber mir sicherlich nicht. Du hast geschaut, als hättest du dich gerade von deinem Schwarm verabschiedet.“ Ein durchtriebenes Lächeln zog sich über Dominiques Lippen und es wirkte vollkommen fehl. Dominique war alles, aber nicht durchtrieben und listig. „Also, wer ist der Glückliche?“
 

Roses Augen weiteten sich ungläubig und erschrocken zugleich. „Es gibt keinen Glücklichen, okay? Ich habe keinen Schwarm und … ugh, du verwirrst mich.“
 

Dominique schaute sie unschuldig an. „Ich beschreibe nur, was ich gesehen habe. Und du sahst aus als hättest du gerade deinen ersten Kuss bekommen.“ Sie zuckte mit den Schultern und mit einem letzten Lächeln vergrub sie den Kopf wieder in ihrem Geschichtsbuch.
 

Sprachlos starrte Rose aus dem Fenster und betrachtete die vorbeifliegende Landschaft.
 

Dominique musste einige Wahrnehmungsstörungen haben. Rose war nicht verknallt, in niemanden, und sowieso hatte sie bloß mit Scorpius gesprochen. Scorpius. Das hörte sich ja gerade so an, als wäre sie in Malfoy verliebt. So ein Schwachsinn. Wie kam Dominique nur darauf, dass sie überhaupt irgendeinen Jungen gut fand?
 

Sie war kurz davor, ihre Cousine zur Rede zu stellen und zu fragen, was sie sich dabei dachte, so einen Quatsch zu erzählen, als die Abteiltür wieder aufflog und Adam und Holly lachend ihre Plätze einnahmen. Sie hatten die Arme voller Süßkram und Rose bediente sich augenblicklich an Adams Schokofröschen.
 

Dominiques Worte frustrierten sie und wirbelten noch für den Rest der Zugfahrt in ihrem Kopf herum, also begann Rose ein belangloses Gespräch über den neuen Gewandlanden in Hogsmead mit Holly und strafte ihre Cousine mit Missachtung.
 

Als sie den Zug verließen hatte Rose kaum zehn Worte zu Dominique gesagt, doch das schien die Blondine nicht zu stören. Sie umarmte Rose und zwinkerte ihr zu, bevor sie mit ihren Eltern und Louis durch die Absperrung trat und verschwand.
 

Rose war auf einmal sehr flau im Magen.
 

___
 

Die Tür zu seinem Zimmer schloss sich mit einem leisen Klicken hinter Albus und er atmete tief durch. Er war allein und obwohl er normalerweise am liebsten von seinen Freunden und Verwandten umgeben war, genoss er die erste ruhige Minute die er an diesem Tag hatte.
 

Für gewöhnlich bedeuteten Tage, an denen der Hogwartsexpress nach London fuhr, immer viel Stress, was nicht zuletzt am Gedrängel im Zug, dem schweren Gepäck und den Stimmen hunderter Schüler auf sehr begrenztem Raum lag.
 

Mit geschlossenen Augen ließ sich Albus frontal auf sein unberührtes Bett fallen. Der bekannte Duft des Waschmittelns seiner Mum stieg ihm in die Nase und er wusste, dass er wieder zu Hause war. Ein beruhigender Gedanke.
 

Natürlich liebte er Hogwarts über alles, doch er würde nicht leugnen, dass er froh war, wenn er in den Ferien den Komfort seines Hauses und die Wärme seiner Familie spüren konnte. Es war alles intimer, weniger hektisch und - ganz besonders - still.
 

Er zuckte kaum zusammen als seine Zimmertür mit einem lauten Knall wieder aufflog und sich ein schweres Gewicht ohne Vorwarnung auf ihn schmiss. Es war nicht so, als hätte er diese Situation nicht erwartet.
 

„Albus!“ James‘ aufgeregte Stimme drang in seine Ohren, während sich seine Arme fest um Albus‘ Oberkörper schlossen.
 

Ein leises Lachen entwich Albus‘ Kehle und mit einiger Anstrengung schaffte er es, seinen Bruder abzuschütteln und sich aufzusetzen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schaute in das grinsende Gesicht seines großen Bruders.
 

„Oh, du hast mich über deinen ganzen Ruhm nicht vergessen, Quidditchstar?“, spottete er dann.
 

James verdrehte übertrieben die Augen, bevor er seinen Bruder wieder niederkämpfte. „Ich würde doch niemals meinen kleinen Albino vergessen“, erklärte er dann und sah seinen Bruder an als läge das auf der Hand.
 

„Nenn mich nicht so, du Idiot!“
 

„Denk du dir mal einen guten Spitznamen für den bescheuerten Namen Albus aus! Wirklich, da ist Albino ja noch das kreativste. Ich bin zwar gut, aber auch meine unendliche Genialität hat Grenzen.“
 

Albus lachte schallend auf. „Oh Merlin, du bist seit zwei Minuten hier und ich drohe schon an deinem riesigen Ego zu ersticken. Hau ab!“ Er schubste James spielerisch von sich und auf den Boden.
 

„Hey! Mein Körper ist mein Kapital, also verletze mich nicht“, rief James empört aus, während er sich aufrappelte.
 

„Du bist furchtbar. Ich weiß schon, warum ich dich kein bisschen vermisst habe“, war Albus‘ Erwiderung und er setzte ein ernstes Gesicht auf.
 

Die Wahrheit war, dass er James mehr als jeden anderen vermisst hatte und besonders in diesem Schuljahr seine Unterstützung benötigt hätte. Sie kamen zwar nicht immer miteinander aus und besonders während James noch nach Hogwarts gegangen war hatte es viele Streitereien zwischen ihnen gegeben, doch letztendlich hatte Albus in James immer einen guten Zuhörer und Ratgeber gehabt.
 

„Pah, das glaubst du ja selbst nicht.“
 

Und natürlich wusste James genau, wie Albus über ihn dachte.
 

„Ja, wirklich nicht. Du hast mir gefehlt.“
 

James quetschte sich neben Albus auf das kleine Bett und legte einen Arm um die Schultern seines Bruders.
 

„Merlin, Albus, ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Die ganzen Geschichten in den Zeitungen, die Gerüchte auf den Straßen. Du versetzt die ganze Zauberwelt in Aufregung.“ James‘ Stimme klang plötzlich eindringlicher, leiser und besorgter. „Wie geht es dir?“
 

Albus blickte auf den Boden und nicht in die wohlbekannten Augen seines Bruders. Dann zuckte er nichtssagend mit den Schultern.
 

„Okay“, war alles was James sagte und Schweigen brach über das helle, modern eingerichtete Zimmer herein.
 

Es dauerte nicht lange bis Albus in sich zusammensank und seinen Kopf in der Brust seines Bruders verbarg. Stumme Tränen rannen über sein Gesicht und tropften auf James‘ grauen Pullover.
 

„Das habe ich mir gedacht“, murmelte James leise und strich geistesabwesend über die dunklen Haare seines kleinen Bruders. „Dad hat mir alles erzählt, was zwischen dir und Alice passiert ist. Die Sache mit dem Baby.“ Er pausierte. „Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du etwas brauchst. Wenn du ein Problem hast oder reden willst, dann bin ich immer für dich da Albus. Bitte vergiss das nicht!“
 

Mehr als ein Nicken brachte Albus nicht zustande.
 

„Es tut mir leid“, fuhr James fort. „Es tut mir unendlich leid, dass alles so gekommen ist. Es tut mir leid für euer Baby, aber glaube mir, ich kann eure Gründe nachvollziehen und ich verurteile weder dich noch Alice.“
 

Albus blieb regungslos.
 

„Du weißt, dass so etwas jedem passieren kann. Albus, es war ein Fehler und Fehler sind menschlich. Und natürlich, die Konsequenzen sind schwer zu tragen, aber das all dies geschehen ist und du dich gegen dieses Kind entschieden hast, macht dich nicht zu einem schlechten Menschen oder einer bösen Person. Ich will, dass du dir dessen bewusst bist! Mach dir bitte nicht für immer Vorwürfe, schließe damit ab, okay? Was geschehen ist, ist geschehen. Es liegt in der Vergangenheit. Und ich weiß, dass du einen solchen Fehler nie mehr wieder machen wirst. Es ist in Ordnung, okay?“
 

Es dauerte eine Weile, bis Albus sich wieder unter Kontrolle und die Tränen zum Versiegen gebracht hatte. Die Worte seines Bruders waren wohltuend. Das James ihn für seine Handlungen nicht verachtete, half ihm unendlich weiter. Er hätte nicht mit sich selbst leben können, wenn sein Bruder ihn bis zum Ende seiner Tage für einen Jugendfehler verurteilt hätte.
 

„Danke, James“, wisperte er und schloss ihn für einen kurzen Augenblick fest in die Arme.
 

„Keine Ursache, Albino. Und jetzt atme tief durch und schaue nach vorne.“ James richtete sich auf und schnalzte mit der Zunge. „In drei Tagen ist Weihnachten und ich habe immer noch kein Geschenk für Mum. Ich dachte du könntest deinem Lieblingsbruder einen guten Tipp geben?“
 

Albus konnte sein Lachen nicht unterdrücken, auch wenn es ein wenig wässrig klang. „James, es ist doch jedes Jahr das gleiche mit dir!“
 

James schob sofort schmollend die Unterlippe hervor. „Ein Geschenk für eine Frau zu finden ist aber auch verdammt schwierig“, jammerte er los. „Für Dad habe ich Karten für die Quidditchweltmeisterschaft nächsten Sommer besorgt, aber für Mum wollte ich etwas Persönlicheres. Nur habe ich keine Ahnung, was ihr gefallen könnte. Sie trägt keinen Schmuck, braucht keine neuen Kochtöpfe und das bescheuerte Buch von Cinzia Broadmoor, das sie unbedingt haben wollte, hat sie sich letzte Woche selbst gekauft - das war meine Notlösung. Albus, ich bin erledigt.“
 

„Will ich überhaupt wissen was du für Lily besorgt hast?“, fragte Albus nur halb im Scherz nach. Lily würde James den Besen über den Kopf ziehen, wenn er ihr ein Buch oder Wollsocken präsentierte.
 

„Nein, oh nein, Albus, das willst du nicht wissen. Es ist aus und vorbei - meine weiblichen Verwandten werden sich zusammentun und meinen schmerzhaften Tod planen, sobald sie meine Geschenke in den Händen halten werden.“
 

Albus‘ Augen weiteten sich ernsthaft verunsichert. „Merlin, James, was hast du getan?“
 

Die Wangen des älteren Pottersproß verfärbten sich rosa, doch bevor er eine Antwort formulieren konnte drang Ginnys Stimme durch das Haus und beorderte alle Kinder zum Essen.
 

James sprang von seinem Platz auf und hechtete zur Tür. Mit der Klinke in der Hand drehte er sich noch einmal zu Albus um. „Morgen gehen wir in der Winkelgasse shoppen. Ich bringe das Geld und du die Ideen mit, einverstanden? Fantastisch!“ Dann floh er aus dem Zimmer und die Treppe hinunter in die Küche.
 

Albus seufzte laut. So wie er James kannte, hatte dieser noch überhaupt kein Geschenk besorgt - mal abgesehen von den Quidditchkarten, die er von seinem Verein geschenkt bekam.
 

In Gedanken begann Albus schon eine Liste zu schreiben und beschloss James die teuersten Geschenke anzudrehen, an die er denken konnte. Es war ja nicht so, als würde es ihm an Geld mangeln und Albus wollte James bluten lassen, wenn er schon einen gesamten Tag mit Einkaufen verbringen musste.
 

___
 

Ein wenig benommen und ganz und gar unelegant stolperte Dominique am Tag vor Weihnachten aus dem Kamin im Wohnzimmer des Fuchsbaus. Sie blinzelte heftig und strich sich die Asche von der Hose, bevor sie ganz von der Feuerstelle wegtrat.
 

Das Wohnzimmer war vollkommen verlassen, doch in der Ecke stand bereits ein riesiger Weihnachtsbaum - ungeschmückt, aber trotzdem sehr majestätisch.
 

Verwundert begab sich Dominique auf die Suche nach ihren Großeltern und Cousins und Cousinen. Wie jedes Jahr an diesem Tag kamen alle Nachkommen des Potter-Weasley-Clans in den Fuchsbau und halfen bei allen nötigen Vorbereitungen für das anstehende Weihnachtsfest. Die Mädchen halfen dabei meist Oma Molly mit den Essensvorbereitungen oder kümmerten sich um das Schmücken der Zimmer, während die Jungs mit Opa Arthur den Garten in Ordnung brachten und Platz für alle Verwandten schafften.
 

In der Küche traf Dominique auf ihre Großmutter, die mit dem Zauberstab diverse Messer zum Kartoffelschälen einteilte. „Hallo Nana“, begrüßte sie die rundliche, alte Frau mit den vielen Lach- und Sorgenfalten im Gesicht.
 

Molly schenkte ihr ein warmes Lächeln, bevor sie sie fest in die Arme schloss und liebvolle Worte in ihre Haare murmelte. Anschließend hielt sie Dominique an den Schultern fest um sie zu mustern.

„Herrje, Dominique, isst du denn überhaupt nichts? Du bestehst ja nur aus Haut und Knochen. Morgen schlägst du ordentlich zu, verstanden?“ Molly lächelte erneut und scheuchte sie dann in den Garten. „Draußen warten schon alle auf dich. Victoire ist vor einer halben Stunde angekommen.“
 

Dominique nickte und eilte dann durch die Hintertür.
 

Tatsächlich fand sie im großen, verwilderten Garten alle ihre Cousins und Cousinen, sowie Scorpius Malfoy und Teddy Lupin vor. Als sie zu der großen Gruppe trat, wurde sie mit zahlreichen Rufen begrüßt. Eine Erwiderung blieb ihr im Hals stecken, denn Victoire zog sie in eine enge Umarmung und nahm ihr damit die Luft zum Atmen.
 

„Dome, ich hab dich so vermisst!“ Victoire war nach ihrem Abschluss von Hogwarts nach Frankreich gezogen und Dominique hatte sie seit dem letzten Weihnachtsfest nicht mehr gesehen. Durch ihren Beruf als Reise-Journalistin verbrachte Victoire viel Zeit an den verschiedensten Orten der Welt und hatte meist nicht dann Urlaub wenn Dominique Ferien hatte, was ein Treffen im gesamten bisherigen Jahr verhindert hatte.
 

Es dauerte eine Weile bis sich die Schwestern voneinander lösten und Dominique auch dem Rest ihrer Verwandten eine anständige Begrüßung zukommen lassen konnte. Als Fred ihrem Blick begegnete konnte sie das sanfte Lächeln nicht unterdrücken, welches sich auf ihre Lippen legte, doch sie schaute weg, bevor irgendjemand misstrauisch werden konnte.
 

„Also“, ergriff schließlich James das Wort. „Schneeballschlacht!“
 

Schneller als Dominique die Worte überhaupt verarbeiten und einen Schritt zurückgehen konnte, begannen wild durcheinander und von viel Geschrei begleitet Schneebälle durch die Luft zu fliegen. Natürlich wurde sie augenblicklich ins Gesicht getroffen und die kalte Masse tropfte von ihr von Nasenspitze und Haaren auf den dicken Pullover. Sie stand einen Moment wie versteinert da, dann hob sie den Blick.
 

Fred grinste sie über Hugos Kopf hinweg schief an und ganz automatisch verengten sich Dominiques Augen zu Schlitzen. Natürlich würde Fred auf der Stelle auf sie zielen. Aber gut, wenn er es so wollte, dann würde er es so bekommen. Blitzschnell bückte sie sich nach unten und hob zwei Hände voll blütenweißem Schnee auf. Sie machte sich nicht die Mühe ihn großartig in Form zu bringen, rannte stattdessen lieber auf ihren Cousin zu und warf den Schnee ohne viel Können in seine Richtung.
 

Es überraschte sie nicht sehr, dass sie zwar Fred nicht traf, er ihr jedoch eine weitere Fuhre Schnee an den Kopf warf. Sie rümpfte die Nase und wischte sich die größeren Klumpen unwirsch aus den Haaren. Sie stand nur wenige Meter von Fred entfernt und Hugo war bereits anderswo damit beschäftigt, Lily und Louis gleichzeitig zu bombardieren. Ihr Weg war frei und vielleicht, wenn sie ihn überrumpelte …
 

Ohne länger nachzudenken schmiss sich Dominique auf Fred. Sie hatte richtig gelegen und ihr Cousin war von der plötzlichen Attacke so überfordert, dass er das Gleichgewicht verlor und im Schnee landete. Dominique fiel bequem auf ihn.
 

„Das soll dir eine Lehre sein mich noch einmal so hinterlistig anzugreifen!“, meinte sie und ließ ihre Stimme empört klingen. Jede Erwiderung Freds wurde in dem Haufen Schnee erstickt, den Dominique mitleidslos in sein Gesicht schaufelte. Er prustete und spuckte und versuchte seine Hände zu befreien, die Dominique zu beiden Seiten seines Oberkörpers mit ihren Knien festhielt.
 

Nach einigen Sekunden des hilflosen Strampelns ließ sie ihn schließlich los. Sie streckte ihm die Zunge heraus während er noch den Schnee von seinem knallroten Gesicht wischte. Sein Blick war mörderisch und aus Angst vor seiner Rache lief Dominique quer durch den Garten zu dem Fort das Albus, Scorpius und Teddy mühevoll errichtet hatten. Sie quetschte sich neben Teddy und duckte ihren Kopf hinter die Wand aus Schnee.
 

Sie versuchte ihre schnelle Atmung zu beruhigen. Beinahe hatte sie vergessen, wie es sich anfühlte Fred so nah zu sein und statt des Schnees hätte sie ihm ihre Lippen ins Gesicht gedrückt. Merlin sei Dank hatte sie sich in der letzten Sekunde besonnen und ihre Gedanken geordnet, sonst hätten sie und Fred jetzt eine Menge zu erklären.
 

Fred ließ sie dankenswerterweise für den Rest der Schneeballschlacht in Ruhe und Dominique hatte die leise Vermutung, dass auch er die Versuchung und Sehnsucht gespürt hatte, die zwischen ihnen aufgeflackert war und lieber nichts riskieren wollte.
 

Dominique gesellte sich also zu Molly, Lucy und Rose und gemeinsam begannen sie das Fort der Jungs zu attackieren. Sie vergaß die Zeit, formte eifrig einen Schneeball nach dem anderen und warf öfters daneben als das sie traf.
 

Es war schließlich Oma Molly, die all dem ein Ende setzte.
 

„Ins Haus jetzt, Kinder! Ihr seid hier um eurem Großvater und mir ein wenig Arbeit abzunehmen, rumalbern könnt ihr später. Kommt rein, wärmt euch auf und dann macht euch nützlich!“ Ihre strenge Stimme schallte über den Garten hinweg und alle Kinder seufzten enttäuscht auf, doch als sie kurz darauf einer nach dem anderen in die Küche traten präsentierte Oma Molly jedem eine Tasse heißen Kakao mit Sahne, bevor sie sie für verschiedene Arbeiten einteilte.
 

Dominique endete im Wohnzimmer und sollte mit Hilfe von Molly und Lucy den Weihnachtsbaum schmücken, was sie nur zu gerne erledigte. Sie war erleichtert, dass sie nicht mit Rose und Roxanne das Treppenhaus putzen musste.
 

„Welche Farben sollen die Kugeln dieses Jahr haben?“, fragte Dominique die Zwillinge und natürlich hatten sie die verschiedensten Meinungen.
 

„Gold und Blau und Orange“, meinte Molly und wickelte sich eine Strähne ihrer Haare um den Zeigefinger.
 

Lucy sah von ihrer Position am Boden auf und warf ihrer Schwester einen verwirrten Blick zu. „Nein, Mol, die Farben passen doch gar nicht zusammen. Ich finde wir sollten einen richtigen Gryffindorbaum schmücken. Nur Rot und Gold. Mit viel Lametta.“
 

„Das können wir ja wohl kaum machen, schließlich war nicht jeder hier Gryffindor zugeteilt. Das ist diskriminierend.“
 

„Oh Molly“, seufzte Lucy übertrieben. „Du machst es immer viel komplizierter als notwendig.“
 

Bevor die Diskussion zwischen den Viertklässlerinnen eskalieren konnte, sprang Dominique ein und beschloss, wie der Baum aussehen würde. „Dann schmücken wir eben einen Hogwartsbaum in den Farben aller Häuser. Somit fühlt sich niemand ausgeschlossen und benachteiligt, okay?“
 

Ohne eine Bestätigung ihrer Cousinen abzuwarten zog Dominique die Kisten mit den Glaskugeln zu sich. Sie waren noch vom letzten Jahr in Silber- oder Goldtönen gefärbt. Dominique teilte sie gleichmäßig auf und färbte die Kugeln dann mit einer einfachen Zauberformel blau, grün, rot und gelb. Das würde der bunteste Baum seit einigen Jahren ergeben, doch Dominique störte ein wenig Farbe nicht. Wenn man einmal im Jahr übertreiben konnte, dann ja wohl zu Weihnachten.
 

Molly und Lucy griffen eifrig nach den dutzenden Kugeln, während Dominique mit einigen Schwierigkeiten die unendlich lange Lichterkette um den Baum schlang.
 

„Vielleicht solltest du eine Karriere als Lehrerin in Erwägung ziehen“, wisperte in diesem Moment eine vertraute Stimme in ihr Ohr und vor Schreck fiel Dominique der Zauberstab aus der Hand. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. „Konflikte kannst du nämlich ziemlich gut lösen, und sogar schon bevor sie wirklich begonnen haben.“
 

So ungerührt wie möglich bückte sich Dominique nach ihrem Zauberstab und versuchte sich ihren kurzen Verlust von Beherrschung nicht anmerken zu lassen, bevor sie sich herumdrehte. Fred hatte sich einige Schritte entfernt und stand nun gegen das Sofa gelehnt da. Er hatte die Arme locker vor der Brust verschränkt und grinste sie an.
 

„Ich glaube nicht, dass Hogwarts mehr als einen Weasley-Professor ertragen könnte“, erwiderte Dominique schlicht. „Falls sie überhaupt das Risiko eingehen und dich einstellen werden“, ergänzte sie mit einem süffisanten Lächeln.
 

Fred verzog sein Gesicht und hielt sich die Hand an die Brust, als würde er plötzliche Schmerzen empfinden. „Du verletzt mich! Neville hat mich vor den Ferien beiseite genommen - er meint, dass ich nach meinem Studium sehr Willkommen bin. Und die alte Targin könnte gut jemanden gebrauchen der ihr ein wenig Arbeit abnimmt, auch wenn sie es niemals zugeben würde.“
 

Ein ehrliches Lächeln legte sich auf Dominiques Lippen. „Das freut mich für dich!“, sagte sie und drehte sich dann zurück zum Weihnachtsbaum. Molly und Lucy hatten etwa die Hälfte der Kugeln aufgehängt und schon jetzt war das Grün der Nadeln kaum noch zu sehen. „Wie kommt‘s das du hier bist und nicht in Hogwarts auf die Dortgebliebenen aufpasst?“, fragte sie dann, während sie die letzten Zentimeter der Lichterkette um die Baumkrone schlang und das Ende zwischen den Zweigen versteckte. „Ist das nicht Lehrerpflicht?“
 

Sie konnte Fred nicht sehen, spürte jedoch, dass er wieder näher kam. Er nahm sich eine der gelben Kugeln und hängte sie an einen bisher ungeschmückten Ast nahe der Spitze. „Meist sind es die Lehrer ohne Familie, die die Ferien in der Schule verbringen. Allen anderen ist es freigestellt zu gehen. Es sei denn natürlich es gibt einen Lehrermangel - aber momentan ist das ja nicht der Fall, also habe ich Zeit endlich wieder stetigen Kontakt zu meiner Familie aufzubauen. Nichts eignet sich besser für ein großes Wiedersehen als Weihnachten, oder nicht?“
 

Dominique nickte stumm. Sie hatte nicht daran gedacht, dass Fred viele seiner Onkels und Tanten am Weihnachtstag das erste Mal wiedersehen würde - ebenso wie er James, Victoire und Teddy erst heute erstmals seit Jahren getroffen hatte. Abgesehen von den jüngeren Kindern die noch nach Hogwarts gingen hatte wahrscheinlich kaum jemand Fred schon zu Gesicht bekommen.
 

„Hast du uns denn vermisst?“, fragte in diesem Moment jemand hinter ihnen und Dominique und Fred drehten sich herum. James stand lässig im Türrahmen und grinste seinen Cousin an.
 

„Was ist das denn für eine bescheuerte Frage, James?“
 

„Nun ja, du bist einfach abgehauen und hast nichts mehr von dir hören lassen. Ich dachte schon ich würde dich nie wieder sehen.“ James zuckte mit den Achseln und es wirkte als wollte er das Thema damit beenden und nicht bei den düsteren Gedanken verweilen, doch eine angespannte Stimmung hatte sich über den Raum gelegt.
 

Fred öffnete den Mund, vielleicht um sich zu entschuldigen, vielleicht um sich zu rechtfertigen, aber James unterbrach ihn.
 

„Aber umso besser, dass du wieder da bist - wir sollen Louis und Hugo beim Stühle schleppen helfen und ich bin echt dankbar, dass du mir einen Teil der Arbeit abnehmen kannst.“ Er zwinkerte und war dann genau so schnell verschwunden wie er gekommen war.
 

Dominique blickte Fred für einen Augenblick stumm an, bevor Lucy um ihre Aufmerksamkeit verlangte.
 

„Die Kugeln hängen alle. Kannst du das Lametta noch bunt zaubern?“
 

Geistesabwesend blinzelte die Ravenclaw und nickte ihren Cousinen dann zu. „Ja, sofort.“ Dann warf sie ihre Arme um Fred und drückte ihn kurz an sich. „Ich bin froh, dass du wieder da bist“, murmelte sie in sein Ohr und küsste seine Wange, bevor sie ihn los ließ und in Richtung der Tür schubste.
 

Sie sah sich nicht nach seiner Reaktion um und verfolgte nicht wie er den Raum verließ, sondern kniete sich bloß zu den Kisten, die mit Lametta vollgestopfte waren, und begann sie bündelweise in die verschiedensten Farben zu hexen.
 

Als sie sich das nächste Mal umschaute, nachdem sie eine goldene Spitze auf den Baum gesteckt und das Gesamtwerk bewundert hatte, war Fred schon lange verschwunden.
 

___
 

Der wundervolle Geruch von gutem Essen, warmen Plätzchen und Zimtkerzen drang Rose in die Nase sobald sie am nächsten Tag aus dem Kamin und in das aufwendig geschmückte Wohnzimmer ihrer Großeltern trat.
 

Sie machte Platz für ihren Bruder, der nach ihr durch das Flohnetzwerk in den Fuchsbau unterwegs war, und sah sich um. Ein Lachen platze aus ihrem Mund als sie den knallbunten Weihnachtsbaum in der Ecke sah - er war so typisch für ihre Familie.
 

Erst als Hugo und ihre Eltern angekommen waren machten sie sich auf die Suche nach allen anderen Verwandten. Sie trafen auf eine große Gruppe in der Küche und ein dutzend Stimmen plapperten sofort quer durcheinander. Rose hatte das Gefühl schon hundertmal „Fröhliche Weihnachten“ gesagt zu haben und dabei hatte sie noch nicht einmal ihre ganze Familie gesehen. Und es war nicht so, dass es sie störte - wenn Rose eines genoss, dann waren es große, laute, feierliche Weihnachtstage mit ihrer Familie.
 

Es dauerte nicht lang bis sich jeder zum Essen eingefunden hatte und Rose bekam nicht genug. Es war nicht so, dass sie unendlich viel Essen konnte, so wie Albus, aber bei Oma Molly konnte sogar sie dreimal nachladen, bevor sie Bauchschmerzen bekam.
 

Nach dem Essen kehrte ein wenig Ruhe ein. Die Erwachsenen zogen sich weitestgehend in die Zimmer in den oberen Etagen zurück, um ein wenig zu entspannen bevor es mit dem Abendessen und dem Weihnachtlieder singen weiterging. Die jüngeren Kinder hatten sich im Garten versammelt und tobten sich bei einer Schneeballschlacht aus.
 

Rose hatte nicht wirklich darauf geachtet, wer sich wohin bequemte - sie wusste nur, dass sie eine Zigarette und frische, kühle Luft brauchte. Sie griff nach ihrem Wintermantel, stellte sicher, dass sie ihre Packung Zigaretten eingesteckt hatte und schlüpfte aus der Haustür, als gerade niemand hinsah. Der schmale Vorgarten war leer, aber sie hörte Lilys laute Hilfeschreie und Hugos schallendes Lachen vom großen Garten hinter dem Haus.
 

Mit den Händen tief in den Taschen vergraben ließ Rose den Fuchsbau hinter sich zurück. Sie ging den unbenutzten Feldweg entlang und bald war das einzige, was sie vom Haus ihrer Großeltern noch sehen konnte, ein Rauchfaden der sich zwischen Baumspitzen hindurchschlängelte.
 

Sie ging noch eine Weile vor sich hin und wollte gerade die Zigarettenschachtel hervorziehen, als eine Stimme hinter ihr erklang.
 

„Lass mich raten - du willst dir gerade eine Zigarette anbrennen.“
 

Rose wirbelte so schnell herum, dass sie auf der Schneeschicht den Halt verlor und auf ihre Knie fiel. Vor ihr stand Scorpius und er biss sich hart auf die Unterlippe, wahrscheinlich um ein lautes Lachen zu verhindern. Rose spürte Röte in ihre Wangen steigen - sie hatte schon länger nicht mehr einen so peinlichen Auftritt hingelegt.
 

Scorpius hielt ihr anständigerweise die Hand hin und half ihr auf, bevor er das breite Grinsen zuließ. Sein blasses Gesicht schien vor dem schneeigen Hintergrund nahezu zu strahlen und seine Augen spiegelten den Nachmittagshimmel wieder und Rose wusste nicht, seit wann sie sich solche Dinge wahrnahm. Sie schüttelte knapp den Kopf, bevor sie zwei Zigaretten aus ihrer Tasche zog und Scorpius eine zwischen die Lippen steckte - hauptsächlich um seinen amüsierten Gesichtsausdruck zu verscheuchen.
 

„Was machst du hier?“, fragte Rose dann, als sie endlich einige tiefe Züge genommen hatte.
 

Scorpius zuckte mit den Schultern und es dauerte einen Moment, bis er antwortete: „Brauchte ein wenig Abstand zu deiner Familie. Nicht, dass es mir nicht gefällt und alle übermäßig nett sind, aber Merlin, so viele Menschen auf so engem Raum bin ich wirklich nicht gewöhnt. In Hogwarts hat man immer noch die Chance, sich irgendwo zu verkriechen, aber hier scheint nahezu jedes Zimmer ständig von irgendjemandem belegt zu sein. Es ist unglaublich!“ Er lachte leise und führte dann die Zigarette erneut an seine Lippen.
 

„Ich weiß, was du meinst. Es kann einen wirklich überfordern. Aber man gewöhnt sich dran.“ Rose schob mit ihren Schuhen den Schnee am Boden hin und her und versuchte, Scorpius‘ Blick nicht zu begegnen. Dominiques Worte sind ihr eben wieder eingefallen. Das sie im Zug ausgesehen haben sollte als hätte sie gerade mit ihrem Schwarm gesprochen. Das war lächerlich, doch trotzdem fühlte sie sich plötzlich seltsam in der Gegenwart des Malfoys. „Ich liebe Weihnachten“, sagte sie dann, um das Schweigen nicht andauern zu lassen.
 

„Ich weiß. Ich konnte es in deinem ganzen Gesicht lesen. Ist selten, das man dich so vollkommen unbeschwert erlebt.“
 

Rose hob ruckartig den Kopf. Alles schwirrte plötzlich. Was war das denn für eine Aussage? Hatte er sie vielleicht beobachtet? Und wenn ja, warum? Und sowieso, wie meinte er das? Wieso war ihm überhaupt etwas an ihr aufgefallen? Nahezu gierig zog Rose an den letzten Resten ihrer Zigarette um zu verhindern, dass eine dieser Fragen aus ihrem Mund fiel. Offensichtlich interpretierte sie viel zu viel in Scorpius‘ wenige Worte.
 

Das war alles Dominiques Schuld, verdammt!
 

„Mh“, war alles, was ihr einfiel. Am liebsten hätte sie ihren Kopf in den Schnee gesteckt. Was war bloß los mit ihr? So hilflos hatte sie sich gegenüber Scorpius, und auch sonst keinem Jungen, jemals gefühlt. Sie schluckte schwer und das unerwartete Verlangen, Scorpius am Kragen zu packen und ihn zu Küssen erschütterte sie.
 

Mit einer fahrigen Handbewegung schmiss sie ihre Zigarette weg und nickte Scorpius hastig zu, bevor sie mit raschen Schritten den Feldweg entlang zurück zum Fuchsbau ging. Sie konnte nicht fassen, was da soeben geschehen war. Der Drang, ihren Kopf in ihren Händen zu vergraben und laut zu schreien, war nahezu unwiderstehlich.
 

Nach den Ferien hatte sie einige ernste Fragen an Alice und Dominique zu stellen und bis dahin würde sie sich von Scorpius Malfoy fernhalten - sehr weit fernhalten.
 

___
 

Es war schon seit Langem eine Tradition, dass jede Tante, jeder Onkel, jede Cousine und jeder Cousin Freds, nicht zu vergessen seine eigene Familie sowie Molly und Arthur die Nacht zum 25. Dezember im Fuchsbau verbrachten. Das war auch der Grund, warum das alte, krumme Haus auch drohte aus allen Nähten zu platzen. Jedes Zimmer wurde vielfältig belegt und niemand hatte den Luxus der sich Privatsphäre nannte.
 

Fred war es gerade recht so. Bei derart vielen Menschen fiel es nämlich niemandem auf, dass er und Dominique für eine Weile verschwunden waren. Aber das war unwichtig, denn zu dieser Stunde schliefen sowie alle. Das Haus lag still da und fast alle Lichter waren gelöscht.
 

Die Flamme einer einzigen Kerze erhellte die vollgestopfte Abstellkammer neben der Küche. Das nicht viel Platz war störte Fred nicht, denn es nötigte Dominique dazu, sich näher an ihn zu pressen und das war etwas, dass ihm nie im Leben widerstreben würde.
 

Seine Hände fuhren ungeduldig an ihren schmalen Seiten auf und ab und ihre Haare streiften seine Fingerspitzen. Sie verteilte eifrige, verlangende Küsse an seinem Hals, bis hinunter zu seinem Schlüsselbein und es kostete ihn einiges an Kraft ein Stöhnen zu unterdrücken.
 

Fred wusste nicht, wie lange sie schwer atmend und sprachlos in der Kammer verbrachten, aber er wusste, dass er ein ernsthaftes Problem hätte wenn sie nicht bald damit aufhörten, verlangende Küsse zu teilen. Es war vielleicht in Ordnung bei Nacht ein wenig rumzumachen, aber nie im Leben wäre er in der Lage in einem Haus vollgestopft mit seinen Verwandten auch nur einen Schritt weiterzugehen. Und das war auch gut so.
 

Dominiques Griff um seinen Nacken verstärkte sich, so als wüsste sie genau, dass sie nicht mehr seine ungeteilte Aufmerksamkeit besaß. Sie seufzte atemlos in seinen Mund und ja, er hatte den Kuss unterbrechen und zurück in sein Zimmer gehen wollen, aber Dominique machte es mit jedem Laut, mit jeder Berührung und mit jedem Blick verdammt schwer sich von ihr zu entfernen.
 

„Dome“, keuchte er leise und küsste sich von ihrem Mund zu ihrem Hals. Er biss zärtlich in ihre makellose Haut, nicht in der Absicht ein Zeichen zu hinterlassen aber vielleicht ja doch, bevor er seine Lippen wieder über ihre legte und sich den Atem rauben ließ.
 

Er hätte es kommen sehen sollen. Sie waren verantwortungslos gewesen, hatten nicht nachgedacht und sich stattdessen von ihren unkontrollierbaren Gefühlen leiten lassen. Es war zu erwarten gewesen, doch sein Herz setzte trotzdem diverse Takte aus, als sich die Tür mit einem leisen Knarren öffnete und Licht in die Abstellkammer flutete.
 

Dominique sprang von ihm als hätte sie sich an seiner Haut verbrannt und er richtete sich augenblicklich zu seiner vollen Größe auf. Er schaffte es erst nach einigen Sekunden sich in Richtung der Tür zu drehen und wem auch immer gegenüber zu treten.
 

Dominiques Augen hingegen waren fest geschlossen und sie hatte ihren Körper halb in der nächsten Wand verborgen, als wollte sie darin verschwinden. Er konnte es ihr nicht verdenken.
 

Es war Albus, der ihnen mit leicht geöffnetem Mund und seinem Zauberstab in Angriffsposition gegenüberstand. Er sagte nicht und Fred sagte nichts und plötzlich fühlte sich alles wie das Ende an.
 

Dominique war es schließlich, die jeden aus seiner Starre erlöste. Sie trat an Fred vorbei aus der Kammer, drückte Albus‘ Zauberstab Richtung Boden und ließ sich dann am Küchentisch nieder. Sie wendete den Kopf von ihren Cousins ab und starrte durch das Fenster in die Dunkelheit nach draußen. Fred vermutete, dass sie nicht wirklich etwas wahrnahm.
 

„Was?“, fragte Albus letztendlich nur und es war eine unsinnige Formulierung.
 

Fred lachte kurz und freudlos, als wäre das die einzige Antwort zu der er in der Lage ist. Dann löschte er die Kerze, die noch immer in der Kammer flackerte und schloss die Tür hinter sich. Er suchte sich ebenfalls einen Platz am Küchentisch, doch er hielt größtmöglichen Abstand zu Dominique. Sie schien noch weiter in sich zusammenzusinken und Fred fühlte Übelkeit in sich aufsteigen.
 

Albus schien währenddessen der Sprach wieder mächtig zu werden, denn seine nächsten Worte waren unmissverständlich. „Hätte jemand von euch vielleicht die Freundlichkeit mich aufzuklären was ich da eben beobachtet habe? Denn, korrigiert mich wenn ich falsch liege, es sah verdammt danach aus, als hättet ihr eben miteinander rumgeknutscht und es hat nicht so gewirkt als wäre das ein einmaliges Versehen gewesen. Und ich hoffe euch beiden ist klar, dass das falsch ist. Verdammt falsch. Mal davon abgesehen, dass ihr Cousin und Cousine seid ist Fred auch noch dein Lehrer, Dominique. Ich meine, Merlin, was habt ihr da gerade getan? Was denkt ihr euch dabei? Wie lange läuft das schon?“
 

„Um Himmels Willen, Albus, halt den Mund!“, fauchte Dominique dann und der Potter wurde still. Sie sah ihn mit tränenfeuchten Augen an. „Sei einfach ruhig!“ Sie schien mehr sagen zu wollen, aber alles was sie zustande brachte war ein müdes Schütteln ihres Kopfes.
 

Fred räusperte sich leise. „Bitte, Albus, kannst du nicht einfach vergessen, was du gesehen hast?“ Seine Stimme klang flehentlich.
 

Albus sah ihn nur mit geweiteten Augen an. „Vergessen? Wie soll ich das vergessen? Das ist unmöglich.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare und machte sie damit noch unordentlicher.
 

„Wieso warst du überhaupt hier unten?“, hakte Dominique nach. Sie wirkte teilnahmslos und leer und Fred wusste, dass sie hauptsächlich Angst hatte - Panik gar, dass ihr Geheimnis gelüftet werden könnte und sie ihn, Fred, erneut verlieren würde. Er wünschte er könnte ihr dieses Gefühl nehmen, ihr sagen, dass er sie nie, nie wieder zurücklassen wird.
 

„Ich bin für die Geschenke verantwortlich. Sollte sie unter den Baum legen, damit sich Lily, Hugo und Louis morgen früh darüber freuen können.“ Er zuckte mit den Schultern, als wäre es jetzt nicht mehr wichtig und wahrscheinlich war es das auch nicht.
 

„Albus, hör zu, wir reden darüber, okay? Ich verspreche es dir. Aber nicht heute, nicht hier. Zurück in Hogwarts erklären wir dir alles, doch lass uns nicht die Ferien zerstören.“
 

Der Potter atmete tief aus, ließ sich Freds Angebot einige Sekunden durch den Kopf gehen und nickte dann ergeben. „Einverstanden“, stimmte er dann zu. „Doch wenn ich in Hogwarts nicht alles erfahre wende ich mich an Professor Longbottom. Und außerdem haltet ihr euch bis dahin fern von einander. Ich kenne eure Geschichte nicht, ich will euch nicht vorschnell verurteilen und das ihr verwandt seid stört mich nicht wirklich. Aber das alles ändert nichts daran, dass du Dominiques Lehrer bist, Fred. Es gibt Gründe warum derartige Beziehungen verboten sind.“
 

Fred nickte nur knapp und kurz darauf war Albus im Wohnzimmer verschwunden und das entfernte rascheln von Geschenkpapier war alles, was zu hören war.
 

Das Schweigen zwischen ihm und Dominique hielt an, bis sie sich stumm erhob und die Küche verließ. Ein bleiernes Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus als er ihr nachsah und ihm wurde schlagartig bewusst, dass Dominique nicht die einzige war die Angst hatte, alles, was zwischen ihnen existierte zu verlieren.
 

___
 

tbc
 

Es tut mir leid, dass es doch so lange gedauert hat mit diesem Kapitel. Ich denke, dass es in Zukunft schneller geht, aber ich verspreche nichts. Vielen Dank jedenfalls für alle Kommentare und Favoriteneinträge und ich hoffe natürlich, dass euch das Kapitel gefallen hat! :)



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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  EsistJuli
2015-06-14T10:27:43+00:00 14.06.2015 12:27
Wow, einfach nur Wow! Ich hab deine Ff gradezu verschlungen!
Du hast wirklich kritische Themen behandelt und das richtig, richtig gut! Ich bin wirklich wahnsinnig beeindruckt.
Ich bin super gespannt, wie es weiter geht!
Von:  schneewittchen00
2013-09-25T12:01:51+00:00 25.09.2013 14:01
oh ich freu mich so, dass es endlich weiter geht! :)
war ein sehr schönes kapitel, bin schon gespannt was noch so alles schief geht beim heimaturlaub :D
Von:  Dahlie
2013-07-06T21:03:18+00:00 06.07.2013 23:03
Hallo :)

Und sie haben die Kurve irgendwie doch bekommen.
Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass du dich hier an ein schweres Thema gewagt hast, umso erleichterter bin ich, dass du das ganze nicht lieblos abhandelst, sondern dir wirklich Mühe gibst und das spürt man beim lesen.

Nun bin ich natürlich umso gespannter, ob sich der Fokus nun eher auf die anderen Mädchen verlegt und auch da brenne ich wie ein Flitzbogen drauf, zu erfahren, was du dir gedacht hast :)
Von:  schneewittchen00
2013-06-24T12:53:48+00:00 24.06.2013 14:53
Ah ich finde diese Gesichte einfach so schön irgendwie, obwohl sich so viele "dunkle Abgründe" auftun. Aber das macht es so spannend und das gefällt mir :)
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel!
Von:  Girly
2013-06-23T08:47:33+00:00 23.06.2013 10:47
Bin die Erste^^
Erstmal super Kapi,
endlich haben die Eltern geholfen
die Zwei brauchten unbedingt Hilfe
Bin gespannt wie es weitr geht^^
Von:  Dahlie
2013-05-27T14:42:56+00:00 27.05.2013 16:42
Endlich!

Die Eltern greifen ein. Nach so viel Drama war das wirklich notwendig! Ich meine, es war schon wirklich sehr heftig und noch immer leide ich wie ein Hund mit Alice ;_; es zerreißt mir das Herz, wirklich! Und ich hoffe stark, dass auch für sie bald bessere Zeiten anbrechen. - Wo wir gerade bei brechen sind, ich als Ginny hätte meinem Sohn sonst was gebrochen, so entsetzt wäre ich. Aber es gefällt mir, dass zumindest Harry in dieser Situation einen ruhigen Kopf bewahrt :)

Nun denn, auf ein neues Kapitel
Liebe Grüße Dahlie
Von:  funnymarie
2013-05-26T09:42:18+00:00 26.05.2013 11:42
ein tolles kapitel
ich bin ja gespannt
wie das gespräch verlaufen wird zwischen allen in nevilles büro
und bei rose und scorpuis scheint ja alles endlich mal besser zu laufen
bin gespannt auf das nächste kapitel
lg funnymarie
Von:  Asketenherz
2013-04-07T17:08:23+00:00 07.04.2013 19:08
Irgendwie liest sich deine Story wie ein Ethik-Lehrbuch. Zumindest von den Themen her.

Okay und jetzt der Tagesprophet? In meiner Erinnerung ist das Blatt bis auf die Klatsch-Kolumne seriös. Wieso würde des jemanden so sehr interessieren um in die Zeitung zu kommen? Ich glaube nicht, dass die alte Generation mit ihren Erfahrungen die Kinder ungeschützt ließe vor der Presse und sei es mit Abkommen und Unterlassungsbeschlüssen.
Von:  Asketenherz
2013-04-07T16:12:15+00:00 07.04.2013 18:12
Bester Satz: Oh Merlin, ihr Lehrer hatte ihr tatsächlich seine Liebe gestanden! Das war auf so vielen Ebenen falsch, dass ihr für einen Moment entfiel, dass er auch noch ihr Cousin war.
Ich frage mich wirklich, warum diesen Fakt so viele Menschen (da nehme ich mich keineswegs aus) unterschlagen. Ich meine, es ist doch nur irgendwie notwendig, dass das nicht einfach nur ein Pairing ergibt, sondern auch eine moralische Hürde überwunden werden muss. Für den der das schreibt und für den, der das liest und letzten Endes auch für die Figuren selbst. Jedenfalls danke ich dir für diese Genugtuung.


hilflos und überglücklich zugleich - ok, das ist sehr nachvollziehbar. Es ist fast so als würde man das mitfühlen.
Von:  Asketenherz
2013-04-07T15:20:46+00:00 07.04.2013 17:20
Wow. Famous Last Words für ein Kapitel. :)


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