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Schlaflos

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie immer gilt: Wem Rechtschreib-, Zeichensetzungs- oder Grammatikfehler auffallen, darf mir das gerne mitteilen :) Komplett anzeigen

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Schlaflos

Es war eine warme Juninacht und ganz Hogwarts lag in tiefem Schlaf.

Nun, fast ganz Hogwarts.

Es gab eine Person, die in dieser warmen Nacht keine Ruhe fand. Diese Person hielt sich zwar in ihrem Schlafsaal auf, doch sie lag weder in ihrem Bett noch befand sie sich überhaupt in der Gemütslage, um nächtigen zu können. Stattdessen stand Lily Evans am Fenster und betrachtete die Hogwartsländereien, die sanft vom Mondlicht erhellt wurden.

 

Das einzige Geräusch, das sie wahrnehmen konnte, waren die regelmäßigen Atemzüge ihrer Klassenkameradinnen, die sich von den Lernanstrengungen der letzten Wochen erholten. Alle ZAG’s waren geschrieben und sämtliche Fünftklässler waren erleichtert, dass endlich alle Prüfungen unter Dach und Fach waren.

Fast alle.

Lily Evans wäre dankbar gewesen, wenn sie die Abende und Nächte damit hätte verbringen müssen, für Prüfungen zu lernen. Das hätte sie davon abgehalten über andere Dinge nachdenken zu müssen. Über Dinge, die sie tief verletzt hatten und über Entscheidungen, die sie getroffen hatte und weder rückgängig machen konnte noch wollte.

Oder doch?

 

Tatsächlich war sie sich da mittlerweile nicht mehr so sicher. Immerhin waren sie beste Freunde gewesen. So viele Jahre lang. So etwas konnte man nicht einfach, wie mit einem „Evanesco“, verschwinden lassen. Und doch, wie sollte sie weiterhin mit jemandem befreundet sein, der sie Schlammblut genannt hatte?

 

Mit einem leisen Seufzen strich sich die Vertrauensschülerin eine rote Locke aus der Stirn. Sie glaubte Severus sogar, dass es ihm Leid tat. Das es ihm einfach rausgerutscht war, wie, ja, wie ein Reflex. Aber gerade diese Tatsache, dass er sie reflexartig als Schlammblut bezeichnet hatte, war der Grund, warum sie ihm nicht verzeihen wollte. Für ihn war jeder Muggelstämmige an dieser Schule ein Schlammblut und jetzt, wo er sie das erste Mal so genannt hatte, hieß das doch, dass er sie nicht mehr als Freundin ansah, sondern als das, was auch alle anderen in seinen Augen waren: Ein wertloses Schlammblut.

 

Wütend presste das Mädchen ihre Kiefer zusammen. Er hatte eine unsichtbare Grenze überschritten. Sie konnten einfach nicht mehr befreundet sein. Wie sollte das funktionieren? Lily musste sich eingestehen, dass diese Erkenntnis schmerzte, aber es gab keinen anderen Weg.

Ein weiterer Seufzer entfloh ihren Lippen und Lilys Stirn sank gegen die kühle Glasscheibe. Wie war es möglich, dass sie sich vor nicht einmal einem halben Jahr so auf den Sommer gefreut hatte und jetzt am Liebsten die Zeit zurückgedreht hätte?

 

                                                                                                                        ~ 6 Monate zuvor ~

 

Der Winter hatte endlich Einzug in Hogwarts gehalten. Über Nacht hatten sich die Ländereien in eine glitzernde Traumlandschaft verwandelt. Während die jüngeren Jahrgänge sich für die erste Schneeballschlacht der Saison rüsteten, hatte Lily damit begonnen einen Schneemann zu errichten. Mochten andere das auch kindisch finden, für sie gehörte das zum Winter dazu. Während sie früher immer gemeinsam mit ihrer Schwester einen gebaut hatte, tat sie dies nun alleine. Allerdings hatte sie wie jedes Jahr einen Zuschauer, der ihre Tätigkeit mit hochgezogenen Augenbrauen verfolgte.

 

Und du bist sicher, dass du nicht mitbauen willst?“ Ein Kopfschütteln war die einzige Antwort. Während sich das dick eingepackte Mädchen der Aufgabe widmete eine weitere große Kugel zu formen, ließ sich der stumme Zuschauer doch noch zu einer verbalen Äußerung hinreißen.

Ich verstehe immer noch nicht, wozu das gut sein soll.“ Der missmutige Unterton ließ darauf schließen, dass es Severus nicht gefiel, für etwas keine Erklärung zu haben.

 

Lily pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und als sie antwortete, bildeten sich Atemwölkchen, die in der kalten Luft nach oben stiegen.

Es ist meine ganz persönliche Art den Winter zu begrüßen.“

Und dafür musst du einen Schneemann bauen? Reicht es nicht, wenn du einen Spaziergang machst?“ Lilys grüne Augen wanderten kurz über die größtenteils unberührte Schneelandschaft, ehe sie am Gesicht von Severus hängen blieben.

Weißt du, es erinnert mich an meine Schwester. Als zwischen Tunia und mir noch alles in Ordnung war, haben wir das jedes Jahr gemacht. Es ist eine Art Ritual.“ Sie zuckte etwas hilflos mit den Schultern.

 

Severus dunkle Augen bohrten sich in ihre, als er nachdenklich nickte. Er war zwar der letzte, der irgendwelche Erinnerungen an seine eigene Familie wollte und es war ihm schleierhaft wie Lily an dieser Plage - denn das war Petunia in seinen Augen - hängen konnte, aber er beschloss diese Erklärung kommentarlos zu akzeptieren. Das Letzte, was er wollte, war eine erneute Diskussion über Lilys ältere Schwester zu führen.

 

Nachdem seine beste Freundin ihr vollendetes Werk bewunderte und er insgeheim zustimmen musste, dass es eine relativ gelungene Erscheinung war - jedenfalls dafür, dass sie es ohne Magie bewerkstelligt hatte - machten die beiden sich auf den Rückweg zum Schloss.

Du magst den Winter nicht besonders, oder?“ Severus zuckte nur nichtssagend mit den Schultern, ehe er sich äußerte.

Nein, nicht wirklich.“

Ich mag den Sommer am Liebsten. Wenn die Sonne scheint und man am Seeufer liegen kann oder sogar im See schwimmen kann.“ Severus sah sich genötigt eine Antwort zu geben.

Der Sommer ist mir zu warm, genauso wie der Winter zu kalt ist. Der Herbst ist eine gute Jahreszeit.“

Der Herbst?“

Ohne hinzusehen, wusste der schwarzhaarige Zauberer, dass Lily ihre Augenbrauen zusammengezogen hatte und sich auf die Unterlippe biss, wie immer, wenn sie über etwas intensiv nachdachte.

Ja, der Herbst. Er erinnert mich daran, dass nicht alles ewig hält, sondern das vieles vergänglich ist.“ Mit den letzten Worten war seine Stimme immer leiser geworden.

 

Seine beste Freundin betrachtete ihn nachdenklich von der Seite, ehe sie zögernd nickte. Schließlich hallte ihr Lachen durch die Winterluft.

So habe ich das zwar noch nicht gesehen, aber es gibt noch einen Grund, um sich auf den nächsten Herbst zu freuen.“ Ein fragender Blick von der Seite forderte stumm eine Erklärung von dem Mädchen.

Na, überleg doch mal. Im nächsten Herbst sind unsere ZAG’s geschrieben und wir haben keine Lernerei mehr.“ Ein zustimmendes Nicken von Severus verleitete sie zu einem spitzbübischen Grinsen und als sie ihn an der Hand packte und zu einem Sprint durch den Schnee ansetze, war sie überzeugt, dass nichts ihre gute Laune trüben konnte.

 

Ja, Lily Evans hätte gerne einen Zeitumkehrer benutzt, um in glücklichere Zeiten zurückzukehren. Stattdessen musste sie sich mit der Realität auseinandersetzen und die Tatsache akzeptieren, dass der Herbst Einzug in ihr Herz gehalten hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-02-01T14:44:02+00:00 01.02.2016 15:44
Hui, schön, es gab einen roten Faden. Anfangs hatte ich tatsächlich befürchtet, dass es keinen gibt. Die Geschichte plätscherte ein bisschen vor sich hin, aber der letzte Satz hat mich dann doch noch zum Schmunzeln gebracht. :>

Aber von Anfang an: stilistisch sehr schön, gut auch, dass man die Vergangenheit gut von der Gegenwart trennen kann durch die Formatierung, das macht alles leichter zu verstehen. ^^ (Zeitwechsel bemerke ich persönlich nämlich nur selten *hust*) Ein paar kleinere Fehler waren drin, aber nichts, was den Lesefluss enorm gestört hätte.
Die Charaktere find ich gut getroffen, sofern man das beurteilen kann. Snape ist doch sehr mürrisch, das passt zu ihm, auch dass er den Herbst so gern mag find ich stimmig. Und Lily stell ich mir auch so vor - so fröhlich. :> Dass sie Petunia "Tunia" nennt ist echt süß! Passt aber eben zu dem, wie ich sie mir vorstelle.
Die Handlung ist auch nett, wenn auch leider nicht besonders viel, aber dafür... hm, stimmungsvoll, ich glaub das ist das beste Wort. Man merkt die Jahreszeiten jedenfalls beim Lesen. Klingt blöd, oder? Aber anders kann ich es nicht beschreiben. :D"
Schade find ich nur, dass auf die Situation, in der Snape sie Schlammblut genannt hat, nicht mehr viel eingegangen wird. Aber darauf lag dein Fokus eindeutig nicht. Du hast die Freundschaft der beiden gut dargestellt, besonders der Kontrast "damals - jetzt".
Kurz: Ich mag's :>

Und jetzt versteh ich nur nicht, wieso es hierauf nie einen Kommentar gab. Ich hab die Geschichte extra genommen, weil hier noch gar nichts steht. Ich hoffe es hilft dir auch fast vier Jahre später, dass jemand Gefallen hieran gefunden hat ;D
(Abgesehen davon kenn ich weder Thor noch Sherlock Holmes gut genug. Und ich kommentier gerne Sachen, die keine Kommentare haben, weil der Autor ja auch dazu mal Rückmeldung braucht. ;) )
Antwort von:  Kerstin-san
01.02.2016 17:30
Hallöchen Fini,

ich gestehe, dass ich mir meine eigene FF gerade selber mal wieder durchlesen musste, weil ich die gar nicht mehr so genau im Hinterkopf hatte (ist das wirklich schon fast vier Jahre her?)

Ahhhh, der letzte Satz. Ich glaube dass ist so einer, wo ich mir damals dachte, dass der unglaublich toll und weise klingt, wenn ich den am Schluss benutze. xD

Das du die verschiedenen Jahreszeiten beim lesen bemerkst, klingt gar nicht blöd. Im Gegenteil. Ich hab öfter meine liebe Müh und Not mit Umgebungsbeschreibungen, weil ich dazu tendiere, die völlig wegzulassen, von daher freut mich das besonders.

Die Kritik ist auch notiert. Danke für die ganzen ehrlichen Eindrücke. Du schreibst Kommentare genau so, wie ich mir die wünsche. Da kann sich jeder Autor, der einen von dir erhält, echt glücklich schätzen.^^

PS: Thor und Sherlock kann ich dir nur wärmstens empfehlen ;)


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