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Wolfgang und Juli

Begegnung im Park
von

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Kein Verlass

Mist, was jetzt? Ich legte den Arm über meine Augen.

„Yuri, was ist? Hast du immer noch Kopfschmerzen?“

Ich nickte, das stimmte zwar nicht, aber egal. Vielleicht wurde ich ihn auf diese Weise los.

„Soll ich dir noch eine Tablette holen?“

Ich schüttelte den Kopf, „nein, nur ein wenig Ruhe – das wäre nett.“ Ich blinzelte unter dem Arm durch. So wie ich ihn kannte...nein, er war nicht beleidigt, sondern nickte sogar verständnisvoll. Das war schon überraschend.

„Ich lasse dich ein wenig allein“, sagte er an der Tür.

Ich nickte, genau das wollte ich.

„Wir haben ja noch später alle Zeit der Welt.“

Oh nein, ganz bestimmt nicht.

Denk nach, Shibuya. Also – im Grunde war nichts passiert. Okay, das bisschen tanzen, wieso nicht. Und geküsst, na gut, damit konnte ich zur Not auch noch leben, irgendwelche Liebesgeständnisse – die waren selbstverständlich auf die Droge zurück zu führen. Gut, dass ich nicht Amok gelaufen war. Und gut, das ich keinen Herzfehler oder so etwas hatte, schlimm genug, das jemand verantwortungslos genug war, das zu machen. Die reinste Körperverletzung. Ich schüttelte den Kopf. Wenn das keine Anzeige wert war, was dann? Obwohl ich es eigentlich lieber vergessen hätte. Aber da musste ich wohl oder übel durch.

Blieb noch das Problem mit Wolfram. Ich seufzte, als ich daran dachte, dass ich ihm sagen musste, das er überhaupt nicht mein Darling war. Letztendlich konnte er am Wenigsten dafür. Und er hatte sich um mich gekümmert. Wenn nicht, wenn er mich alleine gelassen hätte, wer weiß was dieser Typ da mit mir vorgehabt hatte. Gewissermaßen stand ich in seiner Schuld. Ein schrecklicher Gedanke schoss mir plötzlich durch den Kopf. Bedeutete das Ganze hier etwa, Wolfram war verliebt in mich? Ich meine – so richtig – ernsthaft?

Körbe zu verteilen war noch nie meine Stärke gewesen. Ich war sogar ein echter Feigling darin. So musste man das wohl sehen. Ich wollte einfach niemanden verletzen, aber im Endeffekt lief es immer darauf hinaus, dass ich alles noch schlimmer machte, als es ohnehin schon war.

Ich drehte mich zur Seite und schloss die Augen. Mit Männern kannte ich mich nicht aus. Vielleicht konnte mir Antoine einen Rat geben. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
 

Beim Aufwachen wusste ich zuerst nicht, wo ich eigentlich war. Neben mir spürte ich etwas Warmes, dass mir fast die Luft abschnitt. Ich versuchte mich zu befreien, und bei näherer Betrachtung stellte sich das Etwas als Wolfram heraus. Was machte der denn hier? Und warum so nah? Mein Hemd war fast nass geschwitzt. Mit einem Ruck befreite ich mich von der Daunendecke. Puh, das war schon besser, jetzt eine Dusche, eigentlich fühlte ich mich einigermaßen wohl. Mit den Füßen trat ich die Decke nach unten, dort lag auch noch was. Ich hob den Kopf. Wolfgang und Juli lagen genauso dicht an unseren Füßen beieinander wie Wolfram bei mir und ließen sich durch meine Tritte genauso wenig stören wie Wolfram durch meine Bewegungen.

Vorsichtig sah ich mich nach weiteren Mitschläfern um, möglicherweise lagen Murata Ken und Antoine auch noch irgendwo herum. Zum Glück nicht. Behutsam nahm ich Wolframs Hand von meinem Oberarm, den er festhielt, um aufzustehen. Die Dusche war unten, das wusste ich ja. Kaum hatte ich meinen Oberkörper halb aus dem Bett gehoben, als sich ein Arm um meinen Hals schlang und mich zurück zog. Erschrocken sah ich ihn an und wollte schon zu einer Erklärung ansetzen, aber – er schlief. Ich entspannte mich wieder. So wie es aussah kam ich hier nicht so einfach weg, also war es vermutlich das Beste einfach zu warten, bis die anderen auch wach wurden.

Wolfram hatte – zugegeben - einen festen Griff. Ich tauschte meinen Hals wieder gegen meinen Arm und rückte mir das Kissen zurecht. Irgendwie verrückt das Ganze. Ich lag hier in einem fremden Bett, mit einem fremden Kerl und einem fremden Hund in einem fremden Haus und – ich drehte den Kopf zur Seite. Dabei hatte ich nur meinen oder besser unseren Freund Antoine moralisch unterstützen wollen. Warum musste mir immer so etwas passieren, wenn ich eine gute Tat begehen wollte? Ich hätte den Drink ablehnen sollen. Normalerweise trank ich keinen Alkohol. Zum einen schmeckte er mir nicht, zum anderen wurde mir davon komisch im Kopf. Ich wollte nur höflich sein. Ich schielte zu Wolfram. Der hätte den Drink sicher abgelehnt. Vielleicht sogar entrüstet. Ich Idiot hatte mich auch noch bedankt. Unwillkürlich musste ich an meinen Onkel denken. Das er mich mochte, wusste ich, aber gerade deswegen regte er sich immer über mich auf. „Man könnte glauben, du kommst vom Mond“, hatte er mit mir geschimpft.

Was er in dem Moment damit gemeint hatte, war mir nicht klar gewesen. Bestimmt hielt er mich nicht für ein Mondmännchen. Weltfremd, war wohl der passende Ausdruck. Aber auch, wenn das stimmte, wie sollte ich es ändern, und – wollte ich das überhaupt?

Wolfram begann sich neben mir zu regen. Ich war erleichtert, dass er aufwachte, mittlerweile musste ich nämlich nicht nur unter die Dusche. Meine Erleichterung verwandelte sich schnell in Verwirrung, anstatt aufzuwachen, drängte er sich noch dichter an mich und fing an zu schnurren wie eine Katze. Ich bewegte mich auf den Bettrand zu und Wolfram folgte mir. Als ich beinahe vom Bett fiel, gab ich auf. Verärgert sah ich zu Wolfgang. Immer wenn ich frei hatte und hätte ausschlafen können, weckte er mich in aller Frühe. Und jetzt schlief er wie ein Stein. Auf diesen Hund war einfach kein Verlass. Jeden meiner Freunde, die zu Besuch kamen, bellte er wütend an. Darum machte es mir auch nichts aus, als ich einen nervigen Vertreter ins Haus ließ. Dachte ich doch, Wolfgang würde ihn vertreiben, aber anstatt ihn anzubellen, blieb er auf seiner Decke liegen und tat, als ginge es ihn nichts an während ich die größte Mühe hatte, dem Mann klar zu machen, dass ich keine Versicherung bräuchte, und ihn wieder los zu werden. Zwei Stunden Zeitverschwendung. Nein, auf Wolfgang war wirklich kein Verlass, - und auf Wolfram?



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