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Alles nochmal?

von

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Mitbewohner

Roger blieb mitten in einem Gang vor einer der Türen stehen und klopfte an.

Als keine Antwort kam, seufzte der Aufseher und drückte die Türklinke herunter.

Langsam öffnete sich die Tür, die zu Lights neuem Zimmer führte, und er blickte neugierig in sein neues Reich.
 

Das Zimmer schien weder besonders groß, noch klein zu sein und war eher spärlich eingerichtet.

An der Wand standen zwei Betten, von denen eines unberührt und frisch gemacht aussah, während die Decken und Laken des anderen verknittert und zusammengeknautscht am Fußende lagen, so als wäre jemand aufgestanden und hätte anschließend nicht daran gedacht, sein Bett zu machen.
 

Light zog unwillkürlich die Nase kraus.

Na toll, er würde also mit einem unordentlichen Chaoten zusammen leben dürfen.

Als ob die Monate, die er an L gekettet gewesen war, nicht schon schlimm genug gewesen wären…

Mit einem Schaudern dachte er an all die auf dem Boden herumliegende Kleidung und Kekskrümel im Bett zurück.
 

An der hinteren Wand, an der große Fenster, die den Blick auf eine weite Spielwiese und einer großen Buche direkt vor der Glasscheibe freigaben, angebracht waren, standen zwei Schreibtische.

Und über einen der beiden Schreibtische saß eine vornübergebeugte Gestalt, die ihnen den Rücken zugewandt hatte, sodass nur der weiße Pulli und der schwarze, wuschelige Haarschopf zu sehen waren.
 

schwarzer Haarschopf….weißer Pulli….
 

Light blieb wie erstarrt stehen und war unfähig sich zu rühren.

Er hielt für einen Augenblick die Luft an, als er die Figur fassungslos anstarrte und er für den Bruchteil einer Sekunde nicht mehr in der Lage war, einen richtigen Gedanken zu fassen.

Sein Mund wurde trocken und die Hände wurden feucht, während er noch immer hilflos zu verarbeiten versuchte, was er dort sah.

Dieser Anblick war ihm so vertraut, als hätte er es gestern erst gesehen, auch wenn es in Wirklichkeit mehrere Jahre gewesen waren. (Wenn man die Begegnung im MU nicht mitzählte.)

Wäre er nicht so überzeugt von seinem Verstand gewesen, so hätte er vermutet gehabt, dass dieser ihm einen Streich spielte.
 

Das konnte doch nicht sein, dass er ausgerechnet mit ihm ein Zimmer teilen würde.

Er war doch kein Waisenkind mehr.
 

Light verstand für einen Moment überhaupt nichts mehr –ein Gefühl, mit dem er absolut nicht vertraut war und welches ihn unangenehm hilflos ließ.
 

Langsam, wie in Zeitlupe, drehte sich die Gestalt um und Light hatte das Gefühl endlich wieder durchatmen zu können.
 

Das war nicht L.
 

Obwohl der Großteil der Gesichtszüge identisch mit dem des Detektivs war, konnte er trotzdem leichte Unterschiede erkennen.

Sein Gesicht war ein wenig runder, seine Lippen hatten eine etwas andere Form und seine Nase war nicht ganz so spitz.

Doch der größte Unterschied waren seine Augen.

Auch wenn sie beinahe genauso dunkelgrau waren wie Ls, so lag darin doch etwas Irres, fast schon Wahnsinniges, das Light einen kurzen Schauer über den Rücken jagte.
 

„Hallo B.“, sagte Roger mit etwas streng klingendem Tonfall. „Das hier ist Kira, dein neuer Mitbewohner.“
 

Bs Mund verzog sich zu einer grinsenden Grimasse, doch anstelle Light dabei länger ins Gesicht zu sehen, wanderten seine Augen auf einen Punkt kurz über seinem Kopf.
 

Light runzelte die Stirn und blickte nach oben, ob dort vielleicht eine Fliege oder etwas Ähnliches über seinem Kopf herumschwirrte, doch es war nichts zu sehen.

Hatte der Kerl irgendwelche Persönlichkeitsprobleme und konnte Menschen nicht ins Gesicht gucken?

Wäre ja nicht der Erste in diesem Waisenhaus, der gleichzeitig auch reif für die Irrenanstalt war.
 

„Hi.“, sagte Light mit so viel Charme, wie er in seiner Irritation und seinen abfälligen Gedanken gerade aufbringen konnte, und streckte dem L-Doppelgänger die Hand entgegen. „Freut mich dich kennenzulernen.“ Immer schön freundlich sein, sodass alle denken, dass du auf ihrer Seite stehst.
 

Jetzt blickte B ihm direkt ins Gesicht und sah ihn prüfend an, als er die Hand entgegen nahm.

Light hatte allerdings das Gefühl, dass er nur auf das Händeschütteln einging, weil er wusste, dass Roger dies erwartete und nicht aus seiner eigenen Höflichkeit heraus.

Möglicherweise war er einfach genauso darum bemüht einen guten äußeren Schein zu bewahren, wie Light es war.
 

„Ich erwarte, dass du dich bei deinem neuen Mitbewohner besser aufführst und dass sich ein Verhalten wie das letzte Mal nicht wiederholen wird.“, sagte Roger scharf.
 

„Sicher.“, sagte B und zu Lights Erleichterung klang seine Stimme auch anders als die von L.

Er wusste noch nicht einmal, warum er froh war, dass sie anders klang, aber irgendetwas in ihm schien den Drang zu haben, alles, was anders war als an L, hervorzuheben, um zu verdeutlichen, dass dies auf keinen Fall L sein konnte.
 

„Also gut. Kira, ich gehe dann wieder.“, wandte sich Roger an Light. „Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, kannst du dich an B wenden oder an einen der Betreuer in diesem Waisenhaus. Wenn es Probleme gibt, ich bin in meinem Büro.“

Mit diesen Worten verschwand er und schloss die Tür hinter sich.
 

Light blickte sich ein wenig im Zimmer um.

Seine Koffer waren bereits hochgebracht und standen vor einem Kleiderschrank, von dem Light annahm, dass er für ihn gedacht war.
 

„Und du bist also der Zweitplatzierte?“, fragte er, als er begann den ersten Koffer auszuräumen.
 

„Hmh.“, bejahte B und warf sich selber auf das ungemachte Bett. „Ich hab vorher mit A zusammen gewohnt, aber… wir haben uns nicht so gut verstanden.“

Der letzte Teil klang so, als hätte B eigentlich etwas anderes sagen wollen.

Light ging aber nicht weiter darauf ein.
 

Die Tatsache, dass B so aussah, wie er aussah, machte Light zwei Dinge deutlich: erstens: B musste L schon einmal gesehen habe und zweitens: B war noch mehr von L besessen als Light.

Denn dass er ein wenig von L besessen war, das musste Light wohl oder übel zugeben.

Wieso sonst würde er dauernd an seinen ärgsten Widersacher denken müssen und alle mit ihm vergleichen?

Verdammt, er war das Letzte gewesen, was er vor seinem Tod gesehen hatte. Wenn das nicht besessen war, dann wusste er auch nicht weiter.
 

Allerdings galt seine größere Besessenheit dem Death Note und dem Plan, sein ursprüngliches Ziel einer perfekten Welt doch noch zu erreichen.
 

Er konnte B allerdings nicht fragen, wann ihm L begegnet war, da er sich somit verdächtig machen würde, weil er eigentlich gar nicht wissen durfte, wie L aussah.
 

Aber vielleicht konnte er die Frage etwas subtiler stellen.
 

„Und wir trainieren jetzt also alle dafür, eines Tages Ls Nachfolger zu werden.“, begann er langsam und beobachtete B dabei aus den Augenwinkeln heraus. „Aber ich finde, dafür, dass das jetzt unser Hauptlebensinhalt sein soll, wissen wir viel zu wenig über ihn. Ich würde ihn ja zu gerne mal treffen.“
 

B erwiderte nichts darauf, also redete Light weiter.
 

„Hast du ihn schon mal getroffen?“
 

B zuckte mit den Schultern.

„Nein.“, sagte er. „Richtig getroffen hat ihn noch keiner von Wammys Kindern.“
 

Light unterdrückte ein Zähneknirschen.

Ich weiß, dass du lügst, du Mistkerl. Du musst ihn getroffen haben.
 

„Wenn du sagst, dass ihn noch keiner „richtig getroffen“ hat, was meinst du dann damit? Kann man ihn auch „nicht-richtig“ treffen?“
 

„Manchmal kommen von L geschickte Inspekteure vorbei, die sich den Stand der Kinder und des Waisenhauses ansehen sollen. Es gehen dabei immer Gerüchte um, dass L selber manchmal auch unter ihnen ist. Das heißt, es ist durchaus möglich, dass man ihn schon gesehen hat, man kann es aber nicht mit Gewissheit sagen.“, meinte B.
 

‚Doch B, du kannst es sogar ganz genau mit Gewissheit sagen, dachte Light und verengte die Augen zu Schlitzen. Du kannst mir nicht erzählen, dass du dein gesamtes Aussehen veränderst um wie jemand auszusehen, von dem du nur vermutest, dass er L sein könnte. Nein, du musst einen Weg gefunden haben um es mit Sicherheit sagen zu können.
 

Was genau das für ein Weg gewesen sein sollte, konnte Light allerdings noch nicht sagen und dies ärgerte ihn gewaltig.
 

B streckte sich und stand auf.
 

„Ich klaue mir mal ein Glas Erdbeermarmelade aus der Küche.“, meinte die L-Kopie lässig und ging zur Tür. „Bis später, kleiner Light.“
 

Light erstarrte, als er seinen eigenen Namen hörte.

Mit weitaufgerissenen Augen starrte er den anderen Teenager an, der ihm ein leicht irre wirkendes Grinsen zuwarf und anschließend, zufrieden mit der geschockten Reaktion, die er bekommen hatte, pfeifend das Zimmer verließ.
 

Hatte der Bastard etwa in seinen Akten rumgeschnüffelt?

Anscheinend schien die Geheimhaltung der Identität hier doch nicht so gut zu funktionieren, wie es geplant war.

Vermutlich hätte er früher hier sogar, wenn er nur gründlich danach gesucht hätte, Ls wahren Namen herausfinden können.
 

Plötzlich erstarrte Light geschockt und ließ den Stapel Hemden, den er in der Hand hatte, auf den Boden fallen.
 

B hatte ihm als aller erstes, nachdem er sein Gesicht gestreift hatte, auf die Stelle kurz über seinem Kopf hingesehen.
 

Über seinem Kopf…
 

Genauso hatte es doch immer ausgesehen, wenn Misa einen Namen mit ihren Shinigami Augen gelesen hatte.
 

Konnte es möglich sein, dass dieser B auch die Augen besaß?

Damit würde zumindest auch erklärt werden können, wie B so genau wissen konnte, welcher der Inspektoren L war.

Wenn er seinen Namen lesen konnte, dann war es zu offensichtlich.

Nur ein kompletter Vollidiot würde nicht darauf kommen, dass es sich bei „L Lawliet“ um L, den Detektiv, handeln musste.
 

Aber wenn er Shinigami Augen besaß, dann bedeutete dies gleichzeitig auch, dass er den Handel mit einem Shinigami abgeschlossen haben musste.

Und das bedeutete wiederrum, dass er in der Lage sein musste diesen Shinigami zu sehen und das funktionierte nur, wenn er ein Death Note besessen hatte.

Genaugenommen musste er es sogar jetzt noch besitzen, da er mit der Aufgabe des Death Notes auch die Augen wieder verlieren würde.
 

Lights Herz schlug schneller.
 

Aber war das überhaupt möglich?

Konnte dieser Junge hier ein Death Note besitzen?
 

Es stimmte schon, dass Ryuk gesagt hatte, es sei nicht das erste Mal gewesen, dass ein Death Note in die Menschenwelt gelangt sein, doch Light hatte angenommen, dass dies schon sehr viele, vielleicht sogar hunderte Jahre her gewesen sein musste.

Ryuk hatte es damals nur aus Langeweile getan, weil die Shinigamis in seiner Welt zu träge geworden waren.

War es möglich, dass es einem anderen Shinigami vielleicht genauso ging, oder war es möglicherweise sogar Ryuk selber?
 

Nein, Letzteres war ausgeschlossen.

Ryuk hätte das Death Note nicht bei ihm damals fallen lassen, wenn er schon so kurz vorher die Erlebnisse in der Menschenwelt gehabt hätte und es war ausgeschlossen, dass sich diese Tatsache durch das Zurückdrehen der Zeit änderte.

Das Wesen hatte damals selbst gesagt, dass alle Veränderungen des Schicksals nur in der Menschenwelt vorgenommen werden können, in der Shinigamiwelt würde jedoch alles genauso ablaufen, wie bisher.

Das bedeutete, Ryuk würde das Notizbuch zu genau der gleichen Zeit wie damals und an exakt derselben Stelle fallen lassen.
 

Also musste es ein anderer Shinigami sein.
 

B hatte gesagt, dass er sich Erdbeermarmelade holen würde.

Aber welcher normale Mensch aß schon pure Marmelade?

War es möglich, dass Bs Shinigami süchtig nach Erdbeermarmelade war, so wie Ryuk es nach Äpfeln gewesen war?

Auszuschließen war es jedenfalls nicht.
 

Light spürte, wie seine Hände zu kribbeln begannen und sich sein Atem immer mehr beschleunigte.
 

Ein Death Note…
 

War es möglich, dass er gar nicht mehr dreieinhalb Jahre warten musste, bis er seinen Plan weiter ausführen konnte?
 

B hatte es bestimmt hier irgendwo versteckt.

Allerdings musste er vorsichtig sein, wenn B der Zweite in der Rangfolge war, dann war es sehr wahrscheinlich, dass seine Intelligenz beinahe an Lights eigene heranreichte.

Und Light hatte sehr extreme Vorsichtsmaßnahmen unternommen um zu verhindern, dass irgendjemand das Buch finden konnte.

Es war also nur vernünftig anzunehmen, dass B ähnliche Vorkehrungen getroffen hatte.
 

Trotzdem…. Es würde ja nicht schaden sich einfach mal die Sachen anzusehen, die sein neuer Mitbewohner ganz offen in seinen Schränken, Regalen und Schubladen hatte.
 

Fürs erste würde es ja schon reichen, wenn er irgendwo auch nur ein kleines Stück Papier des Notizbuches finden würde.

Wenn er das berührte, konnte er wenigstens den Shinigami sehen.

Vielleicht konnte er den dann dazu bestechen, dass dieser ihm verriet, wo sich das Death Note befand.

Im Shinigami-Ausnutzen und -Hintergehen hatte Light ja schon einige Übung und dieser neue Shinigami war mit Sicherheit genauso dumm wie alle anderen.
 

Selbst, wenn die Bestechung fehlschlagen sollte, hatte Light noch eine weitere Idee.

Er würde einfach in Rogers Akten nach Bs richtigen Namen suchen, den dann auf das Papierstück schreiben und dazu noch notieren, dass B vor seinem Tod das Buch aus seinem Versteck holt und es Light übergibt.

Ja, das wäre einfach.
 

Aber zuallererst musste Light das Death Note oder zumindest etwas Papier davon finden.
 

Seine Hemden lagen vergessen auf dem Boden, als er aufgeregt über sie hinweg schritt und als erstes auf Bs vollgestelltes Regal zu ging.
 

Es war unwahrscheinlich, dass das Notizbuch so offen dort zu finden war, aber man konnte ja nie wissen.
 

Während er die Reihen und Hefte einzeln durchging achtete er auf folgende Sachen:

Erstens: er lauschte angestrengt, ob sich irgendwelche Schritte auf dem Gang näherten, da er keine Ahnung hatte, wie lange Bs Marmeladen-Klau-Aktion dauern würde und er auf keinen Fall schon am ersten Tag von ihm beim Rumschnüffeln in seinen Sachen erwischt werden wollte – vor allem nicht, wenn er tatsächlich ein Death Note besaß und seinen Namen kannte.

Zweitens: er nahm wirklich jedes der Bücher und Hefte in die Hand und blätterte sie kurz durch, da es ja sein konnte, dass B das Notizbuch in einem anderen Einband getarnt hatte.

Drittens: er stellte alles wieder haargenau so hin, wie es vorher gestanden hatte.

Viertens: er stellte sicher, dass er auch jedes herumliegende Blattpapier wenigstens mit dem Finger mal berührt hatte, damit er, falls es zu dem Death Note gehört hatte, hinterher den Shinigami sehen konnte.
 

Als das Regal abgearbeitet war und noch immer keine verräterischen Fußstapfen auf dem Gang zu hören waren, wandte er sich einer Holzkiste zu, die neben Bs (Messie-)Bett stand.

Er öffnete sie und zu seiner Überraschung fand er darin nichts außer leeren, ausgewaschenen (wenigstens etwas – Light hätte auf dem Flur übernachtet, bevor er in einem Zimmer geschlafen hätte, in dem wer-weiß-wie-viele-Jahre alte, dreckige Marmelade verschimmelte) Marmeladengläser.
 

Er nahm eines heraus und sah auf das Etikett.

Erdbeermarmelade

Eine ganze Kiste voller leerer Erdbeermarmeladengläsern.
 

Es musste einfach ein erdbeermarmeladesüchtiger Shinigami sein.

Es konnte einfach keine andere Erklärung für das geben.

Kein menschliches Wesen konnte diese widerliche rote Pampe so massenhaft verzehren.

Light wollte sich zumindest nicht vorstellen, dass so etwas möglich war.

Die Zahnarztkosten mussten ja astronomisch hoch sein.
 

Als nächstes ging er zum Schreibtisch und zog die unverschlossene Schublade auf.
 

Falls dieser B ähnliche Gedankengänge wie Light hatte, dann war das Death Note hier irgendwo.
 

Die Schublade war nicht besonders voll und enthielt nichts außer ein paar stumpfen Stiften und einem kleinen Pappschächtelchen.

Er tastete den Boden ab, kam aber schnell zu dem enttäuschenden Entschluss, dass sich dort kein doppelter Boden befinden konnte.
 

B musste also eine andere Idee gehabt haben.
 

Lights Blick fiel auf die kleine Schachtel und er nahm sie vorsichtig in die Hand.

Es war eine Packung mit farbigen Kontaktlinsen.

Mit gerunzelter Stirn öffnete Light sie und holte eine der Linsen heraus.
 

Die Färbung der Linsen war dunkelgrau, fast schwarz.

Das war zumindest die Erklärung dafür, warum Bs Augen beinahe dieselbe Farbe hatten wie Ls.
 

Seufzend legte er das Paket zurück in die Schublade und schloss sie wieder.

Keine Sekunde zu früh, da er in dem Augenblick schlürfende Schritte auf dem Gang bemerkte.
 

Schnell hastete er zurück zu seinen Sachen und begann seine Hemden aufzuheben.

Er legte sie gerade ordentlich gefaltet und aufgestapelt in den Schrank, als sich die Tür öffnete und B wieder herein kam.
 

Unauffällig beobachtete Light aus den Augenwinkeln, ob er nicht vielleicht auch einen Shinigami hinter dem Teenager her schweben sehen konnte.

Doch B schien allein gewesen zu sein.

Enttäuscht räumte Light seine Hosen in den Schrank.

Unter all den Zetteln, die er berührt hatte, war also kein Stück vom Death Note dabei gewesen.
 

Wo konnte diese billige Kopie es sonst noch versteckt haben?
 

Vielleicht war ein Stück des Death Notes in seinem Portemonnaie, dort hatte Light ja auch immer einen Fetzen aufbewahrt, für den Fall, dass er es dringend einmal brauchen sollte (bevor er das geniale Uhrenersteck hatte, natürlich).
 

Er würde einfach immer weiter suchen müssen, sobald B irgendwie außer Sichtweite war.

Und solange er keine Erfolge erzielen konnte, war es unbedingt notwendig, dass er sich so unverdächtig wie möglich verhielt.
 

„Weißt du,“, begann B nach einigen Minuten des Schweigens, in denen Light sich weiterhin um seine Kleidung gekümmert und B gedankenverloren aus dem Fenster gestarrt hatte. „ich hatte eigentlich gedacht, dass du mich als erstes, wenn ich wieder hier bin, danach fragen würdest, woher ich deinen richtigen Namen kenne, Kira.“
 

Scheiße!
 

„Du hast in meinen Akten rumgeschnüffelt, stimmt‘s?“, fragte er und bemühte sich dabei, so ruhig wie möglich zu klingen.
 

B zuckte nur die Schultern.
 

„Vielleicht.Vielleicht auch nicht.“, meinte er und setzte sich auf sein Bett.
 

Als Light seine Socken einsortierte, sah er, wie B sich auf sein Bett nieder ließ und unter seinem weißen Pulli ein Glas mit rotleuchtendem Inhalt hervor holte.

Aufmerksam wartete er ab, was nun passieren würde.

Würde er seinen Shinigami nun etwa füttern?

Aber wie wollte er das bitte schön machen, wenn Light mitten im Raum war und zusehen konnte?
 

Ruhig drehte B das volle Glas auf und steckte den Finger hinein.

Light verzog angewidert das Gesicht, schaffte es jedoch schnell wieder, seine alte Maske aufzusetzen.

Trotzdem… konnte der Kerl keinen Löffel benutzen, wie normale Menschen?
 

Und dann…
 

Steckte er den Finger gerade etwa tatsächlich in den Mund und leckte genüsslich die zuckrige Pampe ab?
 

Es verlangte einiges von Lights Schauspielvermögen ab, sein Gesicht unberührt und unverändert zulassen anhand dieses unhygienischen Anblicks, der sich ihm bot.

B steckte doch tatsächlich den schon abgeleckten und von seinem Speichel überzogenen Finger zurück in die Marmelade.
 

Ihgitt!
 

Wer sollte denn das noch essen?

Jetzt war die fruchtige Substanz ja voll von Bs Keimen und Bakterien….
 

B schien dies jedoch nicht zu stören. Unbedacht löffelte er einen Finger nach dem anderen mit Marmelade heraus und steckte ihn in den Mund.

Dabei tropfte tatsächlich etwas von dem klebrigen Zeug von seinem Finger runter auf das weiße Bettlaken, was die L-Kopie jedoch nicht zu bemerken schien.
 

Light machte eine mentale Notiz, an all seinen Sachen Vorhängeschlösser anzubringen, da er auf keinen Fall zulassen konnte, dass klebrige Marmeladenfinger seine kostbaren Sachen befleckten.
 

Gott, reichte es nicht schon, dass B wie L aussah, musste er jetzt auch noch seine unvorteilhaften Essensgewohnheiten nachmachen?

Das war ja genau wie diese aneinander geketteten Monate damals, nur dass diesmal die Handschellen fehlten.

Wenigstens hatte L früher keine Marmelade gegessen, jedenfalls konnte sich Light daran erinnern und Lights Erinnerungsvermögen war fehlerlos.
 

Merkwürdig war es allerdings schon, dass B die Marmelade selber aß.

War sie nicht für den Shinigami bestimmt gewesen?
 

„Ich glaube, es ist unhöflich andere beim Essen so anzustarren.“, bemerkte B plötzlich und Light schreckte aus seinen Gedanken auf.
 

„Entschuldige, ich...“, begann er, ohne so recht zu wissen, was er eigentlich sagen wollte.
 

„Oder willst du auch etwas? Hier.“ B hielt Light das halbleere Marmeladenglas entgegen.
 

Für einen Moment starrte Light die unheilige Mischung aus süßem Klebstoff und Speichel fassungslos und mit einem Ausdruck von absolutem Horror auf dem Gesicht an.
 

Meinte er wirklich er würde….?... Nachdem er seinen Finger?.... Urgh….
 

„Äh, nein danke.“, sagte Light und bemühte sich um das höflichste Lächeln, das er aufbringen konnte. „Der Tag war so aufregend für mich, da habe ich irgendwie einfach keinen richtigen Hunger. Vielleicht ein anderes Mal.“ …wenn die Hölle zufriert.
 

„Dann eben nicht.“, murmelte B und widmete sich selber wieder dem süßen Brotaufstrich.
 

Light atmete tief durch und nahm sich ein Buch aus seiner Tasche.

Er musste das Death Note so schnell wie möglich finden, soviel stand fest.

Vorsichtig setzte er sich auf sein noch ordentlich gemachtes Bett und bemühte sich, dabei die Decke nicht zu sehr zu verknittern.
 

Er würde einfach jede Minute, in der B nicht im Zimmer war, dafür nutzen, das Notizbuch zu suchen und danach, falls der Teenager es doch irgendwo anders versteckt haben sollte, würde er das gesamte Waisenhaus und das dazugehörige Grundstück durchkämmen.

Irgendwo musste es sich schließlich befinden, da war er sich sicher.
 


 


 

Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal^^



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