51. Frosch
Irgendwann gewöhnte man sich daran, ein Frosch zu sein.
Er hatte sich am Anfang sehr schwer damit getan, schließlich war die Verwandlung eine Degradierung ohne Gleichen gewesen. Vom Traumprinz (und ja, er war jetzt einfach mal so dreist, sich als solchen zu bezeichnen) zum kleinen, grünen Viech - das war definitiv nicht die Art von Karriereänderung, die ihm vorgeschwebt war.
Nein, dieses unglückliche Missgeschick mit der boshaften Hexe aus dem Schloss nebenan war nicht so geplant gewesen.
Aber wer hätte auch ahnen können, dass die alte Schrulle tatsächlich darauf bestehen würde, dass er ihre Tochter heiratete? Ohne ihr nahetreten zu wollen, sie hätte doch wissen müssen, dass dies ganz und gar unmöglich war. Nicht nur, weil sie aus keiner Adelsfamilie stammte, sondern sie war auch noch überhaupt nicht sein Typ!
Ja, er hatte genaue Vorstellungen, wie seine Angetraute auszusehen hatte. Nun ja, "hatte gehabt" wäre wohl die Zeitform, die er korrekterweise wählen musste, wandelte er nun doch in einer anderen Erscheinungsform durch diese Welt. Und in dieser die Dame seiner Träume zu erobern, dürfte sich als Ding der Unmöglichkeit erweisen.
Nicht nur, dass er nun klein und grün war, er war noch nicht einmal mehr in der Lage, sich ordentlich und für Menschen verständlich zu artikulieren! Alles, was aus seinem Mund kam, wenn er versuchte, einen einfachen Satz von sich zu geben, waren unsägliche Quaklaute.
Von der Art, wie er sich ernähren musste, wollte er gar nicht anfangen. An den Geschmack von Fliegen und anderen Insekten hatte er sich bis jetzt immer noch nicht gewöhnt.
Er seufzte, was sich für den Außenstehenden nach einem erstickten „Quaak“ anhörte. Ja, es war nicht leicht, in seiner Haut zu stecken. Wirklich nicht.
Mit einem Schaudern erinnerte er sich an seine ersten Tage in der neuen Gestalt. Er war von den Bediensteten vor die Tür gejagt, beinahe von einem Storch als Mittagshappen verspeist und zu allem Überfluss auch noch fast von einer Kutsche überrollt worden. Hätten ihm nicht die Reflexe und Instinkte des Tieres, dessen Körper er nun bewohnte, beigestanden, dann wäre er wohl innerhalb weniger Tage verhungert.
Inzwischen gab es aber so etwas wie Routine in seinem Alltag. Nachdem er den kleinen See gefunden hatte, an welchem er sich nun aufhielt, hatte er diesen zu seiner Operationsbasis erklärt. Hier gab es Wasser, Futter und vor allem einen sicheren Unterschlupf, wenn er sich von den Strapazen eines Frosch-Tages erholen musste.
Und von hier aus war es auch gar nicht so weit zum Schloss, welches er einmal sein Zuhause genannt hatte, und auch nicht zu der Behausung der Hexe. Er musste herausfinden, wie er diese Verwandlung rückgängig machen konnte, da war der Ausgangspunkt, an dem er suchen sollte, doch definitiv an dem Ort, an dem der ganze Schlamassel angefangen hatte, oder?
Dummerweise hatte die Hexe ihm bei seiner Verwandlung keine in die Richtung verweisenden Informationen gegeben, so wie es immer in den Geschichten passierte. Aber das war wohl der Unterschied zwischen Realität und Geschichte: Es lief nicht alles nach den Wünschen des Helden.
Bis jetzt war auch noch keine seiner Unternehmungen von Erfolg gekrönt gewesen, aber er würde nicht aufgeben.
Man gewöhnte sich zwar daran, ein Frosch zu sein, das änderte aber nichts an seinem Wunsch, wieder in seinen alten Körper zurückzukehren. Und, das hatte er sich geschworen, dann würde die alte Hexe ihre gerechte Strafe erhalten.