Das erste, woran ich mich erinnern kann, sind zartrosa und weiße Blütenblätter, die leise herabfallen. Und die beiden Frauen, die in diesem Blütenregen stehen. Die eine lacht, kindlich erfreut, dreht sich im Kreis; die andere, mit hellblondem Haar, lächelt ihr dabei zu, während ihr Blick nicht von ihr weichen will.
Als sie sich irgendwann zum Gehen wenden, streicht die blonde Frau ihrer Begleiterin sanft durchs Haar. Dann reicht sie ihr die Blüte, die sie aus dem dunklem Haar gestriffen hat und lächelt.
Die beiden sehen sich eine Zeitlang an und gehen dann in gegenseitiges Lächeln versunken davon. Ich kann mich jetzt wieder auf das Wachsen konzentrieren, denn ein paar der Blütenblätter kommen von mir. Da bei mir nichts mehr an Pollen und Nektar zu holen ist, habe ich sie fallen lassen und dabei dann die Beiden beobachten können. Es war nicht das letzte Mal, dass ich sie sah.
Die mit dem hellen Haar sah ich noch ab und an. Sie schaute nach uns, pflegte den Baum, sah zu, wie wir wuchsen und achtete darauf, dass wir ungestört blieben. Hin und wieder sah ich auch die andere. Einmal brachte sie anscheinend etwas zu trinken mit, ein anderes Mal trafen sie beide sich an einem sonnigen, warmen Tag hier, um in dem nahen Teich zu schwimmen. Es war der eine Tag, der alle paar Tage war, an dem wenige bis keine Menschen hier waren, wenn nur mal ein oder zwei.
Die Blonde zog sich völlig aus, um nackt zu baden und nach einiger Zeit hatte sie ihre Begleiterin wohl überzeugt, es ihr gleichzutun. Sie tobten und plantschten eine ganze Weile und legten sich im Anschluss gemeinsam auf eine mitgebrachte Decke. Nach einer Weile lehnte sich die Blonde auf ihre Unterarme, sagte etwas und fing danach an, der anderen etwas über dem Rücken zu verteilen.
Dabei beugte sie sich dann irgendwann wieder zu dem Kopf der anderen, schien wieder etwas zu sagen, worauf diese hochschreckte und sich mit hochrotem Gesicht anzog und ging. Dabei sagte sie etwas, was der Blonden wohl nicht so gefiel, denn diese blieb sitzen und sah ihr traurig hinterher.
Danach kam die mit dem dunklen Haar nicht wieder vorbei. Wir aber wuchsen weiter, erreichten unsere Endgröße und mussten nur noch so viel Sonne tanken, wie uns möglich war. Die Blonde war einige Zeit etwas anders als sonst, sie wirkte trotz des schönen Wetters leicht betrübt. Dennoch war sie dieser Tage da und kam mit ein paar anderen an meinen und an andere Bäume. Mit Leitern und anderen Dingen arbeiteten sie dann jeweils zu zweit. Einer kletterte hinauf, säuberte uns und befestigte dann sorgsam etwas, der andere reichte alles an. Als sie bei mir ankam, lächelte sie beinahe traurig, während sie, nahezu zärtlich streichend, eine Schablone an mir befestigte.
Die Zeit danach sah sie jedes Mal zu mir herauf, wenn sie vorbeikam. Wir wurden währenddessen süßer und bekamen Farbe. Die Samen in uns wurden praller, die Zeit, zu der wir uns fallen lassen würden, rückte näher. Doch bevor es soweit war, kamen wieder die Leute in Zweiergruppen und pflückten uns schnell, sorgsam und routiniert.
Wir gingen noch durch ein paar Hände und Arbeitsgänge, doch am Ende waren wir sauber, von der Schablone befreit und wurden sorgsam verpackt. Nur ich und einige andere gehörten nicht dazu. Dafür kamen am Abend dann die Blonde und einige andere, die ich die ganze Zeit über gesehen habe und jeder von ihnen nahm einen von uns mit.
Sie sah mich dieses Mal mit einem leicht hoffnungsvollen Lächeln an und nahm mich, nachdem ich in einem kleinen Karton verschwand, mit. In dieser Dunkelheit verbrachte ich dann wohl ein paar Tage, bevor sie mich wieder herausholte, um mich in einen, mit einem weichem Schal ausgekleideten Korb zu legen. Es waren auch ein paar Nüsse und Marzipan dabei. Das Ganze wurde mit einer Folie luftig umschlossen, durch die ich kaum noch etwas erkennen konnte. Doch, dass der Korb transportiert wurde, bemerkte ich.
Es dauerte ein wenig, dann wurde die Folie entfernt und ich sah die mit dem dunklem Haar wieder. Erst nahm sie mich vorsichtig staunend aus dem Korb, dann den Schal, den sie sorgsam zusammengefaltet zur Seite legte.
Die nächste Zeit rollte sie mich immer wieder nachdenklich hin und her, wenn sie da war. Am letzten Tag, an dem sie das machte, schreckte sie plötzlich auf und kam kurze Zeit später mit einer Karte und einer einzelnen Rose wieder. Nachdenklich sah sie Rose, dann Schal und mich an, um dann die Karte zu lesen.
Ihr Gesicht glich sich farblich erst der Rose an, es zeigte sich ein Lächeln, das dann in Erstaunen wechselte.
Danach vergingen wieder ein paar Tage. Die Rose stand nun in einer Vase neben mir, dem Schal und der Karte. Sie kam jeden Tag mehrfach vorbei und sah uns an.
Dann an einem Abend zog sie Schal und alles, was dazu gehörte, an und ging, nachdem sie mich und die Rose kurz anstubste, mit einem leichten Lächeln fort.
Es dauerte etwas, bis sie wiederkam, aber sie war dann nicht allein. Die Blonde begleitete sie. Sie brachten etwas Tannengrün mit, das sie neben uns auf den Tisch legten. Dabei berührten sie sich immer wieder an Händen und Schultern, um sich dann anzulächeln.
Am Ende beleuchteten nur noch einige Kerzen sanft den Raum. Auf der Couch saßen die beiden Frauen, die immer weiter zueinander gerutscht waren. Es war ähnlich dem Wachsen, eine stetig fortlaufende Entwicklung, damit endete, das sie in einem Kuss versunken dasaßen, während im Fernsehen ein rot gekleideter bärtiger Mann winkte und lachte.
Ende