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Amanda und der Zwerg

von

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Amanda staunte jedes Mal, wenn sie ihren Wintergarten betrat. Es war jetzt beinahe drei Jahre her, dass sie angefangen hatte, das seltsame Leben der Außenwelt zu studieren.

Der Wintergarten, ein riesiger Anbau am Haus mit eigener Tür, war dabei zu ihrer Menagerie geworden. Amanda blieb vor der kleinen gläsernen Tür stehen und strich ihre Röcke glatt.

Was würde sie wohl heute erwarten?

Sie drückte die Klinke herunter, ihre zierliche Hand drückte sich fest an den Griff, um die Rillen darin zu spüren. Ihr Vater hatte einen Elefantenkopf in die hölzerne Klinke geschlitzt, Amanda wusste, dass es ein Elefant war, weil ihr Vater ihr ein Buch gezeigt hatte.

Er hatte sie, damals noch kleiner als jetzt, mit langen, blonden Flechtzöpfen, auf seinen Schoß gezogen und ein Buch von seinem Schreibtisch genommen.

„Dies, Amanda“, hatte er gesagt und das Buch aufgeschlagen, „ist ein Elefant. Sie leben weit weg von hier. Dort ist es immer warm und der Boden ist staubig und trocken. Sie sind so hoch wie unser Schuppen im Garten und bestimmt zehnmal so breit wie du!“ Und er hatte ihren Bauch gekitzelt. Wie gut sie damals noch auf seinen Schoß gepasst hatte.

Amanda seufzte, erwachte aus der Erinnerung und öffnete die Tür zum Wintergarten.

Auf dem Boden, direkt vor ihr, hockte ein kleiner Mann mit einem langen roten Bart und sah missmutig auf einen glänzenden Edelstein.

„Guten Morgen!“ rief Amanda, aber das Männlein sah nicht auf. „Guten Morgen, Kurt!“ rief Amanda noch einmal und hockte sich neben das Wesen. „Ach, Amanda, du bist das“, sagte das Männlein.

„Ich dachte schon, es wäre wieder dieser Franz. So ein elender Kerl!“ Kurt hielt Amanda den Edelstein vor die Nase. „Er hat mir ganze zwei Milligramm von diesem Stein abgeschürft!“

Er hielt Amanda den Stein so dicht vor die Nase, dass er vor ihren Augen verschwamm – wozu er aufstehen musste.

„Zwei Milligramm! Kannst du dir das vorstellen!“

Amanda schüttelte brav den Kopf. Kurt nickte heftig und sein Bart wackelte dabei.

„Aber dem werde ich’s noch zeigen. Niemand schürft ungestraft an meinen Edelsteinen herum!“ Dann wurde sein Blick etwas milder und er sah zu Amanda hoch.

„Und was ist mit dir? Was hast du vor an diesem diebischen Morgen?“ wollte er wissen.

Amanda stand auf.

„Ich wollte die Feen suchen. Gestern waren sie nirgendwo zu finden, ich dachte, sie würden sich über das hier freuen.“ Sie langte in ihre Schürze und zog einen kleinen Papierbeutel heraus, öffnete ihn und zeigte den Inhalt Kurt. In dem Beutel befanden sich kandierte Früchte.

Kurt nickte bedächtig. „Aber sicher. Ich weiß zwar nicht, wozu du gerade diese nervtötende Bande hier hereinlässt, aber kandierte Früchte sind wahrscheinlich das Beste, um sie zufrieden zu stellen. Vor dir haben sie sich vielleicht gestern versteckt, aber schau!“

Er teilte seinen Bart, um Amanda sein Kinn zu zeigen. Darauf waren zwei winzige rote Punkte zu sehen.

„Sie haben mir zwei Barthaare ausgerissen, diese Biester! Wirklich, unverschämtere Kreaturen findest du nur im Wilden Wald“, brummte er. Amanda nickte und verkniff sich ein Lächeln.

„Ich muss weiter, Kurt, damit ich die Feen noch finde.“ Kurt nickte nur, er hatte sich plötzlich wieder seinem Stein zugewandt. In derselben Haltung, wie Amanda ihn zuvor gefunden hatte, saß er da, die Beine von sich weggestreckt und betrachtete mit zusammengekniffenen Augenbrauen die winzigen Schleifspuren an seinem Edelstein.

Amanda ging weiter. Zwerge waren die Lieblinge ihres Vaters, aber Amanda konnte sich in ihrer Nähe nur schwer das Lachen verkneifen. Zwerge waren überall dafür bekannt, dass sie nur meckerten und sich beschwerten, den ganzen Tag lang. Bei den Zwergen galt es als eine Art Volkssport, solange über ein Thema zu schimpfen, bis einem nichts mehr einfiel.

Die Wettkämpfe, die dazu in Bergheim stattfanden, dauerten oft mehrere Tage.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mettabun
2012-10-18T16:53:40+00:00 18.10.2012 18:53
Eigentlich schade um die Zeitgrenze, denn der Ansatz gefällt mir sehr gut!
Ich hätte gerne gewusst, wie es mit Kurt und Amanda weitergeht und ob die Feen ihre Früchte bekommen.
Aber Bravo wegen der schönen Charaktergestaltung von Kurt, dessen ulkige Weise mir schon jetzt ans Herz gewachsen ist!



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