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Schokoladendiebe

Ein Adventskalender (2012)
von

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Zunderhölzchen

Zunderhölzchen
 

Sie musste sich daran erinnern, dass sie dem Streichholz nicht mit Vorsicht behandeln musste, wenn sie es anriss. Sie musste keine Rüksicht darauf nehmen, dass sie ihm wehtat - im Gegenteil. Je sanfter sie damit umging, desto mehr verlängerte sie sein Dasein, und es musste warten, um seinen Zweck zu erfüllen. Hätte Mathilda eine Ahnung vom Zweck, den sie im Leben erfüllen sollte - sie wollte auch nicht warten. Sie schmunzelte leise über sich selbst und schüttelte den Kopf über sich selbst. Manchmal war Gewalt angebracht, zumindest wenn es Streichhölzer betraf.

Sie atmete tief durch und sammelte sich - die Aufgabe war nicht scher. Sie konnte es. Sie sie schon oft erfüllt, ohne auch nur im Geringsten über die Handlung nachzudenken - warum fiel es ihr dann nun so schwer?

Der Adventskranz vor ihr wartete bloß darauf, mit dem ersten Licht den großen Countdown bis Weihnachten einzuleiten. Sie musste die Kerze bloß anzünden. Die junge Franzosin nahm den schmalen Pack Zunderhölzchen zur Hand, doch zögerte über dem geöffneten Deckel, ihre Hand verharrte über den schmalen Hölzchen. Sie wusste eigentlich noch nicht einmal, ob sie daran glauben konnte, was die vier Kerzen auf dem Kranz symbolisierten - ein Erlöser sollte kommen? Sie hatte den Glauben an eine 'Erlösung' verloren, als ihre Tante im Krankenhaus vor sich hin gesiecht war und ihr keiner der Ärzte hatte Erlösung verschaffen können.

Mathilda betrachtete den Adventskranz eindringlich, versuchte, in den verschlungenen, benadelten Zweigen einen Sinn zu erkennen, welcher sich ihr bislang verschlossen hatte. Claude hatte den Kranz vor zwei Tagen auf ihrem Tisch platziert als er vorbeigeschaut hatte, um sich zu verabschieden und sie und Miguel nochmals in eine der Pariser Discotheken zu schleppen. Er kehrte für die nächsten drei Monate zurück in seine Heimatstadt in der Bretagne, um seinem Vater unter die Arme zu greifen. Sie selbst hatte beinahe vergessen, dass die Adventszeit hereinbrach,obwohl ihre Mutter in jedem Jahr die Kerzen entzündet hatte, genauso wie ihre Großmutter.

Mathilda lächelte in sich hinein und nahm ein Streichholz zwischen die Finger. Jedes Mal, wenn sie eine Packung Zunderhölzchen zur Hand nahm, musste sie an das Märchen vom Mädchen mit den Zunderhölzchen denken. Sie hatte geweint, als sie die Geschichte zum ersten Mal gehört hatte, und noch viele weitere Male - selbst als sie das Märchen auswendig mitsprechen konnte, wenn ihre Großmutter es ihr vorlas, und eigentlich wusste, was sie erwartete.

Der Französin schauderte, und riss das kleine Licht an, welches kurz flackerte, ehe es aufleuchtete. Das Feuer fraß sich schnell über den kurzen Holzschaft, und die Rosahaarige beeilte sich, es auf den Docht der Kerze zu übertragen.
 

"Was machst du da?", Miguel war hinter sie getreten und betrachtete das Flackern der Kerze im halb abgedunkelten Wohnzimmer. Mathilda zuckte mit den Schultern. "Ich hab' die erste Kerze angezündet", erklärte sie und wollte sogleich die Augen über sich verdrehen, weil sie klang wie ein kleines Kind. Der Spanier ließ ein leichtes Lachen hören und ließ sich neben sie auf den Teppich gleiten. Auf dem Couchtisch vor ihnen thronte der Adventskranz, mit dem einen kleinen Licht, welches wohlige Wärme zu verbreiten schien, während der schmale Streifen Himmel, den sie durch ihr Fenster erkennen konnten, helles Grau zur Schau trug.

"Glaubst du an Erlösung?", erkundigte sich Mathilda leise, während sie die Kerze betrachtete, die Knie eng an den Körper gezogen und ihre Arme darum geschlungen. Miguel zuckte bloß mit den Schultern, schien nachzudenken. "Ich glaube eher an Hoffnung", erwiderte er und wandte sich ihr zu, "Warum fragst du?"

Mathilda schüttelte den Kopf. "Nicht so wichtig", erklärte sie, ein schiefes Lächeln auf den Lippen, ehe sie sich nochmals dem Kerzenlicht zuwandte. Vielleicht war es nicht die Erlösung selbst, auf die sie warteten, wenn sie die Kerzen entzündeten. Vielleicht war es die Hoffnung auf das Licht, die sie durch die dunkle, graue Phase des Winters geleitete, bevor Schnee fiel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  kylara_hiku_Lamore
2012-12-03T21:00:34+00:00 03.12.2012 22:00
ich komm immer erst einen tag später zum lesen!! =)

Mal wieder eine gleungene kurzgeschichte. besonders der letzte absatz hat mir gut gefallen.

wirklich faszienirend wie du hir die botschaft der weihnacht und die religiösen hitergründe mit Beyblade charakteren verbindest. du hauchst ihnen so richtig leben ein.
Von:  chaoticgirl
2012-12-02T16:39:59+00:00 02.12.2012 17:39
Das war jetzt aber ein trauriges Türchen.
Vor allem, weil du das mit dem Märchen erwähnt hast.
Als ich es das erste mal gelesen hatte, musste ich auch weinen.
Na ja, Mathilda hat ja noch 22 Tage Zeit, um in Weihnachtsstimmung zu kommen.
Und ob dann der Erlöser kommt, oder nicht ist nicht so wichtig. Dann kann sie sich immer noch darauf freuen, mit den Menschen, die man mag und liebt zusammen zu sein und mit ihnen zu feiern.
Muss ja nicht an die Geburt Christi glauben, man kann ja einfach nur feiern, dass alle da sind und dass es allen gut geht.
Deine

chao


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