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Schokoladendiebe

Ein Adventskalender (2012)
von

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Familienalbum

Familienalbum
 

Es war nur eine Kleinigkeit. Nichts Besonderes, sagte er sich, während er seine wenigen Habseligkeiten nach besagtem Objekt durchsuchte. Er verwahrte es an einem speziellen Ort, von welchem nur er etwas wusste, und wo es möglichst sicher vor allem war. Sonne, die bleichte. Regen, der das Trägermaterial zerstörte. Nur vor der Zeit konnte er es nicht schützen. Die Zeit, die verschwommen werden ließ und vergilbte und alles etwas unscharfer machte.

Er musste nicht lange danach suchen – seine Seite des Schranks war aufgeräumt und fein säuberlich geordnet, und er wusste, wo er was verwahrte. Dies war ihm angewöhnt worden, und er hatte es dermaßen verinnerlicht, dass er es schon nicht einmal mehr bemerkte, wenn er selbst seine Schmutzwäsche noch zusammenfaltete, auch wenn Mao ihn darum belächelte.

Und dann hielt er es plötzlich in den Händen – das gesuchte Objekt lag leicht in seiner Hand, klein und praktisch und ein Schatz, obwohl das Papier der Fotografie vergilbte und die Farben immer weiter erbleichten. Boris atmete tief durch und strich über die glatte Oberfläche des Bildes, so wie früher, als er des Nachts in den großen lauten Schlafsälen nicht hatte schlafen können und sich nach dem warmen Arm seiner Mutter gesehnt hatte. Er war meistens zu Yuriy ins Bett gekrochen, weil er es nicht ausgehalten hatte, und der kleine Rotschopf und er hatten sich aneinandergekuschelt, gegen Kälte und Frost und die Kälte in ihnen einander im Arm gehalten. Boris lächelte schief und schüttelte den Kopf über sich selbst.

Dennoch blieb er sitzen, auf dem breiten Bett, welches er inzwischen auch teilte, und betrachtete das Foto seiner jungen Mutter, welche ihn auf dem Arm hielt, in einem jüngeren Format allerdings. Sein Vater war niemals dagewesen. Vielleicht war er nach seiner Geburt gegangen, vielleicht vorher – Boris wusste es nicht. Er wollte es auch nicht wissen. Seine Mutter war da gewesen. Und seine Tante, die Schwester seiner Mutter.

Er erinnerte sich noch lebhaft an ihr Lachen und die Lieder, welche sie ihm vorgesungen und beigebracht hatte.
 

Als Mao stunden später nach Hause kam, traf sie den Silberhaarigen auf dem Bett sitzend an, ein vergilbtes, zerknittertes Foto in der Hand, ein seltsam melancholisch-entrücktes Lächeln auf den Lippen. Er blickte erst auf, als sie direkt vor ihm stand, und streichelte kurz über ihren sich langsam wölbenden Bauch, ehe er sie auf seine Höhe zog, um sie zur Begrüßung zu küssen. „Hallo“, begrüßte die Pinkhaarige ihren Lebenspartner mit warmem Lächeln, und blickte nach unten auf die Fotografie, „Betrachtest du was Besonderes?“ - „Das ist meine Mutter“, Boris antwortete ohne zögern, zog Mao neben sich aufs Bett, um ihr das Bild besser zeigen zu können. Mao lächelte warm, wusste, wie viel die Geste bedeutete und betrachtete aufmerksam das aschblonde Haar der Frau und ihre stahlfarbenen Augen. Sie fand Boris' Züge nicht wirklich in ihr. Vielleicht die Augenbrauenpartie..

„Sie ist sehr schön“, Mao blickte kurz auf, „Du siehst ihr ähnlich. Wer ist da noch mit auf dem Bild?“ Boris reichte ihr das Bild vorsichtig, um sich leicht nach hinten aufstützen zu können und blickte an die gegenüberliegende Wand. „Meine Tante Natalja.. Ich dachte..“ Er zögerte, schien zu überlegen, und Mao legte erwartungsvoll den Kopf schief. „Spuck's schon aus“, sie zwinkerte schelmisch.

„Ich dachte.. das Bild wäre vielleicht etwas für unser Familienalbum?“

Es war nur eine Kleinigkeit. Nichts Besonderes, sagte er sich, bloß ein Bild, welches die Zeit schon als ihr Eigentum gekennzeichnet hatte. Trotzdem lächelte er leise, während er Mao beobachtete, wie sie das Foto von ihm und seiner Mutter neben das von ihr und ihrer Familie klebte. Anschließend schlug sie das frisch begonnene Familienalbum zu. Nicht mehr lange, und sie würden viele erste Momente dokumentieren können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Zara_
2017-07-21T14:24:57+00:00 21.07.2017 16:24
Ich liebe dieses Pairing :) schön geschrieben!
Antwort von:  FreeWolf
22.07.2017 21:10
Danke für deinen Kommentar! :) Das freut mich sehr zu hören!


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