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I wish you'd stay

Ein Taito-Krimi
von

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Nächtliche Besuche

Kapitel 9 – Nächtliche Besuche
 

Ein wenig perplex blinzelten ihm braune Augen entgegen. Das panische Gefühl des Verfolgtwerdens fiel von ihm ab und wich einer freudigen Erleichterung. Was für ein Zufall, dass er gerade hier auf Tai traf.

"Das könnte ich dich auch fragen!"

Matt grinste leicht. "Ich bin aus dem Gefängnis ausgebrochen."

Tai schüttelte den Kopf. "Du bist unmöglich. Ich hab' gehört, dass irgendein Verrückter hinter dir her ist."

Das Grinsen wurde breiter. "Ja, habe ich auch gehört. Und jetzt hat er mich wohl gefunden."

"Da macht man sich Sorgen und dann muss man sich auch noch beleidigen lassen.", erwiderte Tai mit gespielt verletzter Miene und verschränkte die Arme.

"Du machst dir Sorgen um mich?"

"Ja." In seiner Stimme lag Ernsthaftigkeit.

"Und woher wusstest du, dass ich hier bin?"

"Wusste ich nicht... ich wollte dich in deiner neuen Wohnung besuchen... und du solltest vielleicht wirklich nicht alleine hier draußen rumlaufen, Matt."

Er stieß Tai kumpelhaft mit der Schulter an. "Ich bin ja nicht alleine."

Sie liefen nebeneinander die Straße entlang, scherzten, redeten, lachten als sei nie etwas anderes zwischen ihnen gewesen. Ihre Beziehung zueinander schien endlich wieder unbeschwert und frei zu sein. Matt war sich nicht sicher, ob das von Dauer sein würde. Wahrscheinlich handelte Tai wirklich nur aus Sorge. Aber... das hieß auch, dass er Tai nicht egal war. Nein, da war noch etwas zwischen ihnen, etwas das seinen ehemals besten Freund dazu gebracht hatte, hierher zu kommen, um nach ihm zu sehen. Und das, obwohl er von ihrem letzten Treffen geflohen war. Es war ein großer Schritt in seine Richtung. Ein Schritt, auf den Yamato gar nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Die Sache war abgeschlossen gewesen. Zumindest hatte er versucht, sich das so klarzumachen. Und es hatte ganz gut funktioniert, oder?

Wenn er jetzt so in Tais Gesicht blickte und mit ihm durch die Straßen schlenderte, konnte er für einen Moment vergessen, wie beschissen die letzte Zeit gewesen war. Vieles wurde unwichtig. Seine Gefangenschaft, der Stalker, Jules, Samantha.

Matt schloss die Tür auf und tippte den Sicherheitscode in das Panel an der Wand ein.

"Dann darf ich Sie jetzt in der Villa Alcatraz willkommen heißen." Er deutete eine Verbeugung an und machte eine präsentierende Geste. Verwundert schritt Tai an ihm vorbei nach drinnen und betrachtete die Eingabefläche der Alarmanlage. Ja, das musste schon ziemlich übertrieben wirken, oder?
 

*
 

Matt schaltete das Licht ein, wodurch erst die ganzen Ausmaße dieser riesigen "Wohnung" erkennbar wurden. Ein Meer von einem blauen Teppich markierte den Bereich des Wohnzimmers, wo mehrere Sofas und Sessel zum Herumlümmeln einluden. Die direkt angeschlossene Küche war fast genauso groß und sah aus, als sei sie einer dieser Fernseh-Kochsendungen entsprungen.

"Wow!", machte Tai wenig intelligent. Aber etwas anderes fiel ihm nicht mehr ein, als er den riesigen Fernsehbildschirm an der Wand entdeckt hatte. Fußballspiele mussten darauf eine wahre Freude sein! Wahrscheinlich fast so gut, wie direkt im Stadion.

"Hast du Hunger?", kam es von Matt herüber, der an der Küchentheke lehnte.

"Wenn du mich so fragst..."

Er grinste.
 

*
 

Kurze Zeit später hatten sie es sich mit Pizzaresten, Weintrauben, Cola und Bier auf der Sofainsel gemütlich gemacht und ließen sich von Transformers 3 berieseln.

"Du warst also tatsächlich mit einer Schauspielerin verlobt. Wahnsinn."

Matt schüttelte den Kopf. "Du könntst langsam mal aufhören, alles, was ich dir erzähle mit Worten wie 'Wahnsinn' und 'Wow' zu kommentieren und mir lieber ganz normal antworten. Tu mal nicht so, als hättest du nur in der Ecke gesessen."

Tai schluckte einen Bissen Pizza hinunter und spülte mit einem Schluck Cola-Bier nach.

"Entschuldige... naja, aber ich habe keine Heiratspläne gemacht."

"Sei froh."

"Nein im Ernst. Ich finde das alles ziemlich schwierig."

Er warf Tai einen fragenden Blick zu.

"Naja ich bin im Moment auch mit jemandem zusammen und es ist irgendwie kompliziert."

Matt seufzte. Waren Beziehungskisten jemals einfach? Er wusste es nicht. Aber alles, was in seinem Leben auch nur annähernd in diese Richtung gegangen war, war schwierig gewesen.

"Und dass er jetzt denkt, dass ich ein Verbrecher bin, macht die Sache auch nicht besser."

Matts Augenbrauen zuckten kurz nach oben. 'Er'.

Eigentlich hätte ihn das nicht wundern dürfen, aber trotzdem löste diese Information ein seltsam wirres Gefühl in ihm aus. Irgendwie hatte er wohl angenommen, dass das zwischen ihnen damals nur eine Art... Ausrutscher... gewesen war. Die Folge von zu viel Alkohol, zu vielen Hausaufgaben, Übermüdung und... naja dem obligatorischen Hormonchaos von Teenagern eben. Scheinbar war das bei Tai nicht so.

Tai schien seine Reaktion nicht bemerkt zu haben, denn er redete ungerührt weiter.

"Vor einer Woche wollte er noch mit mir zusammenziehen, weißt du, und jetzt redet er nicht mehr mit mir."

Das schien ihm schon lange auf dem Herzen zu liegen. Matt nahm noch einen Schluck Bier um seine Gedanken damit herunterzuspülen.

"Es wird sich aufklären... spätstens sobald sie den Stalker geschnappt haben. Dann ist deine Unschuld automatisch bewiesen."

"Dass ich überhaupt was beweisen muss...", grummelte Tai.

Matt nickte verstehend.

Ein wenig fühlte er sich an seine Diskussionen mit Samatha erinnert. Die ewigen Unterstellungen. Die ewigen Verdächtigungen. Als würde er sich jede Nacht zwanzig Fangirls aufs Hotelzimmer einladen. Er hatte so viel und so lange auf seiner Treue beharren können, wie er wollte - es war völlig zwecklos gewesen. Und irgendwann nur noch nervig. So etwas fraß die Liebe mit der Zeit auf und ließ nur noch unangenehme Gefühle zurück. Aber das hatte Sam nie verstanden. Am Ende hatte sie selber ihn betrogen. Wahrscheinlich als Rache für etwas, das er nie getan hatte. Menschen machten schon komische Dinge.

"Du musst ihm vielleicht mehr Zeit geben... er kennt dich scheinbar noch nicht so gut..."

"... wie du?", beendete Tai den Satz und sah ihn direkt an.

Matt begegnete dem Blick. "Ja."

Etwas lag in der Luft. Die Stimmung war auf einmal so ernst... Würde Tai jetzt wieder abhauen? Wie letztes Mal?

Ein paar Augenblicke der Wortlosigkeit vergingen. Nur die Stimmen aus dem Fernseher erfüllten den Raum, aber Matt hörte nicht hin. Er sah Tai an, als könnte er ihn mit seinem Blick dort festhalten.

Matt atmete ein und gab sich endlich einen Ruck. "Tai... es tut mir wirklich leid, dass ich damals einfach abgehauen bin. Einen guten Freund.. nein, den besten Freund... lässt man nicht so zurück. Ich war ein egoistischer Idiot und... es kommt nicht wieder vor. Versprochen." Endlich hatte er die Entschuldigung herausgebracht. Ein Teil der Anspannung ließ ihn los. Tai saß noch immer da und blickte zur Seite. Dann senkte er leicht den Kopf und Matt glaubte, ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.

"Danke, Matt."

"Ich... hole uns Nachschub." Er stand auf und huschte rüber in die Küche um dieser, für ihn irgendwie unangenehmen, Situation zu entkommen.
 

*
 

Während Matt sich mit den Küchenschränken beschäftigte, entspannte Tai sich wieder ein bisschen in seinem Sessel. Matts Entschuldigung hatte eine Last von ihm genommen, als hätte er den Stachel aus einer Wunde gezogen. Aber dieses gute Gefühl verursachte gleichzeitig wieder ein schlechtes Gewissen. Wenn Masao wüsste, dass er den Abend schon wieder mit jemand anderem, noch dazu einem anderen jungen Mann... einem Mann, dem er früher ziemlich nah gewesen war... Halt stopp! Masao war derjenige, der nicht mehr mit ihm redete und der ihn aus misstrauischen Augen ansah. Und außerdem... war Matt nur ein Freund. Kein Flirt oder so. Und das von damals war.. nun offiziell verjährt.

Während Tai den Gedanken auf diese Art habwegs gut zur Seite geschoben hatte, flimmerte etwas über den Fernsehbildschirm, das seine Aufmerksamkeit beanspruchte. Mit leicht angehobenen Augenbrauen und großen Augen starrte er den Spot an, der gerade lief. Dort sah er Matt. Den selben Matt, der grade in der Küche mit den Schranktüren klappte. Matt, der mit freiem Oberkörper enge Jeans anprobierte, eine nach der anderen. Dutzende Einstellungen, getrennt von harten Schnitten, unterlegt mit Rockmusik... Matts perfekter Hintern, seine Hüften, seine Taille, seine Schulterblätter, ein cooler Blick über die Schulter. Seine filigranen Hände am Hosenbund der Jeans und dann wie sie den obersten Knopf öffneten. Der Kontrast zwischen dunklen Jeans und heller Haut... Matts Bauchnabel... das Blitzen eines Piercings an seiner linken Brustwarze. Die Nahaufnahme eines unverschämt verwegenen Grinsens auf seinem Gesicht.

Tais Wangen fühlten sich plötzlich heiß an und in seinem Bauch kribbelte es aufgeregt. Verdammt! Ein paar Sekunden Jeanswerbung hatten ihn noch nie so aus der Fassung gebracht. Mit Schrecken registrierte er, wie Matts Schritte näher kamen. Zum Glück war die Werbung endlich vorüber.

"Alles okay?", fragte der Sänger und stellte zwei frische Bier und eine Schale Chips auf den Tisch.

"J-ja klar." Oh oh.

Matt runzelte die Stirn und betrachtete Tai eingehend.

"Sicher? Du siehst irgendwie... mitgenommen aus."

"Ach ja, das ist sicher nur der Alkohol.", log Tai schnell und grinste schief.

Matt warf ihm einen Blick zu, der klarmachte, dass er ihm nicht recht glaubte. Aber zu Tais Erleichterung hakte er nicht weiter nach.

"Dann solltest du vielleicht doch keins mehr trinken."

Beide blickten zu den leeren Cola- und Bierflaschen neben dem Tisch. Er hatte nicht wirklich viel Bier getrunken, eher Cola... aber zumindest war es eine taugliche Ausrede. Auf jeden Fall besser, als die Wahrheit. Ob er mal eben Matts Dusche benutzen konnte, oder war das zu auffällig? Sie hatten gerade erst ihre Freundschaft wiederbelebt und er geiferte hier allen Ernstes den Werbespot seines Kumpels an...

"Ja.. und wahrscheinlich sollte ich auch langsam nach Hause gehen."

Matt warf einen Blick auf die Uhr und seufzte.

"Wahrscheinlich."

Tai erhob sich. "Es war ein lustiger Abend."

Der Sänger griff nach der Fernbedienung und schaltete den Bildschirm aus. Nun lag die Wohnung im Dunkeln. Das Licht der Straßenlaternen flutete dämmrig in den Raum. Die Alarmanlage blinkte wachsam an der östlichen Wand des Zimmers. Man konnte gerade noch genug erkennen, um sich im Raum zu orientieren und nicht über irgendwelche Möbelstücke zu stolpern.

"Ja." Matt war an das Fenster nahe der Eingangstür herangetreten und blickte zwischen den Vorhängen hinaus auf die Straße. Tai hatte seine Mühe mit den veränderten Lichtverhältnissen und stolperte schließlich aus der Sofainsel heraus. Irgendwie missfiel ihm diese gedrückte Stimmung. Aber bevor er den Gedanken vertiefen konnte, bemerkte er, wie gebannt Matt auf die Straße starrte... und, dass er plötzlich die Luft anzuhalten schien.

"Matt?"

Keine Reaktion. Verwundert trat Tai neben ihn ans Fenster und lugte ebenfalls am Vorhang vorbei. Auf der anderen Straßenseite lief ein Pärchen, aus der anderen Richtung kam ein Mann mit Aktentasche... nichts, das einen so aus der Fassung bringen sollte. Oder?

"Matt?", versuchte er es nochmal. "Was ist los?"

"Da ist Sam.", flüsterte der Sänger.

Tai kniff die Augen zusammen. Sam? Nochmals ließ er seinen Blick über die Gehwege schweifen, bis er endlich auf eine einzelne Person aufmerksam wurde, die beinahe in Zeitlupengeschwindigkeit die Straße entlang spazierte und Matts Haus zu betrachten schien. Sam. Samantha. Tai schüttelte den Kopf über sich selbst. Jetzt war immerhin auch gleich das Rätsel um Matts hartnäckigen Anrufer gelöst.

Die junge Frau trug einen langen dunklen Mantel und eine Mütze. Brünette Haarstähnen lugten darunter hervor. Man konnte auf diese Entfernung nicht viel von ihrem Gesicht erkennen.

"Bist du sicher, dass sie es ist?"

"Sicher bin ich sicher."

Die Frau griff in ihren Mantel und zog eine Zigarette hervor.

"Eindeutig.", kommentierte Matt die Szene.

"Tja vielleicht... will sie dich auch besuchen?" Es musste doch nicht hinter allem gleich etwas schlechtes vermutet werden... Es brachte Matt ja auch nichts, ständig in Panik zu leben.

"Tai."

"Matt?"

Endlich löste Matt seine Starre und blickte zu ihm.

"Meine neue Adresse ist so geheim wie die Kochrezepte deiner Mutter."

"Aber-"

"Ich nehme an, Brent hat dir meine Adresse gegeben, weil er Mitleid mit mir hatte. Aber Sam ist eine der Letzten, die sie kennen sollten."

Nachdenklich wanderte Tais Blick wieder zu Samantha, die inzwischen stehen geblieben war, und immernoch herüber starrte. Sie konnte sie nicht sehen, davon war er überzeugt. Aber es war eindeutig, dass sie sich für die Wohnung interessierte.

"Glaubst du, sie war's?"

Matt seufzte und schüttelte unwillig den Kopf.

"Eigentlich nicht... " Das 'aber' hing in der Luft, wurde jedoch nicht ausgesprochen. Wer wollte schon gerne zugeben, mit einer Psychopathin verlobt gewesen zu sein? Aber im Ernst – es beunruhigte Tai schon ein wenig, dass diese Person sich nun so verdächtig benahm und Matts Haus belagerte, von dem sie nichtmal wissen sollte, dass es hier war.
 

*
 

Jetzt war Matt froh darüber, nicht mehr draußen herumzulaufen. Wäre er Sam statt Tai in die Arme gelaufen, wäre der Abend sicher nicht so angenehm geworden. Eigentlich wollte er sie nicht verdächtigen, sie war sicher kein schlechter Mensch, nur... neigte sie eben zur Dramatisierung von Situationen, was vielleicht bei einer Schauspielerin nicht ungewöhnlich war? Trotzdem wollten die Erinnerungen an ihre "Rache" nicht verblassen.

Es war inzwischen weniger die eigentliche Verletzung seiner Gefühle, sondern zunehmend der Schock über die Erkenntnis, wie kalt und berechnend jemand sein konnte, wenn er sich seiner Eifersucht hingab. Wenn er es sich recht überlegte, hätte er ihr das damals ebenfalls nicht zugetraut... bis sie ihn eines Besseren belehrte.

Sie hatte es darauf angelegt, von ihm erwischt zu werden. Es war genau so geplant gewesen, sie hatte sonst nie einfach so "vergessen", dass sie eine Verabredung hatten. Wenn sie es hätte geheimhalten wollen, hätte sie den Typen außerdem woanders treffen können, als in ihrer Wohnung, zu der sie Matt extra den Schlüssel gegeben hatte...

Die Szene lief wie ein Film vor seinem inneren Auge ab. Zwei Paar Schuhe lose verteilt im Flur, Highheels und Sneakers. Seltsame Geräusche aus dem Schlafzimmer, die Tür dort nur angelehnt. Der Geruch von Alkohol und Zigaretten hing im Raum. Wie er den Gestank hasste... Dann die Stimme des anderen Mannes, den Namen seiner Verlobten hervorpressend. Und obwohl ihm in dem Moment schon völlig klar gewesen war, was er sehen würde, hatte er mit angehaltenem Atem leise gegen die Tür gedrückt und einen Blick riskiert. Es war wie bei einem schlimmen Unfall – man will nicht hinsehen, aber man kann irgendwie auch nicht wegschauen. Sekunden, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen, brannten Bilder in seine Augen, in sein Gedächtnis, die Übelkeit in ihm hervorriefen, wann immer er an Sam dachte.

Matt kniff die Augen zusammen und schüttelte die Gedanken ab. Dass Tai immernoch neben ihm stand, realisierter er erst, als dieser ihm eine Hand auf die Schulter legte.

"Vielleicht solltest du die Polizei rufen oder so."

Matt seufzte. "Besser nicht. Dann kriegt sie ja wieder die Aufmerksamkeit, die sie haben will. Sie soll... mich einfach nur in Ruhe lassen."

Als er wieder hinausblickte, stand Sam nicht mehr an der Hauswand auf der anderen Straßenseite. Na wenigstens war sie jetzt aus seinem Blickfeld verschwunden und würde hoffentlich wieder abziehen und nie wieder herkommen... Morgen würde er Brent beziehungsweise Jules darüber informieren.

Plötzlich klingelte es an der Tür und beide zuckten zusammen.
 

*
 

Matt neben ihm schien die Luft anzuhalten. Tai fühlte sich wie ein Schauspieler in einem Krimi. Ein Blick aus dem Fenster legte den Schluss nahe, dass Samantha jetzt vor der Tür stand. Sie schien ja wirklich besessen von Yamato zu sein. Er hatte vorhin davon erzählt, dass die Beziehung kein besonders angenehmes Ende genommen hatte und dass er ihr mehrmals überdeutlich klargemacht hatte, dass die Sache für ihn beendet war. Hoffentlich geriet er niemals an so jemanden.

Es klingelte nochmal. Was wenn die Gute gar nicht mehr gehen würde? Nach Hause gehen stand momentan jedenfalls nicht mehr auf Tais Plan. Seine Hand berührte noch immer Matts Schulter. Als er die Anspannung seines Freunes so deutlich spürte, fasste er seinen Entschluss. Das wäre doch gelacht...

Er holte tief Luft, schritt selbstbewusst den kurzen Flur entlang zur Haustür und öffnete diese. Matt regte sich nicht.

Die Nachtluft schlug ihm entgegen. Draußen stand tatsächlich die junge Frau. Die perfekten Gesichtszüge unter einer dicken Schicht Make-Up verborgen.

Sie blickte ihn überrascht an. Hatte wohl jemand anderen erwartet.

"Guten Abend.", sagte er förmlich.

"Ich- äh.. wer sind Sie denn?" Der Gestank von Zigaretten schlug ihm entgegen und auch eine leichte Fahne.

Tai hob eine Augenbraue.

"Sie haben doch bei mir geklingelt. Die Frage sollten also wohl Sie beantworten, nicht wahr?"

Nun wirkte die Frau nicht mehr nur überrascht, sondern auch etwas verunsichert. Sie versuchte, an ihm vorbei ins Haus zu schauen, aber erstens stand Matt nicht im Gang und zweitens war es viel zu dunkel, um etwas zu erkennen. Tai lehnte sich ein Stück nach rechts um ihren Blick abzufangen.

"Also?"

"Wohnen Sie hier?" Was für eine unhöfliche Art...

"Ist das nicht offensichtlich?", fragte Tai möglichst arrogant zurück. "Sehe ich aus, wie eine Putzfrau? Oder wie der Gärtner?"

"Ich.. dachte nur...", murmelte sie kleinlaut und starrte wieder in sein Gesicht, noch immer ungläubig.

"Sie haben getrunken, vielleicht sollten sie lieber nach Hause gehen.", sagte er nun etwas freundlicher, beinahe mitleidig.

Es schien zu funktionieren. Sams Gesicht nahm einen zickigen Ausdruck an. Dann strich sie sich eine ihrer perfekt gestylten Haarsträhnen hinters Ohr, richtete sich kerzengerade auf und machte auf dem Absatz kehrt ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Tai schüttelte den Kopf und schloss die Tür.

Er kehrte zu Matt zurück, der noch am Fenster stand und zusah, wie Samantha die Straße hinuntermarschierte und endlich aus dem Blickfeld verschwand.

"Danke, Tai. Das war filmreif."
 

*
 

Eine spontane Idee, irgendwie albern aber gleichzeitig auch irgendwie genial und vor allem wirkungsvoll. Das war so typisch Tai, dass es ihm ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Mit etwas Glück hatte diese Aktion Sam so sehr beeindruckt, dass sie es nicht nochmal versuchen würde. Sie hasste peinliche Auftritte; und dass Tai sie auf den Alkohol hingewiesen hatte, tat sein übriges.

"Ich würde in Anbetracht der Lage vorschlagen, dass ich hierbleibe."

Überrascht wandte er sich zu Tai um.

"Das musst du nicht, ich meine... ich hab' keine Angst oder so."

Sein Freund lächelte und legte den Kopf leicht schief. "Natürlich nicht. Aber ich würde mich besser fühlen... außerdem haben wir doch noch eine Menge Geprächsstoff nachzuholen und so..."

Matt wurde das Gefühl nicht los, dass Tai ihm nicht glaubte. Aber was sollte es! Eigentlich freute er sich darüber, dass Tai bleiben wollte, denn es bedeutete tatsächlich einen großen Schritt in Richtung "alte Zeiten". Außerdem fühlte sich dieses Haus einfach besser an, wenn er sich nicht allein darin aufhielt.

"Na gut."



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Naenia
2013-11-05T12:21:00+00:00 05.11.2013 13:21
... Oh, Tai ♥
Ich bin so unheimlich froh, dass Matt ihn dort getroffen hat und niemand anderen. Ich hatte es doch nach dem letzten Kapitel so sehr gehofft!

Es ist mir mal wieder ein absolutes Rätsel, wie du es schaffst die Spannung so wirkungsvoll aufrecht zu erhalten. Es wird einfach nicht langweilig, diese Geschichte zu lesen und es ist wunderbar umgesetzt, wie Tai und Matt sich langsam wieder nähern und ihre Freundschaft stückchenweise zurückgewinnen. Das lese ich so gern. Die ganze Atmosphäre, die du erzeugst, stimmt einfach. Die beiden haben sich Jahre lang nicht gesehen, und sind nicht unbedingt im Guten auseinander gegangen. Da ist es nur natürlich, dass sie sich langsam wieder verstehen müssen. Trotzdem merkt man immer wieder, wie wichtig sie einander noch sind. Auch daran, dass sie so leicht wieder in früheres Verhalten fallen. Ich mag sehr, wie du das erzählst.

Und Sam ist auch wieder aufgetaucht. Ehrlich gesagt, hatte ich vermutet, dass ihre Beziehung mit Matt wegen so etwas beendet wurde. Ich bin nur wirklich immer noch nicht ganz sicher, ob sie wirklich der Stalker ist, oder ob du deine Leser absichtlich aufs Glatteis führen willst. Denn so scheint das alles so offensichtlich. Vielleicht zu offensichtlich? Ich bleibe auf jeden Fall dran und erwarte das nächste Kapitel. :3
Antwort von:  Vidora
05.11.2013 14:04
"Es ist mir mal wieder ein absolutes Rätsel, wie du es schaffst die Spannung so wirkungsvoll aufrecht zu erhalten."
Mir auch... Wenn ich es rausgefunden habe, sage ich dir Bescheid :D

Danke für deinen wieder Mal sehr aufbauenden und motivierenden Kommentar! Es freut mich unendlich, dass das Bild, dass ich von dem Neuaufbau ihrer Freundschaft im Kopf hatte und zu beschreiben versucht habe, sich so gut mit deiner Leseerfahrung deckt! Ich bin mir nie sicher, ob es so rüberkommt, wie ich es mir vorgestellt habe, da macht es mich wirklich glücklich, sowas zu lesen! ♥ Danke!

Naja... vielleicht hast du Recht... vielleicht ist aber Offensichtlichkeit auch die beste Tarnung *g* wir werden sehen ^_^


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