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402 Jahre später

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"Rechne doch mal eins und eins zusammen!"

„Nein, Maya lass es. Mit Magie zu kämpfen ist gefährlich. Du weist doch inzwischen selber, daß Magie keine sehr präzise Wissenschaft ist. Da sind zuviel Gefühlssache und Schätzung dabei. Wenn du dich vertust, wirst du noch einen Unfall bauen und dich selbst um die Ecke bringen.“

„Ihr Dämonen kämpft doch auch ausschließlich mit Magie.“, meinte der Student und wischte Shindas Argument damit ungesehen zur Seite.

„Ja, wir kennen auch von Geburt an nichts anderes. Wir wachsen darin auf und haben ein ganz anderes Verständnis dafür wie du mit deinen 2 Jahren Hobbyhexerei.“

Maya antwortete nur mit einem uneinsichtigen Blick.

Shinda fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Sollte er den Jungen noch niederschlagen, damit der wieder zur Vernunft kam? Er hätte ihn davon abhalten sollen, diese Reise überhaupt mitzumachen, als er noch die Chance dazu gehabt hatte.
 


 

Terry saß draußen am Lagerfeuer und bereitete mit Fünf das Abendessen vor. Es war noch taghell, daher kam es ihr irgendwie komisch vor, ein Lagerfeuer zu machen. Aber irgendwie mussten sie ihre Nahrung ja kochen.

Ihr Blick wanderte kurz zögerlich zu dem geflügelten Dämon hinüber, der konzentriert Fleischstücke auf Äste spießte, um sie zum Braten über das Feuer zu hängen. Sie wusste immer noch nicht viel über den Kerl, und obwohl er immer eine recht lebenslustige Art aufsetzte, merkte man ihm bisweilen die Sorge vor der bevorstehenden Schlacht doch an. Eigentlich mochte sie ihn immer noch nicht, andererseits tat er ihr aber trotzdem ein bischen leid. Sie wusste inzwischen, daß sie bald von ihm besessen sein würde, und das war in gewisser Weise okay. So sehr vertraute sie ihm dann doch, daß sie ihn ihren Körper übernehmen lies.

„Wie ist es da, wo du herkommst?“, wollte Terry leise wissen. Als getraue sie sich gar nicht, ein Gespräch mit ihm anzufangen. Aber langsam war es doch an der Zeit, mit ihm etwas wärmer zu werden.

Fünfs Blick blieb ungerührt weiter auf das Essen gerichtet. „Ich finde es ganz nett in der Unterwelt. Aber du bist die irdische Welt gewohnt, dir würde es da sicher nicht gefallen. Es ist immer dunkel, es weht nie ein Windhauch und es ist meistens totenstill, außer wenn mal die Hunde heulen. Der Staub der Jahrhunderte liegt zentimeterhoch in den Straßen, und überall wuchert der schwarze Hibiskus. Und dort unten gibt es keine Zeit, alle Uhren sind stehengeblieben und es gibt weder Tag noch Nacht noch Jahreszeiten. Für deine Begriffe ist es eine sehr düstere Welt.“

„Dann verstehe ich, warum man sie Hölle nennt.“

„Das ist Ansichtssache.“, gab Fünf zurück.
 

„Wieso trägst du Fesseln?“, fragte das rothaarige Mädchen vorsichtig weiter.

Der Dämon schaute nachdenklich auf die dicken Ledermanschetten an seinen Handgelenken. Sie ließen sich nicht entfernen. Auf ihnen waren massive Stahlringe angebracht, an denen man problemlos Karabinerhäken oder Seilknoten befestigen konnte. Seine Augen sprachen Bände. An diesen Fesselmanschetten hingen überwiegend unschöne Erinnerungen. „Vielleicht erzähle ich dir das irgendwann mal.“, wich er Terrys Frage schließlich mit einem traurigen Lächeln aus und suchte ihren Blick. „Warum erzählst du nicht etwas von dir? Was bewegt dich so?“

„Ich hatte erwartet, daß du schon alles über mich wüsstest. Immerhin hast du mich explizit ausgewählt. Warum eigentlich ausgerechnet mich? Ich bin weder ein akademischer Überflieger, noch habe ich besondere sportliche Fähigkeiten.“

„Nein. Aber du hast kein großes soziales Umfeld. Du bist ein Waisenkind und hast keine Familie und kaum Freunde. Dich bindet nichts an diese Welt. Das macht es dir leichter, mir in so eine Schlacht zu folgen.“

„Das klingt, als würde ich nicht lebend zurückkommen.“

Fünf zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich habe nicht vor, dich umzubringen. Aber wir ziehen in einen Krieg. Ganz ausschließen kann ich leider nicht, daß dir etwas passiert, auch wenn ich aufpassen werde.“

Terry nickte seufzend. Das hatte sie gewusst. Schon als sie ihm in jener Nacht auf dem Häuserdach versprochen hatte, ihm zu helfen, war ihr klar gewesen, daß es auf irgendwas hinauslaufen würde, was ein Risiko darstellte.
 

„Und was genau hat es nun mit dieser Schlacht auf sich?“, fragte Terry weiter, als das Schweigen zwischen ihnen schon wieder ekelhaft zu werden drohte.

Eine Antwort bekam sie nicht mehr, denn Maya rief ihnen von weitem ein „Fünf, hast du Lust, zu kämpfen?“ dazwischen.

Der Geflügelte drehte sich fragend um. „Gegen wen? Gegen dich?“

„Ja, ich will trainieren!“

Fünf schmunzelte. „Bei aller Bescheidenheit, du bist mir nicht gewachsen, Junge.“

„Maya, hör jetzt auf!“, zeterte Shinda ihm hinterher, der dem Geschichte-Studenten auf dem Fuß folgte. „Du hattest mir versprochen, daß du dich in diese Schlacht nicht einmischen wirst! Du wolltest nur Beobachter sein!“

„Dein Freund hat Recht, Maya. Lass es bleiben. Hier wird es in nächster Zeit noch genug Gewalt geben.“

„Argh! Warum wollt ihr mich alle darin hindern, stärker zu werden!?“ Mit einem trotzigen Wutschrei hob Maya einen Dreckklumpen auf und warf ihn nach Fünf. Der Unterwelt-Dämon knurrte gereizt, als der Matsch seine Lederjacke traf, und begann sich plötzlich zu verändern. Seine Haare wurden länger und fransig. Insgesamt wirkte er schlagartig viel haariger, wie eine Bestie. Seine Augen wurden zu brennenden Kugeln, die wie Fackeln in seinem Schädel loderten, seine ohnehin schon spitzen Eckzähne verlängerten sich zu einem wahren Raubtiergebiss, aus seinen Fingern wuchsen dolchartige Klauen. Noch ehe die Fledermausohren ganz aus seinem Kopf geschossen waren, warf er sich bereits herum und stürzte sich in Rage auf Maya. Im Flug nahm er die Form einer gewaltigen Fledermaus an und schickte dem Studenten eine ohrenzerreißende, unerträglich hohe Schallwelle entgegen. Er riss Maya im Vorbeiflug von den Füßen, wendete dann in der Luft und nahm Maß, um ihm die Spitze seines inzwischen ausgewachsenen Schwanzes in den Leib zu stechen.

„Nein!“, keuchte Shinda und prellte ihn mit einer Druckwelle aus seiner Flugbahn, um ihn von dem Studenten fernzuhalten. Auch an ihm selbst ging die übliche Verwandlung vonstatten, als er in den Kampfmodus wechselte. Mit rotleuchtenden Augen sprang er Fünf nach und versetzte ihm eine Ohrfeige, die ihn noch in der Luft auf die Seite drehte und einen unkoordinierten Haken schlagen ließ.

„Hör auf!“, befahl Shinda, obwohl er wusste, daß mit einem Unterwelt-Dämon in diesem Zustand nicht mehr zu reden war. Im Gegensatz zu den irdischen Dämonen setzte bei ihnen wirklich der Verstand völlig aus, wenn sie in Rage waren. Er hob eine Hand und auf seinen Wink hin schossen lange, seilartige Ranken aus den umliegenden Felsen und wickelten sich zielsicher durch die Ringe in Fünf´s Fesselmanschetten. Der Dämon knurrte protestierend auf, als er von den Ranken grob rücklings gegen eine Felswand gezurrt und dort regelrecht gekreuzigt wurde. Shinda setzte sofort nach, noch ehe der Kerl sich wieder ganz gefangen hatte, zog ihm eine Kette mit einem Edelstein über den Kopf und stopfte den Stein in seinen Jackenausschnitt hinein.
 

Fünf jaulte auf, als sich der Kristall glühend heiß in seine Haut zu fressen schien, während ein immer deutlicher werdendes, zartrosa Licht davon ausging. „Shinda, nein!“, keuchte er panisch. „Nimm ihn wieder weg! Nicht!“ Ihm schnürte sich die Kehle zu, er begann um Atem zu ringen wie ein Läufer nach einem langen Sprint. Ein Schwindelanfall zog ihn regelrecht zu Boden. Sein Magen rebellierte und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Der Schweiß trat ihm in dicken Tropfen aus allen Poren, seine Beine sackten unter ihm weg, so daß nur noch die Pflanzenranken ihn halbwegs aufrecht hielten. Er konnte nicht verhindern, daß seine Fledermausohren und sein Pfeilschwanz wieder verschwanden, ebenso das Raubtiergebiss mit den Fangzähnen und die Klauen. Dann wurde ihm langsam schwarz vor Augen, bis auch der dröhnende, raumausfüllende Bass-Ton in seinem Kopf, neben dem kein Sinneseindruck, kein Gedanke und nichts anderes mehr Platz hatte, wieder abebbte und ihm die Sinne schwanden.
 

Als endlich Ruhe eingekehrt war, nahm Shinda ihm die Kette wieder ab, lies sie in seiner Jackentasche verschwinden und wandte sich ab. Er atmete etwas erleichtert durch.

„Shit!“, keuchte Maya fassungslos. „Was war das?“

„Ein Kampf.“, gab Shinda genervt zurück.

„Ja, das seh ich selber. Aber ... was zur Hölle ... kannst du das auch? Dich verwandeln und sowas?“

„Nein.“, meinte er und ging mürrisch weg.

Maya ließ sich davon nicht abschrecken. Er sprang auf und folgte ihm nach einem letzten Blick auf den mit Ranken gefesselten Geflügelten. „Sind das die Fähigkeiten der Unterwelt-Dämonen?“, hakte er nach.

„Nein. Das kann nur er. ... Naja, fast nur er.“, korrigierte Shinda.

Der Student stutzte und versuchte, den Sinn hinter dieser Antwort zu verstehen. Fünf war also anders. Besonders. „Shinda, wer ist der Kerl?“

„Er ist The Big Bat.“

„Was muss mir das sagen?“

„Rechne doch mal eins und eins zusammen, man! Unfassbar, daß du es immer noch nicht selber gemerkt hast.“, fauchte Shinda fast. Er hatte sichtlich schlechte Laune und ließ sie auch ungeniert heraus. Er war stinksauer, daß Maya den Geflügelten bis zum Ausrasten provozierte, nur um endlich kämpfen zu können. Nun, zumindest sollte ihm jetzt klar sein, daß er nie im Leben eine Chance gegen ihn haben würde.

„Er kann sich also verwandeln. Aber das können nicht alle Unterwelt-Dämonen.“, begann Maya zu rätseln.

„Richtig.“

„Wieviele können sich denn verwandeln?“

„Neun.“

„Und er ist Nummer fünf von diesen neun? Daher sein Name Fünf?“

„Genau.“

„Es gibt also neun Dämonen, die besondere Fähigkeiten haben.“

„Neun Unterwelt-Dämonen!“, betonte Shinda.

Maya kniff skeptisch die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Konnte das wirklich sein? „Wieviele Höllenfürsten gibt es denn?“

„Neun. Und ja, Fünf ist einer davon. Er ist der verdammte Höllenfürst, den alle stürzen wollen. Der, wegen dem dieser ganze Krieg hier überhaupt stattfindet.“

„Das ist schlecht, nehme ich an.“

„Sagen wir, The Big Bat ist nicht gerade der umgänglichste unter den Höllenfürsten. Er macht zwar einen ganz harmlosen, humanen Eindruck – zumindest uns gegenüber, vermutlich weil er unsere Hilfe will – aber man will ihn nicht grundlos stürzen. Er ist sehr wechselhaft in seinen Launen und damit völlig unberechenbar.“
 

Maya überdachte das kurz. Dann grinste er. „Aber hey, du hast ihn geschlagen!“

„Ich hatte lediglich die Überraschung auf meiner Seite. Er hat nicht damit gerechnet. Nochmal wird ihm das nicht passieren.“, gab Shinda nur missmutig zurück.

„Ja, aber ... wie hast du das gemacht? War das der Stein?“ Maya war Feuer und Flamme. Endlich etwas, was so richtig effektiv gegen Dämonen war. Er musste unbedingt mehr darüber erfahren! Sofort!

„Das war der Stein, ja. Kristallen werden ganz zu Recht magische Kräfte zugesprochen. Sie haben die Fähigkeit, Dämonen zu bannen. Dämonen vertragen den Körperkontakt mit gewissen Edelsteinen nicht.“

„Was war das für ein Stein?“

„Rosenquarz.“, maulte er, packte Maya am Kragen und schleifte ihn mit sich davon. Weg von Fünf, der immer noch gefesselt an der Wand hing und langsam wieder zu sich kam. In Zukunft würde er die beiden besser getrennt halten. „Rühre ihn nicht an!“, trug er der völlig verstörten Terry noch auf, die immer noch mit offenstehendem Mund am Feuer saß und in allen Bewegungen erstarrt war.



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