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Following the Darkness

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Following the Darkness

„... Amon Rûdh...“

„... haben sie alle erschlagen...“

„... Túrin und Beleg verschleppt oder gar Schlimmeres...“

„... Cúthalion ist gefallen...“

Mablung entging das Gewisper nicht, als er nach langen, ermüdenden Wochen des Kampfes gegen die Orks aus Dimbar in die Hallen von Menegroth zurückkehrte. Besonders eines der Gerüchte ließ sein Herz gefrieren und trotz seiner Erschöpfung wollte er nicht ruhen, bis er Genaueres erfahren hatte.

Cúthalion ist gefallen.

Obwohl sie sich nur selten in die Angelegenheiten der Noldor einmischten und sich nie an ihren Kriegen beteiligt hatten, behielten die Elben von Doriath die politische Lage in Beleriand aufmerksam im Auge und waren stets gut informiert. Darum wusste Mablung aus Erfahrung, dass neue Gerüchte auch immer ein Körnchen Wahrheit enthielten.

„Was ist geschehen?“, fragte er ohne Umschweife, nachdem er gebadet und frische Kleidung angezogen hatte und sich in die große Halle des Königs begeben hatte, in der an diesem Tag viele Elben versammelt waren, die sich mit leisen Stimmen und besorgten Mienen unterhielten

„Die Grenzwächter vom Volk Haleths haben von einem großen Gefecht am Amon Rûdh erzählt, Herr“, berichtete einer von ihnen, der Mablung erkannte. „Der König hat Kundschafter ausgesandt, um festzustellen, was genau dort passiert ist, und sie sind mit beunruhigenden Neuigkeiten zurückgekehrt...“

„Was für Neuigkeiten?“, fragte Mablung, der seine Ungeduld nur schwer im Zaum halten konnte und sich zwingen musste, eine ruhige Miene zu bewahren.

„Das Lager am Berg wurde von Orks überfallen, Herr“, erwiderte der Elb. „Es gab keine Überlebenden.“

Mablungs Augen weiteten sich.

„Und Túrin und Beleg... sind sie-“, begann er, doch der andere fiel ihm ins Wort.

„Man hat ihre Leichen nicht finden können, Herr“, berichtete er, wobei er respektvoll den Kopf senkte, um sich für die Unterbrechung zu entschuldigen. „Es besteht also noch Hoffnung.“

„Ich verstehe“, sagte Mablung leise, wenn auch mehr zu sich selbst. Dann bedankte er sich mit einem kurzen Kopfnicken bei dem anderen Elben und ging weiter. Die Halle füllte sich nun zunehmend mit Personen, und die Anwesenden warteten auf die Ankunft ihres Königs und ihrer Königin. Auch Mablung wartete, an eine der reichverzierten Steinsäulen gelehnt, die das hohe Dach der Halle trugen.

Thingol und Melian würden wissen, was zu tun sei, daran glaubte er fest. Seitdem Túrin Doriath verlassen hatte, hatten sie nie aufgehört, sich um ihren Pflegesohn zu sorgen, und nun, da er verschwunden war, würden sie sicher jemanden schicken, um nach ihm zu suchen. Und Mablung hatte vor, der erste zu sein, der sich meldete. Denn wo Túrin war, da war auch Beleg nicht weit, und so sehr er Túrin auch liebte, so war seine Sorge um seinen besten Freund doch größer, und er hatte die Hoffnung nie aufgegeben, dass er eines Tages nach Doriath zurückkehren würde.

Beleg hatte seine Entscheidung schon vor Jahren getroffen, und er war seitdem nicht mehr von Túrins Seite gewichen. Was Mandos auch für sie bereitgehalten hatte, Beleg war dem jungen Mann stets ein loyaler Freund und Begleiter gewesen. Und oft hatte sich Mablung gefragt, ob sein Freund etwas in Túrin sah, was ihm selbst verborgen blieb – oder ob Beleg sich nur weigerte, das Leid und die dunklen Gedanken zu sehen, die Túrin wie eine Gewitterwolke umgaben.

Denn seit dem Tag, an dem er ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte Mablung die dunkle Vorahnung, dass Túrin einem unausweichlichen und schrecklichen Schicksal entgegeneilte. Und er spürte, dass er, wenn es so weit war, Beleg mit sich in den Abgrund reißen würde, und der Gedanke ängstigte ihn sehr.

Und manchmal – nur manchmal – fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie den Jungen damals nie gefunden hätten.
 

~*~

„Was für ein grausamer Wind“, murmelte Mablung und schlang den Umhang fester um seinen Körper, während er im Dämmerlicht des anbrechenden Tages durch den knöchelhohen Schnee lief. „Versucht Morgoth nun, uns mit Winterkälte in die Knie zu zwingen?“

Beleg, der neben ihm herging, warf ihm einen belustigten Blick zu.

„Wenn Fingolfins Volk diese Eiseskälte über Jahre hinweg ertragen hat, dann wirst auch du es überleben“, meinte er, doch er tat es Mablung wenig später gleich und zog seine Kapuze ebenfalls tiefer ins Gesicht.

Eine Weile lang liefen sie schweigend nebeneinander her, wobei sie hin und wieder innehielten und aufmerksam den Blick über den Waldrand und die weite Ebene nördlich davon schweifen ließen. Doch alles blieb ruhig; selbst die Orks schienen bei diesem Wetter andere Sorgen zu haben, als den anhaltenden Krieg gegen die Grenzwächter von Doriath. Mablung konnte das nur recht sein. Vermutlich wäre seine Hand am Griff seines Schwertes festgefroren, hätte er versucht, es zu ziehen.

Da alles still blieb, beendeten sie ihren Rundgang früher als sonst und kehrten in den Schutz des Waldes zurück. Wie immer, wenn er die Grenze nach Doriath überschritt und den Banngürtel der Königin betrat, fühlte sich Mablung einen Moment lang orientierungslos und benommen. Dann jedoch konnte er spüren, wie der Zauber allmählich an ihm abperlte, wie Regentropfen an einer auf Hochglanz polierten Rüstung, und nach nicht einmal zwanzig Minuten Fußmarsch hatten er und sein Gefährte den unsichtbaren Schutzwall auch schon hinter sich gelassen.

In der Sicherheit des Waldes stieg ihre Laune und ihre Schritte wurden beschwingter. Bald erreichten sie einen Baumstumpf von gewaltigem Umfang, der vor langer Zeit einem Giganten von Baum gehört haben musste – ein Relikt aus der Zeit, als die Welt noch symmetrisch gewesen war, lange, bevor die ersten Kinder Ilúvatars erwacht waren.

In dem mehr als haushohen Baumstumpf hatten die Elben von Doriath einen Wachposten eingerichtet. Der Rauch eines Feuers kräuselte sich durch ein kreisrundes Loch in der Mitte des hölzernen „Daches“ und versprach Wärme und Behaglichkeit. Nachdem sie eingetreten waren, schlugen Mablung und Beleg ihre Umhänge zurück und nickten zum Gruß den beiden Elben zu, die am Feuer saßen. Diese erwiderten das Nicken, dann erhoben sie sich und verließen den Wachposten, um ihren eigenen Rundgang zu beginnen.

Während Beleg seinen großen Bogen an die Wand neben dem Eingang lehnte, breitete Mablung ihre nassen Umhänge neben dem Feuer aus. Dann setzte er sich mit einem wohligen Seufzen auf eine Holzbank und genoss die Wärme der Flammen, die allmählich in seine Glieder drang. Beleg lächelte, als er seine verzückte Miene sah, und setzte sich dann zu ihm. Abgesehen vom Knistern des Feuers und dem Rauschen des Windes in den Wipfeln der Bäume war es für eine Weile still.

„Es gibt Neuigkeiten aus Menegroth“, begann Beleg plötzlich zu sprechen.

Mablung zog verwundert die Augenbrauen hoch und warf ihm von der Seite einen Blick zu.

„Ach?“, machte er. Und dann: „Du bist bereits vor zwei Tagen aus dem Palast zurückgekehrt und dir fällt erst jetzt ein, mir das mitzuteilen?“

Beleg zuckte mit den Schultern. „Ich hatte nicht mehr daran gedacht“, meinte er nur.

Mablung schüttelte den Kopf. Beleg war kein Mann vieler Worte. Er gab nicht viel auf Tratsch und Gerüchte, und vieles von dem, was die anderen Elben bewegte, kümmerte ihn nicht besonders. Er hatte andere Prioritäten und machte daraus auch kein großes Geheimnis. Mablung liebte seinen Freund sehr, aber selbst nach über tausend Jahren, die er an seiner Seite verbracht hatte, fiel es ihm nicht immer leicht, seine Denkweise zu begreifen.

„Was gibt es denn Neues?“, fragte er.

„Thingol hat eine Botschaft aus Tol Galen erhalten“, entgegnete Beleg. Während Mablung ihn aus großen Augen anstarrte, beugte er sich seelenruhig vor, nahm ein Holzscheit von dem Stapel neben dem Feuer und warf es in die Flammen.

„Doch nicht etwa von Lúthien?“, rief Mablung aufgeregt. „Seit sie mit Beren in den Süden gegangen ist, kam keine Nachricht mehr von ihr. Wie lautet die Botschaft?“

Beleg schien die Ungeduld und Neugierde seines Freundes zu amüsieren, denn er lächelte nur und fuhr fort: „Sie hat einen Sohn zur Welt gebracht. Sein Name ist Dior und es heißt, er steht der Schönheit seiner Mutter in nichts nach.“

Als er das hörte, sprang Mablung vor Begeisterung auf.

Eluchíl!“, rief er aus. „Thingol hat einen Erben!“

‚Wie konntest du das nur für nicht wichtig genug erachten, um es mir zu sagen?‘, wollte er dann fragen, doch er verkniff es sich. Beleg hatte es ihm ja erzählt, wenn auch mit einer gewissen Verspätung. Und die Neuigkeiten waren zu wunderbar, als dass Mablung ihm allzu lange böse sein konnte.

„Ist dir klar, was das bedeutet?“, fragte er mit leuchtenden Augen. „Ein solches Kind, in dem sich das Blut der Eldar und der Edain vereint, hat es bisher noch nie gegeben!“

Er lief unruhig durch den Raum. „Ob er unsterblich sein wird, wie Lúthien? Oder hat er stattdessen die Sterblichkeit Berens geerbt? Wird er vom Wuchs her mehr den Elben ähneln oder den Menschen? Und was wird geschehen, wenn er eines Tages Kinder hat? Wie wird sich seine Abstammung auf sie auswirken? Und wie wird-“

Während Mablung wild mit den Händen gestikulierte, richtete sich Beleg, der seinen Ausführungen bis dahin mit amüsiertem Lächeln gelauscht hatte, auf einmal stocksteif in seinem Sitz auf und neigte den Kopf leicht zur Seite.

Mablung hielt mitten im Satz inne und seine Hand wanderte automatisch zu dem Schwert an seiner Seite.

„Was ist los?“, fragte er, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Doch Beleg schüttelte wortlos den Kopf und legte den Finger an die Lippen.

Mablung stand ganz still und lauschte. Und nach einer Weile war er sich sicher, über das Heulen des Windes in der Ferne ein leises Rufen zu vernehmen.

Beleg sah ihn an, und als er erkannte, dass auch Mablung es hörte, war er in einer einzigen, fließenden Bewegung wieder auf den Beinen und hatte sich seinen Umhang umgeworfen.

Wenige Augenblicke später liefen sie lautlos durch den Wald dem fernen Rufen entgegen.

Jahrhunderte der Erfahrung im Grenzgebiet sagten Mablung, dass es sich bei dem Unbekannten nicht um ein Geschöpf Morgoths handeln konnte. Die Orks wussten es mittlerweile besser, als dass sie sich so weit in den Wald hineinwagen würden. Außerdem waren sie äußerst anfällig für den Zauber, der auf den Wäldern lag, und traten oft schon nach wenigen Metern ins Unterholz wieder den Rückzug an.

Es konnte sich also nur um einen Elben oder einen Menschen handeln.

Bald entdeckten sie Fußspuren, die Beleg aufmerksam untersuchte.

„Zu tief für einen der Eldar“, sagte er, während er neben einem Fußabdruck im Schlamm eines fast ausgetrockneten Baches niederkniete. „Dies ist eindeutig ein Mensch.“

Sein Blick wanderte einen Moment lang umher, dann korrigierte er sich: „Mehrere sogar.“

Mablung stützte sich nachdenklich auf sein Schwert.

„Haleths Leute wissen, was sie so tief in den Wäldern erwartet“, meinte er. „Es wird doch keiner von ihnen sein...?“

Doch Beleg schüttelte den Kopf.

„Sie sind erfahrene Waldläufer und würden nicht so grobe Spuren hinterlassen“, erwiderte er. „Das hier ist jemand anderes.“

„Ostlinge vielleicht“, überlegte Mablung, während sie weiterliefen. „In den letzten Jahren wagen sie sich immer weiter in den Süden vor...“

„Ich glaube nicht, dass es Ostlinge sind“, entgegnete Beleg jedoch nur. „Sieh dir die Spuren an! Eine von ihnen gehört eindeutig einem Kind. Ostlinge, die zum Erobern in neue Gebiete vordringen, würden keine Kinder mitnehmen.“

Mablung musste zugeben, dass sein Freund Recht hatte. Blieb also nur eine Möglichkeit. Es kam immer wieder vor – wenn auch immer seltener in den letzten Jahren – dass unerfahrene Reisende sich in das Grenzgebiet von Doriath verirrten, entweder, um im Wald nach Nahrung und Wasser zu suchen oder weil sie sich dort Schutz vor den Orks erhofften. Dabei unterschätzten sie stets den Zauber, der auf den Wäldern lag, und kamen nicht selten vom Weg ab. Wenn sie Glück hatten, wurden sie rechtzeitig von den Grenzwächtern gefunden, die ihnen zu essen und zu trinken gaben und sie wieder aus dem Wald hinausführten, doch oft blieben ihre Hilferufe im dichten Unterholz ungehört und sie verhungerten.

Doch Mandos schien den Reisenden, deren Spuren Beleg und Mablung entdeckt hatten, an diesem Morgen wohl gesonnen zu sein.

Sie verfolgten die Fährte noch für mehrere Kilometer und wurden schließlich langsamer, als die verzweifelten Hilferufe immer lauter wurden. Vor ihnen öffnete sich eine Lichtung, auf der zwei ausgemergelte, grauhaarige Gestalten auf einem umgestürzten Baumstamm saßen. Die Kleidung der zwei Männer war zerschlissen und voller Dreck, und ihre Bärte ungepflegt und schmutzig. Sie boten einen jämmerlichen Anblick, und als die beiden Elben nähertraten, hatten sie nicht mal mehr die Kraft, um aufzustehen, und fielen vor ihnen auf die Knie.

„Unsere Gebete wurden erhört!“, rief der eine von ihnen in fast akzentfreiem Sindarin voller Erleichterung. „Die Wächter des Waldes haben uns gefunden!“

Beleg und Mablung machten jedoch keine Anstalten, ihnen zu helfen, sondern sahen sie nur regungslos an.

„Wer seid Ihr?“, fragte Mablung ruhig. „Und wo ist das Kind?“

Die alten Männer machten überraschte Mienen, dann schlich sich plötzlich Furcht auf ihre Gesichter.

„Wir hätten Euren Wald nie betreten, wenn wir nicht mit einer dringenden Mission beauftragt worden wären, Herr“, sagte der zweite Mann mit rauer Stimme, ohne Mablungs Fragen zu beantworten.

Dann warf er Beleg einen besorgten Blick zu, als dieser sich auf einmal wieder in Bewegung setzte und die Lichtung überquerte, wobei er sich aufmerksam umsah.

Mablung schenkte seinem Freund keine Beachtung, sondern sah die beiden Männer weiterhin an.

„Was für eine Mission?“, fragte er.

„Wir haben einen weiten Weg hinter uns, Herr“, erwiderte der Alte, der zuerst gesprochen hatte, jedoch nur. „Wir sind am Ende unserer Kräfte. Bitte gewährt uns Obdach, dann werden wir Euch von unserem Auftrag erzählen.“

Mablung konnte sehen, dass die beiden kurz vor dem Zusammenbruch waren und nicht mehr sagen würden, bis sie sich ausgeruht hatten. Unschlüssig sah er zu seinem Freund hinüber.

Beleg schien in der Zwischenzeit gefunden zu haben, wonach er suchte, und war vor dem Stamm einer hohen Buche stehengeblieben. Der Regen hatte ihre Wurzeln freigespült, und zwischen ihnen klaffte der schmale Eingang einer Höhle, die ein Tier dort gegraben hatte.

Als Mablung genauer hinsah, nahm er eine Bewegung in der Dunkelheit des Erdloches wahr und bemerkte eine Gestalt, die sich dort zusammengekauert hatte.

„Wir haben ihm befohlen, sich zu verstecken, als wir euch kommen sahen. Bitte tut ihm nichts zuleide, Herr!“, rief einer der Männer voller Angst. „Er ist nur ein unschuldiges Kind!“

Beleg sagte kein Wort, machte aber auch keine Anstalten, den Jungen aus seinem Versteck zu zerren. Stattdessen streckte er ihm die Hand hin und erwiderte seinen angsterfüllten Blick mit ruhiger Miene.

Einen endlosen Moment lang geschah nichts, doch dann schien das Kind etwas in Belegs Gesicht zu entdecken, das ihm Mut machte, und eine kleine Hand griff aus der Dunkelheit heraus zaghaft nach der des Elben.

Vorsichtig half Beleg dem Jungen aus dem Erdloch hinaus ins Freie. Er war ebenso verdreckt und abgemagert, wie seine beiden Begleiter, und seine blassen Wangen waren vor Hunger eingefallen. Zögernd trat er an der Hand des Elben auf die Lichtung hinaus, doch kaum hatte er ein paar unsichere Schritte getan, brach er plötzlich zusammen.

Sofort hob Beleg ihn auf – mit einer Leichtigkeit, als würde der Junge nichts wiegen, wie Mablung voller Sorge bemerkte – und trug ihn zu seinen Begleitern hinüber.

„Das Kind ist der Grund, weshalb ihr hier seid“, sagte Beleg. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und die Männer, die dies spürten, nickten.

Beleg sah auf den bewusstlosen Jungen hinab und strich ihm dann mit einer Sanftheit, die Mablung nur selten bei ihm erlebte, eine pechschwarze Strähne aus der Stirn. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne und seine Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen.

„Seine Stirn ist ganz heiß“, murmelte er.

Er hob den Kopf und sah die beiden Alten scharf an. „Wie lange habt ihr ihn durch diese Kälte getrieben? Und wann hat er das letzte Mal etwas zu essen bekommen? Oder zu trinken?“

Sie erwiderten jedoch nur hilflos seinen Blick, und Beleg stieß eine Reihe von Worten aus, die Mablung noch nie zuvor aus seinem Mund gehört hatte.

„Der Junge steht kurz vor dem Tod“, sagte Beleg dann zu ihm. „Ich muss ihn zurück zum Wachposten bringen, sonst wird er die nächste Nacht nicht überleben.“

Mablung nickte.

„Dann warte nicht auf mich, sondern beeil dich!“, erwiderte er. „Ich werde mich solange um diese beiden hier kümmern.“

Während Beleg loseilte, den Jungen auf seinen Armen, half Mablung den erschöpften Männern auf die Beine und führte sie sicher durch den Wald zurück zum Unterschlupf der Elben.
 

~*~

Der Junge schlief zwei Tage und zwei Nächte – mit kurzen Unterbrechungen, wenn Beleg oder Mablung ihn weckten, um ihm Wasser oder heiße Brühe einzuflößen, oder ihm vom kostbaren Brot der Königin, dem Lembas, zu essen zu geben. Sein Fieber war nach der ersten Nacht wieder gesunken, nachdem Beleg ihm einen heilenden Trank aus Kräutern zubereitet hatte.

Auch seine beiden Begleiter ruhten sich aus und schliefen viel, nachdem sie von den Elben Wasser und Nahrung erhalten hatten. Doch in all der Zeit wachten sie weiterhin über den Jungen und verließen nur ungern seine Seite.

Schließlich hatten sich die drei so weit erholt, dass sie wieder aufstehen und umherlaufen konnten. Und nachdem sie sich in einem nahen Bach gewaschen und neue Kleidung angezogen hatten, die sie von den Elben bekommen hatten, erkannte Mablung sie kaum wieder.
 

„Mein Name ist Túrin“, sagte der Junge, als er wenig später in seinen neuen Sachen vor Beleg und Mablung stand. „Mein Vater ist Húrin Thalion vom Hause Hador.“

Selbst wenn die beiden Beschützer des Jungen ihnen dies nicht schon zwei Tage zuvor mitgeteilt hätten, hätte Mablung nicht an seinen Worten gezweifelt. Obwohl Túrin noch keine zehn Sommer alt sein konnte – jung für ein Menschenkind und kaum mehr als ein Säugling in den Augen eines Elben – umgab ihn eine Aura von Würde und Erhabenheit, als wäre er nicht der Sprössling eines Fürsten der Menschen, sondern ein Prinz der Noldor. Mit seinem hübschen Gesicht, den schwarzen Haaren und den grauen Augen hätte man ihn fast für einen halten können, wären seine Ohren nicht rund gewesen, anstatt spitz wie die der Elben.

„Nun denn, Túrin, Sohn Húrins“, meinte Beleg und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was können wir für den Sohn von einem tun, der zu den größten unter den Elbenfreunden gezählt wird?“

Der Junge starrte ihn einen Moment lang an, als wäre er sich nicht sicher, ob der Elb sich nur über ihn lustig machen wollte. Doch Mablung, der seinen Freund besser kannte, wusste, dass Beleg nicht scherzte, sondern Túrin mit seiner formellen Wortwahl zeigen wollte, dass er ihn als Gleichrangigen betrachtete.

Schließlich erwiderte der Junge langsam:

„Meine Mutter schickte mich her, weil sie hoffte, dass Thingol von Doriath dem Erben Hadors Unterschlupf gewähren würde.“ Seine Stimme wurde leiser. „In Dor-lómin, wo die Ostlinge nun herrschen, ist es nicht mehr sicher.“

Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht und ihm war anzusehen, dass er in diesem Moment an seine Heimat und sein Elternhaus zurückdachte.

„Eine gewagte Bitte“, erwiderte Beleg. „Doch ich habe nicht die Befugnis, in dieser Angelegenheit eine Entscheidung zu treffen.“

Er wechselte einen Blick mit Mablung.

„Angenommen, Thingol würde dir Asyl gewähren“, fuhr er dann fort. „Was gedenkst du dann zu tun?“

Der Blick des Jungen verdunkelte sich und plötzlich loderte die Leidenschaft wie Feuer in seinen Augen.

„Lernen, wie man eine Waffe führt“, entgegnete er entschlossen. „Und dann gegen Morgoth in die Schlacht ziehen, um meinen Vater zu rächen!“

Mablung musterte den Jungen von oben bis unten: seine zu Fäusten geballten Hände, die noch nie ein Schwert gehalten hatten, die dürren Arme, die schmalen Schultern. Doch obwohl Túrin noch ein Kind war, konnte er sehen, dass er eines Tages zu einem großen Mann heranwachsen würde, und er zweifelte nicht daran, dass er dann seine Worte, die jetzt nur wie die Äußerungen eines naiven Jungen klingen mochten, in die Tat umsetzen würde.

Beleg schien zu der gleichen Erkenntnis zu kommen, denn er nickte und ein leichtes Lächeln spielte dabei um seine Lippen.

„Mein Gefühl sagt mir“, meinte er, „dass du, sobald du alt genug bist, deine Gelegenheit bekommen wirst, dich am Kampf gegen Morgoth zu beteiligten. Und dann wirst du Großes vollbringen, so wie einst dein Vater vor dir.“

Túrin antwortete nicht, doch seine Augen leuchteten vor Stolz.
 

Einen Tag später machten sie sich zusammen mit dem Jungen und seinen zwei Begleitern auf den Weg nach Menegroth, denn Thingol hatte ihnen am Morgen einen Boten geschickt, der ihnen mitgeteilt hatte, dass er Túrin empfangen würde.

Und so kam Túrin nach Menegroth und betrat als erster Mensch nach Beren die Hallen des Königs von Doriath, in denen er für die nächsten Jahre wohnen sollte.
 

~*~

Mablung kam es vor, als läge es erst wenige Tage zurück, dass der Junge den unterirdischen Palast betreten hatte.

Er erinnerte sich noch lebhaft an Túrins große Augen, als er versuchte, all die neuen Eindrücke zu erfassen, und an die erstaunten Ausrufe seiner beiden Begleiter. Er erinnerte sich an das Raunen, das durch den Thronsaal gegangen war, als Thingol den Jungen auf seinen Schoß gesetzt hatte, um zu symbolisieren, dass er ihn als Pflegesohn annahm – eine Ehre, die nie zuvor in der Geschichte der Elben einem Menschenkind zuteil geworden war. Er erinnerte sich, wie Túrin in den nächsten Jahren das Wissen der Elben aufgesaugt hatte, wie ein Schwamm das Wasser, und wie er unter Belegs geduldiger Anleitung nach und nach den Umgang mit den verschiedensten Waffen gemeistert hatte.
 

Doch er erinnerte sich auch an andere Zeiten...
 

~*~

„Túrin!“, rief Mablung außer Atem, als er den jungen Mann endlich eingeholt hatte, nachdem er ihn durch halb Doriath verfolgt hatte.

„Túrin, was ist das für ein grausames Spiel, das du hier spielst?“, fragte er, während er nähertrat, bis er schließlich neben dem anderen an Rand einer Schlucht zu stehen kam, in der tief unten ein Bach rauschte.

„Wo ist Saeros? Und was hat er dir Übles getan, dass du ihn so...“

Seine Worte blieben ihm im Hals stecken, als seine Augen Túrins Blick folgten, der auf etwas fixiert war, das sich am Grund der Schlucht befand. Ihm wurde plötzlich übel, so grauenhaft war der Anblick, der sich ihm bot.

Mit einem Klirren fiel Túrin das Schwert aus der schlaffen Hand und auf den felsigen Boden.

„Oh, Túrin“, sagte Mablung leise, während er auf die reglose Gestalt am Grund der Schlucht hinuntersah. „Was hast du nur getan...?“

Der junge Mann wandte ihm das Gesicht zu, das kalkweiß war vor Schrecken. Obwohl Túrin den Elben mittlerweile um einen halben Kopf überragte, sah Mablung in diesem Moment wieder das verängstigte Kind vor sich, das sie damals im Wald gefunden hatten.

„Es war ein Unfall.“ Túrins Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Ich habe nie gewollt, dass es so weit kommt. Ich wollte ihn an dieser Stelle gehen lassen.“

Einen Moment lang starrten sie in die Schlucht hinunter, ohne ein Wort zu sagen.

Doch schließlich meinte Mablung:

„Wir sollten zum Palast zurückkehren und Thingol berichten, was vorgefallen ist. Ich bin mir sicher, sein Urteil wird gnädig ausfallen, wenn er erfährt, wie es zu diesem Vorfall kam.“

Doch Túrin bückte sich nur, um sein Schwert wieder aufzuheben, und wandte sich ab.

„Wie gnädig kann sein Urteil sein, nachdem einer seiner Berater durch mich umgekommen ist?“, entgegnete er düster. „Es tut mir leid, Mablung, aber ich werde nicht mit dir gehen. Ich denke, es wäre besser für mich, wenn ich Doriath verlasse.“

Er wollte schon loslaufen, als Mablung nach seinem Arm griff. Doch Túrin riss sich los, und der Elb versuchte nicht noch mal, ihn festzuhalten.

„Túrin!“, rief er, und Verzweiflung erfasste ihn. „Sei kein Narr! Wirf nicht alles weg, was du hast, nur weil du zu stolz bist, Thingol um Vergebung zu bitten!“

Túrin wandte ihm das Gesicht zu und sah ihn an, und seine Miene war so reglos wie eine Maske aus Stein.

„Wenn du mich aufhalten willst“, sagte er mit tonloser Stimme, „dann musst du mich töten.“

Mablungs Augen weiteten sich vor Entsetzen bei diesen bitteren Worten und er wich zurück, als Túrin an ihm vorbeiging. Túrin war nie ein fröhliches Kind gewesen, aber diese Düsternis in ihm sah Mablung zum ersten Mal.

„Túrin“, rief er ihm stattdessen nach. „Wenn du gehen willst, dann geh, ich werde dich nicht daran hindern. Aber vergiss nicht, dass du auch Freunde hier hast! Was ist mit Beleg? Was soll ich ihm sagen...?“

Túrin hielt kurz inne, drehte sich jedoch nicht um.

„Sag ihm, dass ich ihm dankbar bin für die Geduld, die er stets mit mir hatte“, entgegnete er leise. „Und dass es mir leid tut, dass ich ihn so enttäuscht habe.“

Dann ging er, und Mablung sah ihn nicht wieder.
 

~*~

Aufgeregtes Gemurmel riss Mablung aus seinen Erinnerungen.

Der König und die Königin hatten soeben die Halle betreten und schritten nun langsam auf den Thron zu. Nachdem Thingol sich niedergelassen hatte und Melian sich auf den Thron zu seiner linken gesetzt hatte, kehrte langsam Ruhe ein.

Mittlerweile war es so voll in der Halle, dass viele der Schaulustigen nicht mehr hineinpassten und die Türen geöffnet werden mussten.

Als es abgesehen vom leisen Rascheln der Roben der versammelten Elbenfürsten völlig still war im Raum, erhob sich Thingol von seinem Thron.

„Ihr alle habt gehört, was die Boten von Haleths Volk berichtet haben“, sagte er mit klarer Stimme. „Was sie sagen, ist wahr. Ich habe Kundschafter ausgesandt, die ihre Worte bestätigt haben: das Lager am Amon Rûdh ist nicht mehr. Orks haben es zerstört.“

Ein unruhiges Flüstern setzte ein, das aber sofort wieder verstummte, als der König seine Hand hob.

„Es gab keine Überlebenden“, fuhr er dann fort. „Doch weder mein angenommener Sohn Túrin noch Beleg Cúthalion waren unter den Toten.“

„Dann sind sie noch am Leben!“, ertönte ein Ruf aus der Menge.

„Vielleicht konnten sie sich retten!“, rief ein anderer.

„Oder aber sie wurden von den Orks verschleppt und befinden sich auf dem Weg nach Angband.“

Alle Augen richteten sich auf Mablung, von dem der letzte Kommentar stammte.

Er nahm all seinen Mut zusammen und schob sich durch die Menge nach vorn bis vor den Thron, wo er sich tief verneigte.

„Ich bitte Euch, mein König, gebt mir die Erlaubnis nachzuforschen, was mit den beiden geschehen ist“, sagte er. „Mein Herz wird keine Ruhe finden, bis ich es weiß.“

Ein Raunen ging durch den Raum und erneut wurden geflüsterte Gespräche geführt.

Doch Thingol sah Mablung nur an und schwieg.
 

~*~

„Gebt mir Urlaub, Herr!“, bat Beleg und verbeugte sich vor dem Königspaar. „Zwar wissen wir nun, wo Túrin sich aufhält, doch ich habe Angst, dass er in der Wildnis verkommt, wenn er weiter bei diesen Geächteten bleibt. Lasst mich gehen, und ich werde ihn beschützen und versuchen, seine Taten in die richtige Richtung zu lenken, so gut ich es vermag.“

Thingol trat vor ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern. Beleg, der alles andere als ein kleiner Mann war, wirkte vor der hochgewachsenen Gestalt des Königs wie ein Kind.

„Dein Wunsch sei dir gewährt, Cúthalion“, sagte Thingol. „Auch wenn du uns sehr fehlen wirst. Wenn wir dich bei deiner Aufgabe irgendwie unterstützen können und es etwas gibt, was du dir wünscht, dann zögere nicht, es uns zu sagen.“

Beleg schwieg für einen Moment, und Mablung sah, dass er angestrengt nachdachte. Er konnte verstehen, wieso – es war schwierig, bei einem solchen Angebot einen angemessenen Wunsch zu finden.

Doch schließlich blickte Beleg auf und sah dem König ohne Furcht ins Gesicht.

„Ich könnte ein gutes Schwert gebrauchen.“
 

„Und ich kann dir deinen Entschluss ganz sicher nicht ausreden?“, fragte Mablung, während er Beleg beim Packen zusah.

Der andere hielt inne und warf Mablung einen seltsamen Blick zu.

„Wieso fragst du so etwas?“, erwiderte er dann, bevor er sich wieder an die Arbeit machte. „Ist Túrin nicht auch dein Freund...?“

Mablung seufzte. Er wünschte, es würde ihm nicht so schwer fallen, diese Frage zu beantworten.

„Ich liebe ihn ebenso, wie du“, entgegnete er. „Doch nach meinem letzten Treffen mit ihm bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es tatsächlich das Beste wäre, wenn er wieder zu uns zurückkehrt...“

Dieses Mal hielt Beleg nicht inne, aber sein enttäuschter Blick traf Mablung schwer.

„Ich hätte nie gedacht, dass du etwas so Grausames sagen könntest“, meinte er. „Mir scheint, dass du jede Hoffnung aufgegeben hast, dass er gerettet werden kann. Túrin ist stolz und verzweifelt, das ja, aber er ist keine schlechte Person.“

‚Du hast die Dunkelheit in seinen Augen auch nicht gesehen!‘, wollte Mablung rufen. ‚Túrin mag für alle nur das Beste wollen, aber es ist eine Finsternis in ihm, die mir Angst macht, und wenn du bei ihm bleibst, wird sie eines Tages auch dich verschlingen!‘

Doch er sagte nichts davon, sondern wandte nur den Blick ab.

„Versprich mir nur, dass du auf dich achtgibst“, sagte er leise. „Und auf Túrin. Was auch immer geschieht, ich will mich nicht in Streit und Hass von dir trennen.“

Belegs Miene wurde weicher.

„Wir sind Freunde, Mablung“, erwiderte er. „Ich könnte dich niemals hassen, weder jetzt, noch in tausend Jahren, dessen kannst du dir gewiss sein.“

Etwas in Mablung zerbrach bei diesen Worten. Doch er zwang sich, Beleg offen ins Gesicht zu sehen, und schenkte ihm ein Lächeln, das der andere erwiderte.

Und damit war alles gesagt.
 

Beleg verließ den Palast von Menegroth noch am gleichen Tag, und er winkte Mablung am Tor zum Abschied zu.

Er kehrte nie wieder zurück.
 

~*~

„Ich kann deiner Bitte leider nicht stattgeben“, sagte Thingol schließlich, und Mablung hob überrascht den Kopf.

„Ich habe schon zwei, die ich liebe, verloren, und ich will es nicht riskieren, noch einen mehr zu verlieren. Die Welt außerhalb von Doriath ist in den letzten Jahren immer gefährlicher geworden, und dich gehen zu lassen würde bedeuten, dich in deinen Untergang zu schicken, und das kann und will ich nicht verantworten.“

Mablung konnte kaum glauben, was er da hörte.

„Aber... Herr, wer sagt, dass sie verloren sind?“, protestierte er. „Ihr könnt doch nicht einfach-!“

Doch Thingol unterbrach ihn scharf.

„Dies ist ist mein letztes Wort, Mablung“, sagte er. „Ich werde keine weiteren Kundschafter losschicken. Es tut mir leid.“

Dann wandte er sich ab und wechselte einen Blick mit der Königin. Melian nickte ihm zu, und damit war es beschlossen. Während sich die versammelten Elben tief vor ihnen verbeugten, erhob sich das Herrscherpaar wieder und verließ den Thronsaal.

Nur Mablung stand als einziger reglos da und sah ihnen stumm nach.
 

~*~

„Ihr habt es geahnt, nicht wahr, Herrin?“, fragte Mablung Jahre später, nachdem sie Túrin begraben hatten.

„Die Dunkelheit in Túrin... Ihr habt sie auch gesehen. Und Ihr wolltet mich von ihr fernhalten, damit ich nicht Belegs Schicksal teile.“

Melian schenkte ihm ein trauriges Lächeln.

Mablung konnte ihr nicht lange in die Augen sehen – niemand außer Thingol ertrug den Anblick des uralten Geistes darin über längere Zeit – doch was er für einen kurzen Moment dort erblickte, bestätigte seine Vermutung.

„Túrin hatte keine Kontrolle über sein Schicksal seit dem Tag, an dem er das Haus seines Vaters verlassen hat“, sagte die Königin. „Morgoth hatte seine Familie mit einem Fluch belegt, dem er nicht entkommen konnte. Auf seine Weise hat auch Cúthalion dies stets gewusst, doch er ist dennoch nicht von Túrins Seite gewichen.“

„Aber wieso?“, fragte Mablung. „Wenn er all die Jahre lang gewusst hat, dass er Túrin nicht retten kann, wieso ist Beleg dann trotzdem zu ihm zurückgekehrt?“

„Wieso?“ Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte Melians Lippen. „Wieso gibt jemand sein ganzes Leben für einen anderen auf, selbst wenn er weiß, dass seine Zeit mit ihm zusammen nur von kurzer Dauer sein wird? ... Aus Liebe, Herr Mablung. Aus Liebe.“

Mablung neigte den Kopf.

„Ich glaube, ich verstehe nun endlich“, sagte er.

Und das tat er tatsächlich. Vielleicht zum ersten Mal, seitdem dieses unselige Drama vor all den Jahren begonnen hatte, verstand er. Und er erkannte, dass nichts in der Welt Beleg von seinem Entschluss hätte abbringen können – nicht er, nicht Thingol, vielleicht nicht einmal die Valar selbst.

„Sei nicht betrübt“, sagte die Königin sanft. „Er hat seinen Entschluss bis zum Ende nicht bereut.“

„Ich bin nicht betrübt, Herrin“, erwiderte Mablung, und es stimmte.

Er dachte einen Moment lang nach.

„Doch sollte uns Mandos eines Tages wieder zusammenbringen, werde ich eine Menge Fragen an ihn haben“, meinte er dann.

Melian lachte nur.
 


 

~ Ende ~
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2014-03-22T18:53:18+00:00 22.03.2014 19:53
Huhu,
Und manchmal – nur manchmal – fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn sie den Jungen damals nie gefunden hätten.
Kommt noch, dass er sich das öfter fragt, denke ich. Wo das Buch doch so ein herzerwärmendes ist, das dank der uferlosen Fröhlichkeit so ein positives Weltbild vermittelt.
Eigentlich gemein, wie Tolkien mit dem Hobbit anfing, um einen in die Falle zu locken.

„Ist dir klar, was das bedeutet?“, fragte er mit leuchtenden Augen. „Ein solches Kind, in dem sich das Blut der Eldar und der Edain vereint, hat es bisher noch nie gegeben!“
Laola!

Außerdem waren sie äußerst anfällig für den Zauber, der auf den Wäldern lag, und traten oft schon nach wenigen Metern ins Unterholz wieder den Rückzug an.

Es gibt so Momente, in denen ich mich frage, warum ich keine Comicstrips zeichne. Dieser ist einer davon.

~*~
Was ich noch sagen wollte: Eigentlich steh ich nicht so auf Sonderzeichen, um anzuzeigen, dass nun ein neuer Abschnitt der Geschichte kommt. Normalerweise. Bei dir stört es mich erstaunlich wenig, vielleicht, weil du etwas dezentes gewählt hast, und man ja gerade von Elben Sterne und geschwungene Linien gewohnt ist. (Und das Kopieren hat wohl gerade die Formatierung des Komentars zerschossen. :'D)

Ich mag es, dass deine Elbenheilerei... wirklich wie Heilerei wirkt und nicht so peterjacksonhaft wie pure Magie, die in wenigen Augenblicken alles heilt. Das finde ich immer so unglaubwürdig. Ja, wir ersetzen alle kranke Zellen mal eben mit nem Fingerschnippen, Königskraut und tollen Sprüchen durch gesunde, und alle müssen es uns abkaufen, jaja.

Doch schließlich meinte Mablung:
"meinte" wirkt nicht gut. Irgendwie. "Doch schließlich begann Mablung/ hob Mablung an" oder so läse sich schöner.

„Wie gnädig kann sein Urteil sein, nachdem einer seiner Berater durch mich umgekommen ist?“, entgegnete er düster. „Es tut mir leid, Mablung, aber ich werde nicht mit dir gehen. Ich denke, es wäre besser für mich, wenn ich Doriath verlasse.“
Er hat ja so ein Talent dafür, seine Freundschaften zu erhalten!

Doch schließlich blickte Beleg auf und sah dem König ohne Furcht ins Gesicht.
„Ich könnte ein gutes Schwert gebrauchen.“

Mein Vater würde diese Stelle lieben! Allerdings glaube ich nicht, dass er für Fanfictions zu begeistern ist. Er toleriert das Internet zwar und findet gewisse Möglichkeiten sinnvoll, aber ich versuch besser gar nicht erst, ihn mit Fandoms vertraut zu machen.

Melian lachte nur.
Ich glaub, sie hat das Buch gelesen.

Hm. Ist es ein Kompliment, wenn ich sag, dass du die Stimmung des Buches "Die Kinder Húrins" getroffen hast? Fühlt sich irgendwie nicht so an, aber es ist trotzdem so. In gewisser Weise ist es schön gewesen, diese Geschichte zu lesen, aber sie fühlt sich einfach nicht gemütlich an, wenn du verstehst, was ich meine.
Dafür passt der Titel der Geschichte perfekt.

Was ich zu deinem Schreibstil bisher geschrieben hab, trifft auch hier zu: Du nennst, erklärst aber nicht, bis es einem zum Halse raushängt. Man versteht sofort, was du sagen willst, und ich denke, dass das auch ohne Hintergrundwissen machbar ist. Ich habs mir, um ehrlich zu sein, viel schlimmer vorgestellt. :'D
Ich lese nicht so oft Fanfictions, und in den letzten zwei Jahren oder so hab ich fast gar nichts im Web gelesen, von Blogs ausgenommen. Mit dank dir habe ich keine Skrupel davor, weiter zu machen.

Deine anderen beiden Geschichten werde ich mir dann wohl morgen ansehen, für heute habe ich erst mal genug gelesen und kommentiert, denke ich. (:
Und gleich kommt Wilsberg. Wuhu.
Ciao du, schönen Abend noch,
Eule
Von:  Yusho
2013-06-07T17:50:35+00:00 07.06.2013 19:50
Hallo,
ich habe mir grade deine bisherige FF zu Gemüte geführt und muss sagen das ich trotz nur groben Kenntnissen zum Silmarillion doch weitestgehend alles verstanden habe. Was mir besonders gut gefällt ist wie du deine Schreibweise an die Wortwahl und das 'Denken' eines Elben anpasst auch wenn hier noch einzelne Sätze vorhanden sind, die noch nicht rund klingen ist es dir insgesamt gut und stimmig gelungen =)
Ich freue mich auf weitere Kapitel, sollte da noch mehr geplant sein.
Liebe Grüße,
Luise
Antwort von: Morwen
08.06.2013 10:23
Vielen Dank~! :)
Die Geschichte war damals mein erster Versuch überhaupt, einen Elben zu schreiben. Und ich stimme dir zu, einfach ist es nicht, dazu ticken sie einfach zu anders. Ich will darum einerseits zwar gerne mehr Silmarillion-FFs schreiben, stehe andererseits aber immer vor dem unlösbaren Problem, dass der Großteil der Charaktere daraus, die mich interessieren, Elben sind, und deren Innenleben ist oft... problematisch. - Aber ich gebe nicht auf. ;)
Weitere Kapitel wird es leider nicht geben, weil die Geschichte von Túrin und Beleg an dieser Stelle zu Ende ist. :)
Jedenfalls noch mal ein großes Danke. <3
Morwen~


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