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Seelensplitter

von

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Das erste Mal

Mein erstes Opfer? Ich bin sicher das kennen Sie. Schließlich gab es bei allen ähnliche Vorgehensweisen.

Wie? Sie wollen es noch einmal von mir hören? Na gut, aber Sie sind selbst schuld, wenn ich Sie langweile!

Sicher nicht? Okay. Wie Sie wissen hatten meine Opfer offenbar keinen Zusammenhang, folgten keinem Muster.

Ach, dass glauben Sie nicht? Jeder Mörder folgt einem Muster? Naja, ich denke Sie haben Recht!

Was mein Muster war? Ich denke, das werden Sie im Laufe unserer Unterhaltung selbst herausfinden. Aber jetzt hören Sie zu!
 

***

Der Mann schleifte die Leiche hinter einen Müllcontainer, ohne zu bemerken dass er fotografiert wurde.

Die hochauflösende Kamera machte selbst im Dunkeln gute Bilder und auch ohne Blitz konnte man zweifelsfrei alles erkennen.

Monate lang war sie ihm gefolgt, hatte beobachtet, fotografiert, dokumentiert.

Hatte sich gezwungen zuzusehen wie er ein Mädchen missbrauchte und ermordete, während die Welt weg- und die Polizei Hinweise übersah.

Himmel, Tom Marshall hätte seine Visitenkarte neben dem Opfer liegen lassen können ohne auch nur befragt zu werden.

Der einzige Polizist der je einen juristischen Schritt gegen den jüngsten Sohn der Marshallfamilie gewagt hatte war drei Tage später vom Dienst suspendiert worden, hatte eine gefälschte Anzeige wegen Bestechlichkeit am Hals und es außerdem plötzlich sehr eilig, aus der Stadt wegzuziehen.

Nicht das er Drohbriefe oder so etwas erhalten hätte… Nicht doch!

Da Tom inzwischen verschwunden war richtete sie sich auf und streckte ihre steifen Glieder.

Bei dieser Kälte war ein Dach zwar der beste aber nicht der angenehmste Aufenthaltsort, wenn man heimlich jemanden beobachten wollte.

Aber egal, in kürze wäre das ganze sowieso erledigt. In drei Tagen wollte sie zuschlagen.
 

Mit den Händen strich sie über das rote Spitzenoberteil und den engen Lederminirock, die jede einzelne Kurve ihres Körpers extra betonten.

Ihr Haar hatte sie zu zwei hohen Rattenschwänzen zusammengefasst.

Das Gesicht wirkte durch den gekonnten Einsatz von Make-up wesentlich jünger und leicht verändert.

Lippen etwas voller, Augen etwas größer, ein paar Sommersprossen… und schon erkannte einen die eigene Mutter nicht wieder. Wenn man denn eine hatte.

Wie auch immer, sie entsprach genau Toms üblichem Beuteschema.

Kindfrauen. Sogenannte Lolitas. Perverses Schwein!

Ihre mittelhohen Absätze klackten über den Steinboden, aber das störte weder sie noch sonst jemanden.

Die Geheimgänge des alten Herrenhauses, das seit Generationen der Familie ihres Adoptivvaters gehörte, waren zwar nicht in Vergessenheit geraten, wurden aber nicht mehr genutzt, seit Damian und sie nicht mehr darin verstecken spielten.

Wie auch immer, es war ein guter Weg um ungesehen irgendwohin zu gelangen und die Wege die sie wählte führten sie in die Nähe der Stadt, nur einen Katzensprung von ihrem Ziel entfernt.

Die Luft im Club war ekelig. Das Gemisch aus Schweiß, Alkohol und Parfüm löste beinahe Brechreiz aus, aber es war ja schließlich noch niemand erstunken.

Also saß sie tapfer auf einem Barhocker mit Sicht auf die Tür und nippte an ihrer Cola.

Das Getränk wurde langsam warm, was den Geschmack nicht gerade verbesserte und so war sie heilfroh, als Tom endlich im Türrahmen erschien.

So unglaublich berechenbar…

Der nächste Teil war denkbar einfach: nachdem sie einige Zeit lang gewartet hatte glitt sie vom Hocker, zupfte kurz ihre Kleidung zu recht und bahnte sich ihren Weg durch die Menge.

Am Ziel angekommen stolperte sie absichtlich über ihre eigenen Füße, geriet ins straucheln und stieß mit jemandem zusammen.

„Hoppla, tut mir leid!“ stammelte sie und blickte schüchtern in das gutaussehende Gesicht von Tom Marshall Junior, benannt nach seinem Großvater mütterlicherseits.

Mit dem breiten Schultern, den karamellfarbenen Augen und den goldblonden Haaren sah er wirklich super aus und so viel es ihr nicht schwer rot zu werden, als er ihr ein charmantes Lächeln schenkte.

„Aber nicht doch! So ein kleines Missgeschick kann doch jedem Mal passieren.“

Sie schaffte es irgendwie noch ein bisschen röter zu werden und begann, die Haarspitzen ihres rechten Zopfs um ihren Zeigefinger zu zwirbeln.

„Ich bin die Absätze nicht gewöhnt!“ mit diesen Worten drehte sie sich und winkelte ihr linkes Bein an, sodass ihr Fuß nach oben zeigte und man ihre Schnallenstiefel mit den fünf Zentimeterabsätzen sehen konnte ohne sich zu bücken.

Dabei verlor sie wieder das Gleichgewicht und griff nach Toms Arm um nicht umzufallen.

„Sorry, ich habe wohl etwas zu viel getrunken…“ ein scheues Lächeln und ein erneutes zwirbeln, diesmal an ihrem linken Zopf.

„Kein Problem!“ ein erneutes Zahnpastalächeln.

„Komm, ich spendiere dir noch etwas zu trinken und wir unterhalten uns ein bisschen!“

„Gerne! Eine Cola wäre nicht schlecht, von Alkohol lasse ich besser für den Rest des Abends die Finger.“

Ein attraktives Lachen, dann ging er zur Bar und redete auf den Barkeeper ein.

Kurze Zeit später kam er mit zwei Gläser zurück und steuerte auf eine der Sitzgelegenheiten im hinteren Teil des Clubs zu.

Sie folgte ihm leicht schwankend, sie wollte den Eindruck erwecken schon recht angetrunken zu sein.

Das Opfer das sie mit ihm gesehen hatte wirkte betrunken oder betäubt und so war sie auf alles gefasst.

Daher entging ihr auch die unauffällige Handbewegung nicht die Tom über ihrem Glas machte.

Es sah aus, als ob er etwas hineingeschüttet hätte und als er sich jetzt setzte wanderte seine Hand unauffällig zur Tasche seines Hemdes.

Alle Bewegungen waren ihr nur aufgefallen, weil sie darauf geachtet hatte und jetzt verstand sie auch, warum er so viele Mädchen hatte töten können.

Er war zwar ein mordender Perversling, aber er war auch geschickt darin Menschen zu manipulieren.

Die Mädchen waren ganz offensichtlich nicht betrunken sondern betäubt gewesen und dieses Mittel hatte es offenbar in sich, was sich an dem kurzem Aufflackern in seinem Blick zeigte, als sie noch im stehen das Glas nahm und so tat, als würde sie einen großen Schluck trinken, während sie sich auf die gepolsterte Bank sinken ließ.

Nun blieb noch ein Problem: wie wurde sie das verdammte Glas los? Oder eigentlich eher den Inhalt.

Das Problem löste sich von selbst: Eine attraktive Brünette stöckelte auf ihren vierzehn Zentimeter High Heels zu ihnen herüber und zog eine fantastische Show ab, bei der nur noch fehlte, dass sie sich auf dem Tisch räkelte.

Ihr Plan Toms Augenmerk auf sich zu lenken geklappte zwar nicht, aber bis der Mitte zwanzigjährige sie abgewimmelt hatte war der Großteil ihres Getränks einer hilfsbedürftigen Pflanze gespendet worden und als Marshall Junior sich wieder ihr zuwandte setzte sie gerade das Glas auf der Tischplatte ab.

„Himmel hatte ich Durst!“ Mit einem koketten Lächeln schlug sie die Beine übereinander, jetzt musste sie nur noch abwarten.

„Ist alles in Ordnung, du siehst blass aus“ meinte Tom keine zehn Minuten später.

„Alles klar, ich bin nur ein bisschen müde!“ sie ließ den Worten ein herzhaftes Gähnen folgen, das sie hinter vorgehaltener Hand verbarg.

Wobei, machte das Mittel eigentlich wirklich nur müde?

Verdammt, warum hatte sie das vorher nicht bedacht? Wie sollte sie sich nun verhalten?

„Komm, ich bringe dich nachhause!“

Tja, da konnte sie wohl nur mitspielen und hoffen, dass er ihr nicht auf die Schliche kam.

„Nicht nötig!“ ein erneutes Gähnen während sie aufstand.

„Ich kann laufen!“

„Aber, aber! Ich kann doch ein so junges, hübsches Ding nicht alleine bei Nacht durch die Gegend laufen lassen! Was da alles passieren könnte!“

Vermutlich weniger als bei ihm, aber diesen Gedanken behielt sie für sich und nannte eine Adresse, die in einem Wohnviertel in der Nähe lag, zu Fuß etwa eine halbe Stunde entfernt.

Eine Hand auf ihrem unteren Rücken bugsierte er sie durch den Club, wobei seine Hand ihrem Hintern etwas zu nahe für ihren Geschmack kam.

An der Garderobe legte sie ihre Handtasche kurz beiseite um ihre Jacke überzuziehen und hängte sie sich wieder um, sodass sie über ihrer rechten Schulter hing.

Das Messer darin schien plötzlich unglaublich schwer und durch das Material hindurch zu scheinen.

Oh Gott, was wenn er sie durchschaut hatte?

Wenn er sie irgendwann in den letzten Monaten bemerkt hatte?

Warum hatte sie sich das Ganze nicht besser überlegt?

In diesem Moment legte sich die Hand wieder auf ihren Rücken und schob sie zur Tür hinaus.

Tja, Augen zu und durch!

„Liegt mein zuhause nicht in der anderen Richtung?“ sie gähnte wieder und begann mit Absicht stärker zu schwanken.

Der Arm schlang sich weiter um ihre Hüfte und unvermittelt wurde sie in eine Seitenstraße gezerrt.

„Mein Auto steht hier!“

Sein Auto? Na klar! Hielt der Kerl sie etwa für dämlich?

Wer stellte denn bitte einen Mercedes CLA in einer schlecht beleuchteten Seitengasse ab?

Im nächsten Moment fand sie sich an einer Wand wieder und Tom drückte ihre Handrücken dagegen, während er sein Knie zwischen ihre Beine schob.

„So meine schöne, jetzt haben wir beide noch ein bisschen Spaß!“

Sein Grinsen hatte jetzt absolut nichts Charmantes mehr an sich und urplötzlich hatte sie das Bedürfnis, sich in irgendeinem Loch zu verkriechen.

Sie versuchte die Arme frei zu bekommen um an ihr Messer zu gelangen, aber der Griff an ihren Handgelenken war zu stark.

Und am Treten hinderte sie sein Bein.

Na toll! Wirklich super!

Warum zur Hölle hatte sie nicht weiter gedacht?

Immerhin hätte ihr klar sein müssen, dass er nicht einfach stillhalten würde.

Aber irgendwie hatte sie gedacht, dass sich alles von selbst ergeben würde, wenn sie erst mal seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

Sie war eben doch eine sechzehnjährige Witzfigur!

Verwöhnt und in der Kindheit traumatisiert. Keine gute Kombination!

Dass sie während ihres Gedankengangs aufgehört hatte sich zu wehren sah Tom offenbar als Zeichen der Zustimmung oder Aufgabe und so ließ er ihre Hände los, um seine über ihren Körper wandern zu lassen.

‚Okay Mädchen! Konzentrier sich! Erinnere sich an das, was Lucas dir über Selbstverteidigung beigebracht hat!‘

Inzwischen schob der Mann ihr die Jacke von den Schultern, und als er wieder näher kommen wollte schob sie ihn von sich weg, was den jüngsten Marshallsohn allerdings nur zum Lachen brachte.

Wieder ergriff er ihre Handgelenke, aber diesmal war sie vorbereitet.

Mit voller Wucht traf ihr Absatz auf seinen Fuß, wodurch sich sein Griff lockerte.

Mit einer Bewegung, die Lucas mit ihr bis zu Perfektion geübt hatte, befreite sie ihre rechte Hand und rammte ihm den Ellenbogen mitten ins Gesicht, genau auf die Nase.

Blut durchtränkte den Spitzenstoff ihres Ärmels, aber das ignorierte sie und rammte ihrem Gegenüber das Knie in die Weichteile.

Stöhnend sank Tom Junior auf die Knie und sie lies ihren Ellenbogen mit aller Kraft auf seinen Solarplexus knallen.

Der Mann kippte um wie der sprichwörtliche Sack Reis in China.

Wirklich ein guter Punkt, da hatte der Butler ihrer Adoptivfamilie Recht gehabt.

Sie bückte sich nach ihrer Handtasche und holte das lange, scharfe Messer heraus, das sie aus der Küche hatte mitgehen lassen.

‚Ein Glück hält die Köchin auch ihre Ersatzmesser schön scharf‘ dachte sie während sie es aus dem Tuch wickelte.

Kurz überlegte sie was sie jetzt tun sollte.

„Na wie fühlt sich das an?“ fragte sie das röchelnde Bündel unter sich.

Ihr Schlag war nicht stark genug gewesen um ihn bewusstlos zu schlagen, aber er hatte ihm immerhin alle Luft aus den Lungen getrieben.

Die hübschen, karamellfarbenen Augen hatte er panisch aufgerissen.

„Wie fühlt es sich an ein Opfer zu sein? Wie ist es, wenn man für die eigenen Taten gerade stehen muss, ohne die Hilfe von Mummy und Daddy?“ ihre Stimme war nur noch ein höhnisches Zischen, während sie sich auf seine Brust setzte.

„Du hast den Mädchen die Pulsadern aufgeschnitten und zugesehen wie sie verbluten, während du sie wieder und wieder vergewaltigt hast! Soll ich das gleiche mit dir machen? Getreu dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn?“

Ein verängstigtes Kopfschütteln.

„Keine Sorge! Ich bin vielleicht verrückt, aber so tief bin ich noch nicht gesunken! Die Schläge waren für all die Mädchen, die deinetwegen sterben mussten!“

Mit zitternden Händen hob sie das Messer.

‚Mama, Papa, gebt mir Kraft!‘

„Und das, das ist für Lucia Edvans!“

Mit diesen Worten rammte sie ihm das Messer in den Hals.

Danach geschah alles wie in Trance.

Blut spritze auf ihr Oberteil und ihren Rock, aber sie bemerkte es kaum.

Mechanisch stand sie auf, zog die Klinge wieder aus Toms Hals und wischte sie an seinem Hemd ab, um sie anschließend wieder einzuwickeln und in ihrer Tasche zu verstauen, nachdem sie ihm damit eine altmodische Balkenwaage in die Stirn geritzt hatte.

Während sie wieder in ihre Jacke schlüpfte sah sie sich um, konnte aber nichts entdecken, was auf sie hingewiesen hätte.

Das ganze Blut würde hoffentlich sämtliche DNA-Spuren unbrauchbar machen.

Jetzt musste sie nur noch nach Hause!

Sorgen ob sie jemand gesehen hatte machte sie sich nicht, in dieser Gegend sicherten die Leute ihre Türen mit drei zusätzlichen Schlössern und verrammelten nachts ihre Fensterläden.

Auf dem Weg zurück zum Geheimgang machte sie einen Abstecher zum Polizeipräsidium, wo sie einen Umschlag unter der Tür durchschob, darauf bedacht, das Papier nicht mit der bloßen Hand zu berühren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kiiy
2014-12-16T09:28:24+00:00 16.12.2014 10:28
Der kursive Anfang verwirrt mich. Vielleicht denkt mein psycholiebendes Hirn zu schwierig, aber es hat für mich den Anschein, als sei dieses Morden eine Metapher für etwas Anderes.
Okay, normal geschrieben. Es ist wohl doch keine Metapher.
War Tom Marshall vielleicht irgendein wichtiges Tier in dieser Stadt? War der aus'm Prolog Tom Marshall? Bezweifle ich so'n Bisschen.
Eine Sechzehnjährige wollte einen Serienmörder allein stoppen? Wie naiv. Erinnert mich an meine Fanfic..
Oh, sie hat's geschafft. Hat mich tatsächlich überrascht. Sie hat ihm was in die Stirn geritzt? Is' ja auch so'n bisschen krank, oder?
Das Kapitel hat sich super gelesen, ich mag deine Beschreibungen. Bezweifle, dass meine Art zu schreiben da herankommt. Gleich mal das Nächste lesen!
Antwort von:  Zuckerschnute
16.12.2014 17:26
Himmel, gleich werde ich rot! Danke für das Lob.

Du hast recht, Sie ist naiv, verzweifelt und auch wütend.
Tom wird noch später mal erwähnt und er wird am Ende post mortem eine wichtige Rolle spielen, wenn auch nur indirekt!


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