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Der Weg aus dem Kampf

Wenn Träume Berge versetzen
von

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Schwere Geburt

Kapitel 26

Schwere Geburt
 

Der Junge nickte, dann folgte er Eloyn, der Hebamme.

Im Haus war es dämmrig wie immer und Dhaôma war froh darum. Auch so konnte er sehen, dass bisher viel Blut geflossen war. Und es würde noch mehr werden.

Die anderen Frauen wirkten irritiert, und so klärte Eloyn sie mit wenigen ruhigen, sachlichen Worten auf, die keinen Widerspruch zuließen. „Es ist Asams Wunsch.“, setzte sie am Ende noch hinzu und damit war klar, dass es rechtens war.

„Wo soll ich hin, damit ich nicht störe?“, fragte Dhaôma. „Ich muss sie berühren können.“

„Mir gegenüber.“, sagte sie schroff und sah mit Befriedigung, dass er umgehend gehorchte. Die anderen beiden bezogen Position an den Armen und Beinen der werdenden Mutter. „Du weißt, wie so was abläuft?“, fragte sie und es klang scharf.

Dhaôma schüttelte den Kopf. „Ich habe so etwas noch nie gesehen.“

Das war ihr Antwort und Information genug. „Dann hör genau zu. Ich werde den Bauch aufschneiden. Nur so weit, wie die äußere Begrenzung reicht. Es sind nur wenige Zentimeter und muss schnell gehen. Sie wird bluten. Viel. Das musst du stoppen, sobald das Kind draußen ist.“

Nickend deutete er an, dass er verstanden hatte. Glücklich war er nicht über den Gedanken, aber er musste tapfer sein. „Könnt Ihr mir helfen? Ich werde meine Hände brauchen, die Magie fließen zu lassen. Jemand muss die Wunde zusammendrücken, damit ich die Blutung auch stoppen kann.“

Auch diesen Vorschlag nahm sie an. Sie sicherte ihm Hilfe zu, dann legte sie das Messer an. „Ich beginne.“

Eigentlich hatte Dhaôma gedacht, dass Leoni ohnmächtig war, doch als sie vor Schmerzen aufschrie, wusste er, dass es nicht so war. Vor Schreck zuckte er zusammen, unterdrückte den Wunsch, sich die Ohren zuzuhalten. Fast war er dankbar, als der Schrei abbrach. Dafür drohte nun das Blut seine Sicht zu nehmen. Prominent quoll es aus dem Gewebe, die Hände der Hebamme verschwanden in dem Bauch, dann zogen sie ein ebenso blutiges Kind heraus.

„Los!“, befahl sie und der Magier aktivierte die Magie, die ihm vor lauter Panik schon ganz von alleine unter seiner Haut brannte. Zwei Hände drückten den Schnitt zusammen, Dhaômas legten sich darauf. Vor seinem inneren Auge sah er, welche Strukturen verletzt waren, spürte instinktiv, welche zuerst heilen mussten, damit das alles funktionieren konnte. Die Linien auf seinen Wangen und seinem Nacken leuchteten, Gewebe löste sich auf und zerfiel, bildete sich neu. Adern verwuchsen oder verödeten, bildeten sich ganz einfach neu. Doch viel zu schnell schwand seine Kraft. Er konnte es spüren.

Wenn er jetzt aufhörte, würde sie sterben, würde einfach innerlich verbluten!

Angst kroch in seinem Herzen hoch, schnürte es zusammen. Im gleichen Moment zerriss der Schrei des Neugeborenen die Luft, als spüre es den nahen Tod der Mutter. Es fachte die Angst Dhaômas um das Leben vor sich an. Er musste es schaffen! Schon allein um des Kindes Willen!

Das Leuchten wurde intensiver als vorher, erhellte die ganze Hütte, als er alles gab. Längst oblag die Kontrolle nicht mehr ihm. Die Magie floss einfach aus ihm heraus, suchte sich von allein ihren Weg und ihren Bestimmungsort, bevor sie ganz plötzlich erlosch. Ohnmächtig sank Dhaôma in sich zusammen. Seine Kraft war aufgebraucht.

Eloyn sah das mit Besorgnis. Ja, die Wunde war nun kleiner und hatte auch keine Verbindung mehr nach innen, aber sie war weit davon entfernt, wirklich geheilt zu sein! Würde das reichen? Aber wenn er nicht mehr konnte, dann war das nicht zu ändern. Er hatte Leoni zumindest eine Chance erkämpft, das musste sie ihm zugestehen.

Mit wenigen Anweisungen kommandierte sie ihre Helferinnen herum. Sie schafften den nun störenden Mann beiseite, bevor sie die Wunden behandelten. Mit eingekochtem Urin deckten sie die offenen Bereiche ab, wuschen das Blut von Mutter und weinendem Kind und gaben dem Kind zu trinken. Zu ihrem Glück funktionierten die Brüste und Milch kam hervor, als es zu saugen begann.

Eine Viertelstunde später war die Mutter vollkommen in frische Felle eingewickelt und hielt das nun vor Erschöpfung schlafende Kind im Arm. Noch immer war sie nicht bei Bewusstsein, doch ihr Atem ging ruhig, das Herz schlug noch. Es war mehr, als man ihr zugestanden hatte. Die blutigen Felle wurden entfernt, bevor Eloyn nach draußen ging.

„Asam.“, rief sie ihn heran und nickte ihm mit einem annähernd beruhigenden Lächeln zu. „Geh zu ihr. Sie ist noch nicht wach, aber sie lebt. So auch deine Tochter.“

Der Mann, der bei ihrem Anblick fast in Tränen ausgebrochen war wegen all dem Blut, stieß die unbewusst angehaltene Luft aus. Wortlos vor überschäumenden Emotionen, trat er an ihr vorbei ins Haus, während sie das Dorf kurz in Kenntnis setzte:

„Der Magier hat ihr eine Chance gegeben. Sie lebt, aber wir können nicht sagen, wie lange noch.“ Aus ihrer Stimme sprach eine Mischung aus Bewunderung und Abneigung. „Wir werden abwarten müssen.“
 

Erleichtert seufzte Mimoun auf. Er hatte gewusst, dass er es schaffen würde. Doch die Kraft schien nicht für eine vollständige Heilung gereicht zu haben, wie er den Worten entnehmen konnte. Er trat an die Frau heran. „Wenn ihr es schafft, Leoni zwei oder drei Tage am Leben zu erhalten, wird alles gut. Solange wird Dhaôma brauchen, um wieder einigermaßen zu Kräften zu kommen. Dann wird er sie sicher vollständig heilen.“, klärte er sie auf und sie nickte verstehend. Zwei, drei Tage klangen nicht viel, auch wenn sie lang werden konnten. Das würden sie schon schaffen. „Darf ich zu ihm?“, setzte er als Frage noch hinterher und Eloyn trat noch ein wenig weiter zur Seite. Mit einer knappen Bewegung deutete sie auf den Raum, in den sie ihn geschafft hatten, damit Mutter und Kind sich ungestört erholen konnten. Mimoun nickte dankbar und trat in das Halbdunkel jenseits der Lederbahnen. Dhaôma lag am Rand auf einigen Fellen, die notdürftig als Lager zusammengetragen worden waren. Leise hockte er sich daneben und strich seinem Freund vorsichtig einige Strähnen aus der Stirn. Sorgsam achtete er darauf, ihn nicht zu wecken.

„Das hast du sehr gut gemacht.“, flüsterte er lächelnd und überzeugte sich mit Blicken davon, dass er ungestört schlafen konnte. „Ich bin bald wieder da. Ruh dich aus.“ Ebenso leise, wie er gekommen war, entfernte er sich auch wieder. Er organisierte einen Wasserschlauch, den er Dhaôma an die Seite legte, und holte vom Fluss noch einige Pflaumen. Anschließend erkundigte er sich nach Leonis Befinden und dem des Kindes und ging dann zu Addar. Er entschuldigte sich dafür, ihnen länger zur Last zu fallen, als ursprünglich beabsichtigt, aber dieser wies entschieden von sich, dass sie eine Last darstellten. Er war dankbar für ihre Anwesenheit und er war froh, sie länger als Gäste betrachten zu dürfen.

Danach trat Asam an Mimoun heran. Ein wenig war der Schwarzhaarige erstaunt, dass sich der frischgebackene Vater von seiner Familie trennen konnte, auf eine entsprechende Anmerkung Mimouns, erklärte dieser, er wollte sich bei ihm nur für sein rüdes Benehmen entschuldigen. Nun wehrte Mimoun ab. Er erwiderte, er könne ihn verstehen und er trage es ihm nicht nach.

Nachdem er alles Wichtige erledigt hatte und da sich der Tag bereits seinem Ende neigte, zog sich Mimoun mit einem knappen Hinweis zurück. Der Raum wurde ein wenig verkleinert, so dass wirklich nur noch Platz für Mimoun und den Magier war. Dort beugte er sich noch einmal kurz über seinen Freund, überzeugte sich von dessen friedlichem Schlaf und legte sich neben ihm zur Ruhe.

Am nächsten Morgen ließ er Dhaôma schlafen und frühstückte zusammen mit der Familie Addars. Anschließend machte er sich ein wenig im Dorf nützlich. Mimoun sah immer wieder eine der Hebammen in der Hütte verschwinden, um sich um Leoni und das Kind zu kümmern. Doch alles blieb ruhig. So lange keine Hektik ausbrach, war alles in Ordnung.

Gegen Mittag betrat Mimoun wieder den Raum und rüttelte sanft an Dhaômas Schultern. Der Magier musste etwas essen. Danach konnte er weiterschlafen.
 

Dhaôma reagierte auf das Schütteln. Müde öffnete er die Augen und setzte sich auf. „Hab ich verschlafen?“, wollte er schlaftrunken wissen und reckte sich. „Ai, gib mir ein paar Minuten, dann bin ich wach.“ Ein herzhaftes Gähnen verwusch die letzten Worte, versuchte sie Lügen zu strafen.
 

Mimoun lachte amüsiert. „Schon gut. Du kannst gleich weiterschlafen. Du solltest nur langsam etwas essen und trinken.“ Mit diesen Worten reichte er seinem Freund die bereitgelegten Nahrungsmittel. Er ließ sich hinter Dhaôma nieder und bot ihm so eine Stütze im Rücken.
 

An Mimoun zweifelnd sah dieser ihn an. Warum sollte er weiterschlafen und nur etwas essen? War etwas passiert?

Angestrengt überlegte er, aber es erschien ihm zu müßig. Leicht lehnte er sich gegen Mimoun, gab dem inneren Bedürfnis nach Nähe nach und nahm erst den Wasserschlauch und danach die Pflaumen an. Er erinnerte sich dunkel an den Streit. Da gab es eine Sache, die ihm noch immer keine Ruhe ließ.

Schwach ließ er die Hände mit den Pflaumen sinken. „Mimoun, warum willst du für mich kämpfen? Was bringt dich dazu, mich beschützen zu wollen?“

Irgendwie war da noch etwas anderes, das in ihm bohrte, aber er kam nicht drauf.
 

Mimoun schwieg. Er hatte sich über diese Sache nie wirklich Gedanken gemacht. Er wollte diesen Jungen beschützen. Mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Punkt. Reichte das nicht? Wollte Dhaôma unbedingt eine genauere Erklärung.

„Ich weiß nicht. Weil du mein Freund bist?“, schlug er vor, sich selbst nicht sicher, ob das als Erklärung reichen würde. „Aber darüber können wir reden, wenn du wieder bei Kräften bist. Ruh dich noch ein wenig aus.“
 

Das stimmte. Er fühlte sich tatsächlich ausgelaugt. Aber warum? „Was ist denn passiert? Hab ich wieder was angestellt?“
 

Erneut lachte Mimoun. „Hast du es tatsächlich vergessen?“ Das war erstaunlich. Aber wenn er sich recht entsann, konnte sich Dhaôma auch nicht mehr daran erinnern, was nach dem Absturz in der Gerölllawine geschehen war. Eine Nachwirkung bei zu großem Kraftaufwand. Aber wenigstens schien er nun ein wenig klarer und ansprechbarer zu sein als damals. „Leoni und ihr Kind wären beinahe bei der Geburt gestorben. Das Kind hätten sie auch so retten können, nur Leoni hätte die Geburt mit Sicherheit nicht überlebt. Du hast sie gerettet. Sie scheint noch immer nicht völlig über den Berg zu sein, dafür hattest du deine Kräfte zu sehr bei dem Baum beansprucht.“ Er löste sich vorsichtig von seinem Freund. „Sie tun alles, damit es ihr nicht wieder schlechter geht, also ruh dich erst einmal richtig aus, bevor du deine Kräfte wieder beanspruchst. Die Zeit hast du, vertrau mir.“, versuchte er Dhaôma mit Worten dazu zu bringen, sich zu erholen. Sollte dieser dennoch versuchen, jetzt zu ihr zu gehen, würde er ihn mit Gewalt dazu überreden müssen zu bleiben.
 

Dhaôma war regelrecht erschrocken, als Mimoun seine Erinnerungen auffrischte. Ja, er erinnerte sich. Er hatte sie geheilt. Und es hatte nicht gereicht. Und er sollte jetzt schlafen?

„Aber sie hätte größere Chancen, sich zu erholen, wenn es ihr ein wenig besser ginge, oder? Auch wenn es nur wenig Kraft ist. Und ich kann schlafen. Mir geht es nicht schlecht!“ Bittend sah er den Schwarzhaarigen an.
 

„Damit du gleich wieder zusammenbrichst? Glaubst du wirklich, das tut dir gut?“, fragte er zweifelnd. Vielleicht hätte er doch besser die Klappe gehalten.
 

Da traf er einen wunden Punkt. Nein, es tat ihm mit Sicherheit nicht gut. Es war niemals gut, das Bewusstsein zu verlieren oder sich vollkommen zu erschöpfen. Aber die Angst, dass diese nette Frau sterben könnte, saß tief in seinem Magen und knotete ihn effektiv zusammen.

„Und wenn sie stirbt?“
 

„Das wird sie nicht. Hab ein wenig Vertrauen in unser Wissen über Heilkunst. Nicht, dass ich mich damit auskennen würde.“, fügte er schnell an. Aber Mimoun sah auch, dass Dhaôma besorgt war und so schnell keine Ruhe geben würde. Also nickte er. „Gut. Wir haben es jetzt Mittag. Du schläfst noch bis zum Abend und leihst ihr dann ein wenig von deiner Kraft. Und zwar nur so viel, dass keine Gefahr mehr für sie besteht, wenn deine Kräfte überhaupt soweit reichen. Keine Überanstrengung deinerseits, verstanden?“
 

Seufzend nickte der Braunhaarige und ließ sich dann wieder gegen seinen Hanebito sinken. „Weck mich, wenn was passiert.“, murmelte er noch, bevor er dem zerrenden Bedürfnis von Schlaf wieder nachgab. Die Diskussion hatte ihn Kraft gekostet, die er nicht zur Verfügung hatte.
 

„Und du wolltest Leoni helfen?“, schmunzelte der junge Geflügelte amüsiert. Er versuchte Dhaôma vorsichtig und ohne ihn erneut zu wecken wieder auf die Felle zu legen, doch es war unmöglich. Seufzend ließ er sich also zusammen mit seinem Freund zurücksinken und hielt ihn mit seinen Armen umschlungen. Tief atmete er ein und schloss ebenfalls die Augen. Jetzt konnte er nur warten, bis es soweit war.

Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als das Geräusch von aufeinander schlagendem Leder ihn aus seinem Halbschlaf riss. Träge sah er auf und sah Addar. „Ich habe mich schon gefragt, warum du so plötzlich verschwunden warst.“, fing dieser an.

„Verzeiht. Er hat mich nicht wieder gehen lassen.“, erwiderte dieser verlegen. Dann ging ihm etwas auf. „Welche Tageszeit haben wir jetzt?“ So richtig einschätzen konnte er es in dem Halbdunkel nicht. Es war noch nicht ganz finster, aber im Sommer ging die Sonne sowieso später unter.

„Es wird langsam Zeit für die Abendmahlzeit. Falls du dich losmachen kannst, natürlich.“

Mimoun nickte und strich Dhaôma durch die Haare. „Aufwachen.“, verlangte er. „Es wird Zeit.“
 

Diesmal dauerte es nicht so lange, bis Dhaôma reagierte. Er hatte wunderbar geschlafen und fühlte sich ausgeruht. Blinzelnd bewegte er sich, schlug die Augen auf und sah Addar. „Ai, Guten Morgen, Addar Maral.“ Hinter sich spürte er eine Bewegung und drehte sich um. Mimoun diente ihm als Bett. Herrje, warum machte er so was immer wieder? „Guten Morgen. Tut mir Leid, war es sehr unbequem?“
 

Höflich und mit einem Lächeln erwiderte Addar den Gruß. Ob dem Jungen nicht bewusst war, welche Tageszeit nun war? Oder war für ihn jedes Erwachen ein Morgen?
 

„Also, ich hab schon besser gelegen.“, erwiderte Mimoun und ließ Nacken, Schultern und Rücken knacken. „Aber auch schon viel schlechter.“ Langsam hob er seine Hand in Dhaômas Richtung und ließ seinen Fingerknöchel gegen dessen Stirn fallen. „Von wegen ‚Guten Morgen’. Es ist Abend, es gibt gleich Essen und du wolltest noch einmal nach Leoni sehen.“
 

Erinnerungen krochen in ihm hoch. Ja, er hatte ihn abends wecken wollen, damit er Leoni besuchen konnte. Damit er ihr helfen konnte, auch den Rest der schweren Geburt zu überwinden.

„Dann sollte ich mich wohl beeilen, damit niemand warten muss.“ Schwungvoll erhob er sich, hielt Mimoun die Hand hin und zog ihn hoch. „Ist es okay, wenn ich sofort gehe?“ Er machte sich Sorgen. Und er hatte noch immer nicht das richtige Gefühl dafür, wann seine Zeit gekommen war, wie Mimoun es damals ausgedrückt hatte.
 

„Geh ruhig.“, erwiderte Mimoun, ohne eine Antwort Addars zuzulassen. „Hier hat niemand etwas dagegen, wenn du ihr hilfst. Außerdem hat Asam dich darum gebeten oder nicht?“ Kurz musterte er seinen Freund von oben bis unten. Dieser schien wieder völlig fit zu sein. Dhaôma zeigte nicht das kleinste Anzeichen von Schwäche. Aber genauso gut konnte der Eindruck täuschen, da er unbedingt Leoni helfen wollte. Beim letzten Mal hatte er fast zwei Tage gebraucht, um sich zu erholen. „Aber denk daran. Nicht wieder bis zum Umfallen.“ Er trat zu Addar, der Platz machte, und hielt Dhaôma die Lederplane auf.
 

Strahlend nickte Dhaôma und trat an ihm vorbei. Die übrig gebliebenen Damen des Hauses waren tatsächlich schon dabei, den Tisch zu decken, während die Kinder mehr im Weg standen und einander haschten. Dhaôma begrüßte sie und erkundigte sich nach Leonis Aufenthaltsort. Die Jüngere von Asams Schwestern nickte und deutete auf eine Lederplane, die zurückgeschlagen war, damit man jederzeit mitbekam, falls irgendetwas passieren sollte. Dankend hob er die Hand, danach war Ruhe im Raum, als er zu der Kranken ging.

Dhaôma war sich nicht bewusst, dass ihm alle Blicke folgten. Leoni war blass. Ihr Haar war strähnig und sie wirkte trocken, als hätte sie nicht genug zu trinken bekommen. In ihrem Arm lag der kleine Hanebito, neben ihr kauerte ein völlig übernächtigter Asam. Sanft berührte Dhaôma ihn am Arm und schenkte ihm ein sanftes Lächeln.

„Ich halte meine Versprechen.“, teilte er ihm mit und ließ sich neben ihm nieder, dann widmete er sich der Patientin. Sie hatte Fieber. „Hilf mir bitte. Ich muss an ihren Bauch heran.“ Schließlich hatte Mimoun verboten, dass er seine ganzen Kräfte einsetzte. Aber wie er das momentan einschätzte, waren diese noch nicht stark genug, um sie vollständig zu heilen, ohne entsprechende Nebenwirkungen auf seiner Seite.

Das Kind bewegte sich quengelnd, als Asam mit engem Hals tat, was Dhaôma verlangt hatte. Darauf hatte er doch gewartet! Er schlug die Decken zurück und nahm das Kind in den Arm, damit der Junge genügend Platz hatte. Dann beobachtete er bang, wie die langen, schmalen Hände des Magiers über den Bauch strichen, wie sie der Wunde folgten. Immer wieder konnte man kurz besser sehen, wenn die Zeichen in seinem Gesicht ein bläuliches Licht von sich gaben, bevor sie wieder verloschen. Dann schien er gefunden zu haben, was er wissen musste, denn die eine Hand legte sich sicher auf die Stelle knapp unter dem Schnitt, während die andere ihren Weg auf die Stirn der Mutter fand, und die Zeichen leuchteten erneut, diesmal heller. Der eitrige Schnitt am Bauch zog sich zurück, wurde kleiner und verschwand, ließ nur eine helle, kaum sichtbare Narbe. Wenige Sekunden später war auch diese weg und Dhaôma zog seine Hände wieder zurück und lächelte glücklich.

„Ich werde noch einmal kommen.“, meinte er, doch er sprach nicht mit Asam, sondern meinte Leoni, die ihn verwirrt anblinzelte. „Danach wirst du auch wieder laufen können.“

Trockene Lippen bewegten sich, es kam jedoch kein Ton heraus. Ihre Finger strichen schwach über die weichen Felle und schienen nach irgendetwas zu suchen.

„Asam, gib ihr etwas zu trinken. Wenn du möchtest, mache ich ihr später Suppe, damit sie etwas essen kann, was ihr Magen verträgt.“

Perplex nickte der Blonde. Und in dem Moment, als Dhaôma sich erhob und Platz machte, war er bei seiner Frau und drückte seine Stirn gegen ihren Arm, seine Tochter eng an sich gepresst. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du wach bist!“, brachte er erstickt hervor.

„Was ist denn überhaupt los?“, wollte sie wissen und ihre Hände strichen über seinen Kopf.

Dhaôma ließ sie allein. „Gibt es hier einen Ort, wo man sich waschen kann?“, fragte er in die Runde. Cerel hatte es nicht geschätzt, wenn man ungewaschen zum Essen erschien.
 

„Draußen beim See.“, antwortete Asams Mutter verblüfft. Bei ihnen gab es nur die eine Möglichkeit, die auch für den Magier leicht zu erreichen war. „Aber beeil dich bitte. Es gibt gleich Essen.“ Sie bedachte ihn mit einem dankbaren Blick. Die ganze Familie hatte gesehen, wie Leoni sich zu regen begonnen hatte. Zu sehen, dass es ihr nun besser ging, nahm ihnen allen die Anspannung.

Mimoun, der als Gast still in einer Ecke gesessen hatte, um nicht im Weg zu sein, erhob sich nun und trat neben Dhaôma. Sanft legte er seine Finger auf dessen Stirn und sah ihn prüfend in die braunen Augen, suchte nach einem Anzeichen für Überanstrengung.
 

Der Junge lachte und nahm die Hand weg. „Ich halte meine Versprechen.“, sagte er. „Und jetzt muss ich mich beeilen.“ Auch ein Versprechen.

Wenig später eilte er durch das Dorf. Amar war seiner Mutter durch die Hände geschlüpft und rannte ihm hinterher. Der Junge hatte seinen Spaß mit dem seltsamen Mann, der jetzt bei ihnen zu Gast war. Und er konnte wundervolle Dinge machen. Dass Bäume blühten, die niemals blühten, dass Früchte reif wurden, dass Menschen wieder gesund wurden. Ungeheuer interessant. Vielleicht zeigte er noch andere Dinge, wenn er ihn nur lange genug beobachtete.

Er wurde enttäuscht. Dhaôma wusch sich wirklich nur kurz. Wie praktisch, den Teich zum Waschen gleich auf derselben Insel zu haben. Besser als in Mimouns Dorf.

Wenig später lief er mit Amar um die Wette zurück. Der Junge sagte, er wäre selbst ohne Fliegen noch schneller als Dhaôma, doch dieser überzeugte ihn vom Gegenteil. Mit seinen langen Beinen hatte er einen unüberwindlichen Vorteil. Lachend stoppte er kurz vor der Hütte, während der Junge einfach gegen die Häute klatschte und von der Wucht von den Füßen geholt wurde.

„Na, alles okay?“

Benommen stand Amar auf und nickte. „Ich gebe es zu, du bist schnell.“, sagte er. „Aber irgendwann schlage ich dich.“

„Viel Glück!“, grinste Dhaôma, bevor sie eintraten.
 

Zufrieden nickte Mimoun, als Dhaôma die Hütte verlassen hatte. Es schien ihm tatsächlich noch immer gut zu gehen. Beruhigt begab er sich wieder auf seinen Platz und wartete. Darauf, dass der Magier zurückkehrte. Darauf, dass das Essen serviert wurde.

Kurz bevor Dhaôma wieder die Hütte betrat, griff sich Mimoun an den Kopf. Er hatte den ganzen Tag Zeit gehabt und es nicht auf die Reihe gebracht, Fleisch für seinen Freund zu braten. Was war er doch für ein Idiot. Wie konnte er denn vergessen, dass Dhaôma kein rohes Fleisch mochte? Wenigstens waren noch einige Früchte zur Abwechslung da.

Das Erscheinen der beiden Abwesenden wurde durch ein dumpfes Rumsen angekündigt. Erstaunt sahen die Verbliebenen auf und zum Eingang, wo gut gelaunt Dhaôma und ein benommener Amar eintraten. Besorgt wurde der Junge in Empfang genommen. Nach einer kurzen Erklärung beruhigte sich seine Mutter schnell wieder.

Mimoun klopfte auf den Platz neben sich und das Essen, das mittlerweile aufgetischt worden war, wurde zum Verzehr freigegeben. Hungrig griff der junge Geflügelte zu.
 

Nach dem Essen musste Mimoun Holz holen und den Rest des Abends verbrachte Dhaôma damit, Suppe zu kochen. Das Feuer war die Attraktion des Abends. Zuerst wurde es mit Misstrauen betrachtet, aber als der Magier begann, heiße Steine in eine Holzschale zu legen, bis das Wasser dampfte, verloren sie ihre Scheu. Dass man Feuer beherrschen konnte, gefiel ihnen. Einer fragte, ob er die Feuersteine haben konnte, aber das lehnte Dhaôma ab. Dennoch durfte er sie sich ansehen und damit üben; eine Aufgabe, die bei vielen Spaß auslöste. Stolz zeigten Erfolgreiche ihre glimmenden Strohbüschel herum.

Asam kam dann die Aufgabe zu, seine Frau mit Suppe zu füttern. Begeistert war sie von der Suppe nicht, aber sie musste zugeben, dass es angenehm war, etwas Heißes zu sich zu nehmen. Sehr ungewohnt, aber es löste durchaus ein wohliges Gefühl in ihrem Magen aus.

Am nächsten Morgen suchte Dhaôma die junge Mutter wieder auf und wiederholte die Prozedur des Vorabends. Als sie sich aufsetzte, stellte er fest, dass sich auch in ihm etwas getan hatte. Warum auch immer, es wurde leichter zu zaubern. Vielleicht gewöhnte er sich langsam an diese Art der Magie.

Leonie lächelte ihn an. Ihre Schmerzen waren weg. „Du bist wirklich unglaublich, junger Mann.“

Asam hatte da weniger Hemmungen. Er umarmte Dhaôma so fest er konnte. „Vielen Dank!“

Dhaôma lachte. „Gern geschehen.“ Was für eine ungewohnte Situation, dass er sich bei einem Dank nicht mehr bewegen konnte.
 

Mimoun hatte sich am Vormittag der Jagd des Dorfes angeschlossen. So hatten er und Dhaôma noch ein wenig Vorräte für ihre Weiterreise, die sie bei einer weiterhin guten Genesung von Leoni endlich fortsetzen konnten. Ein wenig sah er dem Abschied mit Wehmut entgegen. Hier hatte Dhaôma schneller Anschluss und Respekt innerhalb des Dorfes gefunden. Es war ein Fortschritt und blieb wahrscheinlich nur ein kurzfristiger, da die anderen Dörfer nicht über die Anwesenheit Addars verfügten. Doch es ließ sich nicht ändern. Sie wollten schließlich vorwärts kommen.

Kurz vor Mittag kehrte er zurück in die Hütte und erkundigte sich nach Leonis Befinden. Es tat gut zu sehen, dass diese kleine Familie nicht auseinander gerissen worden war. Sein Weg führte ihn anschließend zu Dhaôma. Kurz wuschelte er durch dessen Haare. „Du bist großartig. Weißt du das eigentlich?“
 

Lachend wich er der Hand aus. „So was Ähnliches hat Leoni auch gesagt.“ Dann wurde er ernst. „Hier beginne ich zu glauben, dass es so ist. Weißt du, Mimoun, wenn ich hier bin, ist meine Gabe plötzlich etwas wert. Ich kann sehen, dass sie etwas bringt. So wie du gesagt hast.“

Kurz versicherte er sich, dass kein anderer sie hören konnte. Selbst Amar war gerade nicht da. „Weißt du, ich habe Angst davor, zurückzugehen. Was, wenn ich diese Kraft für den Krieg einsetzen muss? Ich kann damit viel Gutes tun, aber ich weiß, dass die Magier auch für diese Kraft eine Methode finden, sie im Kampf zu nutzen. Das will ich nicht.“
 

„Sie können dich nicht dazu zwingen.“, erwiderte Mimoun. Dass Dhaôma an seine Fähigkeiten glaubte, wenn jemand anderes es sagte und nicht wenn der junge Geflügelte es immer wieder bestätigt hatte, wurmte ihn ein klein wenig. Aber wenigstens glaubte der Magier jetzt daran und hielt sich nicht mehr für nutzlos. „Selbst wenn sie dich in die erste Schlachtreihe stellen würden. Solange jeder Geflügelte dich kennt und du deine Kräfte nicht einsetzt, bist du nicht in Gefahr.“ Kurz stockte er, dann grinste er hinterhältig. „Aber sollten sie dich wirklich nicht mehr fortlassen wollen, meld dich freiwillig. Von der Front kann ich dich einfacher wegholen, als dich erst innerhalb einer Stadt zu suchen und zu befreien. Hach. Ich bin ein Genie.“
 

Da sagte er was Wahres. Außerdem konnte er dort leichter untertauchen. In den Wäldern oder sonst wo war es nicht besonders schwierig, einfach zu verschwinden. „Meinst du, die anderen können mich zwischen all den anderen Magiern erkennen? Immerhin haben dort fast alle die gleiche Frisur und die Kleider sind auch recht ähnlich, immer im Schnitt wie diese hier.“ Er hob die Arme und zeigte so die Tunika mit ihrem vorne offnen Rock. „Und wie mir die Kinder hier wiederholt zusicherten, ist es ja nicht einmal eindeutig gesagt, dass ihr die Frauen ausschließen könnt.“
 

„Dann müssen wir uns etwas für dich überlegen, was dich eindeutig von den anderen Magiern unterscheidet.“, überlegte Mimoun laut und für sich. „Die Haare abschneiden, wäre eine Möglichkeit, aber kommt nicht in Frage. Ich hab dich so kennen gelernt, sie stehen dir gut, lass sie. Auffällige Farben werden sie wohl nicht zulassen. Es wäre wirklich selten dämlich, wenn man im Krieg für den Gegner sofort zu sehen ist. Das werden sie also sofort unterbinden wollen. Und wenn du unter deinen Kleidern einen bunten Stoffstreifen einschmuggelst und im letzten Augenblick umbindest? Nee. Wenn das jemand von deinen Leuten sieht, werfen sie dir bei fehlschlagen der Flucht Verrat vor.“
 

Im ersten Moment waren Dhaômas Augen groß geworden. Seine Haare abschneiden? Das kam ihm grausam vor. Andererseits war es doch dafür, dass Mimoun ihn wieder erkannte, nicht wahr? Und es war nichts weiter als ein Merkmal für seinen Stand unter den Magiern. Jeder Krieger hatte seine Haare auf eine Art zu tragen, jeder hochgestellte auf eine andere Weise. Es war das, was ihm von seinen engstirnigen Eltern vorgeschrieben worden war.

Wortlos griff er in seine Tasche und holte das Messer hervor. Auffordernd hielt er es Mimoun entgegen. Wenn es ihnen half, war es okay, wenn die Haare ab waren. Wenn er sich dafür von den übrigen Magiern unterschied, dann war das umso besser.
 

Verständnislos blinzelte er seinen Freund an. Was hatte er nun mit dem Messer vor?

„Was soll ich damit?“, fragte er irritiert.
 

„Ich denke, dass es wirklich am sinnvollsten wäre, wenn ich die Haare abschneiden würde. Es gibt kaum Magier, die kurze Haare tragen. Das widerspricht dem allgemeinen Empfinden. Und da ich das nicht alleine machen kann, musst du das machen.“
 

Ach darum ging es. Mimoun ließ seine Hand gegen Dhaômas Stirn klatschen. Nur leicht. Er wollte ihm ja keine Schmerzen zufügen.

„Je nachdem wie lange wir unterwegs sein werden, wachsen die Haare sowieso wieder nach. Lass sie dran. Ich kümmere mich darum, wenn es wirklich soweit kommen sollte. Versprochen.“, fügte er an, damit Dhaôma nicht glauben musste, sein Freund weiche der Sache aus.
 

„Wie du meinst.“ Der Junge packte das Messer weg.

In dem Moment flogen die Häute beiseite und Amar peste ins Zimmer. „Was meint Mimoun?“

„Dass die Haare dran bleiben, bis es nötig ist, sie abzuschneiden.“

„Du willst sie abschneiden?“

„Ja, damit ihr mich erkennt.“

„Wo liegt das Problem? Du hast keine Flügel und seltsame Kleider. Keiner würde dich verwechseln.“ Er zog die Nase kraus, als Dhaôma auch noch zu kichern anfing. Kinder waren unglaublich. So direkt mit dem, was sie dachten. Er wuschelte dem Kleinen durch das Haar.

„Nein, niemand wird mich verwechseln.“ Das Thema Krieg würde er nie im Leben einem Kind gegenüber erwähnen.

„Na also. Lass die Haare dran. Die sind hübsch.“

„Danke.“

„Und jetzt kommt mit! Addar will den Namen des Kindes verkünden!“ Er packte je einen Ärmel seiner beiden Spielgefährten und zog sie mit.

Das wollte sich Dhaôma nicht entgehen lassen. Immerhin würden sie heute noch gehen, da wollte er wenigstens wissen, wie das Mädchen hieß, bei dessen Geburt er geholfen hatte.

Draußen waren fast alle versammelt. Leoni und Asam standen beisammen, Addar neben ihnen. Er hielt das Kind, das schlief. Als die beiden aus dem Haus kamen, nickte er und hob zu sprechen an.

„Ein neues Leben ist erwacht. Mit dem heutigen Tage steht es unter dem Schutz dieses Dorfes. Dieses Mädchen soll ab heute Seren heißen. In der alten Sprache bedeutet das Hoffnung.“ Er hob das Kind in die Höhe, um sie allen zu präsentieren.

Jubel brach aus und der Name wurde dreimal gerufen. Dhaôma schloss sich dem an, als er begriff, worum es ging.

Seren verschlief ihre erste große Stunde.
 

Ein guter Name, befand Mimoun. Mochte er weissagend für die Zukunft sein. Auch er schloss sich dem allgemeinen Jubel an. Es war immer schön, ein neues Leben begrüßen zu können.

Anerkennend klopfte er Dhaôma auf die Schulter. Schließlich war er nicht ganz unschuldig daran, dass sowohl das Kind als auch die Mutter vom Dorf bejubelt werden konnte. Und da blieb er nicht der einzige. Es gab noch weitere Dorfmitglieder, die sich bei dem Magier für seine Hilfe bedankten, durch Worte oder auch durch Gesten wie Schulterklopfen. Mit einem Lachen überließ Mimoun seinen Freund der Menge und wandte sich an Addar.

„Wir würden, wenn es Euch nichts ausmacht, noch heute unsere Reise fortsetzen.“, erklärte er dem Ältesten.

„Warum sollte es uns etwas ausmachen? Ja, wir haben euch gern als Gäste hier, aber ihr hattet schließlich noch große Pläne.“, erwiderte dieser.

Mimoun lächelte sanft und verneigte sich leicht. „Unsere Habseligkeiten befinden sich ja noch immer unten. Wir könnten sofort gehen und noch ein Stück schaffen heute.“ Er sah kurz zu Dhaôma und grinste. „Sobald er da raus ist, versteht sich.“
 

Dhaôma war völlig überfordert mit der Situation im Allgemeinen. Er hatte sich nie wohl unter vielen Menschen gefühlt, jetzt war er auch noch Mittelpunkt des Interesses. Nicht so wie sonst, dass sie ihm alle Misstrauen entgegenbrachten, damit konnte er umgehen, denn man erwartete nichts von ihm, aber wie verhielt man sich, wenn man von allen gelobt wurde?

Irgendwie geriet er in Asams Nähe und damit erneut in die Arme des Mannes, der sich vor Dankbarkeit kaum beherrschen konnte. Glück, Freude und der allgemeine Taumel spülte letztlich alle Barrieren weg. Auch die Hemmungen, die die Kinder hatten, waren nach diesem Anblick gegangen. Und so ließ es der Braunhaarige über sich ergehen, machte gute Miene zum bösen Spiel. Er war regelrecht froh, als sie sich wieder dem Pärchen und dem inzwischen erwachten Kind zuwandten. Nur die Kinder klebten jetzt an ihm, allen vorneweg Amar, der stolz von sich behauptete, Dhaômas erster Freund gewesen zu sein.
 

Dies bekam Mimoun dann mit. Er trat an Dhaômas Seite, legte ihm einen Arm um die Schultern.

„Vergiss es, Knirps. Diese Ehre gebührt mir. Du kannst sie nur auf dieses Dorf beschränkt beziehen, aber Dhaômas erster Freund bin und bleibe ich.“
 

Das brachte diesen zum Lachen. Manchmal war Mimoun kindisch wie die Kleinen. „Recht hat er.“ Der allererste.

Aber dann wandte er sich um. „Können wir jetzt gehen? Oder willst du noch bleiben? Sie planen ein Fest. Ein Essen, um das neue Leben zu feiern.“ Insgeheim fürchtete er sich davor, denn es bedeutete blutiges, frisches Fleisch.
 

Er konnte sich denken, warum Dhaôma es plötzlich so eilig hatte zu gehen.

„Ich habe uns schon bei Addar abgemeldet.“, lachte Mimoun. „Sie sind nicht böse, wenn wir jetzt schon gehen. Aber wir sollten uns noch verabschieden. Komm.“

Der junge Geflügelte führte seinen Freund, Amar ebenfalls im Schlepptau, zu ihrer Gastgeberfamilie. Während die älteren Frauen dabei waren, Vorbereitungen für das Fest zu treffen, ließen sich die jungen Eltern und Addar zusammen mit den anderen Kindern der Familie schnell vor der Hütte ausmachen. Sie hatten sich in die Sonne gesetzt und genossen einen Augenblick Ruhe, bevor der ganze Trubel von vorne losging. Erwartungsvoll sah man den beiden Gästen entgegen. Addar schien bereits angekündigt zu haben, dass sie gehen würden. Nun erhoben sich die Sitzenden.

„Vielen Dank für die Gastfreundschaft.“, begann Mimoun, wurde von Leoni aber schnell unterbrochen. Sie drückte Seren ihrem Mann in die Arme und zog den Jungen in eine Umarmung.

„Nicht so förmlich.“, verlangte sie und lächelte. „Ich bin froh, dass ihr hier gewesen seid.“ Als nächstes wandte sie sich Dhaôma zu, nahm auch ihn in den Arm. „Kommt bald wieder vorbei.“, bat sie ihn.
 

Der Junge erwiderte die Umarmung unbeholfen. Sie ging ihm gerade bis zur Schulter und wirkte vollkommen zerbrechlich. „Wenn wir in die Gegend kommen, schauen wir herein.“, versprach er dennoch, seine Wangen färbten sich schon wieder rot. „Sieh zu, dass dir nichts mehr passiert, ja? Du machst damit eine Menge Leute unglücklich.“

Sie lachte und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Versprochen. Falls es dennoch soweit kommen sollte, verlass ich mich ganz auf dich!“ Vertraulich stellte sie sich auf die Zehenspitzen. „Sollte mich nicht wundern, wenn jetzt häufiger mal jemand anfragt, ob du Hand anlegen kannst.“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Das hier wird schnell die Runde machen.“

„Von mir aus. Mich stört es nicht, zu helfen.“

Erneut lachend ließ sie ihn wieder los und schupste ihn zu ihrem Mann, der beinahe seinen Rücken knacken ließ. „Kommt wirklich bald! Immerhin werden Kinder schnell groß und ihr werdet ihre süßesten Momente verpassen, wenn ihr euch zu viel Zeit lasst! Die ersten Schritte oder ihre ersten Worte!“ Er lachte und entließ den Magier aus seinem Schraubstockgriff. „Und mit Hilfe von Mimoun kannst du mal auf einen Tag vorbeikommen, egal, wo ihr euch gerade befindet!“ Und einer Eingebung folgend fügte er hinzu: „Du kannst uns auch euren Standort mitteilen, wenn du die Salbenrezepte schickst, dann schicke ich dir Nachricht über ihr Befinden!“

„Ist gut, Schatz, lass Dhaôma atmen.“ Leoni zog ihren Mann von ihrem Retter weg. Dass er dabei seine Arme um ihre Schultern schlang, störte sie nicht. „Na los, verabschiede auch Mimoun, damit sie heute noch eine Strecke schaffen können. Du hältst den ganzen Betrieb auf!“ Ein weiches Lachen nahm den Worten die Schärfe und schon war der schwarzhaarige Freund in seinen Armen versunken. Asam war größer als Mimoun und konnte so seine ganze Kraft einsetzen.
 

Mimoun lachte, solange ihm noch die Luft dazu blieb, dann begann er den Druck der Umarmung zu erwidern. Irgendwann artete es zu einem Wettstreit aus. Wer drückte stärker zu, wer hielt länger durch. Mimoun spannte all seine Muskeln an, doch schließlich gab er nach. Je länger sie dieses Spiel hier trieben, desto später kamen sie von hier weg. Mit einem triumphierenden Aufschrei feierte Asam seinen Sieg, bevor er Mimoun mit einer weiteren freundschaftlichen Umarmung verabschiedete.

Anschließend wandte sich der junge Geflügelte dem Ältesten zu. Ihn zu umarmen, kam ihm irgendwie… frevelhaft vor, ungebührlich. „Lebt wohl.“, verabschiedete er sich mit einem leichten Nicken von ihm. Als er kurz die Augen schloss, spürte er wie sich eine Hand auf seine Schulter legte.

„Gebt gut auf euch Acht.“, bat Addar. „Und ich freue mich schon auf euren nächsten Besuch.“

Nacheinander verabschiedete Mimoun auch die Kinder, machte auch vor dem Säugling nicht Halt und strich dem kleinen Wesen zärtlich über den Kopf. „Mach deinen Eltern bloß keinen Kummer mehr.“
 

Dhaôma machte seine Runde ebenfalls. Der letzte, den er verabschiedete, war Addar. Irgendwie mochte er den Alten inzwischen richtig gerne. Er war wie ein Großvater. Zumindest, wie er sich einen Großvater vorstellte. Seinen hatte er niemals gesehen, weil dieser zuvor gestorben war. „Habt vielen Dank für alles.“ Sein Kopf neigte sich in Ehrerbietung, aber er lächelte nicht so steif wie früher. „Und passt auf Euch auf, damit Ihr noch immer gesund seid, wenn wir wieder kommen.“
 

„Natürlich.“, erwiderte Addar lachend. „Ich wollte doch noch den Frieden erleben.“

Es fiel allen schwer sich zu trennen und schließlich ergriff Mimoun seinen Freund an der Hand, um ihn zum Rand der Insel zu führen. Er schickte noch einen letzten Abschiedsgruß an alle Versammelten. Geübt hob er anschließend Dhaôma hoch und überschritt die Kante. Von oben winkten die Geflügelten und der Magier übernahm wieder den Part des Zurückwinkens.
 

A wonderful dream of love and peace for everyone

Of living our lives in perfect harmony

A wonderful dream of joy and fun for everyone

To celebrate a life where all are free
 

[Wonderful dream - Melanie Thoronton]



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  KuroMikan
2014-10-27T18:31:19+00:00 27.10.2014 19:31
hallihallo ;)
bin grad dabei ein paar kapitel aufzuholen XD
awww es ist einfach total süß >.<
freu mich total weiter zu lesen und frag mich was noch alles passieren mag :)

lg Mikan
Von:  Wernes23
2014-09-19T21:01:02+00:00 19.09.2014 23:01
Auch diese zwei Kapitel waren mal wieder toll. Sie können einen echt den Abend versüßen, gerade wenn sie so lang und knuffig geschrieben sind. So liebe ich esund verneige mich vor dir, du so ein ttolles MeisMeisterwerk zu stande bringst ^^

Lg Wernes
Antwort von:  Wernes23
19.09.2014 23:01
Sorry mein Handy spackt ein wenig rum, weswegen so viele Fehler im Kommi sind^^


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