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October to May

Intermezzo With A Stranger
von

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It's sad

21. April …
 

„Ah, Hyde, du bist aber früh dran!“, war Gackts Reaktion, als er mir mit verwirrter Miene die Tür zu seiner Wohnung öffnete. „Wir waren doch erst in einer halben Stunde verabredet. Ist irgendwas passiert?“

„Ich hab bestanden!“, rief ich daraufhin und kümmerte mich nicht um seinen nun sogar besorgten Blick, sondern sprang ihm dafür praktisch an den Hals, „ich hab gerade meine Abschlussnote bekommen!“

„Wie … echt jetzt?“, hakte Gackt dann nach. Es dauerte zwar einige Sekunden, ehe ihm so wirklich klar zu werden schien, was ich ihm da mitgeteilt hatte, aber er freute sich dann doch mit mir – das konnte ich an seinem Lächeln sehen, das zwar bei Weitem nicht so breit war wie mein stupides Grinsen, aber es war doch das erste, welches ich darüber sah. Tetsu und meine Eltern hatte ich nur angerufen und Ken und Yuki lediglich Kurznachrichten geschickt, weil bei ihnen jeweils nur die Mailbox rangegangen war. Und da ich mich nach dem Termin mit meinem Professor sowieso wieder einmal mit Gackt verabredet hatte, hatte ich bei ihm eben darauf gewartet, es ihm persönlich zu sagen. Und wie er richtig festgestellt hatte, war ich eine ganze halbe Stunde zu früh dran, weil ich mich dafür so beeilt hatte. Verklagt mich doch!

„Ja, cool, ne?“, jubelte ich weiter vor mich hin und kriegte das Grinsen wirklich nicht mehr aus meinem Gesicht, „meine Abschlussarbeit ist eine 1,6 geworden und die Gesamtnote sogar eine 1,4 Die ganze Schufterei hat sich also richtig gelohnt. Ach, Gacchan, du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich gerade bin!“ Und um ihm trotzdem die Möglichkeit zu geben, sich zumindest annähernd ein Bild davon machen zu können, sprang ich ihn erneut an und schlang die Arme so fest um ihn, als würde ich ihn erdrücken wollen. Mir fiel unsere Abmachung ein und dass ich hier vermutlich ziemlich nahe an den kritischen Bereich kam, aber ich ignorierte es für diesen einen Moment und nahm einfach nur, was ich kriegen konnte. Auch wenn mir die Regeln für unser gesundes Zusammensein grundsätzlich im Nacken saßen und mich daran erinnerten, was mir verschlossen bleiben würde. Wie oft war es mir in den vergangenen Wochen schon tierisch auf die Nerven gegangen, aber ich hatte mich immer dafür entschieden, das Richtige zu tun – dieses eine Mal würde nicht schaden.

Auch Gackt schien es nichts auszumachen, denn er erwiderte meine Umarmung, gratulierte mir dann zu der tollen Leistung und hielt mich ansonsten einfach nur fest. Wir bewegten uns keinen einzigen Millimeter von der Stelle, sodass es für einen Außenstehenden sicherlich so wirkte, als wären wir Freund und Freundin. Und dabei hätte man mich ganz bestimmt für den weiblichen Teil der Beziehung gehalten.

Aber was kümmerte es mich im Augenblick? Schließlich waren wir schon einmal zusammen gewesen und auch da hatte es mich nicht gekümmert, was Fremde über uns sagten. Und außerdem liebte ich Gackt und seine Nähe noch immer!

Weil wir allerdings nicht den ganzen Tag halb im Hausflur, halb in Gackts Wohnung herumstehen wollten, ließ er mich schließlich los und bat mich ganz in die Wohnung hinein. Ich nickte und trat hinter Gackt ein, der wiederum hinter mir die Tür schloss, während ich mir Schuhe und Jacke auszog.

„Ich hoffe, ich störe nicht, wenn ich schon so früh da bin“, meinte ich dabei und blickte Gackt von unten her an, „ich hab ein Buch dabei, ich kann mich also noch eine halbe Stunde lang ins Wohnzimmer setzen und lesen.“

„Ach, Quatsch“, winkte Gackt jedoch ab, „ich hab nur ein paar Fingerübungen gemacht, nichts Besonderes also.“

„Äh … Fingerübungen?“, fragte ich verwirrt nach, worauf sich schmutzige Gedanken in meinem Kopf breitmachten und ich mir auf die Unterlippe biss. Wenn Gackt von Fingerübungen sprach, war das nicht unbedingt weit hergeholt – schließlich war ich drei Monate lang mit ihm zusammen gewesen und hatte ihn live erlebt.

„Ich würde jetzt nur zu gern in deinen Kopf schauen können“, entgegnete Gackt jedoch mit einem diebischen Grinsen, was mich allerdings in meiner Vermutung bestärkte, „dann komm mal mit.“

„Äh, Gacchan …“

„Nichts Schlimmes, komm einfach mit.“

Er stieß sich von der Wand, an der er gelehnt hatte, ab und machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer, bei dem die Tür noch offen stand. Das tat sie für gewöhnlich nicht, sodass ich daraus schließen konnte, dass Gackt vorher seine Zeit dort drinnen verbracht haben musste. Und auch das trug natürlich zu meinem Bild bei. Er würde doch hoffentlich nicht … ich musste mich schon ein bisschen dazu zwingen, mir zu sagen, dass Gackt wirklich nichts mit mir anstellen würde, was in unsere Tabuzone fiel, denn er hatte schließlich das gleiche Versprechen abgegeben wie auch ich: Kein Geknutsche, keine Fummelei und vor allen Dingen kein Sex. Meine Schritte waren deshalb ein bisschen zögerlich und ich setzte mich auch erst in Bewegung, als Gackt schon nicht mehr im Flur war. Und kurz bevor ich die Tür dann ebenfalls endlich erreicht hatte, ertönte plötzlich sanfte Klaviermusik aus dem Raum.

Huh? Hörte er neuerdings Klassik, wenn … ich stutzte und war extrem verwirrt, denn er hatte mir gegenüber noch nie irgendetwas erwähnt, was in diese Richtung ging. Wenn nicht sowieso Musik an gewesen war, hatten wir auch nie extra welche angeschalten, um dann dabei Sex zu haben. Ganz im Gegenteil: Gackt hatte sogar einmal direkt gesagt, dass unsere Stimmen die einzigen Geräusche waren, die er dabei brauchte. Und ich hatte ja auch schon vorher herausgefunden, dass mich die erregten Laute, die Gackt ausstieß, wenn er in Fahrt war, ebenfalls in Ekstase bringen konnten. Wieso also … aber ich vergaß dabei natürlich vollkommen, das er ja eben noch gesagt hatte, dass es nichts Schlimmes sei. Meine Gedanken wollten anscheinend einfach in diese Richtung gehen und ließen dann keine andere zu. Deshalb war ich dann auch umso überraschter, als ich meinen Kopf schlussendlich vorsichtig in Gackts Zimmer steckte.

Denn er hatte keine klassische Musik angeschalten, um sie zu hören – er war derjenige, der sie hervorbrachte! Meine Augen wurden ganz groß, als ich ihn am Fenster auf einem Stuhl sitzen sah, der eigentlich in die Küche gehörte, vor ihm ein Keyboard, auf dem er spielte. Und es waren keine simplen Fingerübungen, wie er mir hatte weiß machen wollen! Denn dann hätte er eine Tonleiter oder irgendwelche einfachen Kombinationen gespielt. Doch nein, seine Hände flogen nur so über die Tasten hinweg und entlockten dem Instrument eine wunderschöne Melodie, in der ich einen seiner Lieblingssongs wiedererkannte. Dabei brachte er das Instrument gehörig zum Wackeln, denn das Gestell, auf dem es thronte, sah nicht sonderlich stabil aus. Doch es fiel nicht und um dem noch einmal einen draufzusetzen, benutzte Gackt noch nicht einmal Noten! Er spielte das Stück lediglich nach Gehör und hatte teilweise auch die Augen geschlossen. Der Begriff der Automatisierung war mir nicht fremd, denn Tetsu und Ken hatten mir einmal erklärt, dass man auch bei Saiteninstrumenten die Griffe irgendwann so verinnerlicht haben musste, um sie dann schnell wechseln und kombinieren zu können. Aber das erforderte Übung und ich versuchte mir gerade vorzustellen, wie oft Gackt dieses Stück schon auf dem Keyboard gespielt haben musste, um es sich derart eingeprägt zu haben.

Da war es auch kein Wunder, dass ich irgendwann mit offenem Mund dastand und ihn staunend beobachtete. Zumal er mir nie erzählt hatte, dass er auch Keyboard spielen konnte. Ich wusste, dass er am Schlagzeug ziemlich gut sein musste, da er ja die Tontechnik dafür übernahm – aufgrund der strengen Auflagen im Tonstudio war ich leider selbst noch nie in den Genuss seiner Fertigkeiten gekommen – aber ansonsten … er war anscheinend immer noch für eine Überraschung gut, auch wenn ich glaubte, mittlerweile alles Wichtige über ihn in Erfahrung gebracht zu haben.

Als Gackt nur kurze Zeit später entweder am Ende des Stückes angekommen war oder einfach keine Lust mehr dazu hatte, spielte er noch eine kleine, abschließende Sequenz, lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück und drehte mir, der ich immer noch wie angewurzelt mitten im Raum stand, den Kopf zu. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln, das seinem diebischen Grinsen recht ähnlich war, aber eben bei weitem nicht so schadenfroh aussah. Trotzdem schien in mein Anblick zu belustigen.

„So sprachlos, Hyde?“, neckte er mich schließlich und befreite mich damit aus meiner Starre.

Allerdings war ich noch immer nicht zu sonderlich intelligenten Aktionen fähig, denn meine einzige Reaktion war ein schlichtes: „Wow!“

„Hm … hab ich mir schon gedacht. Ich bin furchtbar eingerostet und verspiele mich noch ständig. Ich brauch eindeutig noch einiges an Übung.“

Was?, dachte ich, als ich das in einem vollkommen ernsten Tonfall aus seinem Munde hörte und er dann auch noch das Gesicht abschätzige verzog.

„Was?!“, brach es dann auch tatsächlich aus mir hervor, „spinnst du?! Das war toll! Ich hab gar nicht gewusst, dass du so spielen kannst … du hast mir ja auch nicht erzählt, dass du überhaupt spielen kannst! Wieso sagst du mir so was denn nicht?!“

„Du hast nie gefragt“, kam Gackts Antwort ganz unschuldig, allerdings verriet mir sein Grinsen, dass er das gerade absichtlich machte, um mich ein bisschen zu trietzen. Und ich hätte ihn dafür glatt erschlagen können. Dieser Spruch war der absolut dümmste, den man in einer solchen Situation bringen konnte, selbst wenn er hundertmal stimmte. Ich konnte schließlich nicht nach allem fragen. Ein „Mann, Gacchan!“ meinerseits brachte ihn allerdings dazu, direkt mit der richtigen Erklärung fortzufahren, wenn auch schulterzuckend, als wäre das alles hier noch immer nicht der Rede wert: „Ich hab's einfach ziemlich lange nicht mehr gemacht und so wirklich gebraucht hab ich es ja auch nicht. Bandinstrumente sind einfach cooler und seitdem ich in der High School mit dem Schlagzeug angefangen habe, hab ich eigentlich nichts anderes mehr gespielt, um dort richtig gut zu werden. Das ist eigentlich schon alles.“

„Aha“, machte ich daraufhin erst einmal, um die Informationen einsinken zu lassen, bevor ich die nächste Frage stellte, „und wieso hast du dann jetzt plötzlich wieder damit angefangen? Du wolltest mich doch bestimmt nicht nur damit beeindrucken?“

Gackt lachte darauf erst einmal, ehe er mit antwortete: „Sicher? Allein für deinen Gesichtsausdruck hat es sich eigentlich schon gelohnt, hehe … nein, nicht wirklich. You hat mich vor ein paar Wochen gefragt, ob ich ihm bei was helfen kann. Er wollte irgendein Stück als Duett neu arrangieren und weil sein Partner zu der Zeit so viel zu tun hatte, hat er mich gefragt, ob ich es denn mal versuchen würde. Ich weiß allerdings nicht, ob es ihm wirklich was gebracht hat, weil ich eben echt nicht mehr so gut bin wie damals. Er hat sich ständig beschwert, dass ich so viele Fehler machen würde und nicht richtig bei der Sache wäre.“ Dann schwieg Gackt für einen Moment, in dem sein Blick kurz auf den Tasten des Keyboards ruhte. Erst dann schaute er wieder mich an. „Vielleicht hatte er sogar ein bisschen recht, weil … als er mich gefragt hat, war es zwischen uns ja so kompliziert und es ging mir tatsächlich grade nicht so gut. Ich hab ja auch gehofft, dass es mich auf andre Gedanken bringt, wenn ich mich wieder ins Klavierspielen reinfuchse. Und mittlerweile macht's richtig Spaß … ganz anders als damals, als ich's gelernt hab.“

Er war das also gewesen? Wie er mir das so erzählte, erinnerte ich mich unweigerlich an den Nachmittag im Februar, als ich meinen ersten Anlauf unternommen hatte, mich mit Gackt auszusprechen, und dann einfach geflüchtet war. Ich hatte zugehört, wie You Violine und jemand anderes Klavier gespielt hatte. Nur hatte ich damals angenommen, dass er mit einem Kommilitonen zusammen übte und nicht mit Gackt. Nun, jetzt wusste ich ja auch, warum er seinen Begleiter damals so frustriert zurechtgewiesen hatte. Und irgendwie … stimmte es mich ein klein wenig glücklich, dass unsere Trennung Gackt ebenfalls so runtergezogen hatte. Es war der Beweis, dass seine Worte nicht nur leere Beschwichtigungen gewesen waren: Er hatte mir nicht nur erzählt, dass ich ihm wichtig war, er meinte es auch so.

„Hyde?“, hörte ich Gackt sagen und erschrak direkt, denn er saß nicht mehr auf seinem Stuhl am Keyboard, sondern stand direkt vor mir und blickte mir in die Augen.

„Uah! Was?!“, stieß ich aus und sprang einen Schritt zurück.

Gackt schmunzelte dann wieder etwas, nachdem der Ausdruck in seinem Gesicht eben noch recht ernst gewesen war: „Wo warst du denn gerade?“

„Äh …“, begann ich und war drauf und dran, ihm zu erzählen, über was ich nachgedacht hatte. Aber … ich hatte feige die Flucht ergriffen, obwohl er darauf gewartet hatte, dass ich ihm meine Entscheidung mitteilte – ob sie nun positiv oder negativ ausfiel. Er hatte sich unnötig lange quälen müssen, und das war mir ein wenig peinlich. Und weil ja nun alles in Ordnung war – besser spät als nie! – fühlte ich plötzlich, dass es absolut nicht notwendig war, es ihm unbedingt mitzuteilen. Deshalb schwenkte ich im letzten Moment zu etwas anderem um: „Wann hast du denn Klavierspielen gelernt?“

„Ach, das …“, setzte Gackt zu einer Antwort an, „ist schon ewig her. Ich hatte dir doch erzählt, dass meine Eltern uns ziemlich streng erzogen haben. Mein Vater wollte testen, ob ich sein musikalisches Talent geerbt hab, und hat deshalb einen Klavierlehrer für mich angeheuert. So wirklich toll fand ich es nicht, aber ich musste die Zeit trotzdem immer absitzen, selbst wenn ich nicht gespielt habe. Wahrscheinlich hab ich auch deshalb in den letzten Jahren kein Klavier mehr angerührt … wenn man als Fünfjähriger zu was gezwungen wird, prägt sich das schon ein, denke ich.“

„So früh schon?!“, entfuhr es mir. Denn ja, Gackt hatte mir tatsächlich schon einmal erzählt, dass seine Eltern ziemlich streng gewesen wären. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass sie so weit gehen und ihren Sohn zu etwas zwingen würden, was der absolut nicht wollte. Da kam ich mir plötzlich extrem verwöhnt vor, wie ich in dem Alter einfach nur mit meinen Freunden hatte spielen dürfen, ohne irgendwelche großartigen Verpflichtungen zu haben.

„Jep“, bestätigte mir Gackt nickend. „Und jetzt verstehst du sicher auch, wieso ich so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen wollte. Ich liebe meine Eltern natürlich trotzdem … zumal sich meine Mutter vor einigen Jahren bei mir entschuldigt hat, dass sie mir das angetan hätten, aber sie haben eben immer nur das Beste für mich gewollt. Allerdings möchte ich dann lieber doch selbst entscheiden, was ich mit meinem Leben anfange. Ich hoffe auch noch, dass mein Vater nicht ganz so enttäuscht von meinem Lebenswandel ist, weil ich ja die Musik zumindest nicht ganz aufgegeben habe. Na ja … freut mich jedenfalls, wenn dir gefällt, was ich da zusammenklimpere. Danke …“ Und als ob er mir seine Dankbarkeit extra noch beweisen müsste, beugte er sich zu mir hinunter, gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und hatte sich schon wieder ganz aufgerichtet, noch bevor ich richtig auf seine Annäherung reagieren konnte. „Aber dein bestandener Abschluss ist jetzt eigentlich viel wichtiger und ich denke, wir sollten darauf wirklich anstoßen. Wir haben von You Geburtstagsfeier sogar noch eine Flasche Sekt übrig, die wir aufmachen können. Na, was sagst du?“

Oh, Gackt … oh, Gacchan … wie lieb er mich anlächelte, als er das fragte. Ich liebte es einfach und aus genau diesem Grund fühlte ich mich wohl auch nicht so seltsam wie ich es wohl hatte tun sollen, nachdem er mir diesen kleinen Kuss gegeben hatte. Meine Gefühle für ihn waren also definitiv noch da, doch ich wischte diese Erkenntnis einfach weg. Ich war wohl viel zu glücklich über dieses winzige bisschen Zuneigung, nachdem wir uns in den letzten Wochen nie so nahe gekommen waren.

„Gern“, hörte ich mich stattdessen nur sagen, woraufhin Gackt noch etwas breiter lächelte, damit sogar noch umwerfender aussah und in die Küche marschierte. Und ich folgte ihm auf dem Fuße – plötzlich ganz überzeugt davon, dass es uns beiden schon nicht schaden würde, wieder etwas enger miteinander umzugehen. Schließlich konnten Freunde auch eng miteinander sein!
 

Und genau das war es dann auch, was ich dachte, als ich mich einige Stunden später ziemlich angetrunken darauf einließ, über Nacht bei Gackt zu bleiben.

Anfangs sträubte ich mich allerdings ein bisschen, als ich mich verzweifelt an den Türrahmen der Küche klammerte, weil ich sonst sicherlich umgekippt wäre. Gackt hingegen schien es recht gut zu gehen, denn er war noch in der Lage, logisch zu argumentieren.

„Komm schon, Hyde“, sagte er nicht zum ersten Mal zu mir, „der Weg ist viel zu weit und du bist nicht mehr nüchtern. Schlaf dich erstmal aus, bevor du dich quer durch Tokyo schlägst.“

„Ngnnn … nee“, lallte ich und versuchte, die Welt irgendwie dazu zu bewegen, sich nicht mehr zu drehen, „Ken-chan wartet und … hier is doch kein … Platz.“

„Du redest Blödsinn, Hyde“, beschwichtigte Gackt mich dann wieder, lachte allerdings ob meiner Bemühungen, die natürlich zum Scheitern verurteilt waren, „für dich ist hier immer Platz und Ken wird es schon verstehen, wenn ich ihn anrufe und es ihm erkläre.“

„Aber … ich darf nich wieder in dein Bett …“

„Ich wollte dich ja auch auf der Couch einquartieren. Mach dir da also mal keine Sorgen. Komm schon, Hyde, komm …“

Und das war wohl auch das Kommando dafür, dass ich die Klappe halten und endlich einlenken sollte. Er ließ mich nun auch nicht mehr unbeholfen durch den Flur seiner Wohnung stolpern, sondern war an mich herangetreten und schloss mich in die Arme, stützte mich, damit es die Wand nicht mehr tun musste. Und kaum, dass er mich festhielt war dieses Gefühl von heute Nachmittag wieder da: Diese innere Zufriedenheit, die ich verspürte, wenn ich ihm nahe war.

„Na los, Hy-chan.“

„Hmm …“, brummte ich und lief ein bisschen holperig mit, während Gackt mich quasi ins Wohnzimmer schleppte. Dabei schmiegte ich mich an ihn und lächelte wahrscheinlich selig, denn so fühlte ich mich auch.

Vor der Couch angekommen, ließ Gackt mich los und ein bisschen unglücklich auf das Polster fallen, was wohl auch irgendwo meine Schuld war, da ich wie ein nasser Sack an ihm hing. Und weil ich nicht erwartet hatte, dass es so schnell schon abwärts gehen würde, hatte ich ihn nicht losgelassen. Ich hing noch immer an Gackts Arm, sodass ich ihn etwas mit nach unten zog. Er landete jedoch nicht auf mir, sondern konnte sich noch kurz vorher abfangen. Lachen tat er trotzdem leise ob dieser Aktion.

„Mensch, Hyde …“, schmunzelte er, ehe er sich wieder aufrichtete, um die Decke, die sonst immer schön zusammengelegt am einen Ende des Sofas lag, über mir auszubreiten. Schließlich war es gerade erst April und die milden Temperaturen sollte man nicht unterschätzen. Zumindest dachte sich das Gackt wohl, wo er sich doch schon die ganze letzte halbe Stunde Sorgen um meine Gesundheit machte. Und er hörte damit auch nicht auf: „Wenn du was brauchst, dann ruf einfach. Ich lass meine Tür offen, also sollte ich dich hören. Okay? … Hyde?“

„Hnn … okay …“, reagierte ich mit etwas Verzögerung und drehte mich auf die Seite, sodass ich auf Gackts Knie sah, wenn ich denn die Augen öffnete. Aber ich war anscheinend betrunken und müde genug, um das nicht mehr allzu gut hinzubekommen. Deshalb gab ich es schnell auf und antwortete ihm stattdessen blind.

„Okay, dann gute Nacht“, wünschte Gackt mir noch … aber er bewegte sich noch nicht von der Stelle. Stattdessen beugte er sich erneut zu mir hinab, um mir – wie heute Nachmittag schon – einen kurzen Kuss auf die Stirn zu setzen.

„Hmmm …“, seufzte ich leise und bekam erst dann von ganz weit weg irgendwie mit, wie Gackt den Raum verließ und außerdem das Licht ausschaltete. Gacchan … Gacchan … Mit den Gedanken bei ihm driftete ich schließlich in einen tiefen Schlaf über. Doch ich ließ ihn auch im Traumland nicht los, denn dort erfüllte sich endlich alles, was ich in der Realität nicht haben konnte.
 

*
 

24. April …
 

„Jetzt sag doch endlich was dazu!“

„Hm … was soll ich denn sagen?“

„Keine Ahnung … irgendwas … ich muss doch was tun.“

„Ach, Doiha …“, seufzte Tetsu und blickte mich sowohl ernst, als auch ein bisschen erschöpft an, „es tut mir ja wirklich leid, aber du hast dich selbst in die Situation gebracht, obwohl du das Risiko kanntest. Wieso hast du denn nicht von Anfang an darüber nachgedacht, was du im Fall der Fälle machen willst?“

„Weil alles so … na ja, ganz vernünftig klang es nicht, was Gacchan da gesagt hat“, begann ich, meinen besten Freund aufzuklären und stotterte dabei eher herum, als dass ich es wirklich flüssig herausbrachte … was mich nur noch dümmer wirken ließ als ohnehin schon, „aber er hat mir eben seine Sicht der Dinge erklärt und da schien es mir den Versuch wert zu sein …“

„Damit du merkst, dass du dich nur noch mehr in ihn verliebst“, ergänzte Tetsu für mich, obwohl ich es so deutlich gar nicht hatte sagen wollen. Aber ja, er hatte recht: Je mehr Zeit ich mit Gackt verbrachte, desto klarer wurde mir, dass meine Gefühle für ihn trotz der Tatsache, dass er sie nicht erwiderte, immer stärker wurden. Und der Traum vor ein paar Tagen war das letzte Indiz dafür gewesen, das ich nun wirklich nicht mehr hatte ignorieren können.

Das war mir dann auch alles so peinlich und unangenehm gewesen, dass ich mich am nächsten Morgen recht einsilbig gegeben und Gackt somit auch noch gesorgt hatte, weil ich so komisch war, wie er gesagt hatte. Das hatte die ganze Sache natürlich nicht besser gemacht, denn wo ich mit meinen blöden Träumen quasi schon unsere Abmachung untergrub, bereitete ich ihm nun auch noch Sorgen. Mit Gackt im selben Raum zu sein, mit ihm zu reden, diesen Gesichtsausdruck zu sehen und trotzdem zu versuchen, ganz auf locker zu machen, als ob alles in Butter wäre, hatte ich dann absolut nicht mehr ertragen und war noch vor dem Frühstück aufgebrochen. Und zu allem Überfluss hatte ich ihm vorgelogen, dass ich etwas Dringendes erledigen müsste. Damit er nicht wieder auf die Idee kam, mich zum Bleiben zu bewegen. Wie resistent ich dagegen war, hatte ich ja am Abend zuvor nur zu gut feststellen können. Dass ich dabei reichlich angetrunken war, spielte da auch keine Rolle mehr, denn ich war Gackt ganz eindeutig verfallen – ob nun nüchtern oder nicht. Und dass ich das nun endlich geschnallt hatte, bedeutete gleichzeitig, dass ich unbedingt etwas tun musste … nur was, das wusste ich noch nicht.

Aus genau diesem Grund hatte ich mich auch direkt an Tetsu gewandt und ihn um Hilfe gebeten, allerdings hatten seine seine Uni-Angelegenheiten und mein Job in der Poolhalle dafür gesorgt, dass wir uns erst heute hatten treffen können – so was machte man schließlich nicht per Telefon, E-Mail oder anderen unpersönlichen Kram aus! – und die Tage seitdem waren ziemlich schlimm gewesen. Immerhin hatte ich Gackt bei meiner Flucht aus seiner Wohnung versichern müssen, dass es mir auch wirklich gut ging und ich mich so schnell wie möglich bei ihm meldete. Natürlich hatte ich beides nur getan, um endlich aus dieser seltsamen Lage herauszukommen, und auch das hatte nicht unbedingt zur Besserung beigetragen. Ganz im Gegenteil, denn es hatte dafür gesorgt, dass ich seither wie auf glühenden Kohlen saß, damit ich gemeinsam mit Tetsu eine Lösung für mein Problem erarbeiten konnte, um wiederum endlich Gackt anrufen und ihm Entwarnung geben zu können. Bis dahin fühlte er sich bestimmt in seinen Sorgen bestätigt und … ach, fuck! Ich wollte doch nur mit diesem Kerl befreundet sein – wieso wurde mir das bloß so schwer gemacht?!
 

„Willst du wirklich wissen, was ich denke? Was du meiner Meinung nach jetzt tun solltest?“, fragte Tetsu mich schließlich, als sich meine Gedanken schon wieder so blöd im Kreis drehten und ich einfach keinen Ausweg daraus fand. Nun, er war dann mein Ausweg.

„Natürlich!“, rief ich schon fast und rutschte unruhig auf der Kante meines Bettes herum, wie um noch etwas näher an meinen besten Freund heranzukommen, der sich wie so oft meinen Schreibtischstuhl gekrallt und sich verkehrt herum darauf niedergelassen hatte. Aber was sollte ich auch sonst machen? Schließlich hatte ich ihn ja genau deshalb darum gebeten, bei mir vorbeizukommen!

„Also gut“, begann Tetsu betont, sodass mir schon jetzt nichts Gutes schwante, „mach Schluss damit. Triff dich nicht mehr mit ihm, rede nicht mehr mit ihm, vergiss ihn und beende die ganze Sache ein für alle Mal. Ich weiß, das gefällt dir jetzt überhaupt nicht, aber Doiha … du musst einsehen, dass diese Beziehung zu Gackt ein Fehler ist. Ihr habt es versucht und seid gescheitert … ihr habt es sogar noch weiter versucht, aber die Freunde-Schiene hat auch nicht geklappt. Alles, was er dir jetzt noch bringen kann, ist, dass du dich schlecht fühlst, weil du einfach nicht loslassen kannst und dich permanent nur dazu zwingst, das zu unterdrücken, was du wirklich willst. Wie ihr überhaupt auf diese bescheuerten Regeln kommen konntet! Es ist auch nicht in Ordnung von ihm, dich nicht endlich ziehen zu lassen. Wenn du ihm wirklich was bedeuten würdest, dann würde er doch sehen, wie schwer dir das alles fällt, und von sich aus Schluss machen. Aber er bleibt egoistisch und nimmt stattdessen in Kauf, dass du dabei verletzt wirst …“

„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, entgegnete ich, als Tetsu eine kleine Pause machte und kurz schwieg, „ich hab Gacchan wirklich sehr gern … ich liebe ihn und seitdem wir wieder Freunde sind, geht es mir doch wesentlich besser als vorher. Ich will ihn einfach nicht mehr vermissen müssen … und was ist denn so schlimm dran, wenn er weiter mit mir befreundet sein will, wenn ich das auch will? Ich sehe da eigentlich-“

„Das ist es ja genau, Doiha!“, fuhr Tetsu mir jedoch dazwischen, „du willst ja gar nicht nur mit ihm befreundet sein. Auch wenn ihr ausgemacht habt, dass ihr nur Freunde bleiben wollt, ist bei dir irgendwo das Gefühl, dass Gackt ja vielleicht doch irgendwann anfängt, dich zu lieben. Und weil das vielleicht passieren könnte, kannst du deine Gefühle ja schlecht aufgeben. Das musst du dir noch nicht mal bewusst denken, damit es da ist. Das ist jetzt nicht direkt deine schuld, Doiha, aber du bist der einzige, der das beenden kann, indem du die Sache mit Gackt beendest. Und ich bitte dich, dass du das auch wirklich tust. Ich mache mir schließlich auch Sorgen um dich … wir alle tun das.“ Er meinte es ernst, das war mir nur zu klar. Sein Blick, seine Tonlage und nicht zuletzt seine Worte selbst verrieten es mir. Und irgendwo hatte er sogar recht, schließlich hatte ich ja selbst schon festgestellt, dass das keine reine Freundschaft war, die ich da für Gackt empfand. Dass ich mir Hoffnungen machte, dass es eines Tages seine Gefühle wären, die sich änderten, war da auch nicht zu weit hergeholt. Aber was war schlimm daran?

„Ich kann das nicht“, sagte ich wieder und seufzte leise, „es ist Gacchan und … er hat so traurig ausgesehen, als er mich gefragt hat, ob wir es noch mal als Freunde versuchen wollen oder nicht. Ich will ihm ja auch nicht weh tun, wenn ich ihn einfach abschiebe, nachdem alles so gut geklappt hat.“

„Das Problem hattest du aber schon von Anfang an, Doiha“, erinnerte mich Tetsu dann, „und wir haben dir alle geraten, dass du drüber nachdenken sollst, was für dich selbst am besten ist. Ich will hier nicht der Spielverderber sein, der gegen jemanden wettert, den du gern hast, aber ich denke, dass du dich falsch entschieden hast. Ich denke, dass du den Kontakt wirklich abbrechen musst, um selber zur Ruhe kommen zu können. Ich will nämlich nicht, dass du dich für diesen kleinen Egoisten kaputtmachst.“

„Gackt ist kein Egoist!“, brauste ich auf einmal auf und merkte, wie sehr ich die Richtung, in die dieses Gespräch gerade ging, verabscheute. Und nicht nur das: Ich bereute sogar irgendwie, dass ich Tetsu angebettelt hatte, mir zu helfen. Ich hatte wohl erwartet, dass er mir wie beim letzten Mal noch einmal meine Möglichkeiten aufzeigte und mir den Rest überließ. Ich wollte die Gründe, die mich bei Gackt hielten, bestätigt und nicht widerlegt haben. So viel also dazu, dass mir einfach nur jemand sagen sollte, ob ich mich am besten für oder gegen Gackt entscheiden sollte. „Er macht sich genauso Sorgen um mich wie du!“

„Und wieso nimmst du ihn dann in Schutz und schreist mich an?“

„…“

„Ja?“

„Du verstehst mich einfach nicht!“, lautete schließlich meine Antwort auf Tetsus Frage. Dann herrschte erst einmal Stille, in der Tetsu mich nur anstarrte und mehrmals den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, ihn aber unverrichteter Dinge wieder schloss. Ich biss mir derweil auf der Unterlippe herum und merkte selber, wie kindisch dieser Satz klang. Zurücknehmen wollte ich ihn allerdings auch nicht. Ich hatte meinen Standpunkt klar gemacht und wenn Tetsu nicht damit klarkam … doch er schien sich geschlagen gegeben zu haben, selbst wenn er noch einmal deutlich machte, dass er nicht plötzlich meine Meinung teilte.

„Okay, okay …“, sagte er, seufzte und hob abwehrend die Hände, „ist deine Sache, was du jetzt tust. Ich wollte nur das Beste für dich, aber Verliebte soll man ja nicht aufhalten … oder so in der Art. Ich geh dann wohl besser mal. Sag einfach Bescheid, wenn man wieder normal mit dir reden kann oder-“

„Was?!“, rief ich dazwischen, als ich seine Worte hörte und er sich außerdem von meinem Schreibtischstuhl erhob, „wieso willst du denn jetzt gehen?“ Okay, das war jetzt richtig armselig von mir, aber ich fühlte mich im Moment einfach wieder so überfordert von allem, dass ich vermutlich zusammenbrechen würde, wenn man mich nicht an die Hand nahm. Ich saß zwischen den Stühlen und so sehr ich mir auch den Kopf zerbrach, ich kam auf keine Lösung. Tetsu konnte mich doch nicht wirklich damit allein lassen wollen!

Er schien das aber schon so zu sehen, denn er seufzte erneut: „Weil ich mir hier gerade den Mund fusselig rede und du trotzdem nicht drauf hörst. Du kannst doch nicht von mir verlangen, dass ich ewig bei dir bleibe und dir Vorträge halte, wenn du sowieso auf stur stellst und dann deinen Dickkopf durchsetzt. Ich bin nämlich nicht hergekommen, um dir Honig ums Maul zu schmieren, sondern um dir wirklich zu helfen.“

„Helfen? Wer braucht Hilfe?“, hing sich auf einmal noch jemand Drittes in unser Gespräch rein, „müssen wir mal wieder zu Haido-chans Rettung eilen? Unsere Jungfer in Nöten, haha.“

„Ken-chan!“, moserte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, nachdem ich den ersten Schrecken überwunden hatte. Wie auch immer er es geschafft hatte, aber ich hatte die Wohnungstür nicht gehört und damit nicht mitbekommen, wie er nach Hause gekommen war. Und jetzt stand er plötzlich im Türrahmen zu meinem Zimmer und feixte.

„Na, na, mal nicht so finster, Kurzer“, meinte Angesprochener allerdings gelassen, betrat mein Zimmer endgültig und lehnte sich gegen meinen Schreibtisch – als ob er mit Tetsu eine Verschwörung gegen mich bilden wollte, „was ist denn überhaupt passiert? Du bist die Tage schon so komisch drauf gewesen.“ Er hatte es also bemerkt? Obwohl auch er ziemlich viel um die Ohren gehabt hatte und eigentlich fast nur zum Schlafen zu Hause gewesen war? Dadurch hatte ich nicht die Gelegenheit bekommen, ihn darauf anzusprechen, und mir gedacht, dass es ausreichen müsste, wenn ich Tetsu um Hilfe bat – schließlich war der auch seit Jahren schon mein bester Freund.

„Also? Raus mit der Sprache!“

„Na ja … es geht darum, dass …“, setzte ich an, aber Tetsu grätschte mir dazwischen und brachte die Sache mittels eines einzigen Wortes auf den Punkt.

„Gackt“, schnaubte mein bester Freund und brachte uns damit sofort wieder dahin zurück, wo wir aufgehört hatten. Dafür setzte er sich auch wieder auf meinen Schreibtischstuhl.

„Aha“, sagte Ken zwar, machte aber dennoch ein ziemlich fragendes Gesicht, „und was ist mit ihm schon wieder? Ich dachte, ihr hättet euch vertragen und würdet jetzt auf Freunde machen.“

„Wir machen nicht auf Freunde, wir sind Freunde!“, korrigierte ich ihn und ahnte schon, dass auch Kens Ankunft nicht viel verbessern würde.

„Dann bleibt trotzdem noch wie Frage, was wieder das Problem ist.“

„Dass Doiha sich was vorlügt“, kam Tetsu mir erneut zuvor, „er ist mehr denn je in Gackt verliebt und will einfach nicht einsehen, dass das alles nicht funktionieren wird. Aber wenn ich ihm sage, dass er es beenden soll, dann stellt er auf stur und will es nicht hören. Dabei denke ich doch auch nur dran, was für ihn am gesündesten ist.“

„Es geht mir einfach darum, dass ich uns damit nur unnötig weh tun würde – uns beiden“, begann ich schon wieder, mich zu erklären.

„Das hatten wir doch eben schon, Doiha“, seufzte Tetsu wieder, „du darfst hier nicht daran denken, wie es ihm geht, wenn er nicht dran denkt, wie es dir im Moment geht. Du musst das beenden, damit du über die Sache hinwegkommen und glücklich werden kannst, auch wenn's erst mal schwer ist.“

„Ich will aber nicht leiden müssen, um glücklich werden zu können. Ich will mit Gackt glücklich werden, mehr nicht!“, jammerte ich nun schon ein bisschen und wandte mich dann hilfesuchend an Ken, „das ist doch verständlich, oder? Ken-chan?“

Der antwortete aber nicht sofort, sondern kratzte sich erst einmal an der Stirn und machte ein verkniffenes Gesicht. Und dann – endlich! – stand er mir bei: „Na ja … es ist schwer, jemanden gehenzulassen. Ich kann also verstehen, wenn du dir und Gackt das nicht antun willst.“ Doch an seinem Tonfall konnte ich hören, dass nun sein eigentlicher Ratschlag kommen würde, der mir nicht gefallen würde: „Allerdings muss ich Tetsu recht geben: Wenn du ihn liebst und er dich nicht, dann kann das eigentlich nicht gut ausgehen. Glaub mir, wenn einer von beiden zu sehr klammert, wird das für den anderen schnell nervig und er ergreift die Flucht. Ich hab das schon zigmal durch und am Ende ist es immer hässlich ausgegangen, weil die Mädels, die da mit im Spiel waren, zu viel von mir erwartet haben, obwohl ich ihnen gesagt habe, wie das laufen wird. Im Grunde ist das mit dir und Gackt grade haargenau dasselbe. Und du willst doch bestimmt nicht, dass er irgendwann von dir so genervt ist, dass er dich abschiebt. Das wird dich nur noch mehr verletzten, als wenn ihr euch jetzt beide auf diese Trennung einigt.“

„Das wird nicht passieren“, lautete jedoch meine Antwort – und es war eine verzweifelte, denn ich wusste ja eigentlich ganz genau, dass er da aus Erfahrung sprach und deshalb quasi recht haben musste. Und trotzdem wollte ich, dass es anders war, denn egal, was er sagte und wie viel Sinn seine Worte machten, ich wollte nicht unter einer Trennung von Gackt leiden müssen.

„Nein, du willst nur nicht, dass das passiert“, schlussfolgerte Ken dann auch richtig – anscheinend war mein Gesichtsausdruck verzweifelt genug, damit er es direkt ablesen konnte, „aber wenn er nicht auch bald anfängt, dich zu lieben, dann wird es passieren. Und es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber ich denke nicht, dass du darauf hoffen kannst. Ihr wart monatelang zusammen, ihr habt diesen ganzen Pärchenkram gemacht und hattet wer weiß wie viel Sex. Du hast dich in ihn verliebt … denkst du nicht, dass er sich in der Zeit nicht auch in dich hätte verlieben müssen? Er hat dich sogar betrogen, Hyde, selbst wenn es ihm leidgetan hat. Und dass du ihm das verziehen hast, zeigt nur, wie sehr du da drinsteckst. Was passiert, wenn er das nächste Mal was mit jemandem anfängt, weil ihr ja nur Freunde seid?“

„Ich … nein, das … ich weiß nicht …“, stammelte und jammerte ich weiter. Eigentlich wimmerte ich es nun fast schon, denn ich merkte ganz genau, wie mir die Tränen aufstiegen. Ich wollte Gackt nicht verlieren, aber ich wusste genau, dass es mir das Herz brechen würde, wenn Gackt sich auf jemand anderen einlassen würde. Auch diesen Punkt hatte ich bisher nicht bedacht. Im Grunde wusste ich gar nicht, wie ich mir das alles vorgestellt hatte … vermutlich so, dass es einfach wie bisher weitergehen würde oder … ich hatte keine Ahnung. Und so langsam wurde mir immer klarer, dass Tetsus und Kens Vorschlag wirklich der einzige Weg war, der mich langfristig gesehen vor großem Unglück beschützen konnte.

Es brachte nichts, sich einreden zu wollen, dass die beiden maßlos übertrieben, dass ja nicht wirklich etwas passiert wäre und ich nur bemerkt hätte, dass ich Gackt immer mehr liebte und es mir ansonsten gut ging. Es ging mir eben nicht gut, selbst wenn es Gackt war und er mir niemals bewusst weh tun würde. Es hatte mich schon einmal an den Rand der Verzweiflung getrieben und im Grunde ging es hier immer noch um das gleiche Problem. Meine rosarote Brille wurde langsam, aber sicher immer durchsichtiger.

Und dennoch war da diese Seite in mir, die es nicht wahrhaben wollte, für die unsere guten Zeiten viel zu kostbar waren, als dass sie Gackt so einfach loslassen konnte. Es ging nicht und deshalb wollte sie auch den Kontakt nicht abbrechen, egal, wie klar mir alles mittlerweile sein mochte.

„Ach, Doiha“, murmelte Tetsu, als er sich schließlich doch erhob. Allerdings nicht, um zu gehen, sondern um zu mir zu kommen und mich in die Arme zu nehmen – genau so wie damals, ehe ich diese Beziehung mit Gackt begonnen hatte. Auch da hatte Tetsu nur mein Bestes gewollt – nämlich, dass ich mich mit Gackt vertrug, weil mich alles andere so fertig gemacht hatte. Doch ich gab ihm nicht die Schuld für mein derzeitiges Elend, denn in diesem Moment hatte noch nicht einmal ich vorhersehen können, dass ich nur kurze Zeit später in einer Beziehung stecken würde.

„Tet-chan …“, schniefte ich.

„Ist schon gut“, antwortete er daraufhin sanft, „ich will nur nicht, dass du auf die Nase fällst. Im Gegensatz zu Gackt habe ich nämlich nicht vor, dich einfach mit dem ganzen Mist allein fertig werden zu lassen. Wenn er schon dumm genug ist, nicht zu merken, wie sehr du unter eurer sogenannten Freundschaft leidest, dann sollte er wenigstens Verständnis zeigen und dich gehen lassen, wenn du es ihm sagst.“

Es ihm sagen … ich nickte.

Ja, ich würde es ihm sagen müssen … nur wann ich dazu in der Lage wäre, das war die Frage.
 

tbc.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja … wer eins und eins zusammenzählt, wird sich sicherlich schon denken, dass wir bald am Schluss angekommen sind. Nach dem April kommt schließlich schon der Mai und der gute Hyde hat jetzt eigtl auch nur noch eins zu tun: Auf Tetsus Rat zu hören … eigtl. Ich will ihn übrigens nicht als Buh-Mann darstellen. Als Hydes Freund ist er auch nicht ganz objektiv, aber zumindest etwas objektiver als der Zwerg. Zumal ich haargenau die gleiche Situation selber durch habe. Ich hab es damals auch einfach nicht geschafft, mich von einer bestimmten Person endlich zu trennen, und es ging mir damit furchtbar mies. Derweil hab ich mich bei zig verschiedenen Leuten ausgekotzt und sie um Rat gebeten und so so viele haben gesagt, dass ich es bleiben lassen soll, wenn es mich nur runterzieht. Und hab ich es gemacht? Nein, natürlich hab ich es nicht gemacht und stattdessen andere vollgeheult, auf der Suche nach einem Lösungsvorschlag, der mir in den Kram passt. Ich kann nur schätzen, wie vielen ich damit auf den Sack gegangen bin: zu vielen. Und hier haben wir nun die Kompensation of doom ^^“ Komplett anzeigen

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