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Bitterkeit an Chlorophyll

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Bitterkeit an Chlorophyll

Nachts waren Schatten lebendiger, Uhren lauter und die Straßen still. Nur in der Nacht konnte der Mond den Wolf verhöhnen und ein Fuchs unbemerkt in den Hühnerstall schleichen. Nachts klammerten sich Gierde und Sehnsucht aneinander, wuchsen Chrysanthemen schneller und überhaupt brannte nachts niemals das Licht in der Kanzlei Wright&Partner.

Schlösser klickten geräuschvoll, wann auch immer man versuchte, keinen Laut zu produzieren. Als der nächtliche Besucher eintrat, fiel auch kein Licht des Treppenhauses auf den Flurteppich. Wenn ihn niemand gesehen hatte, wovon er ausging, war es jetzt an der Zeit auszuatmen. Rotes Licht glimmte auf. Er war auf diese verdammte Sehkrücke angewiesen, aber er hatte es vorgezogen, wie ein blinder alter Narr durch das Treppenhaus zu schleichen, sonst hätte er womöglich Verdacht erregt. Und jetzt, da er seinen Visor eingeschaltet hatte, wollte er sich in aller Ruhe umsehen. Es war ein Leichtes gewesen, Maya Fey den Kanzleischlüssel abzunehmen, während er dem Tres Bien einen Besuch abgestattet hatte. Genauer gesagt hatte er ihren ganzen Schlüsselbund eingesteckt, als er sich unter dem Vorwand der Mordermittlung im Personalraum umgesehen hatte. Sie würde es ihrer Schusseligkeit zuschreiben, dessen war er sicher.

Er legte eine Hand an den Türrahmen der offenstehenden Bürotür und hielt einen Moment inne.

Hier war sie gestorben. Und Breit spazierte jeden Tag durch diese Tür, ohne sich schuldig zu fühlen. Wieder spürte er den Stich einer sehr feinen Nadel, die sich in sein Herz bohrte, seit er von den Toten auferstanden war. Ebenso das gefährliche Kribbeln in seiner Hand, das er nur dürftig befriedigte, indem er hin und wieder Breits Dummheit mit einem heißen Handschlag seines Kaffeebechers belohnte.

Ein kühler Luftzug streifte seine Lippen und erst jetzt bemerkte er, dass ein Fenster offen stand. Er betrat das Zimmer und stellte fest, dass er es hätte einfacher haben können.

"Hirnverbrannter Igelkopf...", murmelte er zu sich selbst, als er die Feuerleiter unter dem offenen Fenster betrachtete. Breit hätte sich schöneres Wetter für seine Nachlässigkeit wünschen mögen; draußen regnete es und gerade hatte der Wind ihm ein verirrtes Laubblatt an den Visor gepustet.

"..... Edgey-Poo......"

Irgendwer da draußen jammerte in der verregneten, trostlosen Nacht. Plötzlich bewegte sich etwas neben ihm. Er drehte den Kopf und hätte schwören können, dass die Topfpflanze in der Ecke geraschelt hatte. Der Mann, der sich selbst Godot nannte, lächelte in Anbetracht der Möglichkeit, dass er langsam verrückt wurde. Aber er wollte es darauf ankommen lassen. Er schloss das Fenster und sagte: "Hallo, mein faseriger, grüner Freund. Der Volksmund sagt, Unkraut vergeht nicht."

Und tatsächlich... die Pflanze raschelte augenscheinlich. Vermutlich war er verrückt, aber das konnte, nein, es musste an der faulen Luft liegen, die Breit hier jeden Tag ausatmete. Godot zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Dann schraubte er seine mitgebrachte Thermoskanne auf und schnupperte an der Öffnung. Er versuchte sich zu erinnern. Sie hatte diesem Grünzeug wahrhaftig einen Namen gegeben. Harkley, nein, Barney. Ha...! Charley war der Name. Angenehm.

"Ich weiß noch genau, wie ich dich im Blumenladen sah. Du warst einfach unglaublich... grün. Das perfekte Geschenk für Mia. Ich weiß, dass sie dich geliebt hat. Mehr als vielleicht nötig gewesen wäre, aber auch Unkraut braucht Liebe. Selbst der größte Mammutbaum ist einmal ein junger Sprössling gewesen."
 

"... ......"
 

Nachdem Godot ausgiebig den verlockenden Duft des Kaffees eingesogen hatte, goss er sich den Becher voll und trank den ersten Schluck.

"Du hast hier sicher schon eine Menge erlebt. Ha...! Sei still, Chlorophylljunkie. Wir alle müssen die dunklen Geheimnisse schlucken, die wir zu verbergen versuchen. Das gilt auch für Verteidigerunkraut."

Es geschah ganz langsam, beinahe so langsam, dass es einer Einbildung glich; Charley neigte seine Zweige.

"Hey, kleines Gestrüpp. Das ist kein Grund, die Blätter hängen zu lassen. Die Lebewesen auf dieser Erde sind schwach und wankelmütig. Ihre Herzen ändern sich wie die Gezeiten. Es gibt nur eine Sache, die in dieser verrückten Welt beständig bleibt... die bittere Dunkelheit, die auf dem Grund meines Bechers ruht."

Godot hatte seinen Becher erhoben und Kaffee in Charleys Richtung geschleudert.
 

"...!!!"
 

Ihm war, als hätte er das leise Winseln eines verletzten Tiers gehört. Aber das konnte, nein, das musste an der faulen Luft liegen, die Breit hier jeden Tag ausatmete.

Godot füllte lächelnd seinen Becher nach.

"Vielleicht denkst du ja, dass meine Bohnen nicht gut geröstet sind, aber du darfst mir glauben, dass wahres Leid in einer ganz anderen Dimension spielt."

Während Godot einen Moment inne hielt, raschelte Charley leise. Versuchte er die Kaffeetropfen abzuschütteln? Wer wusste das schon. Das Lächeln auf Godots Gesicht wuchs in die Breite.

"Datest du eigentlich eine Blumenbraut?"
 

"... ... ................................."
 

Er brauchte ein paar Sekunden, bis er sicher war, Charley verstanden zu haben. Daraufhin zog er die Luft zwischen den Zähnen ein.

"Verstehe. Du stehst nicht auf Bräute. Kein Problem, Kumpel."
 

"... !"
 

Godot lehnte sich zurück, während er zusah, wie Charley sich heftig schüttelte. Gegen dieses Gestrüpp war kein anderes Kraut gewachsen, so viel stand fest. Er ließ die letzten Tropfen Kaffee auf seine Zunge perlen, dann füllte er sich den Becher wieder nach.

"Gegen die Natur bist du wehrlos. Du brauchst dich vor nichts zu fürchten. Die großen Naturgewalten da draußen bleiben dir immerhin erspart... hier bist du auf dem Trockenen."

Erneut hielt Godot inne und stellte mit Verbitterung fest, dass ihn seine eigenen Worte traurig stimmten. Das konnte, nein, es musste an der faulen Luft liegen, die Breit jeden Tag hier ausatmete.

"Wobei der Psychoterror durch die Schnitte mit dem Haarknoten und dem talentfreien Igelkopf sicher nicht zu unterschätzen ist."

Was war das? Charley schwieg so hartnäckig, wie es für eine Pflanze nur möglich war.

"Stehst du etwa auf den Anwaltsjungen?"
 

"... !"
 

Charley rückte mit seinem Topf ein ganzes Stück zurück.

"Ha...! Du bist ein Freak. Aber ich werde es für mich behalten."
 

"... ............. ..."
 

"Warum eigentlich Breit? Wie wäre es denn mit dem coolen Typ mit der Maske hier?"
 

"... !"
 

"Vergiss es. Mein Herz ist bereits an eine heiße Braut vergeben."
 

"... !!!"
 

Mit einem Mal raschelte Charley lauter, als es für eine gewöhnliche Zimmerpflanze angemessen gewesen wäre. Aber das war es nicht, was Godots Lächeln noch mehr in die Breite zog. Jemand stolperte hinter der Pflanze hervor.

"Ich... Ich fasse es nicht!", rief der andere Mann aufgebracht.

Trotz des fahlen, dämmerigen Lichts, das sich durch die Jalousien der Fenster stahl, hatte Godot ihn sofort erkannt. Es war der von Karma-Grünschnabel, seines Zeichens Staatsanwalt, der versucht hatte seiner Mieze in der ersten Verhandlung das Leben schwer zu machen. Und auch die Tatsache, dass er – warum auch immer – ein albernes Blätterkostüm trug, ließ keinen Zweifel zu, dass es Miles Edgeworth war, der ihn wütend anstarrte.

"Erst muss ich vor dieser alten Sabberhexe flüchten, lande dann in diesem verrückten Cosplay-Geschäft und... und musste dieses Kostüm anziehen, um mich zu tarnen. Schlimmer noch, dass die Alternative ein Ballettröckchen war! Ballett! Notgedrungen bin ich in Wrights Büro eingebrochen, weil sie mich erkannt hatte. Und dann kommt dieser... Kaffeephilosoph und sülzt mich zu. Eine Pflanze! Sie haben mit einer Pflanze gesprochen! Floraphiler Depp! Schämen Sie-... Argh!"

Edgeworth stolperte fast bei dem Versuch, sich an ihm vorbeizuschieben, weil das wallende Blätterwerk seines Kostüms ihm unter die Füße geraten war. Zu allem Übel schlürfte Godot unbeeindruckt und stoisch grinsend seinen Kaffee.

"Wie sind Sie hier überhaupt reingekommen?", fragte Edgeworth.

"Breit lässt seine Schlüssel achtlos herumliegen", behauptete Godot. "Und Sie, mein raschelnder Freund?"

Edgeworth nickte zur Fensterfront.

"Über die Feuerleiter. Wright schließt keine Fenster ab."

"Ha...! Seine Grabinschrift soll einmal lauten Er schloss nie ab in diesem Leben."

Edgeworth schnaubte verächtlich.

"Ich verschwinde", sagte er und stolzierte so elegant, wie es das Kostüm erlaubte, auf die Tür zu. "Und kein Wort zu Irgendjemandem!"

Edgeworth wollte sein Wort auf kein Wort. Das konnte, nein, das musste an der faulen Luft liegen, die Breit hier jeden Tag ausatmete.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, euch hat der kleine Oneshot gefallen, auch wenn er etwas... na ja, speziell ist.
Und hier steckt ein Canon-Fehler drin, den ich mit Absicht begehen musste, um diesen Oneshot schreiben zu können. Wer den Fehler findet, darf sich nen Keks nehmen. Wer ihn nicht findet (oder keinen Bock hat), darf sich auch einen nehmen :D Komplett anzeigen

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