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Vom Dunkel und vom Licht

Das unaufhörliche Streben nach Glück und die Kellen die das Leben gibt
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben und willkommen zurück zu einem neuen Kapitel. Leider bin ich in diesem Kapitel etwas durcheinander gekommen und würde mich freuen, wenn ihr mir ein Feedback gebt, ob es sinnig und flüssig zu lesen ist, oder ich doch noch einmal ran muss.
Ganz liebe Grüße
Vanhia Komplett anzeigen

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Kapitel 8 - Endlich wieder daheim

Die folgende Nacht verbrachten wir abermals in einem Haus, das Tenzou durch sein Jutsu heraufbeschwor und genau wie beim ersten Mal boten die Holzbalken, die aus dem Boden brachen, einen geradezu unglaublichen Anblick. Mir fiel auf, dass das Gebäude etwas kleiner als das Erste war und ich hegte den leisen Verdacht, dass er tags zuvor den riesigen Kasten nur aus einem einzigen bestimmten Grund beschworen hatte. Nämlich um mir zu imponieren und anzugeben.

Zu meinem Leidwesen musste ich mir, wenn auch widerwillig, eingestehen, dass er damit mehr als nur mäßigen Erfolg hatte, da ich nicht einmal ansatzweise meine Bewunderung und Begeisterung für sein Holzversteck verbergen konnte. Dabei spielte die Größe des Hauses keinerlei Rolle und der Ninja wäre sicherlich enttäuscht gewesen, wenn er wüsste, dass er sich weit weniger ins Zeug hätte legen brauchen.
 

Während der Nacht bekam ich kein Auge zu, weil ich ständig an den erstickenden Schlamm denken musste. Kaum schlossen sich meine Lider hatte ich das Gefühl wieder von dem Tentakel umwickelt zu sein und geschüttelt zu werden. Auch, dass ich mir einbildete den Schlamm auf meiner Zunge schmecken zu können, wirkte sich nicht förderlich auf meinen Schlaf aus.

Bei dem Gedanken an den süßlichen Verwesungsgeruch schoss mir augenblicklich Galle in den Mund und nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten aus dem Fenster zu spucken.
 

Gequält rollte ich mich stundenlang von einer Seite zur anderen auf der Suche nach dem erholsamen Schlaf, den ich so dringend brauchte und der sich einfach nicht einstellen wollte.

Dafür schlief der Anbu allerdings wie ein Stein.

'Eher wie ein Holzklotz', dachte ich ein wenig ungnädig, während er, tief in seinen Träumen versunken, ruhig ein- und ausatmete. Das silbrige Mondlicht, welches durch das Fenster auf sein Gesicht fiel, verlieh ihm einen beinahe sanften und friedlichen Ausdruck.

Wenn er wüsste, dass du ihn anstarrst, würde er sicher nicht mehr so ruhig schlafen. Die Stimme klang amüsiert.

Ertappt kniff ich einen Moment lang die Augen zusammen und rollte mich dann wieder auf den Rücken.

Die Decke war leider bei Weitem nicht so interessant. Aber immer noch besser, als dem Ninja erklären zu müssen, wieso ich ihn die halbe Nacht lang anstarrte.
 

Als der nächste Morgen anbrach weckte ich schließlich meinen Begleiter der, allem Anschein nach, nichts von meinem nächtlichen Beobachtungsmarathon an ihm bemerkt hatte.

Der Tag an sich verlief völlig ereignislos und ich dankte dem Schicksal, dass wir unser Schweigen vom ersten Zusammentreffen gebrochen hatten, denn die unmittelbare Umgebung bot einen Ablenkungsfaktor von ungefähr null. Es sei denn man war ein Eichhörnchen.

So vertrieben der braunhaarige Ninja und ich uns die Zeit mit Gesprächen, was den gemeinsamen Weg ungemein erleichterte.

Tenzou war ein wirklich angenehmer Weggefährte und im Verlauf des Tages hatte ich den Eindruck gewonnen, dass er in seiner Natur wohl ein eher ausgeglichener und weltoffener Mann war, was meine Theorie über die fehlgeschlagene Mission weiter untermauerte.

Gleichzeitig zu diesem Prozess, begann ich ein wenig am militärischen Führungsstil des Hokage zu zweifeln.

Die Antwort auf die Frage, wieso der Sandaime einen emotional angeschlagenen Shinobi mit sich nahm, ließ sich ziemlich leicht zusammenreimen, auch wenn es mir die Haare zu Berge stehen ließ.

Offensichtlich hatte der alte Mann sich keine Zeit genommen den Bericht des Anbu nach dessen Rückkehr durchzugehen und somit war dem Ninja eine neue Aufgabe erteilt worden, bevor er das Erlebte verarbeiten konnte. Eine andere Möglichkeit war, dass es dem alten Mann einfach egal gewesen war, doch das schien mir zu weit hergeholt.

Gern hätte ich gewusst, ob ich mit meinen Vermutungen richtig lag, doch ich war mir sicher, dass ich von dem pflichtbewussten Mann keine Antwort zu diesem Thema erhalten würde. Zum einen unterlagen Attentate, wie auch ihre Vor- und Nachbereitung nachvollziehbarer Weise einer Schweigepflicht, zum anderen schien er selbst noch Zeit zu brauchen um den Schock zu verarbeiten, was ich gut verstehen konnte. Daher war es keine Überraschung, dass er die Themen relativ neutral hielt und jede Wendung in eine private Richtung vermied.

Am Abend hielten wir auf einer Anhöhe von der aus wir das gesamte Umland überblicken konnten.

In einiger Entfernung ragte die Gebirgskette auf, vor der das Dorf errichtet worden war und von unserer Position aus konnten wir deutlich die Steinmonumente der früheren Dorfoberhäupter erkennen. Vom Dorf selbst war allerdings nichts zu sehen. Es lag, wie der Name bereits sagte, versteckt hinter den Blättern.
 

Die verbliebene Distanz die wir zu überwinden hatten, schätzte Tenzou auf einen guten Tagesmarsch, vorausgesetzt wir würden zügig und ungehindert vorankommen.

Ich spürte bei seinen Worten einen kleinen Stich, da wir für den Rückweg ein gutes Stück länger brauchten, als der Hokage veranschlagt hatte. Doch im Augenblick war ich zu müde um mich weiter darüber zu ärgern und begnügte mich mit einem Nicken in Tenzous Richtung.

Im Moment war es mir herrlich egal, ob wir für den restlichen Weg einen Tag oder ein Jahr brauchten. Der einzige Mittelpunkt um den meine Gedanken kreisten war die Frage nach einem Platz an dem ich mich hinlegen konnte.

In meiner Unaufmerksamkeit bemerkte ich erst zu spät, dass der Holzninja mit mir sprach. Blinzelnd sah ich in seine Richtung.

„Sei mir nicht böse, Tenzou, aber ich werde mich hinlegen. Mir schwirrt immer noch der Kopf.“ Um meine Aussage zu unterstreichen hielt ich mir besagtes Körperteil und rieb mir über die Augen. Seine Mundwinkel zuckten.

„War wohl doch etwas viel.“

'Ach was, das war nicht zu viel, ich höre jeden Tag, dass die Menschen Chakra haben und damit wie kleine Nuklearbomben sind', dachte ich sarkastisch.

Der Shinobi hatte mir während des Tages allerhand über dieses Energienetzwerk erzählt und die neuen Erkenntnisse arbeiteten sich nun merklich schwerfällig in meinen Verstand ein.

Die grobe Zusammenfassung war, dass das Chakra eines Ninjas eine gewisse Affinität zu einer Natur hatte. Es gab die fünf Hauptnaturen: Feuer, Wind, Blitz, Erde Wasser. Die, vorausgesetzt man beherrschte mehr als eine davon, zu einer Mischnatur verbunden werden konnten. Das Seishitsuhenka, also die Naturveränderung, war bei Tenzou demnach das Mokuton. Er benutzte Wasser und Erde und erschuf daraus für sich die Holznatur. Dabei befand sich das Wasserelement in seiner linken und das Erdelement in seiner rechten Hand, was den Vergleich mit einem atomaren Sprengkopf irgendwie rechtfertigte.

Aber, wie der Ninja zugeben musste, gab es noch viele andere Mischnaturen und er war sich sicher, dass auch er nicht einmal im Ansatz alle kannte.

Die meisten höheren Ninja beherrschten zwei Chakranaturen aus denen sie ihre Kampfstile entwickelt hatten. Seltener war es hingegen schon, dass ein Kämpfer drei Naturen miteinander verbinden konnte. Das lag vor allem an dem immensen Zeitaufwand den es benötigte um eine solche Manipulation zu erlernen. Einfacher hatten es da diejenigen, die in einen alten und mächtigen Ninjaclan hineingeboren wurden. Sie besaßen zuweilen das Kekkei Genkai, also eine Fähigkeit die einzig und allein durch Vererbung weitergegeben werden konnte. Da sie somit bereits eine eigene, sowie eine zweite angeborene Affinität hatten waren sie in der Lage noch eine Dritte zu trainieren.

Auf meine Frage, ob es jemanden gab der alle fünf Hauptnaturen beherrschen würde, hatte er sein maskiertes Gesicht geschüttelt und ich speicherte das Wort: unmöglich dazu ab.

Unmöglich war auch die schier unendliche und vielfältige Flut an Informationen. Und so interessant und spannend es war, hatte ich doch irgendwann den Überblick verloren und musste meinen Begleiter bitten mir den Rest zu einem späteren Zeitpunkt zu erklären, an dem sich das Bisherige sowohl gesetzt als auch gefestigt hatte und ich wieder Aufnahmefähig war.

Ich zuckte daher so neutral wie möglich mit meinen Schultern.

„Etwas Ruhe und ich kann dir wieder zuhören.“ Damit verabschiedete ich mich mit mit erhobener Hand aus dem Thema und schlenderte vom Rand der Anhöhe zu Tenzous' Holzversteck zurück.
 

Im Gegensatz zur vorherigen Nacht, in der ich mich ein wenig von ihm weggelegt hatte, entschieden wir uns dafür dieses Mal ein wenig näher zusammenzurücken. Die Idee war, dass Tenzou mich so leichter schütteln konnte, wenn ich schlecht schlief.

Im Nachhinein, stellte sich zwar heraus, dass der Plan aufging, doch der arme Tenzoz bezahlte einen hohen Preis dafür.

Wie auch in den Nächten zuvor überließ er mir freundlicherweise seine Decke in die ich mich erschöpft schmiegte und sofort einschlief als mein Kopf den Boden berührte. Doch auch meine Erschöpfung schützte mich nicht vor meinen Dämonen.

Diesmal mischten sich die Erinnerungen meiner Vergangenheit mit meinem neu erworbenen Wissen über Chakra und dessen Anwendungsbereiche, was meine Alpträumen auf eine ganz neue Realitätsebene brachte. Das Ende der Sequenzen allerdings blieb immer das gleiche: Kristan mit durchtrennter Halsschlagader.

Tenzou, der dadurch geweckt wurde dass ich mich wimmernd hin- und herwarf rutschte die wenigen Schritte zu mir, um mich an der Schulter zu fassen und zu wecken.

Zu seinem Pech drehte ich mich just in diesem Augenblick zu ihm und trat ihm, gefangen in dem Moment zwischen Realität und Traum, mit aller Kraft gegen sein Schienbein.

Wild fluchend sprang er mit schmerzverzerrtem Gesicht durch den Raum.

„Was soll das?“ Aufgebracht und unter Schmerzen funkelte er mich an.

„I-ich hab gedacht d-du wärst e-einer d-der S-soldaten...Das Blut...e-es lief auf m-mich z-zu.“, stotterte ich verstört, denn vor meinem Blickfeld vermischten sich noch immer Gegenwart und Vergangenheit, was zur Folge hatte, dass ich nicht einmal genau wusste wo ich mich augenblicklich befand – und mit wem.

„Was denn für Soldaten?“ Sein Tonfall änderte sich sofort zu einem ernsten und löste in meinem Gehirn eine verspätet Reaktion auf die Gesamtsituation aus.

Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass der Mann der wenige Schritte neben mir stand, gar nicht Kristan war, für den ich ihn gehalten hatte.

Die aufwallende Panik unterdrückte in meinen Kopf jeden logischen Gedanken. Ich fühlte mich entblößt, schutzlos, dumm und vor allem eines: stumm.

Es war eine Sache gewesen dem Hokage einen Teil der Geschehnisse zu schildern. Doch was das direkte Attentat auf mich und meine Familie anbelangte, hatte ich selbst vor dem alten Mann nicht eine Silbe verloren. Über das Davor und Danach hatte ich ihm zwar Auskunft gegeben, doch ich konnte die Bilder die mich so quälten nicht einfach mit jemand Anderen teilen. Selbst wenn ich es gewollt hätte.

Es war auch so schon eine unbeschreibliche Anstrengung gewesen, zumal unser Gespräch in strahlendem Sonnenschein stattgefunden hatte. Doch hier in dieser dunklen Hütte, inmitten eines schier endlosen Waldes zusammen mit einem Mann, den ich gerade einmal zwei Tage kannte, wollte ich noch weniger darüber reden.
 

Mein Verstand arbeitete fieberhaft an einer Lüge die plausibel genug war um von dem Ninja nicht direkt durchschaut zu werden. Doch mein Kopf war leer wie ein weißes Blatt Papier.

Es einfach auf einen weiteren schlechten Traum zu schieben war sinnlos, der Anbu kannte die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sicherlich genauso gut wie ich. Mein Verhalten während der Nächte, in denen er wach gewesen war stellte geradezu ein Paradebeispiel dafür dar.

„Was für Blut?“

Ein neues Gefühl drängte sich durch all die anderen nach oben: heiße und glühende Wut. Wut über diesen Mann, der mich vor zwei Tagen angegriffen hatte, ohne irgendwelche Informationen über mich zu haben. Wut darüber, dass dieser Mann nun von mir verlangte, dass ich ihm etwas von mir erzählte, obwohl er selbst nichts preis gab. Es war Wut, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich sie in mir trug.

In meinem Kopf konnte ich die Stimme spüren, die etwas zu mir sagte, mich ermahnte, doch ich ignorierte sie schlichtweg.

„Was bringt es dir, wenn du es weißt?“ Meine Stimme war so leise dass der Anbu es wahrscheinlich nicht einmal gehört hatte. Die Bitterkeit mit der ich zu ihm sprach, nahm ich kaum wahr. Zu tief steckte ich in meinen viel zu lange unterdrückten Emotionen fest.

Ich schalt mich für meine Unachtsamkeit und verwünschte mich für meine Träume, die mich so sehr verfolgten und meine zum Himmel schreiende Inkompetenz. So viele Einsätze und noch mehr taktische Trainingseinheiten die garantieren sollten, dass keiner von uns jemals Staatsgeheimnisse preisgab. Und hier war ich nachlässig geworden.

„Ich wüsste dann, was dich seid drei ganzen Tagen davon abhält zu schlafen.“

Meine Augen weiteten sich verblüfft.

„Woher...?“ Er schnaubte durch die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Denkst du etwa ich bin blöd UND blind? Jeder Idiot kann sehen, das du nicht gut schläfst.“ Seine Miene verriet mir, dass er nicht vorhatte locker zu lassen. Einen kleiner Teil schrie mir zu, dass es sinnvoller war die Dumme zu spielen und das Thema einfach abzuwiegeln. Doch ich hatte keine Kontrolle mehr über mich. Ich wollte provozieren und meine Wut an diesem Mann auslassen, der eigentlich am allerwenigsten etwas dafür konnte.

„Du kennst mich nicht einmal, wieso sollte es dich kümmern?“, zischte ich. „Ich dachte du bist ein Auftragsmörder.“ Die Stille die eintrat war schneidend.

Sie drückte auf meine Ohren und auch der Mann mit den außergewöhnlichen Augen starrte mich an, als hätte ich ihn angeschrien. Ein Schlag in sein Gesicht wäre sicher humaner gewesen. Zu deutlich standen die unausgesprochenen Worte zwischen uns im Raum.

Als Attentäter der er war und als Werkzeug, als das er sich sah, war Sorge und Freundschaft emotionaler Ballast, den man bestenfalls umging. So lautete die unausgesprochene Regel und das wusste er. Jemand der auf Befehl jemanden tötete zu dem er keinerlei privaten Bezug hatte, musste sämtliches Mitgefühl und persönliche Befindlichkeiten in seinem Inneren auslöschen. Es war etwas anderes als eine Vendetta, die einen durch Verlust, Hass und Fanatismus antrieb. Auftragsmord war kalt, glatt und dunkel. Es erstickte jeden Funken Glück im Keim.

Vage erreichte mein Gehirn die Vorstellung, wie ich vor einem durchtrainierten Elitekämpfer hockte und ihm vorwarf nicht kalt und herzlos genug zu sein. Ich hasste mich unendlich für den Versuch, Tenzou wieder an den Rand des Abgrundes zu drängen, an dem er zwei Tage zuvor bereits gestanden hatte.

Doch nun gab es kein zurück mehr. Meine Schultern bebten und ich musste an mich halten, dass das Zittern nicht meinen gesamten Körper erfasste.

Langsam kam der Anbu Schritt für Schritt auf mich zu und der Blick den er mir zuwarf war eiskalt.

„Was hast du gesagt? Was glaubst du eigentlich wer du bist?“ Niemand. Ich wollte niemand sein, jetzt im Augenblick noch mehr als zu irgend einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben. Wäre ich niemand könnte ich nun einfach aufstehen und gehen. Man könnte sagen: Niemand ist gegangen. Und man trauerte auch nicht um niemanden. Wäre ich niemand, hätten diese Drecksschweine meine Familie in Ruhe gelassen. Damals war ich jemand, deswegen hatten sie sterben müssen. Hier allerdings war ich Haruka. Keiner der Menschen kannte mich und diese Anonymität musste ich schützen.

Wütend funkelte ich den Holzninja an. Ich hatte mich für diesen Weg entschieden und ich würde ihn nun bis zum bitteren Ende gehen.

Mir rauschte das Blut in den Ohren, als ich mich vom Boden aufrappelte.

„Wer ich bin geht dich gar nichts an. Ich erzähle doch keinem Möchtegern-Attentäter irgendetwas über mich!“

„Pass auf, was du sagst.“ Drohend kam er einen Schritt auf mich zu und am liebsten wäre ich zurückgewichen und hätte mich gegen die Holzwand gedrückt. Ich bewegte mich auf sehr dünnem Eis und ein Teil von mir hoffte, dass der Mann mich einfach niederschlug oder auf irgendeine Weise stoppte.

„Du bist anscheinend nicht zu gebrauchen, Tenzou. Deine letzte Mission war doch ein Fehlschlag, oder irre ich mich? Du besitzt das Mokuton, kannst Chakra schmieden und wurdest als Attentäter ausgebildet.“ Mein Herz schlug so heftig, dass ich es hören konnte.

„Aber eure Ausbildung scheint nicht viel wert zu sein, wenn du erst in einer Mission versagst und dann auch noch von einer Frau überwältigt wirst, die weder das Areal noch die Techniken kennt.“ Feuerte ich meine giftigen Pfeile auf ihn ab, von denen jedes Wort wie ein Volltreffer bei ihm einschlug. Sein Gesicht wechselte die Farbe von weiß zu dunkelrot angenommen und an seinem Hals trat heftig pulsierend eine Ader hervor.

„Was weißt du denn schon? Ich habe gute Männer verloren...“

„Wenn sie sich haben töten lassen waren es Versager“, schrie ich.

Mit einem wütenden Knurren überbrückte er die Distanz zwischen uns mit wenigen Schritten. Er war außer sich und ich war mir sicher, dass er mich schlagen würde. Schwer atmend kam er vor mir zu stehen und hob seine Hand. Ich schloss meine Augen und wartete auf den Aufprall. Doch der Schmerz kam nicht.

Verwirrt blinzelte ich.

„So weit gehst du also um deine Vergangenheit zu verbergen.“

Jegliche hasserfüllten Gedanken und Gefühle verpufften auf der Stelle und sehnlich wünschte ich mir, dass er einfach zugeschlagen hätte. Ich konnte ihm ansehen wie sehr er sich zusammenreißen musste und wie dünn der Faden seiner eisernen Beherrschung war. Und ich sah, wie sehr ich ihn verletzt hatte.

„Ja.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Und noch viel weiter.“

Seine zusammengepressten Lippen waren ein schmaler Strich, als er langsam seine Hand sinken ließ.
 

„Ich gehe nach draußen.“, sagte ich monoton in die eisige Stille hinein und wollte mich um ihn herum zur Tür drücken. Ich wollte einfach nur noch raus.

„Das wird auf Dauer auch nichts bringen.“, meinte er ruhig, wobei er nicht nur meinen Rückzug meinte.

„Nein. Das stimmt.“, gab ich kaum hörbar zurück und legte ihm zögernd die Decke auf die Schulter. Fluchtartig verließ ich den Raum und war einen Herzschlag später bereits zur Tür hinaus. Erst am Rand der Anhöhe blieb ich stehen und unterdrückte mühsam den Impuls einfach hinunter zu springen. Die Felskante auf der ich stand ragte gut zwanzig Schritte über dem restlichen Gelände in die Höhe und wenn der Sturz mich nicht umbrachte so würde ich mir doch trotzdem sämtliche Knochen brechen. Aber ich könnte mich einfach dazu entscheiden hinabzuklettern und einfach immer weiter laufen. Fort von dem Mann mit den schwarzen Katzenaugen.

Aber was dann?

Gegen den tiefschwarzen, mit Sternen gespickten, Nachthimmel konnte ich die Konturen des Gebirges vor mir erkennen. Den Weg nach Konohagakure würde ich mit Sicherheit alleine finden.

'Nein, so feige bin ich nicht.“

Außerhalb der Sichtweite des Anbu gestattete ich meinem Körper nun die unterdrückten Reaktionen und ich setzte mich zittrig auf einen umgestürzten Baumstamm von dem aus ich einen guten Blick über das Land und den Himmel hatte.

'Ich bin nicht so feige geworden, dass ich die Konsequenzen meines Handelns nicht trage.' Wiederholte ich in meinem Kopf.

Und die werden mit Sicherheit nicht ohne sein, du hast wirklich dreckig gespielt. Die Stimme klang vorwurfsvoll.

'Ich weiß.' Elend vergrub ich mein Gesicht in den Händen. 'Ich wusste keinen anderen Weg und ich hatte Panik.'

Während ich die Welt vor mir beobachtete ließ ich meine Gedanken kreisen. Tenzou würde mir sicher nicht verzeihen und das war irgendwo in meinen verwirrten Gedanken auch der Plan gewesen.

Ihn von mir fernzuhalten erschien mir richtig, obwohl ich den Grund nicht benennen konnte. Ich hatte alle Grenzen überschritten die man sich vorstellen konnte. Und in einem Land in dem Ehre und Dienstbereitschaft über dem persönlichen Wohl zu stehen schienen, hatte ich soeben die Todsünde begangen. Aufgewühlt griff ich in meine Haare und fuhr heftig hindurch. Zum Glück würden sich morgen unsere Wege trennen, so dass ich die Schande und die Scham die ich ihm gegenüber empfand in die gleiche Kiste sperren konnte aus der die Wut wie ein Kastenteufel gesprungen war. 'Ich brauche ein besseres Schloss für diesen Kasten', schoss es mir durch die Gedanken und bekam prompt eine Antwort: Das ist wohl das geringste deiner Unannehmlichkeiten.

Damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn selbst wenn ich morgen den Holzninja zum letzten Mal in meinem Leben sehen würde, so war die auf mich gezogene Verachtung noch das kleinste meiner Probleme. Genma war mittlerweile sicherlich von seiner Mission zurück und ich meinen Arbeitsplatz wohl los. Somit stellte sich die Frage nach einer neuen Anstellung und die damit verbundene Finanzierung meines Lebensunterhalts. Die Aussichten für die Rückkehr in das Dorf waren also auch nicht sonderlich rosig.
 

Langsam legte ich mir die Hände vor den Mund, bis ich sicher war, dass kein Ton durch meine Finger schlüpfen konnte. Gleichzeitig rutschte ich ein wenig nach vorne und ließ mich auf dem Waldboden sinken. Dann schrie ich.
 

Ich mochte den Anbu. Als ich ihm gesagt hatte, dass er mir sympathisch sei, hatte ich nicht gelogen. Er erinnerte mich an jemanden aus meiner Vergangenheit und irgendetwas an ihm kam mir seltsam bekannt und vertraut vor.

Noch immer schrie ich lautlos in die Nacht hinaus und mir wurde klar, wie einsam ich mich eigentlich fühlte. Hier in diesem neuen Land, nachdem ich so lange unterwegs gewesen war, fehlte jemand den ich 'Freund' nennen konnte. Jemand dem ich vertrauen konnte. So wie damals meinen Kollegen in der Einheit. Ich stutzte.

Wie paradox dieser Gedanke doch war. Wie konnte ich diese Menschen als meine Freunde bezeichnen?

Sie waren nie meine Freunde gewesen, das hatte ich spätestens dann gemerkt, als ich einige ihrer Stimmen unter denen der Angreifer an jenem Abend wiedererkannt hatte.

Doch das war die Ausbildung gewesen: Gemeinsam kämpfen als Team bis zum Tod. Doch auf den Befehl der richtigen Person hin, wurden Teamkameraden zu Verrätern und vernichteten dann sogar ihre engsten Vertrauten. Hilflosigkeit und Verzweiflung nahmen Überhand und ich biss mir kräftig in meine Handwurzel um nicht doch noch von der Felskante zu springen. Es klang traurig, doch es entsprach der Wahrheit: Andere Freunde hatte ich nie gehabt und vermutlich war es deswegen nicht verwunderlich, dass ich eigentlich kein Problem damit hatte für mich zu sein. Und nach dieser Erkenntnis war es vielleicht doch besser, sich auch niemals auf freundschaftliche Bindungen einzulassen. So gab keine Zwänge, es gab niemanden auf den ich achten musste. Niemanden der sich auf mich verließ.

Du belügst dich selbst, kam es abschätzig. Du bist doch einfach nur feige.

'Du merkst aber auch alles.', dachte ich stumpf. Doch es war die Wahrheit. Der Verlust meiner Familie hatte mir ein schier endloses Loch in die Brust gerissen und einen solchen Schmerz wollte und konnte ich nicht noch einmal ertragen. So sehr ich mich auch nach menschlicher Nähe sehnte, hatte ich auch Angst vor ihr.
 

Tenzou.

Er hatte zugegeben, dass seine Mission ein Fehlschlag gewesen war und er Mitglieder seines Teams verloren hatte.

Ich wiederholte für mich die schäbigen Dinge, die ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Die Wahrheit war, dass ich ihn dafür bewunderte, dass ihn der Verlust so mitnahm. Die Abtötung jeglicher Gefühle war nicht nur eine ungeschriebene Regel für den Selbstschutz, sondern auch eine Berufskrankheit. Ich hatte mit eigenen Augen miterleben können wie die Soldaten, die mit mir in der Grundausbildung gewesen waren zunehmend zu Maschinen abstumpften. Je mehr Attentate sie begingen desto kälter wurde es in ihnen. Mit jedem Opfer starb auch ein Teil ihres inneren Menschen. Doch der Ninja schien sich jeden seiner gefallenen Kameraden wieder vor Augen zu führen und um jeden von ihnen zu trauern. Die Schwierigkeit war, dass man sich an den positiven Dingen festhalten musste um sich nicht selbst zu verlieren und genau das war wohl das Risiko bei dem Anbu..

Während der letzten zwei Tage hatte ich ihn immer genau dann neue Dinge über Chakra gefragt, wenn er drohte wieder in diesen inneren Zustand abzudriften bis er schließlich begonnen hatte von sich aus weiterzuerzählen und ich den Eindruck gewonnen hatte dass er auf einem guten Weg über über den Berg war. Die psychische Wunde, die er davongetragen hatte, war heilbar.

Waren meine eigenen das auch?

Über mir begann der Himmel sich zu verändern.Die Sterne verblassten und das schwarz wurde allmählich zu einem dunklen Blau, welches sich immer weiter aufhellte bis sich schließlich ein rosa Schimmer auf ihm abzeichnete. Entzückt sah ich nach oben, wo sich die letzten verbliebenen Sterne mit aller Macht gegen den beginnenden Tag zur Wehr setzten. Hinter mir hörte ich eine Tür, die leise geöffnet und geschlossen wurde. Jedes bisschen meiner verbliebenen Körperwärme versank augenblicklich im Boden.

„Schön nicht wahr?“, hörte ich Tenzous leise Stimme hinter mir.

„Ja“

Einträchtig betrachteten wir den Sonnenaufgang, ich immer noch vor dem Baumstamm sitzend, der Ninja mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, neben mir. Um uns herum, erwachten gemächlich auch die anderen tagaktiven Tiere und es wurde zunehmend lauter im Wald. Irgendwo begann ein Specht zu hämmern und Vögel begannen fröhlich zu zwitschern.

All diese Geräusche wirken so unglaublich fehl am Platz.

„Tenzou ich...“

Ich zuckte ein wenig zusammen, als er sich neben mir auf den Boden setzte.

„Ich weiß.“ Schweigend saßen wir nebeneinander.
 

Als der Braunhaarige unseren Schlafplatz aufgelöst hatte und wir unsere letzte Etappe begannen, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass der Shinobi kein Wort über die nächtliche Szene verlor. Im Gegenteil er schien sogar ziemlich gut gelaunt zu sein.

Wir führten zwanglos unseren Exkurs vom Vortag fort und ich erfuhr viel neues von ihm. Doch ein kleiner Teil von mir wusste, dass ich irgendwann die Konsequenzen tragen würde und irgendwie wurde mir bei dem Gedanken sehr flau in der Magengegend.
 

„Ich wünschte, ich könnte das auch“, seufzte ich und trat einen kleinen Stein vor mir über die Straße.

„Nun, so schwer ist das eigentlich gar nicht, wenn du erst mal dein Chakra spüren kannst“; meinte mein Begleiter nüchtern.

„Und wie spürt man es?“

„Indem du dich auf die Energiepunkte fokussierst, weißt du was ich meine?“

„Eher nicht“, gab ich unumwunden zu.

„Hmm. Ich glaube ich hab eine Idee, machen wir eine kleine Pause, dann erkläre ich es dir.“

Er bog von der Straße ab und setzte sich im Schneidersitz in das hohe Gras. Etwas überrumpelt tat ich es ihm gleich. „Mach deine Augen zu und entspann dich. Du musst versuchen deinen Kopf ganz frei von störenden Gedanken zu halten.“ Verwirrt öffnete ich reflexartig wieder meine Lider. „Ich soll aufhören zu denken?“

„Genau. Und jetzt Augen zu.“ Ich tat wie befohlen und bemühte mich keine der kreisenden Wolken in meinem Kopf näher zu betrachten oder festzuhalten.

„Was stellst du dir vor?“

„Das ich Wolken vor mir sehe von denen jede ein Gedanke ist und ich versuche nun keine davon anzusehen.“

„Gar keine schlechte Idee, aber ich denke, dass es nicht den erwünschten Effekt hat.“ Seine Stimme wurde durch die Maske vor seinem Gesicht gedämpft und er tippte sich nachdenklich gegen die Stirn. „Pass auf wir machen eine kleine Meditationsübung, vielleicht ist es für dich am Anfang etwas merkwürdig, aber mach einfach mit.“ Was anderes blieb mir auch nicht übrig.

„Sitzt du bequem?“

Ich nickte.

„Gut. Konzentriere dich auf meine Stimme.“

„Mach ich.“

„Augen zu.“

„Ok.“

„Nicht mogeln!“, seine Stimme klang amüsiert und ich schloss meine Lider gänzlich.

„Nun gehe mit deiner Konzentration zu deiner rechten Faust, balle sie so fest du kannst und konzentriere dich auf die Anspannung in deinen Muskeln. Ja, so ist es gut. Halte das Gefühl. Nun spanne sie noch ein wenig mehr an und spüre wie deine Sehnen und Muskeln arbeiten.“ Das tat ich und ballte meine Hand so fest zusammen wie ich konnte.

„Nun entspanne deine Hand, lass deine Muskeln los und spüre den Unterschied zu eben. Nun das gleiche mit deiner anderen Faust...“

Nach meinen Händen wanderten wir über die Arme zu meinem Gesicht, über Brust und Schultern wieder hinab zu meinen Beinen.

„So nun nun konzentriere dich so stark du kannst auf dein Inneres. Du hörst dein Herz schlagen und spürst, wie es dein Blut durch deine Adern pumpt. Zähle seine Schläge. Ein Herzschlag. Der zweite Herzschlag. Ein Dritter. Nun gehst du tiefer hinunter in deine Bauchregion.“ Die Übung, die sich am Anfang wirklich merkwürdig angefühlt hatte ließ mich zunehmend in einen tranceähnlichen Zustand fallen und anstatt in meinem Kopf herumzudümpeln konzentrierte ich mich nun lediglich auf meine Körperfunktionen und Muskelgruppen.

„Atme tief ein und spüre, wie die Luft in dich hinein fließt bis in deinen Bauch hinab. Atme wieder aus. Jetzt noch einmal von vorn. Nun konzentriere dich auf diesen Raum in deinem Körper. In ihm ist der Sitz deines Chakras und es ist genauso wie dein schlagendes Herz. Es pulsiert und ist voller Kraft. Spürst du es?“

Ich konnte es spüren, aber da war noch mehr. Neben meiner eigenen fließenden Energie spürte ich mir gegenüber noch ein weiteres Netzwerk. Überrascht schlug ich die Augen auf.

„Ja, ich kann es spüren Tenzou. Und ich spüre auch deines“, ungläubig sah ich ihn an, wie er mir regungslos gegenüber saß. Leider war es mir unmöglich seine Gesichtszüge auszumachen und anstelle seines Gesichts sah mich nur ein starres Katzengesicht an.

„Nun dann hast du den ersten kleinen Schritt schon einmal gemacht, und wir wissen, dass du wahrscheinlich auch auf dein Chakra zugreifen kannst.“ Damit stand er auf und reichte mir seine Hand, um mich hochzuziehen.

„Die Schwierigkeit wird sein, dass du zu jedem Zeitpunkt dieses Netzwerk spüren musst. Übe, bis du es geschafft hast, dann kannst du anfangen zu versuchen darauf zuzugreifen und in verschiedene Körperregionen zu schicken. Das ist die Grundvoraussetzung und darauf baut sich dann auch der Rest auf.“ So wie er es sagte klang es nach keiner großen Sache, aber es würde sicherlich nicht einfach werden.

„Wirst du gleich zu einer neuen Mission aufbrechen?“, fragte ich ihn und achtete darauf, so neutral wie möglich zu klingen.

„Das weiß ich nicht. Aber ein paar freie Tage wären gar nicht mal schlecht“, das Grinsen hörte ich auch ohne sein Gesicht zu sehen.
 

Am späten Nachmittag erreichten wir die Mauern von Konohagakure und verwundert bemerkte ich, dass mir beim Anblick der riesigen Stadtmauern warm ums Herz wurde.

„Endlich daheim“, ertönte die gedämpfte Stimme des Mannes neben mir. „Es kommt mir vor als wäre ich Jahre nicht mehr hier gewesen.“

„Ich bin auch froh wieder hier zu sein.“

Das Katzengesicht nickte. „Ich werde schon einmal vorgehen, mit der Maske ist es etwas umständlich durch das Dorf zu laufen.“ Damit verschwand er mit einem großen Satz und ich konnte ihn gerade noch einmal erkennen, als er über eines der Dächer sprang, das in Richtung der Hokageresidenz lag.

„Wirklich beeindruckend“, murmelte ich und ging langsam durch das Tor.

„Hallo Haruka, da bist du ja wieder.“, tönte es aus dem kleinen Wachhäuschen.

„Izumo, Kotetsu, wie geht es euch?“, fragte ich lachend.

„Ach wie immer, es ist schrecklich öde hier“, maulte der Ninja mit der Stachelfrisur.

„Du warst ja ganz schön lange weg.“, bemerkte sein Partner und beugte sich etwas nach vorne. „Ja das stimmt, ich habe einen Brief ausgeliefert und mich dabei etwas verlaufen“, log ich.

„Hat der Hokage dir niemanden mitgegeben um dich zu beschützen?“ Izumo runzelte die Stirn.

„Nein, er konnte seine beiden fähigsten und wichtigsten Shinobi leider nicht entbehren“, ich zwinkerte ihnen zu, woraufhin Kotetsu die Augen verdrehte und die Arme vor der Brust verschränkte.

“Als ob hier auch nur irgendetwas spannendes passieren würde. Schau dir das an, in der letzten Woche sind gerade mal ein paar Händler nach Konoha eingereist.“ Er stach mit dem Zeigefinger auf das aufgeschlagene Buch ein, das vor ihm lag.

„Ich mag es hier“; meldete sich sein Partner wieder zu Wort.

„Du bist einfach nur ein fauler Sack, Izumo.“ Gab der Andere trocken zurück.

„Ich geb' dir gleich faul!“ Empörte sich der Mann mit dem Kopftuch und sprang auf die Beine. Amüsiert betrachtete ich die beiden Wachninjas.

„Ihr beide habt einen wichtigen Job. Ihr bewacht immerhin Konohas Haupttor. Wenn etwas passiert, seid ihr die Ersten die handeln müssen“, warf ich ein und die zwei Streithähne entspannten sich wieder. „Ja, aber mir wächst noch ein Bart, während ich hier rumhocke.“

„Kotetsu?“

„Was ist denn Izumo?“

„Du weißt schon, dass du einen Bart hast, oder?“

Ich brach in schallendes Gelächter aus, was den Schwarzhaarigen kurzfristig davon abhielt seinem Freund das Einreisebuch über den Schädel zu ziehen.

„Ihr beide seid wirklich unverbesserlich,“ grinste ich sie breit an.“Ich hoffe wirklich für euch, dass ihr einen interessanteren Posten bekommt.“

„Na wer weiß, vielleicht haben wir hier bald mehr Arbeit als wir verkraften können“, witzelte Kotetsu und alleine die Vorstellung schien Izumo nicht zu gefallen schien, denn er ließ merklich die Schultern hängen. Versonnen nickte ich.

„Beschreie es nicht, sonst könnt ihr euch vor Aufgaben bald nicht mehr retten“, grinsend drehte ich mich in die Richtung der Gebäude.

„Apropos Arbeit, ich muss mich beeilen. Der Sandaime wartet sicherlich schon auf meinen Bericht.“ Mit einem entschuldigenden Blick verabschiedete ich mich von den Beiden und setzte mich, wie der Anbu vor mir, in Bewegung um den Hokageturm zu erreichen.

Obwohl ich nicht einmal eine Woche unterwegs gewesen war, kam es mir ebenfalls vor wie eine Ewigkeit.

Am liebsten wäre ich erst einmal in mein Apartment gegangen um andere Sachen anzuziehen und zu duschen, aber Tenzou war sicherlich schon lange bei Hiruzen angekommen und lieferte seinen Bericht ab.

Ich machte mir erst gar nicht die Illusion, dass der Sandaime das nicht vorher mit seinem Untergebenen abgesprochen hatte und mein Magen krampfte sich nervös zusammen als ich an das Wort 'Konsequenzen' dachte. Vermutlich berichtete der Shinobi auch von meinen Träumen und meinem respektlosen Verhalten ihm gegenüber, was wiederum hieß, dass ich mich besser schon einmal warm anzog.

Um den Weg länger als nötig zu ziehen, lief ich so viele Umwege wie ich konnte. Doch irgendwann musste ich mir eingestehen, dass auch die beste Verzögerungstaktik irgendwann an ihre Grenzen stieß, wenn alle Straßen auf den Punkt ausgerichtet waren, den man selbst lieber meiden wollte. Ziemlich blöde Sache.
 

Als ich dann schließlich doch vor der Tür zu Hiruzens Arbeitszimmer stand, verließ mich der Mut und ich überlegte ernsthaft einfach wieder zu gehen.

„Komm rein, Haruka.“

Mist.

Dass er wusste, wenn ich vor der Tür stand, wunderte mich gar nicht mehr, denn schließlich hatte er seine Kristallkugel. Meine Vermutung wurde bestätigt als ich eintrat und das besagte Objekt auf seinem Kissen vor Hiruzen liegen sah. Verstohlen sah ich mich um, doch Tenzou war nirgends zu sehen.

Schweigend wartete ich auf das Unwetter, das sicherlich auf mich niedergehen würde.

Doch der Hokage musterte mich lediglich wortlos und schien der Ansicht zu sein, dass mein schlechtes Gewissen gepaart mit der unangenehmen Stille mich mehr marterte als er es jemals könnte.

Schließlich, als ich es nicht mehr aushielt, griff ich in meine Tasche und holte die weiße Maske hervor. Mit klammen Fingern legte ich sie vor ihm auf den Tisch und bemühte mich dabei um ein ausdrucksloses Gesicht.

Der alte Mann seufzte und sah mich mit einem traurigen Gesicht an.

„Bevor, wir anfangen, möchte ich mich entschuldigen, Haruka. Ich war nicht ganz fair zu dir.“

„Nein das warst du nicht“, erwiderte ich leise.

Mit einem Mal sah er noch älter aus, als er sowieso schon war.

„Aber“, fuhr ich fort. „Ich bin nicht böse. Du hattest sicher deine Gründe dafür.“ Ernst sah ich ihn an.

„Es war die einfachste Möglichkeit um dich auf deine Stärken zu testen, und zu meiner Verteidigung, die Idee dazu kam mir überaus spontan.“

„Spontan ja? Willst du damit rechtfertigen einen emotional angeschlagenen Mann ohne eine Pause erneut losgeschickt zu haben? Oder steckt mehr dahinter? Außerdem ist Tenzou sicherlich nicht gerade spontan hier irgendwo aus dem Boden gewachsen, als du jemanden für den Job gesucht hast, oder? Wobei mich das auch nicht mehr wundern würde.“ Zynisch schnitt ich ihm eine Grimasse.

Der alte Mann rieb sich mit seinen langen schmalen Fingern über die Augen und drehte sich mit seinem Stuhl ein wenig zur Seite um aus dem Fenster gucken zu können.

„Nein, ich will mich nicht rechtfertigen, da ich Tenzou nicht zufällig auf diese Mission geschickt habe.

Während ich einen Moment brauchte um seine Worte zu verdauen, lehnte der Alte sich zurück und kramte in seiner Tasche nach seiner Pfeife.

„Du wirst bald sterben, wenn du das Rauchen nicht aufgibst, Meister Hokage“, prophezeite ich ihm düster.

„ Ich bin ein alter Mann, Haruka, ich werde so oder so in nicht all zu ferner Zukunft sterben.“ erklärte er ohne jede Gefühlsregung und blies die erste Rauchwolke in die Luft.

„Ich denke ich schulde dir eine gute Erklärung und die wirst du bekommen, aber zuerst bitte ich dich um Diskretion, denn das was ich dir erzählen werde geht sehr weit in seine Privatsphäre hinein.“

„Natürlich.“

„Tenzou ist einer meiner besten Anbu, aber seine Vergangenheit ist ziemlich tragisch. Hat er dir etwas davon erzählt?“

Seine Antwort war ein leichtes Kopfschütteln.

„Nun gut, als er gerade geboren worden war, wurde er von einem abtrünnigen Konohaninja, namens Orochimaru, entführt und auf eine Art und Weise misshandelt, die du vielleicht nachvollziehen kannst. Aber dazu komme ich gleich.“ Der alte Mann begnügte sich nicht mehr, nur von seinem Stuhl aus durch das Fenster zu blicken, sondern erhob sich um in der Position vor der Fensterfront zu verharren die so typisch für ihn war.

„Orochimaru, der zu meinem Bedauern einer meiner eigenen Schüler war, zeigte sich schon als Kind sehr wissbegierig und auch sehr intelligent. Doch eines hat er nie verstanden.“ Gedankenverloren starrte er auf die Konturen der Stadt und auf die Menschen, die von hier nach dort eilten, um vor dem Abendessen noch die nötigsten Dinge zu erledigen.

„Er verwechselte Liebe mit Macht und befindet sich auf der ewigen Jagd nach Unsterblichkeit.“, murmelte er.

„Ist das denn möglich?“; fragte ich erschrocken und auch der Hokage zuckte zusammen, offensichtlich hatte er bereits ganz vergessen, dass ich anwesend war.

„Nun, das weiß ich nicht genau, aber er hat viele schreckliche Experimente gemacht. Unter anderem auch an sechzig Kindern. Er pflanzte ihnen Zellen des ersten Hokage ein, der nicht nur bekannt für sein Mokuton gewesen ist, sondern auch für seine beachtliche Stärke und unnatürliche Heilkraft. Das Mokuton ist ein Kekkei Genkai, also eine Fähigkeit die nur durch Vererbung weitergegeben werden kann. Mein Schüler wollte es für seine Zwecke nutzen, aber-“ er stockte.

„Aber was?“, hakte ich nach.

„Alle Kinder starben... bis auf eines.“

„Wie schrecklich“, brachte ich entsetzt hervor und mir wurde bewusst, was der junge Mann damit gemeint hatte, dass sein Leben im Dunkeln läge.

„Als wir den Jungen fanden, war er der unterernährte Schatten eines Kindes. Doch selbst als er sich fing, und kräftiger wurde, war sein Leben nicht leicht, denn wir kannten seinen Namen nicht und konnten ihn deswegen nicht zu seiner Familie zurückgeben. Er selbst war viel zu klein um sich an seine Eltern zu erinnern und auch die Familien konnten zwischen ihm und sich keine Ähnlichkeiten feststellen. Orochimarus Experimente hatten nämlich nicht nur Einfluss auf seine Fähigkeiten, sondern veränderten auch sein Aussehen. So wuchs er in einem Heim auf, bis er die Prüfung zum Genin erfolgreich abschloss, denn ab dem Punkt stellte man ihm eine eigene kleine Wohnung zur Verfügung.“

„Ich verstehe, aber was hat das mit mir zu tun?“

„Nun, nenne mich einfältig, aber du bist Mahn's Tochter und auch er hat sich stets durch ein schier endloses Vertrauen an die Unantastbarkeit der menschlichen Würde ausgezeichnet. Er hat jeden gemocht, selbst wenn die Person schwierig war. Irgendwie hat er es immer geschafft positiven Einfluss auf denjenigen zu nehmen. Tenzou hingegen hat bisher nur erlebt, dass die Menschen ihn meiden. Für die meisten ist er lediglich ein Experiment und ein Klon Hashiramas, dem Shodai-Hokage. Es hat ihn bitter werden lassen und ich habe das Gefühl, dass er für einen jungen Mann viel zu ernst ist.“

„Er hat den Eindruck gewonnen sein Leben besteht aus einer reinen Befehlskette, denn das ist alles was er hat und das ihm Halt gibt. Er glaubt, dass es sein Schicksal ist ein Werkzeug zu sein,“ sprach ich meine Gedanken laut aus. Schweigend drehte sich Hiruzen zu mir um.

„Disziplin und Gehorsam sind zweifelsohne wichtige Eigenschaften eines Ninjas“, warf er ein.

„Aber Tenzou verliert sich in seiner eigenen Dunkelheit, anstelle sein Leben mit Sinn zu füllen, was ihn zu einem besseren Ninja machen würde“, konterte ich. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

„Hast du mich etwa auf diese Mission geschickt, damit ich ihn gerade biegen soll?“

„Es geht hier nicht darum, dass ich den Mann manipulieren will, Haruka.“ Der Blick den Hiruzen mir zuwarf war verächtlich.

„Was denkst du von mir? Natürlich ist mir bewusst, dass ein Mann, der einen Grund zum Leben hat, auch mehr daran setzt es zu beschützen, aber ich wäre ein Ungeheuer, würde ich so etwas wirklich in Betracht ziehen.“, er sprach ruhig doch ich konnte heraushören, dass er – ja was eigentlich – verletzt war?

„Was meinst du dann? Was ich deiner Meinung nach tun? Ich wage es nämlich nicht zu behaupten, dass ich jemanden verändern könnte. Weder zum Guten noch zum Schlechten. Und wie kommst du überhaupt darauf, dass ich bin wie mein Vater?“

„Weil du trotz allem ein weiches und liebendes Herz hast. Obwohl du gesehen hast, wie deine Familie ausgelöscht wurde, du fast drei Jahre auf der Flucht warst und mit Sicherheit noch viel mehr erlebt hast, als du mir offenlegst... hast du dennoch die Fähigkeit zum Mitgefühl nicht verloren. Einem bewusstlosen Gegner eine Kopfschmerztablette zu überlassen ist einerseits ziemlich merkwürdig und unlogisch, andererseits genau das, was dein Vater getan hätte. Du hast ihn nicht getötet, obwohl ich dir im voraus erzählt habe, dass das Schriftstück geheim und wichtig ist. Und das hat ihn beeindruckt. Ein guter Schritt in die richtige Richtung.“

Er schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln und seine Stimme war wieder warm wie eh und je.

„Ich habe Tenzou eine neue Mission gegeben.“ Nun war es wieder an mir die Stirn zu runzeln.

„Waru..?“ Hiruzen seufzte genervt.

„Es ist kein Attentat oder eine ähnlich gefährliche Mission nur eine einfache Informationsbeschaffung.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Das meinte ich nicht. Ich wollte fragen wieso du mir sagst, dass dein Shinobi wieder auf einer Mission ist?“

„Damit du dich nicht fragst wo dein neuer Bekannter steckt.“

„Wieso sollte ich das?“

„Ah nun, ich habe mir überlegt, dass ich dich gerne mit in unserer Kartei aufnehmen würde. Was bedeutet, dass jemand mit dir dein Chakra trainieren müsste.“

„Was für eine Kartei?“ Mein Blick, der ihn traf schien so schräg zu sein, dass der Hokage zu grinsen begann.

„In die Kartei der uns zur Verfügung stehenden Personen mit... Spezialausbildung.“ Genüsslich zog er ein an seiner Pfeife und linste unter seinem Hut zu mir hoch.

„Hiruzen ich bin kein Ninja, was soll ich denn deiner Meinung nach bitte schön tun? Ich wäre mehr eine Last als eine Bereicherung.“ Ich verschränkte meine Arme, denn seine Idee war mehr als nur schlecht.

„Ich würde dich unter dem Zusatz 'extern' führen. Du hast eine unkonventionelle Art des Denkens während eines Kampfes und es wäre eine Schande jemanden wie dich, der sich ohne jedes Chakra, zur Wehr setzen kann nicht einzusetzen. Außerdem dachte ich daran, dass Tenzou nach seiner Mission mit dir trainieren könnte.“

„Dann ist das also mein neuer Job? Das heißt, sofern ich die Chakrakontrolle in den Griff bekomme?“

„Nun ganz so eilig habe ich das eigentlich nicht. Ich werde es dich wissen lassen, wenn es geeignete Missionen geben sollte. Vorausgesetzt natürlich du erlaubst mir dich in die Kartei aufzunehmen.“

„Kann ich Bedingungen stellen?“ Eine seiner Augenbrauen wanderte skeptisch nach oben, während er mich, mit der mittlerweile ausgebrannten Pfeife im Mund, von der Seite musterte.

„Was für Bedingungen?“

„Ich möchte, dass ich sowie meine Aufträge mit Verschwiegenheit behandelt werden. In meiner Akte will ich kein Foto haben und meine Missionen will ich am liebsten auch alleine durchführen.“

„Warum?“

„Ich will so wenig auffallen wie möglich. Das habe ich dir vor Wochen schon einmal gesagt. Und je mehr von mir wissen, desto leichter könnte irgendeine Information nach außen gelangen. Auch wenn es paranoid ist, ich würde mich wohler fühlen. Wenn meine Identität wegen meiner Aktivitäten für dich nicht geschützt werden kann, verzichte ich lieber.“ Nachdenklich, aber immer noch mit erhobener Augenbraue begann der Hokage seine Pfeife neu zu stopfen.

„Ich werde diesbezüglich Vermerke in der Akte machen, allerdings ist ein Foto unumgänglich.“ Er drehte sich zu seinem Schreibtisch und nahm die Maske in die Hand. Einen kurzen Augenblick musterte er das unbehandelte Gesicht, bevor er sie an mich weiterreichte.

„Was soll ich mit der Maske?“ Verwirrt sah ich von dem Gegenstand zurück zu dem alten Dorfoberhaupt.

„Nun“, paffte er. „Ich habe gesagt ein Foto ist unumgänglich, aber ich habe nicht gesagt, dass darauf zwingend dein richtiges Gesicht sein muss. Das ist allerdings eine Ausnahme.“ Er zwinkerte mir verschwörerisch zu.

„Was die Einzelmissionen anbelangt, kann ich keine Versprechungen machen, aber was hältst du davon wenn Tenzou bei den Missionen dabei ist?“

„Ich weiß nicht, ob er davon so begeistert wäre“, erwiderte ich zögerlich. „Wenn, dann muss er das entscheiden.“ Hiruzen nickte.

„Gut. Dann hätten wir das also alles geklärt.“

„Noch nicht alles, denn es gibt etwas, das wichtiger als die Kartei ist.“

„Das da wäre?“, ein Rauchwölkchen wanderte zusammen mit einer erneuten skeptischen Augenbraue nach oben.

Schief grinste ich ihn an.

„Zum einen brauch ich auch sonst einen Job und zum anderen bin ich deinetwegen in den Fluss gesprungen... du schuldest mir also eine neue Hose.“
 

Eine gefühlte Ewigkeit später schloss ich schließlich die Tür meines Apartments hinter mir und lehnte mich erschöpft gegen die Wand. Mit einem Mal war ich entsetzlich hungrig und müde. Außerdem starrte ich so sehr vor Dreck, dass ich das Bedürfnis verspürte eine Woche lang durchzubaden.

„Alles der Reihe nach“, murmelte ich vor mich hin und ging als Erstes in das Schlafzimmer um mir frische Unterwäsche, meine legere Trainingshose und ein langes T-Shirt zu holen, dann schlurfte ich ins Badezimmer.

Meine Sachen landeten beim Vorbeigehen lieblos im Wäschekorb, der aus Gewohnheit seinen Posten neben der Schlafzimmertür bezogen hatte.

Für ein entspannendes Bad, war ich einfach zu müde und mir war die Gefahr zu groß, dass ich dabei einschlief und womöglich in meiner eigenen Wanne ertrank.

Somit blieb mir nur eine Dusche. Vorsichtig drehte ich an den Hebeln der Waschamatur, weil es mir schon häufiger passiert war, dass ich die falsche Mischung erwischte und mich entweder schockgefror oder wie einen Hummer kochte.

Das Wasser war eine wahre Offenbarung, genauso wie der Dreck, der von mir heruntergespült wurde. In dunklen Bahnen lief das Gemisch aus Staub, Schweiß und vermutlich auch Reste getrockneten Blutes den Abfluss hinunter auf nimmerwiedersehen.

Genießerisch hob ich meinen Kopf in den Wasserstrahl und ließ das Gespräch mit dem Sandaime noch einmal Revue passieren.

Auch ihm war also aufgefallen, dass Tenzou, seinen ganzen existenziellen Zweck darin sah, als Werkzeug zu fungieren.

Er gab damit nicht nur sein persönliches Anrecht auf Liebe, Freundschaft und Glück auf, sondern degradierte sich selbst zu jemanden, der all das auch nicht wert war. Aber sicherlich hatte er Freunde die vermutlich ebenfalls wie er Anbu waren, da die Notwenigkeit zusammen Attentate auszuführen zwei Menschen mehr zusammenschweißen konnte, als jegliche sonstige gemeinsame Interessen.

„Positiver Einfluss“, sagte ich mit geschlossenen Augen zu dem Duschkopf über mir.

Wie sollte ich dass denn machen? Und wollte ich das überhaupt?

Ich drehte die Temperatur noch ein wenig höher und griff zu meinem Haarshampoo, dass ich mir sanft in die Kopfhaut massierte. Genießerisch stöhnte ich auf.

Als nächstes seifte ich meinen Körper ein und schrubbte mir auch den letzten Dreck herunter. Duftend, dampfend und vor allem endlich sauber, stieg ich schließlich aus der Wanne und wickelte mich in ein Handtuch.

Mein Blick wanderte durch den gefliesten Raum, bis er an dem Spiegel hängen blieb, den ich vor etwa zwei Wochen angebracht hatte.

„Du siehst ganz schön alt aus, meine Liebe“, erklärte ich meinem Spiegelbild, nachdem ich mein Konterfei auf der glatten Oberfläche gemustert hatte. Tenzou hatte recht gehabt: selbst ein Idiot konnte sehen, dass ich nicht gut schlief, denn die dunklen Ringe unter meinen Augen sprachen Bände. 'Vielleicht sollte ich die Schatten etwas überdecken?', fragte ich mich.

Eine gute Idee, du siehst aus wie ein Zombie.

'Wie nett du wieder zu mir bist', gab ich schnippisch zurück und ich hörte nur ein leises Lachen in mir.

Abgetrocknet und in den sauberen Klamotten fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Meine zerrissene Hose, wanderte auf der Stelle in den Müll. Es war sowieso sinnlos sie flicken zu wollen, nachdem ich sie so viele Jahre durch Aufträge, Missionen, eine Flucht und einen Kampf mit zwei Ninjas gezerrt hatte, war ihr Material nun schlussendlich müde geworden.

Mit geschürzten Lippen besah ich auch den Rest meiner Ausrüstung. Das Urteil fiel ernüchternd aus: Die Lederhalterungen für mein Kampfmesser, sowie der Gürtel mussten dringend eingefettet werden, ansonsten würde das Material noch spröder werden, als es sowieso schon war und bald brechen. Bei meinen Schuhen das gleiche. Mein Erste-Hilfe-Paket musste erneuert und aufgefrischt werden und ich würde wohl nach Ersatz für meine Energiezuckerkapseln suchen müssen. Entschlossen kramte ich in meinem Schrank nach dem Pflegemittel für das Leder, während sich vor meinem Fenster der Himmel allmählich orange färbte. Sorgfältig entfernte ich getrocknete Erde und sonstigen Unrat von meinem Gürtel, der Beinhalterung wie auch von meiner Gürteltasche, die ich bei der Gelegenheit einmal komplett aus- und wieder einräumte.

'Kunais, das Ninjaseil, Bandagen, ein paar neue Rauchbomben und noch ein paar andere Sachen', notierte ich gedanklich auf meine Einkaufsliste. Dann arbeitete ich die Pflegemittel ein und legte mein Zubehör zum Trocknen oben auf den höchsten Schrank. Dort lag es zumindest nicht im Weg herum.
 

Während ich in Gedanken weitere Gegenstände zu meinen benötigten Einkäufen hinzufügte, klingelte es an meiner Wohnungstür.

Überrascht zuckte ich zusammen um dann reglos in meinem Schlafzimmer zu stehen, unentschlossen darüber, ob ich die Tür öffnen oder die Klingel einfach ignorieren sollte.

Es klingelte ein zweites Mal.

„Einen Moment, ich komme sofort.“ Hastig stopfte ich die restlichen Sachen meiner Ausrüstung in meinen Schrank und warf einen schnellen Blick in jedes Zimmer, ob nicht irgendwo ein verwerfliches Wäschestück in Form eines Büstenhalters oder Höschens herumlag. Dann ging ich langsam zur Wohnungstür um herauszufinden, wer mich besuchen kam.
 

„Hey, Haruka! Tut mir leid, dass ich erst jetzt vorbeikomme. Ich war heute schon Mal da, aber da hast du nicht aufgemacht. Ich dachte schon, du wärst vielleicht sauer oder so“, sprudelte es mir entgegen, sobald ich die Tür auch nur einen Spalt geöffnet hatte. Belustigt grinste ich den kleinen Genin an.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Aibera
2014-01-05T11:20:57+00:00 05.01.2014 12:20
Ich mag Tenzou =) Und ich hoffe, dass Haruka Erfolg damit haben wird (in ferner Zukunft), ihn aus der Dunkelheit zu holen... gutes Kapitel =)
lg
Aibera
Antwort von:  Vanhia
05.01.2014 17:17
*Lach*
Ja Tenzou istt wirklich einer meiner Lieblingscharaktere und bietet sich geradezu an, dass er gerettet wird. AAAABER ich hab da noch die eine oder andere Überraschung geplant ;)
Von:  fahnm
2014-01-01T00:51:57+00:00 01.01.2014 01:51
Super Kapi^^


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