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Tokyo: Real Vampire

Zwischen Gothic und Legende
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, genug Alltags-Vorgeplänkel, jetzt geht´s endlich zur Sache. ^^ Komplett anzeigen

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verstrickt

„Quatsch hier keine Opern und geh endlich rein!“, verlangte Safall ruhig aber nachdrücklich. Zeda schubbste ihn bekräftigend an, als müsse er den Worten seines Freundes Nachdruck verleihen. Soviel also zu dem Thema, es müsse sich was ändern.

„Ich lasse nicht mehr zu, daß du mich so rumbefehligst!“, versuchte sich Oniji so trotzig wie sinnlos weiter zu sträuben.

„Solange du mein Schüler bist, wirst du dich auch rumbefehligen lassen.“, gab Safall gleichmütig zurück und ging schon voraus. „Und was danach ist, darüber reden wir wenn es soweit ist.“

„Ich will selber über mein Leben bestimmen! Wenn ich das Studium verhaue, weil du mich jede Nacht durch die Bars schleifst ...“

„Geh uns was zu trinken holen!“, unterbrach Safall ihn. „Ich suche uns inzwischen irgendwo einen Tisch.“

Wütend wandte sich Oniji ab und stapfte los. Er war stinksauer, daß er überhaupt nicht ernst genommen wurde. Schüler oder nicht, er war doch nicht der Sklave eines anderen, oder? Er war Japaner! Japan war ein freies Land. Und auch wenn er inzwischen wusste, daß Safall kein Japaner war – was dem Studenten im übrigen Schnuppe war – gab ihm das noch lange nicht das Recht, ihn so rumzuschubbsen. Auch im klassischen, japanischen Kohai-Senpai-Verhältnis, in dem der jüngere Schüler oft arg unter dem höherrangigen, älteren Schüler zu leiden hatte, war sowas nicht geduldet. Jemand rempelte Oniji derb an und brachte ihn damit ins Straucheln und zurück in die Realität.
 

„Pass doch auf, du Idiot!“, zeterte eine befehlsgewohnte Frauenstimme.

Missgestimmt schaute er sie an, wie sie sich da vor ihm aufbaute, mit den Fäusten in den Hüften, und ihn herausfordernd anstarrte. Auffallend barocke Kleidung. Wohl ein Pik, nach allem was er gelernt hatte. „Wirst du dich wohl gefälligst entschuldigen, du Küken?“, legte sie nach.

Oniji beschloss, sich nicht mit ihr zu streiten. Mit einem mürrischen <Du mich auch!> wollte er sich an ihr vorbeischieben und einfach weitergehen.

„Flegel, was fällt dir ein!?“ Wütend packte sie ihn am Kragen und zerrte ihn zurück. Sie hatte erstaunlich viel Kraft.

„Lass mich in Ruhe!“, forderte er genervt, bemerkte aber am Rande schon, daß sich ein souverän gekleideter Mann zu ihnen gesellte. Der Student konnte es nicht richtig in Worte fassen. Sein Kleidungsstil war nicht übertrieben auffällig oder kostspielig, sah aber deutlich danach aus, als hätte der Typ richtig was zu sagen. Und etliche Augenpaare hatten sich interessiert auf sie gerichtet. „Wo gehört der hin?“, wollte am Rande jemand wissen. „Kennt den wer?

„Probleme?“, wollte der Mann wissen, der so dominant in die Szene geplatzt war.

„Er will sich nicht entschuldigen!“, zeterte die Frau, die Oniji zuvor über den Haufen gerannt hatte und ihn nun nach wie vor am Pulloversaum gepackt hielt.

Dem Studenten platzte der Kragen. „Wofür auch? Für deine Blödheit, daß du nicht geradeaus laufen kannst?“, keifte er und kassierte von ihrem Typen als Antwort eine fiese Linke mitten auf die Nase. Sofort sah er Sternchen und ging zu Boden. Die Frau zeterte weiter und begann auf ihn einzutreten, aber er bekam den Rest nur noch unterschwellig mit.
 

„Ho, aufhören, bitte!“, mischte sich da eine allzu bekannte Stimme ein. Safall ging dazwischen und zog Oniji grob wieder auf die Beine. „Bitte, seid gnädig. Er weis es nicht besser. Er kennt euch nicht! Ich entschuldige mich in aller Form für sein Benehmen, wirklich!“, meinte er beschwichtigend.

„Unverschämtheit! Unerhört!“, maulte die Frau weiter.

„Es tut mir leid.“, versicherte Safall nochmals.

„Ist die Flachzange dein Schüler?“, wollte der Mann wissen.

Der Langhaarige bestätigte und versuchte dabei nicht allzu kleinlaut zu klingen.

„Sein Glück.“ Wütend zogen die beiden davon. „Bring ihm Manieren bei!“

Kurz herrschte Stille. Die ganze Kneipe schien den Atem anzuhalten, bis das seltsame Pärchen verschwunden war. Dann schickte Safall Oniji mit einer rauchenden Ohrfeige wieder zurück zu Boden.
 

„Bist du völlig übergeschnappt?“, wetterte Safall, als er seinen Freund aus der Kneipe heraus und auf den Parkplatz im Hinterhof geschleift hatte.

„Ich versteh gar nicht, warum alle auf mir rumhacken! Die blöde Kuh hat mich über den Haufen gerannt und ich sollte mich dafür auch noch entschuldigen!“, maulte Oniji zurück. Nicht ganz so großfressig, wie er unter normalen Umständen gewesen wäre, denn er spürte durchaus, daß er etwas falsch gemacht hatte. Er wusste nur noch nicht so richtig, was genau.

„Das waren Shaishu und Namai! Pik Bube und Pik Dame, man!“

„Woher soll ich das wissen?“

„Selbst wenn du es nicht weist, und selbst wenn du hundertmal im Recht bist, hast du als Schüler keinen Streit mit anderen Vampiren anzufangen, du Knackwurst!“

„Schon gut, ich werd´s mir merken.“, murrte Oniji und fuhr sich mit den Fingern vorsichtig über die schmerzende Gesichtshälfte. Sie fühlte sich an, als wäre sie zu Brei geschlagen worden. „Erklär mir lieber mal, was Pik Bube und Pik Dame sind!“, fuhr er fort.

„Bube, Dame, König und Ass, im Kartenspiel die höchsten Karten. Bei uns Vampiren die Herrscher. Bube und Dame sind die Minister und Berater des Königs. Und das Ass ist seine rechte Hand, sein Stellvertreter. Shaishu und Namai sind zwei der vier ranghöchsten Vampire der Pik-Blutlinie. Sich mit denen anzulegen, war wirklich lebensmüde. Gerade mit diesen beiden! Shaishu und Namai sind wie wilde Hunde, sie zerfetzen dich in der Luft, wenn du nicht aufpasst.“

Oniji deutete ein verständnisloses Kopfschütteln an. „Solche Hierarchien gibt es in so einer Subkultur?“

Safall sagte nichts dazu.

„Gibt es auch Luschen? Also die Zahlen, Pik 2, Pik 3 und so weiter?“

„Ja. Sie werden <das Deck> genannt. Das sind hochrangige Würdenträger und Adelige. Nenne sie niemals <Luschen>, hörst du? Das kostet dich den Kopf!“

Oniji nickte nur herablassend. „Schon klar. Woran erkenne ich die?“

„Du musst sie noch nicht kennen. Du bist Schüler, du hast gefälligst mit ALLEN Vampiren Frieden zu halten und ALLEN Vampiren Respekt zu zollen, egal welchen Rang sie haben oder nicht haben. Du wirst sie noch früh genug zu sehen kriegen, wenn du zum vollwertigen Vampir wirst und deine Zähne bekommst.“

„Wenigstens die Kreuz-Schnösel sollte ich doch kennen, findest du nicht?“, meinte Oniji scherzhaft und brachte seinen Mentor damit tatsächlich kurz zum Schmunzeln.

„Lass uns wieder reingehen, sonst wird man es uns als Flucht auslegen.“, gab er nur zurück und steuerte wieder auf die Tür zu.

Der Student verspürte überhaupt keine Lust mehr, nochmal da reinzugehen. Aber was blieb ihm anderes übrig? Drinnen lief wieder alles seinen gewohnten Gang, als die beiden eintraten. Als sei nichts gewesen. Er wurde nichtmal schräg angeschaut. Nun, das war wenigstens etwas.
 


 

Oniji seufzte, als er am nächsten Tag von seinem Lehrbuch aufsah und in der Tür Safall entdeckte. Der bodenlange, schwarze Ledermantel und die langen, schwarzen Haare, die damit nahtlos verschmolzen, waren selbst quer durch den ganzen Lesungssaal unverkennbar. Jetzt kam der Gothic also schon zur Uni, um ihn aus den Vorlesungen herauszuzerren. Safall hatte ihn auch schon erspäht und steuerte zielstrebig auf ihn zu, also begann Oniji schonmal seine Tasche zu packen.

„Der Kreuz König will uns sehen.“, war auch gleich die verbissene Begrüßung, die Safall ihm vorsetzte. Ganz schnörkellos ohne unnötige <Hallos> und <Wie geht´s>.

„Das ist schlecht, nehme ich an.“, meinte der Student unbehaglich.

„Es ist naheliegend, daß es um deine Schlägerei mit dem Pik Bube und der Pik Dame von gestern geht.“

„Ich hab niemanden geschlagen! Der Kerl hat MICH geschlagen!“, hielt Oniji säuerlich dagegen. An diesen Fatzke würde er noch das nächste halbe Jahr denken, jedes Mal wenn er sich die Nase putzte. Und wenn man genau hinsah, hatte er sogar ein dezentes Veilchen davongetragen.

„Jetzt mach nicht noch Theater! Zieh dich um und dann komm. Tastan wartet nicht gern.“

„Tastan?“

„Der Kreuz König. Dein und mein Herr und Gebieter!“ Mit strengem Unterton pappte Safall ihm eine Plastiktüte voll Klamotten auf den Tisch. Scheinbar würde für eine Audienz beim Befehlshaber kein Kapuzenpulli mit Kobrabild mehr ausreichen. Jetzt musste eine richtige Gothic-Aufmachung her.

„Herr und Gebieter.“, äffte Oniji ihn nach. „Was ist der Typ denn im echten Leben? Würstchenverkäufer an einem Imbiss? Kartenabreißer im Kino? Arbeitsloser?“

„Er hat nichts, was du als echtes Leben ansehen würdest. Er ist der Pik König. Rund um die Uhr. Jeden Tag.“

„Verdammt, ein echter Sekten-Guru?“

„Genau so wie Bube, Dame und Ass, ja.“

„Wer finanziert die, sag mal?“, wollte Oniji wissen, während er die Klamotten in der Plastiktüte inspizierte.

„Die finanzieren sich selbst, indem sie Veranstaltungen organisieren, Clubs betreiben und, ja, vielleicht auch ein bischen mit schmutzigem Geld jonglieren. Schweigegelder, Schutzgelder, Abfindungen von den anderen Blutlinien, sowas eben.“

„Naja, in welcher organisierten Gemeinschaft gibt es sowas nicht?“, gab Oniji zurück und seufzte. Er hatte ein ungutes Gefühl. Das hier war kein Rollenspiel, wie er immer gedacht hatte. Das hier war bitterer Ernst. Es gab echte Befehlshaber, echte Politik innerhalb der Szene, wohlmöglich sogar Yakusa-ähnliche Zustände mit Erpressung und krummen Geschäften im großen Stil. Beängstigend. „Scheiße, man, jetzt sitze ich wohl echt mit dem Arsch in der Bratpfanne. Hat es in der Vampir-Szene schonmal Tote gegeben?“, wollte der Student wissen.



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